Was kann man tun, um Demenz und Alzheimer vorzubeugen? - Weltalzheimertag, 21.09.2011
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Was kann man tun, um Demenz und Alzheimer vorzubeugen? Weltalzheimertag, 21.09.2011 K. Hager Klinik für Med. Reha und Geriatrie Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH, Kirchrode
wovon reden wir? Vorbeugung, Prävention • primäre Prävention – gesunde Menschen sollen keine Hirnleistungseinbußen bzw. keine Demenz bekommen • sekundäre Prävention – Menschen mit Frühsymptomen (z.B. mild cognitive impairment, MCI) erkennen und das Voranschreiten zu einer Demenz verhindern • tertiäre Prävention – Menschen mit Demenz – damit umgehen können, Krankheitsfolgelasten zu minimieren und Pflegebedürftigkeit vermeiden → Beratung, Hilfen für Angehörige usw. • Vermeidbare und unvermeidbare Risikofaktoren • Laut einer Studie mehr als 1/3 der Risikofaktoren vermeidbar.
wovon reden wir? Demenz? Alzheimer? Demenz (Oberbegriff, klinische Diagnose) apparative Untersuchungen neuro‐ Durchblutungs‐ Kombination andere Ursachen degenerativ störungen (16%) (8%) (4%) (70%) Alzheimer D. Hirntumor, (60%) Schlaganfälle Hirnentzündung Lewy Body D. ... usw.... ... Häufigkeitsangaben nach den „Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, 3. Auflage, 2004“
wovon reden wir? Entwicklung der Zahl von Demenzkranken Entwicklung der Zahl von Demenzkranken in Deutschland bei gleich bleibenden • Die Zahl der altersspezifischen Prävalenzraten 2.046,2 Demenzkranken wird 1.810,8 sich bis 2050 von ca. 1 650 Millionen auf über 2 600 1.561,4 550 Millionen mehr als 500 450 1.388,2 verdoppeln. 400 in 1.000 350 300 1.155,2 • Der Grund: Das Risiko 250 steigt mit dem Alter. 200953,5 150 100 • So leidet im Alter 50 0 zwischen 65 und 69 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Jahren jeder Zwanzigste daran, aber zwischen 70 Jahr und 74 ist schon 65-69 Jahre 70-74 Jahre 75-79 Jahre jeder Zehnte betroffen. 80-84 Jahre 85-89 Jahre 90 Jahre und älter Quelle: Bickel (2001)
wovon reden wir? Angenommene Entwicklung der Zahl von Demenzpatienten in Kanada ©2008 by Canadian Medical Association Chertkow H CMAJ 2008;178:316-321
wovon reden wir? Demenz – eine teuere Erkrankung • WIESBADEN – Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) betrugen die Krankheitskosten durch psychische und Verhaltensstörungen im Jahr 2008 knapp 28,7 Milliarden Euro. • Für gut die Hälfte dieser Kosten waren nur zwei Diagnosen verantwortlich: 9,4 Milliarden Euro wurden für Demenzerkrankungen und 5,2 Milliarden Euro für Depressionen ausgegeben. • Die Kosten für die Krebsbehandlung lagen bei 18 Mrd. Pressemitteilung 280 Statistisches Bundesamt vom 11.08.2010 • Eine Reduktion der Fälle um 10% → Einsparung von knapp 1 Mrd. Euro
wovon reden wir? Demenz • ist eine im Alter häufige Erkrankung. – ca. 1 von 5 über 80jährigen, 1 von 3 der über 90jährigen ist betroffen • wird aufgrund der steigenden Lebenserwartung in Zukunft weiter zunehmen, vor allem die Alzheimer- Demenz. • ist eine teuere Erkrankung. • ist eine für den Patienten und seine Familie belastende Erkrankung. • ist derzeit nicht heilbar. → also am besten vorbeugen → ist das überhaupt möglich? → und wenn ja, wie? • Schon eine geringe Reduktion der Fälle wäre mit großen Einsparungen für das Gesundheitssystem verbunden.
Prävention - Medikamente Nachweismöglichkeiten • Epidemiologische Studien – Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen, dass bestimmte Medikamente mit einem selteneren Auftreten einer Demenz einher gehen. – z.B. Rheumamittel, Fettsenker, Östrogene, Blutdrucksenker • Interventionsstudien – Es gibt wenige Behandlungsstudien, d.h. Studien, bei denen eine Maßnahme gezielt zur Verhinderung der Demenz eingesetzt wurde.
Prävention - Medikamente was hat nicht funktioniert: z.B. Rheumamittel (Typ Voltaren, Ibuprofen) Die Rotterdam-Studie Design: (n=6989) Große Längsschnitt- untersuchung an 6989 1 0,95 Personen über 8 Jahre. 0,9 0,83 0,8 Ergebnis: 0,7 Relatives 0,6 Personen, die NSAR Risiko 0,5 einnahmen, hatten ein 0,4 erniedrigtes Risiko, an AD 0,3 0,2 zu erkranken. Je länger das 0,2 NSAR eingenommen 0,1 0 wurde, desto niedriger war 24 Monate das Risiko. NSAR-Einnahme In‘t Veld et al., N Engl J Med 2001, 345(21): 1515-1521
Prävention - Medikamente Kontrollierte klinische Studie mit Naproxen und Rofecoxib Naproxen Rofecoxib Placebo Design: 0 351 AD-Patienten (MMST -1 13-26) erhielten über ein Jahr Naproxen (440mg/d), Verschlechterung -2 Rofecoxib 25mg/d) oder ADAS-cog -3 Placebo. -4 -5 Ergebnis: -6 -5,8 -5,7 Kein signifikanter Effekt auf -7 Kognition nach einem Jahr. -8 Auch alle anderen -7,6 Parameter negativ. Aisen et al., JAMA 2003; 289: 2819-2826
Prävention - Medikamente Auch eine präventive Langzeitstudie über mehrere Jahre zeigte keinen Effekt Design: Prospektive Studie an 2.500 gesunden Personen (>70a) über >4 Jahre. Behandlung mit Naproxen (440mg/d), Celecoxib (400mg/d) oder Placebo.
Prävention - Medikamente Statine Epidemiologisch wie bei den NSARs: Retrospektive Untersuchungen geben Hinweise, dass die die Behandlung mit Statinen (Mevinacor, das Risiko für Alzheimer-Demenz senkt Wolozin et al., Arch Neurol 2000; 57: 1439-1443 Design: 56.790 Patienten aus 3 Klinik- Datenbanken (USA) Ergebnis: Lovastatin und Pravastatin senkten die Prävalenz der AD um 60-70%; Simvastatin hatte keinen Effekt
Pravastatin und Kognition Trompet et al., J. Neurol. 257/1 (2010) 85-90
Ginkgo biloba zur Prävention der Demenz doppelblind, randomisiert, 3069 ältere Freiwillige, gesund oder MCI DeKosky et al., JAMA 300 (2008) 2253-2262
was ist noch nicht nachgewiesen? zum Beispiel: • Vitamin E, • B-Vitamine • Östrogene • andere Ames, J. Neural. Transm., 9 (2011) 1379-1381
Prävention – hoher Blutdruck Behandlung des hohen • Die Behandlung des Bluthochdrucks hohen Blutdrucks verringert die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Demenz (Syst-Eur- Studie) in einer Studie um 55%. • Forette et al., Arch. Intern. Med. 2002, 162:2046-2052 • andere Studien zum Teil weniger erfolgreich • keine Studie, die direkt auf die Demenz ausgerichtet ist
„Prävention könnte jede dritte Demenz vermeiden“ • Meldung im Deutschen Ärzteblatt im August 2010 • Esprit-Studie aus Frankreich, Senioren aus der Stadt Montpellier, zu Beginn im Durchschnitt 72 Jahre alt • Von 1.433 Teilnehmern sind innerhalb von 7 Jahren 405 an einer Demenz erkrankt. • Depressionen (10,3 Prozent), Diabetes (4,9 Prozent) und eine gesunde Ernährung mit mehr als zwei Portionen Obst und Gemüse am Tag (6,5 Prozent) „erklärten“ jede fünfte Demenz. Ebenso stark war mit 18,1 Prozent der Einfluss eines niedrigen Bildungsniveau (“Neale adult reading test”). Zusammen beträgt der Anteil der vermeidbaren Risikofaktoren bei 38,8 Prozent. • Ob allerdings wirklich mehr als ein Drittel aller Demenzerkrankungen durch eine bessere Schulbildung, gesunde Ernährung und die Meidung von Diabetes und Depressionen vermieden werden könnten, steht sicherlich auf einem anderen Blatt.
Prävention – Zuckerkrankheit Esprit-Studie • Zuckerkrankheit ist ein Risikofaktor für Demenz • ob eine bestimmte Behandlung der Zuckerkrankheit das Risiko verringern kann, ist noch nicht geklärt • Depression und weniger als 2x/Tag Früchte oder Gemüse sind Risiken • scheinbar größerer Effekt als genetische Faktoren (ApoE4-Allel) Ritchie et al., BMJ, 341 (2010) c3885-
Prävention – hoher Blutdruck vaskuläre Demenz Bild aus: http://alzheimer.mcw- portal.com/index.php?id=86
Prävention – hoher Blutdruck Ernährung und Demenzrisiko: Spielt Fett eine Rolle ? – Die Rotterdam Studie 7983 Personen aus einem Vorort von Rotterdam Mittleres Follow-up 6,0 Jahre 197 Fälle von Demenz (146 AD, 29 VD) Ergebnis Keine Erhöhung des Demenzrisikos bei - hoher Aufnahme von Gesamtfett, gesättigten FS, Transfettsäuren und Cholesterin - niedriger Zufuhr von einfach- und mehrfach- ungesättigten Fettsäuren Engelhart MJ, Geerlings MI et al Neurology 2002; 59: 1915 - 1921
Prävention – vaskuläre Risikofaktoren Behandlung vaskulärer Risikofaktoren prospektive Studien: relativ geringe Zahl • hoher Blutdruck → möglicher Effekt • Zuckerkrankheit → kein klarer Effekt • erhöhte Blutfette → kein klarer Effekt • Fettleibigkeit → keine Studien • erhöhtes Homozystein → nicht eindeutig Lighthart et al., Vasc. Health Risk Manag. 6 (2010) 775-785
Prävention – körperliche Aktivität Körperliche Aktivität bei gesunden älteren Menschen • FINE-Studie • im Durchschnitt 74jährige Männer • Beobachtung über 10 Jahre • eher zunehmende körperliche Aktivität besser als gleichbleibende Aktivität van Gelder et al., Neurology 63/12 (2004) 2316- 2321
Prävention – körperliche Aktivität Körperliches Training = geistiges Training? „aerobic exercise can improve a number of aspects of cognition and performance“ Hillman et al., Nature Reviews Neuroscience 9, 58-65 (2008)
Prävention – körperliche Aktivität körperliche Betätigung gültig für Männer und Frauen Laurin et al., Arch. Neurol., 58/3 (2001) 498-504
Prävention – geistige Tätigkeit Training verbessert die kognitiven Leistungen (z.B. vier Monate, 3 Stunden pro Woche individuelles Training und Hausaufgaben) Tsantali et al., (2009). The effects of a cognitive training program on trained and untrained cognitive functions of non demented elderly and Alzheimer’s patients. International Journal of Psychosocial Rehabilitation. 14 (1), 77-97 Table 6. Mean and SD in naming performance in the 3 phases of performance. 6 months Baseline 3 months Follow up Follow up GROUPS Μean Μean SD Μean SD SD 103 1 AD CONTROL 101 12.9 97 9.7 1.8 101 1 AD EXPERIMENTAL 169 13.3 156 9.4 5.4 172 1 NON DEM. CONTROL 172 15.0 168 12.6 3.2 NON DEM. 157 2 191 9.0 185.7 10.8 EXPERIMENTAL 2.5
Prävention – geistige Tätigkeit Geistige Aktivität als Mittel zur Prävention der Demenz? „Nonnen-Studie“ • longitudinale Studie, 1994 bis 2001, 4,5 Jahre • 801 ältere katholische Nonnen, Priester und Brüder ohne Demenz in den USA • geistige Aktivität (Score-System) von 1.57 bis 4.71 • 111 Personen entwickelten AD • 1 Punkt mehr geistige Aktivität war vergesellschaftet mit einer verringerten Abnahme der Hirnleistung um 47%, des Arbeitsgedächtnisses um 60% und der Aufnahmefähigkeit um 30% Wilson et al., JAMA, 2002, 742-8
Prävention – geistige Tätigkeit „Nonnen-Studie“ • Das Risiko einer Alzheimer- Erkrankung sinkt bei körperlicher Aktivität (egal wie intensiv) • Das Risiko sinkt auch bei geistiger Aktivität Wilson et al., JAMA 287 (2002) 742-748
Prävention – Lifestyle Nichtmedikamentöse Prävention von kognitivem Abbau im Alter • Gedächtnis- und Psychomotoriktraining erhält die Selbständigkeit besser • Gedächtnis- und Psychomotoriktraining erhalten die Kognition besser Oswald et al., Z. Gerontol. Geriatr., 2001, 34, 116-121
Prävention – Ernährung Allgemeine Ernährungsempfehlungen zur Prophylaxe der Demenz • Mediterrane Kostform – regelmäßig Seefisch – Bevorzugung von Olivenöl/Rapsöl – wenig Fleisch – 2xtäglich Obst und Gemüse – Vitamin D (Llewellyn etl., 2010) • Moderater Alkoholkonsum
Prävention – Ernährung Fisch und Demenzrisiko 1416 Teilnehmer der PAQUID-Studie aus Frankreich Fischkonsum Demenzfälle Inzidenz / 100 Personenjahre Einmal am Tag 1 1,00 (0,00 – 2,97) Mindestens einmal pro 124 2,05 (1,69 – 2,41) Woche Gelegentlich 35 2,90 (1,94 – 3,87) (nicht wöchentlich) Nie 10 6,61 (2,51 – 10,70) Barberger-Gateau P, Letenneur L, et al., BMJ 2002; 325: 925 – 933. 1 Fischölkapsel/Tag? Johnson und Schaefer, 2006, Am. J. Nutr., 83, 1494S
Prävention – Lifestyle Einfluss moderaten Alkoholkonsums auf die kognitive Funktion von Frauen (Nurses Health Study) Stampfer MJ et al, N Engl J Med 2005; 352: 245 - 253 J-Kurve, Abnahme des Risikos für kognitive Leistungseinschränkung um 20 % bei moderatem Konsum (< 15 g/Tag), keine signifikanten Unterschiede zwischen den Alkoholika, bei mehr als 5 Gläser Wein 3,2faches Risiko, bei häufiger Trunkenheit 10,5faches Risiko
Prävention – Lifestyle Rauchen und Alzheimer Peters et al. BMC Geriatrics 2008 8:36
Prävention – Lifestyle Kalorienrestriktion • Effekt schon nach drei Monaten, • hingegen sind ungesättigte Fettsäuren (UFA) weniger wirksam. Witte et al., PNAS, 106 (2009) 1255-1260
Prävention – Lifestyle Am Besten alles zusammen: Wortgedächtnis und gesunder Lebensstil Lebensstil: • körperliche Aktivität • Ernährung • Gewicht (BMI) • Rauchen, Alkohol Lebensstilindex: hohe Zahl besser hoher Memory Score: besseres Gedächtnis Floel et al., Neuroepidemiology, 31 (2008) 39-47
Prävention – Lifestyle Arbeit und Alzheimer • Eine größere Komplexität der Arbeit mit Menschen und Daten in einer Zwillingsstudie kann das Risiko der Alzheimer-Krankheit (bzw. der Demenz) vermindern. • Andel et al., Complexity of work and risk of Alzheimer's disease: a population-based study of Swedish twins, J. Gerontol. B. Psychol. Sci. Soc. Sci., 60/5, 2005, 251-258
Prävention – Lifestyle Einsamkeit und geistiger Abbau • Einsamkeit verdoppelt Alzheimer-Risiko • Einsamkeit ist dabei aber nicht verbunden mit Alzheimer-Veränderungen im Gehirn Wilson et al., Arch Gen Psychiatry, 2007;64(2):234-240
Prävention – Lifestyle Teufelskreis vermeiden Krankheit, Depression Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit aktives Leben aufgeben Rückzug weniger Sozialkontakte weniger Bewegung
Prävention – Zusammenfassung Zusammenfassung • Es gibt fast nur epidemiologische Studien, kaum gezielte Behandlungsstudien – Die Erforschung der Prävention der Demenz bzw. des M. Alzheimer wurde lange „vergessen“. • Medikamente zur Vorbeugung? – derzeit keine Medikamente empfehlenswert – von den neuen Substanzen in Studien derzeit keine eindeutige Empfehlung • kardiovaskuläre Risikofaktoren • Blutdruck senken wahrscheinlich wirksam, vor allem im Hochrisikobereich • Zuckerkrankheit vermeiden • „Lifestyle“ • körperliche Betätigung • geistige Betätigung • Ernährung • komplexe Arbeit • Einsamkeit und Depression vermeiden, soziale Aktivitäten • besser nicht nur eine, sondern möglichst viele Maßnahmen. • nur Risikoreduktion, nicht Verhinderung (z.B. auf das 0,8 oder 0,6fache Risiko)
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit Gedächtnissprechstunde Hannover Dipl.-Päd. M. Kenklies Prof. Dr. med. K. Hager Klinik für medizinische Rehabilitation und Geriatrie, Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH Schwemannstrasse 19 30559 Hannover Tel.: 0511-289-3222 (Sekr.) oder: 0511-289-3804 (Frau Kenklies) E-Mail: klaus.hager@ddh-gruppe.de http://www.memoryambulanz-hannover.de
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