Die Archivbibliothek - Nichts als alte Bücher? - Walter Gebhardt
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NORICA Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg 9 / 2013 Walter Gebhardt: Die Archivbibliothek – Nichts als alte Bücher? Was liegt näher, als einen Text zur Archivbibliothek mit Exemplaren aus ihrem Be- scheinlicher ist, denn die Anrufenden verken- stand zu illustrieren? Die folgende Bildstrecke greift einige Bände heraus, die sich nen meist die Aufgabe der Archivbibliothek. ebenso wie dieses Norica-Heft Aspekten des Nürnberger Buchwesens widmen. Vielfach wird angenommen, dass diese ein Endlager für veraltete Literatur sein könnte. Solcherlei Friedhofsfunktion wird bisweilen in der Stadtverwaltung im Hinblick auf überholte juristische Literatur, derer man sich gern ent- ledigen möchte, herbeigewünscht. In diesem Fall genügt ein weiterleitender Hinweis auf die Verwaltungsbibliothek der Stadt, die unter der Ägide des Rechtsamts im obersten Stockwerk des Rathauses am Hauptmarkt residiert. Ähn- lich einfach gestaltet sich der Fall, wenn es je- mandem schwerfällt, Papiertonnen mit bieder- meierlichen Ausgaben deutscher Klassiker oder „wertvollen“ goldschnittgefassten Geschichts- werken aus dem vorvorletzten Jahrhundert zu veredeln. Auch hier können wir nicht mit Inter- esse, sondern lediglich mit der Empfehlung dienen, bei einem Antiquariat anzufragen – verbunden mit der Andeutung auf mutmaßli- che Schwerverkäuflichkeit. Komplizierter wird es, wenn ganze Privatbibliotheken angeboten werden, zumeist von gerade verwitweten Ehe- frauen: „Mein Mann hat Bücher gesammelt, die Wohnung quillt über davon; ich kenn’ mich „Es begann 1390 …“: Am Johannistag rüstete der innovative Nürnberger Handels- herr Ulman Stromer die Gleißmühle zur Hadermühle um. Er schuf damit auf der damit überhaupt nicht aus und weiß nicht, wo- heutigen Wöhrder Wiese die erste Produktionsstätte für Papier nördlich der hin damit.“ In solchen Fällen steht ein Hausbe- Alpen. Das Foto stammt aus einem äußerst seltenen Büchlein mit Szenen aus such an. Vor Ort lassen sich hoffentlich einige einem 1950 entstandenen Kulturfilm, der die Geschichte der „papiernen Kunst“ hilfreiche Anmerkungen zum Wert des Nach- halbdokumentarisch nachbilden wollte – übrigens unter tätiger Mithilfe der Vereinigten Papierwerke Nürnberg. (StadtAN Av 2585.8) lasses machen. Für das Stadtarchiv viel ent- scheidender ist freilich, ob der eine oder an- Die Anrufe kommen nicht alle Tage, jedoch in dere Band eventuell eine Lücke in der eigenen schöner Regelmäßigkeit. Sie klingen etwa so: Sammlung schließen könnte. „Wir haben hier alte Bücher, die bei uns nie- Womit wir endlich beim hauseigenen Samm- mand liest. Bevor wir alles wegwerfen, haben lungsprofil angelangt wären. Eine Bibliothek wir an das Stadtarchiv gedacht. Können Sie die ist ja keine beliebige Hortung von Drucker- brauchen?“ Wie so oft im Leben fällt die Ant- zeugnissen, sie verfolgt stets einen auf den wort nicht ganz leicht und lässt sich – zumin- Träger oder/und den Nutzer ausgerichteten dest bei diesem kargen Informationsstand – Zweck. Bei unserer Bibliothek des Stadtarchivs noch nicht auf ein schlichtes Ja oder Nein redu- liegt angenehmerweise der Idealfall vor, dass zieren. Wobei die Ablehnung wesentlich wahr- sich beide Interessenlagen weitgehend decken. 38 Berichte
Die Archivbibliothek – Nichts als alte Bücher? NORICA 9 / 2013 Unser Augenmerk soll stattdessen einmal der so genannten Grauen Literatur gelten – der Fachbegriff umschreibt hübsch ihr Schat- tendasein abseits des Buchhandels. Sie muss noch nicht einmal in gedruckter Form vor- liegen. Allermeist ungedruckt bleiben etwa die zahlreichen universitären Magister- oder Diplomarbeiten wie auch schulische Fach- oder Seminararbeiten. Gedruckt, aber kaum in Buchhandlungen zu finden, sind die so ge- nannten Gelegenheitsschriften. Solche „Gele- genheiten“ sind vor allem Jubiläen, zu denen unterschiedlichste Institutionen gerne Fest- schriften erstellen. Häufig verewigen sich auf diese Weise Firmen („150jähriges Jubiläum J. A. Huck in Nürnberg“), Feuerwehren („Fest- schrift zur Fahnenweihe der Freiwilligen Feuer- wehr Nürnberg-Laufamholz“), Vereine („125 Jahre Gesellschaft Museum Nürnberg“), Ver- bände („110 Jahre Süddeutscher Verband Reisender Schausteller und Handelsleute e. V., Sitz Nürnberg“) oder Kirchengemeinden („50 Jahre Paul-Gerhardt-Kirche Nürnberg-Lang- wasser“). Es leuchtet ein, dass man sich auf der Das „Brieffbuch der Koberger“ besteht im Wesent- Suche nach Informationen etwa zur hier ex- lichen aus der Geschäftskorrespondenz des Nürnberger emplarisch genannten Paul-Gerhardt-Gemein- Buchmagnaten Anton Koberger zwischen 1495 und Supralibro mit Famili- 1509. Der Leipziger Buchhändler und Verleger Oskar de ohne die Festschrift ungleich schwerer tun enwappen und Besitz- Hase brachte die Edition 1881 als Liebhaberobjekt würde. Dass Sportvereine sich regelmäßig per vermerk des Nürnber- heraus: Die Auflage betrug gerade mal 25 Exemplare, eigener Zeitschrift bei ihren Mitgliedern mel- ger Patriziers Guido deren Nr. 16 die Archivbibliothek 1994 antiquarisch von Volckamer, dessen den, ist bekannt; auch Bürgervereine tun das „Norika-Sammlung“ erwerben konnte. (StadtAN Av A 335) die Archivbibliothek einen großen Teil ihres Salopp formuliert soll hier alles anlanden, was Altbestands verdankt. irgendwie mit Nürnberg zu tun hat ohne zwi- Die hier wiedergege- schen zwei Aktendeckeln eingeklemmt zu sein. bene No. 2173 vergab Der sich dort wiederfindende schriftliche Aus- Volckamer an die „Aelteste Buchdrucker- fluss des städtischen Verwaltungshandelns geschichte Nürnbergs“, bleibt den Beständen des Archivs vorbehalten – erworben 1903 für die Archivbibliothek sieht sich in Ergänzung 5 Mark. Er hatte damit dazu als zentrale stadtgeschichtliche Doku- seine Sammlung um das erste gedruckte mentationsstelle aller Nürnberg betreffenden Verzeichnis von hiesi- schriftlichen Zeugnisse von überall her. gen Inkunabeln berei- Aufgenommen werden alle relevanten Schrif- chert. Georg Wolfgang ten unabhängig von Umfang oder Erschei- Panzer hatte es 1789 herausgebracht, der nungsform. Das bedeutet vor allem, dass der Pfarrer von St. Sebald Buchhandel nur den kleineren Teil des Zugangs registrierte und kom- liefern kann. Da diese unzweifelhaft gewichti- mentierte damals 338 ge Komponente über die dortigen Regale für Titel. Heute kennt man weit über 1.000 Wie- Regionalliteratur als geläufiger vorausgesetzt gendrucke Nürnberger werden darf, kommt sie im Folgenden etwas Provenienz. (zu) kurz. (StadtAN Av 2354.4) Berichte 39
NORICA Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg 9 / 2013 Kinder- und Jugend- der von Marcus Freund, in: Grimmelshausen als literatur bilden seit Kalenderschriftsteller und die zeitgenössische jeher einen Schwer- punkt im Nürnberger Kalenderliteratur, Bern u. a. 2011, S. 291–306. Verlagswesen. In Gemeinsam ist den genannten Beispielen der der Archivbibliothek keineswegs seltene Umstand, dass „Nürnberg“ sind Kinderbücher im in der Titelfassung nicht auftaucht. Solche Original zwar kaum vertreten, sehr wohl Schriften, wo Nürnberg zwar nicht draufsteht, hingegen als Gegen- aber drin ist, sind nur mit Hintergrundwissen stand wissenschaftli- als relevant zu erkennen. Dass Georg Pencz cher Forschung. Anke den „Drei gottlosen Malern“ aus dem Umkreis te Heesens Oldenbur- ger Dissertation „Der Dürers zuzurechnen ist, weiß mancher heimat- Weltkasten“ untersucht oder kunstgeschichtlich Interessierte durch- ein Bilderlexikon des aus; Marcus Freund hingegen dürfte nur we- Nürnberger Pädago- nigen Insidern als Nürnberger Kalendermacher gen Johann Sigmund Stoy, das Jugendli- geläufig sein. Klar ist, dass auf diesem unüber- chen gegen Ende des sichtlichen und letztlich unüberschaubaren 18. Jahrhunderts die nötige Allgemeinbil- dung vermitteln sollte. Didaktisch durchdacht wirkt die Ausstattung: Zwei Textbänden sind 468 Bilder beigege- ben zum Einsortieren in einen Wissens- schatzbehälter – den „Weltkasten“. (StadtAN Av A 946) und hinterlassen auf diese Weise wertvolle De- tailstudien zu ihren Stadtteilen. Weniger be- kannt dürfte sein, dass sich zum Beispiel die Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e. V. in ihrem Vereinsorgan „Die Straßaboh“ ebenso kenntnis- wie inhaltsreich zum öffent- lichen Nahverkehr in Nürnberg äußern. Auch Jahresberichte (vor allem von Schulen), Ge- schäftsberichte, und nicht zuletzt auch dem Stadtarchiv freundlicherweise überlassene pri- vate Studien, fallen unter diese bibliothekari- sche Form von „dunkler Materie“. Ebenfalls dem normalen Blickfeld entzogen Ein antiquarischer Antiquariats-Katalog: Anfang 2012 sind Nürnberg betreffende Aufsätze, die sich erhielt die Archivbibliothek aus einem Nachlass den in Zeitschriften oder Büchern verstecken. Auch bibliografisch bisher nicht nachgewiesenen „Antiqua- sie werden soweit als möglich für die Archivbib- riats-Katalog Nr. 1 der Joh. Phil. Raw’schen Buchhand- lung und Antiquariat (J. Braun) in Nürnberg“. Im liothek beschafft. Ein kleines, recht entlegenes 17. Jahrhundert war Nürnberg zu einem Zentrum der Beispiel: David Ekserdjian: A painting of Tomy- evangelischen Publizistik aufgestiegen, wofür später ris by Georg Pencz in Zagreb, in: The Burling- vor allem der Verlag der Raw’schen Buchhandlung ton magazine 153 (2011), S. 28–29. Ein weite- verantwortlich zeichnete. So kann das Fach Theolo- gie für den Raw’schen Katalog Nr. 1 ebenso wenig res, diesmal einem Sammelband entnommen: überraschen wie der hohe Anteil von Publikationen Rosmarie Zeller: Wissensvermittlung in Kalen- aus Nürnberg im Feld der fast 1.500 angebotenen Titel. dern der frühen Neuzeit am Beispiel der Kalen- (StadtAN Av A 4364) 40 Berichte
Die Archivbibliothek – Nichts als alte Bücher? NORICA 9 / 2013 Feld der „versteckten“ Literatur niemals Voll- Das genaue Ge- ständigkeit erreicht werden kann. Wie groß burtsjahr Johannes Gutenbergs ist nicht das Defizit ausfällt, hängt zum einen von der bekannt, der Einfach- Sachkenntnis des Lektors ab. Auch der Zeit- heit halber wurde es aufwand, der für die Literatursuche betrieben auf 1400 festgelegt. An werden kann und der zur Verfügung stehende den somit im Jahr 1900 fälligen Feierlichkeiten bibliografische Suchapparat setzen Grenzen. für den Erfinder des Nicht zuletzt ergänzt bibliothekarische Findig- Buchdrucks beteiligten keit aber mitunter schlicht der Zufall. sich auch die Nürnber- Wollte man die häufig gebrauchte Metapher ger Drucker mit drei Veranstaltungen. „Zum vom Archiv als Gedächtnisort noch einmal be- bleibenden Angeden- mühen, wäre die Archivbibliothek die darauf ken“ beschrieb eine aufbauende denkende Instanz, wo die frag- aufwändig gestaltete mentarisch gespeicherten Informationen ana- Festschrift die Festakte und protokollierte die Reden. (StadtAN Av 757.4) lysiert, geordnet, interpretiert und verglichen werden. Viele Fragestellungen lassen sich über die Literatur bereits schlüssig auflösen, wo- mit die gemeinhin zeitaufwändigere Suche in Archivalien vermieden werden kann. Nicht immer, aber auch nicht selten, kann die Ar- chivbibliothek hierfür Material anbieten, das öffentlich zugänglich nur hier existiert. Insgesamt dürfte etwa ein Drittel des Archiv- bibliotheksbestandes auf direkt Nürnberg be- treffendes Schrifttum entfallen. Sein Spek- trum ist so breit gefächert, dass sich darin alle Bereiche des städtischen Lebens widerspie- geln sollten. Ein Schwerpunkt liegt gewiss bei der spätmittelalterlichen Blütezeit der Reichs- stadt mit ihren Handelsbeziehungen und der Reformation; für die neuere Zeit mögen In- dustrialisierung und Arbeiterbewegung im Die Buchdruckerkunst ist ein mit gefährlichen Waffen gefülltes Zeughaus. Ein Leitsatz Napoleons, der selbst 19. Jahrhundert sowie die mit der „Stadt der nicht minder gefährlich war – den Nürnberger Buch- Reichsparteitage“ bis heute leidvoll verbunde- händler Johann Philipp Palm kostete er das Leben. ne Auseinandersetzung mit dem Nationalso- Für die bloße Verbreitung einer anonymen Flugschrift zialismus stehen. Vom etwas vollmundig pos- wider die französische Fremdherrschaft ließ ihn Napoleon 1806 in Braunau hinrichten. Palm nahm den tulierten universellen Anspruch auf all das, Namen ihres Verfassers mit ins Grab. Der an sich wenig wo Nürnberg drin ist, sind allerdings ein paar bedeutende Buchhändler wurde fortan zum Märtyrer Abstriche zu machen. So bleibt etwa die Bel- hochstilisiert und damit zum berühmtesten Vertreter letristik (die heute gerne als Nürnberg-Krimi seiner Profession. Die Gedenkschrift mit der bildlich nachempfundenen Erschießung erschien zum daherkommt) und die Mundartdichtung der 100. Todestag. (StadtAN Av 4950.8) Stadtbibliothek vorbehalten, ebenso die schier Berichte 41
NORICA Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg 9 / 2013 Jahresberichte kum sieht, sind weitere Sammelgebiete die unterschiedlichster Vergleichende Städteforschung (besonders Institutionen bilden eine zwar trockene, Reichsstadtgeschichte), die Historischen Hilfs- aber faktengesättigte wissenschaften (besonders Archivwesen) und Quelle für die histo- Quellenpublikationen. Als zusätzlicher Bereich rische Forschung. Das fungiert eine Zeitungsausschnittsammlung macht sie zu typischen Bibliotheksobjekten. vorwiegend aus den Jahren 1925–1965. Ihre Umso verwunderlicher, circa 8.000 heimatkundlichen Artikel sind mit dass sich die frühesten einem eigenen Schlagwortkatalog erschlossen, Jahresberichte der der nicht selten auf Literatur zu Personen und Mitgliedschaft Nürn- berg im Verband der Themen weist, die sonst nirgends Erwähnung Deutschen Buchdrucker finden. Die aktuelle stadtgeschichtliche Aus- 1913–1915 offenbar nur wertung der lokalen Zeitungen wird übrigens in der Archivbibliothek nicht von der Archivbibliothek betrieben, sie erhalten haben. (StadtAN AvPer 643) obliegt der Stadtchronik. Die Archivbibliothek hat derzeit einen Umfang von annähernd 50.000 Bänden. Jährlich kom- men etwa 900 Bände hinzu. Zu einem guten Teil handelt es sich dabei um Geschenke und Tauschsendungen sowie Belegexemplare. Ihre Abgabe ist verpflichtend, wenn Text- oder Bild- dokumente aus dem Archivbestand für Publi- kationen verwendet werden. Für den verblei- benden – wertmäßig bedeutenderen – Rest steht ein Anschaffungsetat in Höhe von etwa 15.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Während unendliche Literaturproduktion zum Werk Al- Stadtbüchereien ihren Bestand peu à peu durch brecht Dürers. neuere Literatur ersetzen und damit nur in ge- Je nach Nürnberg-Bezug dient mittelfränki- ringem Umfang wachsen, wird in der Archivbi- sche, fränkische, bayerische, deutsche Orts- bliothek kaum ausgesondert oder weggewor- und Landeskunde der Abrundung. Da die Ar- fen, sie vermehrt sich deshalb kontinuierlich. In chivibliothek ihre Zuständigkeit vor allem für diesem Sinne ist sie eine echte „Archiv“-Biblio- ein fundierte Information suchendes Publi- thek, die ihren Blick nicht nur auf aktuelle Nut- zerinteressen richten darf, sondern dauerhaft das komplette lokalgeschichtliche Schrifttum bereithalten und für die Nachwelt sichern soll. So schwingt beim Bestandsaufbau stets die 2008 durfte die Spekulation auf potenzielle Themen mit: Was Nürnberger Druckerei könnte irgendwann einmal nachgefragt wer- Hofmann ihr 100-jäh- den? Zwar mag manche schriftlich verbreitete riges Bestehen feiern. Zu diesem Anlass Erkenntnis mit der Zeit überholt sein, sie spie- erschien eine Festgabe gelt dann aber immer noch den Wissensstand in einer Auflage von einer Epoche wider und bleibt damit mindes- 1.000 Exemplaren. Die tens historisch von Interesse. bescheidene und ganz dem Stil der Zeit ver- Wollte man der Archivbibliothek einen Stem- haftete Festschrift zum pel aufdrücken, käme am ehesten der Typus 50-jährigen Jubiläum einer wissenschaftlichen Gebrauchsbibliothek dürfte eine wesentlich heraus. In ihrem Kern ist sie eben keine An- geringere Stückzahl erreicht haben. sammlung alter Bücher. Ein Blick auf den An- (StadtAN Av A 874) teil des Altbestands präzisiert diese Einschät- 42 Berichte
Die Archivbibliothek – Nichts als alte Bücher? NORICA 9 / 2013 Neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden häufig in Fachzeit- schriften präsentiert. In Band 17 der „Acta Comeniana – Internati- onale Revue für Studi- en über J. A. Comenius und Ideengeschichte der Frühen Neuzeit“ erschien 2003 ein Beitrag der Prager His- torikerin Olga Fejtová über „Die bürgerliche Buchkultur in Nürnberg im 17. Jahrhundert“. (StadtAN Av A 2444) Hochschulschriften sind typische Vertreter für die wissenschaftliche „Graue Literatur“. Susanne Asches den. Sie bestand damals im Wesentlichen aus „Studien zum Nürnberger Buchwesen des 15. und 16. historischen Spezialwerken; stadtgeschichtli- Jahrhunderts“ sind zumindest ihrer Form nach auch che Literatur galt noch als entbehrlich, da das längst Geschichte: Die 1981 eingereichte Magister- arbeit wurde noch in die Schreibmaschine getippt. Stadtarchiv ab 1883 zusammen mit der Stadt- (StadtAN Av 8133.4) bibliothek in einem Gebäude untergebracht war. 1931, als das Archiv in ein eigenes Amtsge- zung: Vor 1900 sind bescheidene 7 Prozent der bäude zog, verfügte die Amtsbibliothek über Bücher erschienen; gerade mal 2 Prozent fallen bescheidene 960 Bände, überwiegend aus den unter die bis zum Jahr 1800 gezogene Grenze Bereichen Archivwesen, Geschichte und Ge- der „alten Drucke“. schichtliche Hilfswissenschaften. Bis zu ihrer Den Liebhaber bibliophiler Kostbarkeiten wer- Vernichtung war der Umfang auf rund 3.000 den solche Werte nur wenig erfreuen. War- Bände angewachsen. um die Zahlen so eindeutig zugunsten der Ge- Dass die Archivibliothek am Ende dieses Schick- genwartsliteratur ausfallen, liegt nicht zuletzt salsjahrs bereits wieder über etwa 2.000 Bän- in der vergleichsweise kurzen Geschichte der de verfügte, muss als einmaliger Glücksfall Archivbibliothek begründet. Als am 2. Janu- betrachtet werden. Der 1944 verstorbene ar 1945, dem schwärzesten Tag in Nürnbergs Friedrich Freiherr Haller von Hallerstein hatte Geschichte, ein knapp einstündiger Fliegeran- sein Vermögen, seine Norica-Sammlung sowie griff die über Jahrhunderte hinweg gewach- seine Privatbibliothek der Stadt Nürnberg ver- sene Altstadt weitgehend in Schutt und Asche macht. Den Grundstock dafür hatte der Erblas- legte, kam auch das Stadtarchiv nicht unge- ser 1911 für 65.000 Mark von Guido von Volck- schoren davon. Im Pellerhaus, dem damaligen amer erworben, der wie von Haller einer noch Amtssitz, verlor das Archiv etwa ein Drittel sei- blühenden Nürnberger Patrizierfamilie ent- ner Bestände, darunter die Dienstbibliothek. stammte. Ein Teil des Nachlasses wurde für den In der Schadensbilanz darf sie bedenkenlos als Wiederaufbau der Archivbibliothek verwen- unbedeutender Restposten angeführt wer- det, die ihr Herzstück „Nürnberg“ damit qua- Berichte 43
NORICA Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg 9 / 2013 si von ihrer Neugründung ab erschöpfender Einzug. Seit 2003 ist eine periodisch aktualisier- ausfüllen konnte als ihre Vorgängerin jemals te Kopie des Kataloges im Internet verfügbar zuvor. Für das 19. und beginnende 20. Jahr- unter http://www.stadtarchiv.nuernberg.de/ hundert umfasst die „Haller-Volckamer-Samm- archivbibliothek/index.html (vgl. dazu den Bei- lung“ das einschlägige Schrifttum weitgehend trag in Norica, Heft 1, 2003, S. 15–17). In diesem vollständig, für das 17. und 18. Jahrhundert so genannten Bibliotheks-OPAC lässt sich der deckt sie immerhin noch die wesentlicheren Bestand nach diversen Suchkriterien abfragen. Werke zur Nürnber- Wer nach einem be- ger Geschichte ab. stimmten Werk sucht, Die Privatbibliothek wird am praktisch- bildet heute noch sten mit Titelstich- den Schwerpunkt wörtern und Verfas- des Altbestands, der ser agieren. Häufiger durch antiquarische dürfte die Suche nach Ankäufe hier und da Literatur zu einem ergänzt wird. bestimmten Thema Wer sich die heutigen sein. Den einfachsten Finanzprobleme der Weg zum Ziel weist öffentlichen Hand dazu meist der Schlag- vor Augen hält, mag wortkatalog, eine kaum glauben, dass Auswahlliste der ver- bereits 1946 dem gebenen Begriffe ist Stadtarchiv eine Bib- hinterlegt. Ein Bei- liotheksinspektoren- spiel wäre die direk- Stelle bewilligt wur- te Suche nach dem de. Damit war zu- Schönen Brunnen, nächst ein fachmän- die derzeit 20 Treffer nischer Neuaufbau liefert. Lässt sich die gewährleistet. Der Suche nicht auf einen Raumnot gehorchend Begriff reduzieren, wurde die platz- bietet der zusätzlich sparende Magazin- aufstellung nach geführte systemati- „Numerus currens“ sche Katalog (The- (laufender Nummer) saurus) den passen- Das Buch zum Buch: 334 in leuchtendes Orange gebun- den Einstieg. Wer gewählt. Ihr Nach- dene Seiten vereinigen (fast) alles, was in Nürnberg mit teil: Inhaltlich zu- der Herstellung, Verbreitung und Pflege von Gedruck- etwa wissen möchte, sammengehörige Li- tem zu tun hat (zumindest bis zum Erscheinungsjahr was die Archivbiblio- 2005). In lockerem Schreibstil möchten sie über die thek zu welchen hie- teratur steht nicht bloße Information hinaus etwas vermitteln, was man- beisammen, eine sys- sigen Brunnen anbie- chen Internet-Usern gänzlich unbekannt sein mag – tematische Suche am die „Lust auf Bücher“. (StadtAN Av A 2766) ten kann, sollte auf Regal ist unmöglich. den „Nürnberg-The- Nur der heute etwa 1.000 Bände umfassende saurus“ zugreifen. Freihandbereich im Lesesaal gliedert sich grob Vom Apollo- bis zum Wolframsbrunnen wird nach Fachgruppen. er mit zurzeit 68 Treffern versorgt. Die fehlende sachliche Aufstellung des Bestan- Aufgabe des Bibliothekars ist nicht zuletzt, da- des macht den Nutzen und damit die Bedeu- für zu sorgen, dass die Ergebnisse solcher Re- tung der Archivbibliothek von der Qualität der cherchen möglichst oft so verheißungsvoll aus- Kataloge abhängig. 1997 wurden alle Zettelka- fallen, dass sie mit einem Besuch im Stadtarchiv taloge abgebrochen, das Online-Zeitalter hielt enden. 44 Berichte
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