Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
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Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Impressum Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) Stubenring 1, 1010 Wien Verlags- und Herstellungsort: Wien Wien, 2021 Alle Rechte vorbehalten: Jede kommerzielle Verwertung (auch auszugsweise) ist ohne schriftliche Zustimmung des Medieninhabers unzulässig. Dies gilt insbesondere für jede Art der Vervielfältigung, der Übersetzung, der Mikroverfilmung, der Wiedergabe in Fernsehen und Hörfunk, sowie für die Verbreitung und Einspeicherung in elektronische Medien wie z. B. Internet oder CD-Rom. Im Falle von Zitierungen (im Zuge von wissenschaftlichen Arbeiten) ist als Quellenangabe anzugeben: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) (Hg.); Titel der jeweiligen Publikation, Erscheinungsjahr. Bestellinfos: Diese und weitere Publikationen sind kostenlos über das Broschürenservice des Sozialministeriums unter www.sozialministerium.at/broschuerenservice sowie unter der Telefonnummer 01 711 00-86 25 25 zu beziehen. Seite 2 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Inhalt Vorbemerkung ............................................................................................................... 4 1 Armutsgefährdung ..................................................................................................... 5 1.1 Messung von Armutsgefährdung .................................................................................... 5 1.2 Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp ................................................................. 6 1.3 Armutsgefährdung und Pensionsbezug........................................................................... 7 1.4 Armutsgefährdung im EU-Länder Vergleich (gemäß EU SILC) ...................................... 11 1.5 Messung von Armutsgefährdung im Kontext des EU 2020 Ziels zur Armutsreduktion: der AROPE-Indikator............................................................................................................. 12 1.6 AROPE-Indikator nach Alter und Geschlecht ................................................................. 13 1.7 AROPE-Indikator nach Haushaltstyp.............................................................................. 14 2 Einkommensungleichheit.......................................................................................... 17 2.1 Durchschnittliche Einkommen nach Haushaltstyp ........................................................ 17 2.2 Verteilung auf die Quintile............................................................................................. 18 2.3 Einkommensarten in den Quintilen ............................................................................... 20 2.4 Einkommensanteile S80/S20 ......................................................................................... 21 3 Die Ausgleichszulage ................................................................................................ 23 3.1 Anzahl der Ausgleichzulagenbezieher:innen ................................................................. 23 3.2 Armutsgefährdung und Ausgleichszulagenbezug ......................................................... 25 3.3 Ausgleichszulage und Familienbeihilfenbezug .............................................................. 28 3.4 Ausgleichszulage und Pflegegeldbezug ......................................................................... 29 3.5 Die Armutslücke ............................................................................................................. 30 4 Fazit ......................................................................................................................... 32 Tabellenverzeichnis...................................................................................................... 36 Abbildungsverzeichnis.................................................................................................. 37 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 3
Vorbemerkung Das Armutsverständnis ist oft durch mangelnde Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wohnung, Kleidung, sozialen Kontakten oder Gesundheit geprägt. Häufig definiert sich der Begriff ausschließlich über den Lebensstandard. Dieser wird durch finanzielle Möglichkeiten verwirklicht. Armut ist ein soziales Phänomen, welches als Zu stand maßgeblicher sozialer Benachteiligung verstanden wird. Die Armutsgefährdungsquote lag in Österreich laut Statistik Austria im Jahr 2020 bei 13,9 %. Das entsprach in etwa 1,2 Mio. Menschen. Zu den besonders von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffenen Personen zäh len Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Langzeitarbeitslose, geringqualifizierte Perso nen und Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Die Wirksamkeit des Sozialstaates wird am Anteil armutsgefährdeter Menschen an der Be völkerung sichtbar. Ein Maßstab zur Messung von Armut ist typischerweise das Einkom men. Wichtige sozialpolitische Instrumente sind Umverteilungsmaßnahmen, sowie Sozial- und Pensionsleistungen, die zu einer deutlichen Reduktion armutsgefährdeter Personen füh ren. Ein Instrument gegen Armutsgefährdung im Alter ist die Ausgleichszulage. Im vorliegenden Bericht wird der Zusammenhang zwischen Armutsgefährdung und Aus gleichszulage untersucht. Im Anhang findet sich ein umfassendes Tabellenset. Sofern nicht anders angegeben, sind alle Daten dem EU-SILC1 Datensatz entnommen. 1 European Union Statistics on Income and Living Conditions Seite 4 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
1 Armutsgefährdung 1.1 Messung von Armutsgefährdung Gemäß dem EU-SILC Messkonzept gelten Personen als armutsgefährdet, deren Äquiva lenzeinkommen unterhalb von 60 % des mittleren Einkommens (= Medianeinkommen) der Gesamtbevölkerung liegt.2 Im EU-SILC wird dafür der Indikator AROP („at risk of poverty“) verwendet. Dieser zeigt daher jene Haushalte, deren Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle von 60% des nationalen Einkommensmedians leben. Dieser Grenzwert wird als die Armutsgefährdungsschwelle („at risk of poverty threshold“) bezeichnet. Die Armutsgefährdungsschwelle lag im Jahr 2020 bei EUR 15.933 bei einer Person. Die Armutsgefährdungsquote entspricht daher jenem Anteil der Bevölkerung, dessen Äquivalenzeinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Gemäß EU-SILC waren 2020 in Österreich 13,9 % der Gesamtbevölkerung armutsgefähr det. Das betraf 2020 rund 1.222.000 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Armutsge fährdungsquote damit um 0,6 Prozentpunkte gestiegen. 14,3 % der Frauen und 13,6 % der Männer waren 2020 von Armut bedroht. Das entsprach 634.000 Frauen und 587.000 Männer. Während bei den Frauen mit steigendem Alter auch ein Anstieg der Armutsgefährdung zu verzeichnen ist, verhält es sich bei den Männern genau umgekehrt. 16,9 % der über 65-jährigen Frauen und 17,7 % der über 75-Jährigen Frauen galten 2020 als armutsgefährdet. Das entsprach rund 145.000 der über 65-Jährigen und 72.000 der über 75-Jährigen Frauen. 2 AROP ist die „at risk of poverty rate“(AROP). Bei der Betrachtung wird das Gesamteinkommen nach Erhalt von etwaigen Sozialleistungen. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 5
Bei den Männern zählten im Jahr 2020 10,5 % der über 65-Jährigen und 10,0 % der über 75-Jährigen zu armutsgefährdeten Personen. Das entsprach 71.000 der über 65-Jährigen und 29.000 der über 75-Jährigen. Abbildung 1 Armutsgefährdungsquoten nach Altersgruppen, Österreich 2020 17,7% 20,0% 16,9% 18,0% 14,5% 14,3% 14,1% 13,9% 13,6% 16,0% 14,0% 10,5% 10,0% 12,0% 10,0% 8,0% 6,0% 4,0% 2,0% 0,0% Männer Frauen Gesamt 65+ 75+ gesamt Quelle: EU SILC 2020 1.2 Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp 2020 galt rund ein Viertel der alleinstehenden Personen (23,2 %) und rund ein Drittel der Haushalte alleinstehender Personen mit Kindern (32,2 %) als armutsgefährdet. Absolut be trachtet, entsprach dies 349.000 Alleinstehenden und 31.000 Haushalten, die aus einem Alleinstehenden mit Kindern bestand. Familien mit zwei oder mehr Kindern waren ebenfalls besonders häufig von Armut be droht. 30,6 % dieser Haushalte galten als armutsgefährdet, das entsprach 44.000 Haushal ten. Bei den Haushalten ohne Kinder lagen 13,2 % und bei den Haushalten mit Kindern 14,8 % unter der Armutsgefährdungsgrenze. Das entsprach 390.000 Haushalten ohne Kinder und 153.000 Haushalten mit abhängigen Kindern. Seite 6 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Abbildung 2 Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp 2009 - 2000 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 14,5 14,7 14,5 14,4 14,4 14,1 13,9 14,1 14,4 14,3 13,9 13,3 15,0 10,0 5,0 0,0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Insgesamt Ein Erwachsener jünger als 65 Jahre Ein Erwachsener 65 Jahre und mehr Alleinstehende Person mit Kindern Alleinstehende Frau Alleinstehender Mann Zwei Erwachsene Zwei Erwachsene mit einem Kind Zwei Erwachsene mit zwei Kindern Drei oder mehr Erwachsene Quelle: EU SILC 2020 1.3 Armutsgefährdung und Pensionsbezug Haushalte mit Pensionsbezug Von jenen Personen die im Jahr 2020 in einem Haushalt lebten, dessen Einkommen über wiegend aus Altersleistungen bestand, lag die Armutsgefährdungsquote bei rund 13 %. Von den insgesamt 1.618.000 Personen, die in diese Personengruppe fallen, galten somit rund 213.000 als armutsgefährdet. 2010 waren es noch insgesamt 15 % der Personen, die in einem Haushalt mit Pension lebten, armutsgefährdet. Dies entsprach 251.000 Perso nen. Der Begriff „Haushalte mit Pensionsbezug“ ist sehr weitreichend gefasst. Gemäß EU-SILC- Definition fallen unter diesen Begriff jene Haushalte, deren Einkommen zumindest zu 50 % Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 7
aus Altersleitungen stammt. Zu den Altersleitungen zählen alle Alterspensionen sowie In validitätspensionen, Unfallrenten, und Pflegegeld ab dem Erreichen des Regelpensionsal ters (60 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer).3 Allerdings zählen Haushalte, die den überwiegenden Teil ihres Einkommens aus Hinter bliebenenpensionen beziehen gemäß EU-SILC nicht zu den Pensionierten-Haushalten. Dies ist verständlich, da Hinterbliebene in einigen EU-Ländern nicht über die gesetzliche Pensi onsversicherung, sondern stattdessen über andere Sozialleistungen versorgt werden. In Österreich ist die Hinterbliebenenpension eine Pensionsleistung, Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen werden also zur Berechnung der Armutsquote bei den Pensio nierten inkludiert. Geschieht das nicht, besteht die Gefahr, dass die Armutsquote bei den Pensionierten unterschätzt wird. In Abbildung 3 und 4 wird dies illustriert: Bei den Alleinlebenden, vor allem bei den Frauen wird die Zahl der Pensionierten deutlich unterschätzt. Die Abweichung bei den alleinle benden Männern beträgt 8.000 Personen, bei den alleinlebenden Frauen sind es 125.000 Personen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Armutsquote: Inkludiert man Bezieher:in nen von Hinterbliebenenpensionen bei den Pensionist:innen so erhöht sich deren Armuts quote um 0,9%. Von den alleinlebenden Pensionistinnen waren laut EU-SILC 82.000 armutsgefährdet, was 25,2 % der alleinlebenden Pensionistinnen entsprach. Bei den alleinlebenden Pensionisten waren es rund 18,7 % und somit 24.000 Männer. Inkludiert man die Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen, lag die Armutsquote bei alleinlebenden Pensionierten tatsäch lich etwas höher: bei den Frauen waren es 25,5%, bei den Männern 19,1%. Die Armutsgefährdung der Mehrpersonenhaushalte mit Pensionsbezug lag je nach Be rechnungsmethode bei 9,2 bzw. 8,8% und war damit deutlich geringer als die der Alleinle benden. 3 Vice versa werden jene Haushalte bei denen Altersleistungen weniger als 50% des Einkommens ausmachen als „Haushalte ohne Pension“ definiert. Seite 8 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Abbildung 3 Anzahl der Personen nach Haushaltstyp nach Klassifizierung gemäß EU-SILC und mit Inkludierung von Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen als Pensionierte, ausgewählte Haushaltstypen Quelle: EU SILC 2020 Abbildung 4 Armutsgefährdung nach Berechnungsmethode EU-SILC und mit Inkludierung von Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen als Pensionierte, Österreich, 2020 25,2% 30,0% 25,5% 19,1% 18,7% 13,9% 14,1% 14,0% 20,0% 13,9% 13,8% 13,2% 10,0% 0,0% Gesamtbevölkerung HH ohne Pension HH mit Pension Alleinleb. Männer Alleinleb. Frauen mit mit Pension Pension Armutsgefährdungsquote EU-Silc Armutsgefährdungsquote mit Hinterbliebenenpensionen als Pensionen Quelle: EU SILC 2020 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 9
Haushalte ohne Pensionsbezug Bei jenen Haushalten deren Einkommen nicht überwiegend durch Pensionsleistungen be stritten wurde, galten laut EU SILC im Jahr 2020 1.008.000 Personen und damit 14,0 % als armutsgefährdet. Damit war die Personengruppe ohne Pensionsbezug laut EU SILC gering fügig stärker (+ 1 %) von Armut betroffen, als jene ohne Pensionsbezug. Bei den Alleinerziehenden lag die Armutsgefährdungsquote bei 31 % und damit am höchs ten. Dies betraf 78.000 Personen und entsprach einem Rückgang im Vergleich zum Vor jahr, als noch 37 % der Alleinerziehenden unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze lagen. Bei den Haushalten mit Kindern galten insgesamt rund 605.000 Personen und somit 15 % in dieser Haushaltsform als armutsgefährdet. Am wenigsten von Armut bedroht waren Mehrpersonenhaushalte. Darunter fielen sowohl Haushalte ohne Kinder (7 % Armutsge fährdung) sowie jene mit einem oder zwei Kindern (jeweils 10 % Armutsgefährdung). 125.000 alleinlebenden Frauen galten laut EU-SILC als von Armut bedroht. Dies entsprach 25 %. Demgegenüber standen 119.000 und damit 22 % alleinlebende Männer, die als ar mutsgefährdet galten. Beim Vergleich der Daten, die sich aus der Kategorisierung von Bezieher:innen von Hinter bliebenenpensionen als „Haushalte ohne Pension“ (EU SILC) oder „Haushalte mit Pension“ (eigene Berechnungen) ergeben, ergeben sich vor allem bei der Gruppe der alleinleben den Frauen große Differenzen. Im EU-SILC Datensatz werden rund 125.000 Frauen als „ohne Pension“ kategorisiert, obwohl sie Hinterbliebenenpensionen erhalten. Daher weicht die von uns errechnete Armutsquote von der des EU-SILC etwas ab: sie ent spricht bei den alleinlebenden Frauen ohne Pension 23,8%, ist also niedriger als von EU- SILC angenommen. Damit ist auch die Armutsquote bei der Bevölkerung ohne Pension et was niedriger: sie beträgt laut unseren Berechnungen 13,8%. Damit ergibt sich für Haus halte ohne Pension eine etwas niedrigere (- 0,3 %) Armutsgefährdung als für Haushalte mit Pension. Seite 10 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
1.4 Armutsgefährdung im EU-Länder Vergleich (gemäß EU SILC) 2020 galten in Österreich 13,9 % der Bevölkerung als armutsgefährdet. Das entsprach rund 1.222.000 Personen. In der EU-27 lag dieser Wert bei 17,1 %, das waren rund 75.258.000 Menschen. Damit ist die Armutsgefährdungsquote sowohl in Österreich als auch im EU-27-Schnitt im letzten Jahr angestiegen und zwar um 0,6 Prozentpunkte. Bei den über 65-Jährigen in Österreich war der Anstieg von 0,2 Prozentpunkten im vergan genen Jahr geringer und lag 2020 bei 14,1 % (rund 216.000 Personen). In der EU-27 waren 17,3 % (rund 15.469.000 Personen) der über 65-Jährigen von Armut bedroht. Damit ist die Armutsgefährdungsquote in dieser Altersgruppe um 1,2 Prozentpunkte angestiegen. In der Altersgruppe der über 75-Jährigen lag die Armutsgefährdungsquote in Österreich bei 14,5 % (rund 101.000 Menschen) und im EU-27-Schnitt bei 19,0 % (rund 7.856.000 Personen). In Österreich ist die Quote damit sogar um 0,1 Prozentpunkte zurückgegangen, im EU-27-Schnitt um 1,8 Prozentpunkte angestiegen. Abbildung 5 Armutsgefährdungsquote gesamt Österreich und ausgewählte EU-Länder, 2020 21,7% 25,0% 21,0% 20,2% 19,2% 18,5% 17,8% 17,7% 17,2% 17,1% 20,0% 16,3% 16,1% 15,0% 14,3% 13,9% 13,6% 12,4% 12,2% 12,1% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% Deutschland Finnland Österreich Schweden Spanien EU-27 Männer Frauen Gesamt Quelle: EU SILC 2020 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 11
Abbildung 6 Armutsgefährdungsquote der 65+ Jährigen Österreich und ausgewählte EU- Länder, 2020 22,6% 25,0% 20,6% 20,6% 19,7% 19,7% 18,8% 18,2% 17,3% 16,9% 20,0% 16,4% 15,9% 15,3% 14,2% 14,1% 13,9% 15,0% 11,3% 10,5% 10,2% 10,0% 5,0% 0,0% Deutschland Finnland Österreich Schweden Spanien EU-27 Männer Frauen Gesamt Quelle: EU SILC 2020 1.5 Messung von Armutsgefährdung im Kontext des EU 2020 Ziels zur Armutsreduktion: der AROPE-Indikator Eine weitere Möglichkeit zur Messung von Armut ist der AROPE-Indikator. In der Europäi schen Säule für soziale Rechte bekennt sich die EU unter anderem zum Ziel der Armutsbe kämpfung. Bis Ende 2020 sollte die Zahl derjenigen die von Armut und sozialer Exklusion betroffen sind EU-weit um 20 Millionen (im Vergleich zu 2008) reduziert werden. Umge rechnet auf Österreich entsprach das 235.000 Personen. Bis Ende 2030 soll die Zahl der Menschen die von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind noch einmal um 15 Millionen verringert werden. Evaluiert wird dieses Ziel anhand des AROPE-Indikators. Dabei steht AROPE für „At risk of poverty or social exclusion“. Unter AROPE (Definition bis 2020) fallen Haushalte, die • armutsgefährdet sind, also unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle von 60% des nationalen Einkommensmedians leben (AROP-Indikator) ODER • erheblich materiell depriviert sind (4 von 9 Merkmalen) ODER • in einem Haushalt mit niedriger Erwerbsintensität leben Seite 12 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Während der AROP-Indikator, der im vorangehenden Kapitel besprochen wurde also die relative Armut misst, bezieht materielle Deprivation absolute Armut mit ein. Hierbei wird evaluiert, welche materiellen Güter sich ein Haushalt leisten, beziehungsweise nicht leis ten kann. Ein Haushalt wird als materiell depriviert betrachtet, wenn er sich 4 von 9 essen ziellen Gütern nicht leisten kann. Zu diesen Gütern zählen unter anderem die Fähigkeit, für Miete und Energiekosten aufzukommen, sich eine adäquate Ernährung leisten zu kön nen oder einmal im Jahr für eine Woche in den Urlaub fahren zu können. Ein Haushalt wird als niedrig erwerbstätig eingestuft, wenn die volljährigen Mitglieder des Haushalts (im Alter von 18 bis 59 Jahren) zusammen weniger als 20% ihres Arbeitspotenti als erwerbstätig sind. Weiterentwicklung des Indikators Der oben beschriebene AROPE-Indikator kam in den Jahren 2008 bis 2020 zu Anwendung, um die Erreichung des EU 2020 Ziel der Armutsreduktion zu erfassen. Für das neue Ziel für 2030 wurde der Indikator geringfügig angepasst. 1.6 AROPE-Indikator nach Alter und Geschlecht Betrachtet man materielle Notlagen durch die Linse des AROPE-Indikators, so waren in Ös terreich im Jahr 2020 rund 1,5 Mio. Menschen von Armut oder sozialer Exklusion betrof fen. Dies entspricht in etwa 17% der Gesamtbevölkerung. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Betroffenen um 0,6% was exakt der Steigerung des AROP-Indikators ent spricht. Ebenso wie bei der Betrachtung der Armutsgefährdung, steigt bei Frauen mit dem Alter die Armutsgefährdung. Für die ältere Bevölkerung ist die Altersgruppe 55+ darge stellt. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 13
Abbildung 7 AROPE nach Alter und Geschlecht, Österreich 2020 20,0% 15,0% 18,5% 17,9% 17,5% 10,0% 17,0% 15,9% 12,8% 5,0% 0,0% Männer Frauen Gesamt 55+ Gesamt Quelle: EU SILC 2020 1.7 AROPE-Indikator nach Haushaltstyp Abbildung 8 zeigt die AROPE-Quote für das Jahr 2020 nach Haushaltstypen, wobei die erste die Haushaltsdefinition laut EU-SILC abbildet und die zweite Datenreihe Bezieher:in nen von Hinterbliebenenleistungen als Pensionierte zählt. Erwartungsgemäß ist auch hier der Anteil der Armutsgefährdeten bei den Alleinerziehen den – und zwar unabhängig vom Geschlecht – am höchsten. Rund die Hälfte der Alleiner ziehenden ist von Armut oder sozialer Exklusion betroffen. Die AROPE-Quote in der Ge samtbevölkerung beträgt 16,9% und ist damit etwas höher als der AROP-Indikator, der bei 13,9% liegt. Auch Ein-Personen-Haushalte sind stark von Armut und sozialer Exklusion betroffen. Dies gilt sowohl für die Gruppe der Erwerbstätigen als auch für Pensionierte. Während die Ge fährdung in der Gesamtbevölkerung bei 17% liegt, liegt sie bei alleinlebenden Männern im Erwerbsalter bei 27% und bei alleinlebenden Frauen bei 29%. Betrachtet man die Gruppe der Pensionierten fällt wiederum die leichte Unterschätzung der Armutsquote in der Berechnung laut EU-SILC auf: Diese beträgt laut EU-SILC 14,7%. In kludiert man die Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen als Pensionierte, dann be trägt die Armutsquote unter den Pensionierten 15,8%. Seite 14 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Sowohl alleinlebende Pensionisten mit 19,8% (EU-SILC) bzw. 20,1% (inkl. Hinterbliebenen pensionen) als auch Pensionistinnen 27,8% (EU-SILC) bzw. 28,0% (inkl. Hinterbliebenen pensionen) sind auch erheblich gefährdet. Abbildung 8 AROPE nach Haushaltstyp, verschiedene Klassifizierungen, Österreich 2020 51,3% 51,3% 60,0% 44,0% 43,7% 50,0% 40,0% 28,6% 28,6% 28,0% 27,8% 27,4% 27,4% 30,0% 20,1% 19,8% 17,4% 17,2% 17,1% 17,1% 16,9% 16,9% 15,8% 14,7% 11,0% 20,0% 10,5% 10,5% 9,4% 10,0% 0,0% AROPE-Quote, Definition EU-Silc AROPE-Quote, Pensionierte inkl. Beziehende von Hinterbliebenleistungen Quelle: EU SILC 2020 Für Personen, die sich nicht mehr im Erwerbsalter befinden, entfällt der dritte Indikator. Aufgrund dieser unterschiedlichen Messung sind AROPE-Raten zwischen der erwerbstäti gen und der älteren Bevölkerung auch nicht direkt vergleichbar. Aus Policy-Perspektive ist auch eine Betrachtung der Gesamtzahl der AROPE-Personen in teressant. Hier zeigt sich, dass trotz der erhöhten Gefährdung der Alleinlebenden und Al leinerziehenden, die größte Zahl der gefährdeten Menschen in Mehrpersonenhaushalten lebt. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 15
Abbildung 9 AROPE, Anzahl der Personen nach verschiedenen Klassifizierungen, Öster reich 2020 628.664 628.664 700.000 600.000 500.000 400.000 204.381 200.067 149.086 146.931 144.628 126.313 121.977 114.809 300.000 109.107 90.791 90.515 90.515 200.000 27.190 25.035 21.363 21.363 100.000 AROPE, Personen, Definition EU-Silc AROPE, Personen, Pensionierte inkl. Beziehende von Hinterbliebenleistungen Quelle: EU SILC 2020 Seite 16 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
2 Einkommensungleichheit Das durchschnittliche Einkommen von Pensionist:innen liegt deutlich unter dem der Er werbsbevölkerung. Trotzdem ist die Armutsgefährdung in dieser Gruppe (je nach Berech nungsmethode) etwa gleich wie die der Haushalte ohne Pension. Eine Ursache dafür ist, dass auch die Ungleichheit in der älteren Bevölkerung niedriger ist als in der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Das folgende Kapitel ist diesem Phänomen gewidmet. 2.1 Durchschnittliche Einkommen nach Haushaltstyp Abbildung 10 Durchschnittseinkommen nach Haushaltstyp, äquivalisiertes Jahreseinkom men, 2020 36.567 36.905 40.000 30.090 29.953 29.527 29.527 29.006 28.861 28.756 28.659 27.647 27.345 27.345 27.319 27.220 27.136 26.616 35.000 26.197 23.718 23.539 30.000 21.081 21.081 20.515 20.515 25.000 EUR 20.000 15.000 10.000 5.000 Durchschnitteinkommen, Definition EU-Silc Durchschnittseinkommen, Pensionierte inkl. Beziehende von Hinterbliebenleistungen Quelle: EU SILC 2020 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 17
Das Durchschnittseinkommen der Erwerbsbevölkerung ist im Schnitt um rund EUR 2.000 höher als das der Pensionierten. Im Jahr 2020 lag das durchschnittliche Einkommen bei 29.503 EUR und damit um rund 900 EUR höher als im Jahr 2019. Die niedrigsten Einkom men waren bei Alleinerziehenden zu finden (~21.000 EUR), gefolgt von alleinlebenden Frauen mit Pension (~24.000 EUR). Die höchsten Einkommen erzielten Mehrpersonen haushalte ohne Kinder. 2.2 Verteilung auf die Quintile Eine Darstellung der Bevölkerung nach Einkommensquintilen kann einen besseren Über blick über die Verteilung von Einkommen liefern. Das erste Quintil stellt dabei die Ärmsten 20% der Bevölkerung dar. Das durchschnittliche Einkommen der untersten 20% liegt mit rund 13.000 EUR unter der Armutsgefährdungsschwelle von rund 16.000 EUR. Tabelle 1 Durchschnittliches äquivalisiertes Einkommen und Einkommensobergrenze in Euro nach Einkommensquintilen Einkommen • Quin • Quin • Quin • Quin • Quin til til til til til Obere Einkom 18.120 24.052 29.662 38.532 - mensgrenze Durchschnittliches 13.020 21.238 26.714 33.538 53.115 Einkommen Quelle: EU SILC 2020 Wie im vorangehenden Abschnitt besprochen, liegen die Durchschnittseinkommen der Pensionierten unter denen der jüngeren Bevölkerung. Dies führt aber nicht zu einer er höhten Armutsgefährdung in der Gruppe der Pensionierten. Das liegt unter anderem da ran, das Einkommen bei den Pensionierten insgesamt gleichmäßiger verteilt sind, als in der Erwerbsbevölkerung. So entfallen bei den Pensionierten (unter Einbezug der Empfän ger:innen von Hinterbliebenenpensionen) insgesamt 66% auf die mittleren Quintile, in der Erwerbsbevölkerung nur 59%. Bei den alleinlebenden Frauen in Pension befinden sich hin gegen 36% im unteren Einkommensfünftel. Seite 18 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Abbildung 11 Quintilsschichtung, Haushalte im Erwerbsalter, 2020 52% 60% 44% 50% 36% 34% 32% 40% 28% 26% 26% 23% 23% 22% 21% 20% 20% 20% 20% 30% 19% 19% 19% 18% 18% 17% 17% 16% 15% 15% 14% 13% 13% 11% 10% 20% 10% 5% 3% 10% 2% 0% Quelle: EU SILC 2020 Abbildung 12 Quintilsschichtung, Pensionist:innen-Haushalte inkl. Empfänger:innen von Hinterbliebenenpensionen, 2020 36% 40% 35% 26% 30% 25% 23% 23% 23% 23% 23% 21% 25% 20% 20% 19% 19% 17% 17% 20% 15% 15% 14% 12% 15% 9% 10% 5% 0% HH mit Pension gesamt Alleinlebende Männer mit Alleinlebende Frauen mit Mehrpersonen-Haushalte Pension Pension mit Pension Quelle: EU SILC 2020 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 19
2.3 Einkommensarten in den Quintilen Laut dem Datensatz EU-SILC bezogen Haushalte in Österreich durchschnittlich 14% ihres Einkommens aus Sozialtransfers und 21% aus Pensionen. Die restlichen 65% bezogen sie aus anderen Einkommensquellen, also aus Erwerbsarbeit, aber auch zum Beispiel aus der Vermietung von Immobilien. Bei Haushalten mit niedrigem Einkommen bilden erwar tungsgemäß Sozialtransfers eine wichtige Einkommensquelle. Sie machen im ersten Quin til 34% und im zweiten Quintil noch 16% des Gesamteinkommens aus. Abbildung 13 Einkommensarten nach Quintilen, 2020 100% 79% 73% 66% 65% 80% 60% 44% 60% 34% 24% 24% 40% 21% 21% 20% 17% 16% 14% 10% 20% 7% 4% 0% Durchschitt 1. Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4. Quintil 5. Quintil Sonstiges Einkommen Sozialtransfers Pensionen Quelle: EU SILC 2020 Abbildung 14 Einkommensarten nach Quintilen für Haushalte ohne Pension, 2020 88% 90% 83% 100% 79% 77% 80% 56% 43% 60% 40% 20% 17% 12% 8% 6% 20% 4% 4% 4% 4% 3% 2% 0% Durchschnitt 1. Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4. Quintil 5. Quintil Anteil Sonstiges Einkommen Anteil Sozialtransfers Anteil Pensionen Quelle: EU SILC 2020 Seite 20 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Bei den Pensionierten fällt auf, dass der Anteil der Sozialtransfers in allen Quintilen sehr gering ist. Auch im ersten Quintil liegt er lediglich bei 4%. Dies lässt darauf schließen, dass das Pensionssystem für einen Großteil der Bevölkerung und auch für diejenigen, die im Laufe ihres Erwerbslebens in schwierigen Arbeits- und Lebenssituationen waren, zugäng lich ist. Nur wenige Pensionierte fallen aus dem Pensionssystem ganz hinaus und sind zu sätzlich auf Sozialtransfers angewiesen. Abbildung 15 Einkommensarten nach Quintilen für Haushalte mit Pension, 2020 Einkommensarten nach Quintilen, HH mit Pension 94% 92% 91% 90% 88% 85% 100% 80% 60% 40% 13% 10% 20% 7% 7% 5% 4% 3% 3% 2% 2% 2% 1% 0% Durchschnitt 1. Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4. Quintil 5. Quintil Anteil Sonstiges Einkommen Anteil Sozialtransfers Anteil Pensionen Quelle: EU SILC 2020 2.4 Einkommensanteile S80/S20 Eine weitere Möglichkeit zur Darstellung von Einkommensverteilungen ist der S80/S20- Indikator. Dieser stellt das Einkommen des obersten Quintils, also der reichsten 20% der Bevölkerung im Verhältnis zu dem des untersten Quintils dar. In Österreich hatten die obersten 20% der Bevölkerung im Durchschnitt ein rund 4-mal so hohes Einkommen wie die untersten 20%. Bei den Pensionierten ist auch dieser Indikator mit 3,7 etwas niedriger. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 21
Abbildung 16 Einkommensanteile S80/S20, Österreich 2020 Einkommensanteile S80/S20 Alle Pensionierten 3,7 Ohne Pension/Aktive 4,2 Gesamtbevölkerung 4,1 Quelle: EU SILC 2020 Seite 22 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
3 Die Ausgleichszulage Über die Ausgleichszulage wird Pensionsbezieherinnen und -beziehern, die in Österreich leben, ein bestimmtes Mindesteinkommen gesichert. Sofern das Gesamteinkommen, d.h. die Pension inklusive sonstigem Nettoeinkommen und eventueller Unterhaltsansprüche, unter dem gesetzlich festgelegtem Mindestbetrag (dem Richtwert) liegt, wird zur Pension eine Ausgleichszulage gewährt. Das heißt die Ausgleichs zulage gebührt in Höhe der Differenz zwischen Ausgleichszulagenrichtsatz und Summe der Pension und sonstigem anrechenbaren Nettoeinkommen und Unterhaltsansprüchen. 2021 beträgt der Richtsatz für Alleinstehende EUR 1.000,48 und der Richtsatz für Ehe paare bzw. eingetragene Partner:innen EUR 1.578,36. Für ein Kind, für das Anspruch auf Kinderzuschuss besteht und dessen Einkommen unter halb von EUR 367,98 (2021) liegt, gebührt ein Erhöhungsbetrag von EUR 154,37.4 Bei Er füllung der Voraussetzungen wird auch zu einer Witwen- oder Waisenpension eine Aus gleichszulage ausbezahlt. 3.1 Anzahl der Ausgleichzulagenbezieher:innen Im Dezember 2020 bezogen insgesamt 198.378 Personen eine Ausgleichzulage. Davon wa ren 133.545 Frauen und 64.833 Männer. 4 Der Kinderzuschuss beträgt EUR 29,07 monatlich. Er kann von einem Elternteil geltend gemacht werden und gebührt zur Pension und zu den Pensionssonderzahlungen. Der Kinderzuschuss wird nicht auf die Aus gleichszulage angerechnet. Sofern der Erhöhungsbetrag gebührt wird er um den Kinderzuschuss vermindert. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 23
Tabelle 2 Stand der Ausgleichszulagenbezieher:innen, Dezember 20205 Anzahl der Ausgleichzulagen Männer Frauen Gesamt bezieherinnen Alleinstehend 42.248 126.624 168.872 Ehepaar/eingetragene Partner 22.585 6.921 29.506 Gesamt 64.833 133.545 198.378 Quelle: Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, eigene Berechnun gen Da bei den Ausgleichszulagen, die Ehepaaren gewährt werden, jeweils zwei Personen ein kommensmäßig bessergestellt werden, umfasst der durch die Ausgleichszulagen abge deckte Personenkreis insgesamt 227.884 Personen (2 mal 29.506 Ehepaare plus 168.872 Einzelrichtsatzbezieher:innen). Von den insgesamt 198.378 gewährten Ausgleichszulagen (Dezember 2020) gebührte sie am häufigsten, nämlich 109.126-mal zu einer Direktpension. Am zweithäufigsten, nämlich 45.365-mal wurde die Ausgleichszulage zu einer Witwer- bzw. (mehrheitlich) zu einer Wit wenpension ausbezahlt. Abbildung 17 Ausgleichszulagen und Art der Pensionsleistung, Stand Dezember 2020 Alleinstehende/r mit Direktpension 29.506 Witwen/Witwer 14.381 45.365 109.126 Waise Ehepaare Quelle: Pensionsversicherung – Jahresstatistik, eigene Berechnungen Seite 24 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Zusätzlich zur Ausgleichszulage wurde in 6.539 Fällen ein oder mehrere Erhöhungsbeträge für ein bzw. mehrere Kinder gewährt. Der Erhöhungsbetrag wurde zuzüglich zur Ausgleichszulage in der Höhe von EUR 149,15 für jedes Kind ausbezahlt. Vorausgesetzt, das monatliche Einkommen des Kindes lag un terhalb von EUR 355,54 (Werte 2020). Im Dezember 2020 wurde der Erhöhungsbetrag 4.651-mal zur Ausgleichszulage für jeweils ein Kind und 1.287-mal wurden Erhöhungsbeträge für jeweils zwei Kinder ausbezahlt. In 601 Fällen wurden Erhöhungsbeträge für drei oder mehrere Kinder gewährt. Von den insgesamt 6.539 Fällen in denen ein oder mehrere Erhöhungsbeträge gewährt wurden, waren 1.545 Ausgleichszulagenbezieher:innen über 65 Jahre alt. Davon waren insgesamt 1.103 Männer und 442 Frauen. Männer im Alter 65+ erhielten damit rund dop pelt so häufig einen oder mehrere Erhöhungsbeträge zuzüglich zur Ausgleichszulage. Dies ist in erster Linie jenem Umstand geschuldet, dass insgesamt rund die Hälfte der Er höhungsbeträge bei den über 65-Jährigen, nämlich in 760 Fällen, an Ehepaare/eingetra gene Partner:innen ausbezahlt wurde und der Großteil der Bezieher:innen des Ehericht satzes (und somit auch der allfälligen Erhöhungsbeträge) Männer waren. 3.2 Armutsgefährdung und Ausgleichszulagenbezug Im Folgenden werden den jeweiligen Armutsgefährdungsgrenzen die Ausgleichszulagen richtsätze gegenübergestellt. Die Armutsgefährdungsgrenze wird abhängig von der Haushaltszusammensetzung berech net. In der EU-SILC-Statistik werden zur Berechnung der jeweiligen Armutsgefährdungs grenzen Gewichtungen herangezogen: Die erste Person, die in einem Haushalt lebt und 14 Jahre oder älter ist, wird mit dem Fak tor 1,0 gewichtet. Jede weitere Person, die 14 Jahre oder älter ist, fließt mit dem Faktor 0,5 in die Berechnung ein. Personen, die zwischen 0 und 13 Jahren alt sind, erhalten einen Gewichtungsfaktor von 0,3. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 25
Bei den Ausgleichszulagenrichtsätzen wurden zum Zweck der Vergleichbarkeit jährliche Nettowerte, d.h. der Bruttoausgleichszulagenrichtsatz abzüglich 5,1 % Krankenversiche rungsbeitrag, herangezogen. Bei der Berechnung der Ausgleichszulagenrichtsätze wurde bei drei Erwachsenen der Fa milienrichtsatz und der Erhöhungsbetrag für ein Kind herangezogen und bei vier Erwach senen der Familienrichtsatz zuzüglich zwei Mal der Erhöhungsbetrag für ein Kind. Erklärung: Es wurde die Annahme getroffen, dass die dritte bzw. dritte und vierte Person im Haushalt über 13 Jahre alt ist. Bei der Berechnung der Armutsgefährdungsgrenze fließen sie daher mit dem gleichen Gewichtungsfaktor ein, wie ein Erwachsener, bei der Gewährung der Ausgleichszulage zählen sie als Kinder für die ein Erhöhungsbetrag gebührt. Seite 26 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Tabelle 3 Armutsgefährdungsgrenze und Ausgleichszulagenrichtsätze, jährliche Werte für das Jahr 2020 Haushaltszusammensetzung Armutsgefähr Ausgleichszulagen- in % der Armuts dungsgrenze in richtsatz netto gefährdungs EUR (AZ) in EUR grenze 1 Erwachsener 15.933 13.292 81% 1 Erwachsener und 1 Kind 20.713 15.343 72% 1 Erwachsener und 2 Kinder 25.493 17.394 66% 1 Erwachsener und 3 Kinder 30.273 19.445 62% 1 Erwachsener und 4 Kinder 35.053 21.496 59% 2 Erwachsene 23.900 20.970 82% 2 Erwachsene und 1 Kind 28.679 23.021 75% 2 Erwachsene und 2 Kinder 33.459 25.072 70% 2 Erwachsene und 3 Kinder 38.239 27.123 67% 2 Erwachsene und 4 Kinder 43.019 29.174 64% 3 Erwachsene 31.866 23.021 68% 4 Erwachsene 39.833 25.072 59% Quelle: EU-SILC 2020, eigene Berechnungen Ein alleinstehende:r Ausgleichszulagenbezieher:in erreichte 2020 ein Niveau von 81 % und zwei erwachsene Ausgleichszulagenbezieher:innen ein Niveau von 82 % der Armutsge fährdungsschwelle. Nicht berücksichtigt wird in dieser Darstellung allerdings, dass bei Ausgleichszulagenbezie her:innen bestimmte Einkünfte außer Betracht bleiben. Dazu zählen unter anderem Pfle gegeld, Wohnbeihilfe, Familienbeihilfe, Studienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld. Ausgleichszulagenbezieher:innen können auch bestimmte Befreiungen erhalten: Dazu zählen die Rundfunkgebühren und/oder die Rezeptgebührenbefreiung. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 27
Seit 2020 gibt es zudem einen Bonus für all jene Pensionistinnen bzw. Pensionisten, die trotz langer Erwerbstätigkeit eine geringe Pension beziehen. Der Pensions- bzw. Aus gleichszulagenbonus wird zusätzlich an jene Personen ausgezahlt, die zumindest 30 bzw. 40 Jahre an Erwerbstätigkeit vorweisen können. Mit Stand Dezember 2020 erhielten 15.858 Personen einen Ausgleichszulagenbonus und 9.850 Personen einen Pensionsbonus. 3.3 Ausgleichszulage und Familienbeihilfenbezug Zuzüglich zur Ausgleichszulage gebührt für jedes Kind Familienbeihilfe. Die Höhe der Fami lienbeihilfe ist abhängig vom Alter des Kindes und der Anzahl der Kinder insgesamt (Mehr kindzuschlag), die in einem Haushalt leben. Bei der Berechnung der Höhe der Familienbei hilfe wurde die Annahme getroffen, dass alle Kinder zwischen 10 und 16 Jahren alt sind. Die Höhe der Familienbeihilfe wurde seit 2018 nicht angehoben, allerdings wurde auf grund der Covid-19-Krise 2020 für jedes Kind für das die Familienbeihilfe bezogen wurde, eine einmalige Auszahlung von EUR 360 gewährt. Damit konnte 2020 im Vergleich zum Jahr 2019 eine höhere finanzielle Absicherung bei Familienbeihilfenbezieher:innen erreicht werden. Bspw. erreichte ein erwachsener Ausgleichszulagenbezieher mit zwei Kindern 2020 84 % der Armutsgefährdungsschwelle und damit ein Plus von 3 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Seite 28 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Tabelle 4 Armutsgefährdungsgrenze und Ausgleichszulagenrichtsätze inkl. Familienbeihilfe für das Jahr 2020 Haushaltszusammensetzung Armutsgefähr Ausgleichszulagen- in % der Ar dungsgrenzen in richtsatz (AZ) mutsge-fährdungs EUR netto inkl. Famili grenze enbeihilfe in EUR 1 Erwachsener 15.933 12.843 81% 1 Erwachsener und 1 Kind 20.713 16.983 82% 1 Erwachsener und 2 Kinder 25.493 21.293 84% 1 Erwachsener und 3 Kinder 30.273 25.888 86% 1 Erwachsener und 4 Kinder 35.053 30.673 88% 2 Erwachsene 23.900 19.557 82% 2 Erwachsene und 1 Kind 28.679 23.697 83% 2 Erwachsene und 2 Kinder 33.459 28.007 84% 2 Erwachsene und 3 Kinder 38.239 32.602 85% 2 Erwachsene und 4 Kinder 43.019 37.387 87% 3 Erwachsene 31.866 23.697 74% 4 Erwachsene 39.833 28.007 70% Quelle: Eurostat, eigene Berechnungen 3.4 Ausgleichszulage und Pflegegeldbezug Zuzüglich zu einer Ausgleichszulage kann bei Erfüllung der Voraussetzungen auch Pflege geld bezogen werden. Pflegegeld gebührt 12-mal jährlich und wird abhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit in sieben Stufen eingeteilt. Ab 2020 erfolgt die Valorisierung des Pfle gegeldes mit dem Pensionsanpassungsfaktor. Nachstehend wurde bei zwei Erwachsenen die Annahme getroffen, dass nur einer von bei den Pflegegeld bezieht. Tabelle 5 Armutsgefährdungsgrenze und Ausgleichszulagenrichtsätze inkl. Pflegegeldbe zug für das Jahr 2020 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 29
Art der Leistung 1 Erwachsener in % der 2 Erwachsene in % der Betrag in EUR Armutsgefähr- Betrag in EUR Armutsge- dungsgrenze fährdungs grenze AZ 12.843 81% 19.557 82% AZ inkl. Pflegegeld Stufe 1 14.764 93% 21.478 90% AZ inkl. Pflegegeld Stufe 2 16.385 103% 23.099 97% AZ inkl. Pflegegeld Stufe 3 18.362 115% 25.076 105% Quelle: EU-SILC 2020, eigene Berechnungen Sofern es sich um einen Erwachsenen handelt, wird bei Bezug von Pflegegeld der Stufe 2 ein Gesamteinkommen über der Armutsgefährdungsgrenze erzielt. Bei zwei Personen, die gemeinsam in einem Haushalt leben, wird bei Bezug des Familienrichtsatzes und Pflege geld der Stufe 3 (bei einem Erwachsenen) ein Niveau erreicht, das über der Armutsgefähr dungsschwelle liegt. 3.5 Die Armutslücke Durch die Differenz zwischen Ausgleichszulagenrichtsatz bzw. der gewährten Pension inkl. Ausgleichszulage einerseits und der Armutsgefährdungsgrenze andererseits entsteht die sogenannte Armutslücke: Für eine alleinstehende Pensionistin bzw. einen alleinstehenden Pensionisten betrug diese im Jahr 2020 19 % und war damit um einen Prozentpunkt geringer als im Vorjahr. Die Armutslücke zeigt die prozentuelle Abweichung des Median-Einkommens der armuts gefährdeten Personen und der Armutsgefährdungsschwelle. Für alle in der EU-SILC-Statistik erfassten Personen ergab dies – hochgerechnet auf die ge samte Wohnbevölkerung Österreichs im Jahr 2020 – im Alter von 65+ eine durchschnittli che Armutslücke von 20,6 %. Während ein Wert von 20,6 % für die Altersgruppe 65+ nicht unplausibel erscheint, sind die geschlechtsspezifischen Zeitreihen der Armutslücke im Alter 65 + der EU-SILC-Stich probe doch interpretationsbedürftig. Sinnvoller bzw. beinahe geboten wäre in diesem Be Seite 30 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
reich das Abstellen auf mehrjährige Durchschnittsbetrachtungen bei denen auch eventu elle Ausreißer außer Betracht bleiben. Diese Berechnungen könnten validere Daten lie fern, als die jährlichen EU-SILC Stichprobendaten. Die nachfolgende Tabelle illustriert die Armutslücke der Altersgruppe 65+: Tabelle 6 Relative Armutslücke der Altersgruppe 65+, Österreich 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Gesamt 17,4 18,6 19,1 19,0 20,7 19,6 17,8 16,1 18,0 19,3 19,6 20,6 Männer 18,3 18,6 19,9 21,8 24,0 18,2 17,9 18,3 17,0 21,3 24,2 25,2 Frauen 16,8 18,6 19,0 18,9 19,8 20,1 17,8 13,9 18,8 18,7 18,1 17,1 Quelle: Eurostat, EU-SILC Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 31
4 Fazit Im Jahresdurchschnitt 2020 waren rund 1.712.000 Personen in Österreich im Alter 65+. Das waren 19,2 % der Bevölkerung. Davon waren 216.000 Personen, das sind 14,1 % dieser Altersgruppe, armutsgefährdet. Ihr äquivalisiertes Haushaltseinkommen war niedriger als 60% des Medians der Einkom men. Im Jahr 2020 lag diese sogenannte Armutsgefährdungsschwelle bei einem äquivali sierten Jahreseinkommen von EUR 15.933 (netto). Von diesen 216.000 Personen im Alter 65+ waren rund 71.000 Männer und 145.000 Frauen. Dies ergibt Armutsgefährdungsquote von 10,5 % für alleinlebende Männer und 16,9 % für alleinlebende Frauen. Mit diesen Daten liegt Österreich deutlich unter dem EU- Durchschnitt, der einen Wert von 14,2 % für Männer und einen Wert von 19,7 % für Frauen aufweist. Berechnet man die Armutsgefährdung nicht nach Alter, sondern nach Haushaltstyp ergibt sich auch hier eine etwas niedrigere Armutsgefährdung für ältere Menschen: von den Haushalten mit Pension waren laut EU SILC Datensatz 13,2% armutsgefährdet, gegenüber 13,9% bei der Gesamtbevölkerung. Allerdings weißen die Daten des EU SILC Datensatzes eine Ungenauigkeit auf, die darauf zurückzuführen ist, das im EU SILC sehr unterschiedliche Pensionssysteme in Bezug gesetzt werden. Zur besseren Vergleichbarkeit der Pensionssysteme in verschiedenen EU-Mit gliedsländern behandelt EU SILC Einkommen aus Hinterbliebenenpensionen nicht als Pen sionseinkommen, was sich auch auf die Kategorisierung als Pensioniertenhaushalt aus wirkt. Bezieht man die Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen mit ein, dann liegt die Armutsgefährdung der Menschen mit Pension etwas höher, nämlich bei 14,1% und da mit auch um 0,2% höher als in der Gesamtbevölkerung. Im Kontext des EU-Ziels bis 2020 den Anteil der armutsbetroffenen Menschen deutlich zu reduzieren, wird ein weiterer Indikator zur Armutsmessung herangezogen. Der AROPE-In dikator misst außer der relativen Armutsgefährdung auch materielle Deprivation und ge ringe Erwerbstätigkeit eines Haushaltes. Gemäß des AROPE-Indikators waren 2020 14,7% Seite 32 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
(laut EU-SILC) bzw. 15,8% (inkl. Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen als Pensio nierte) der Pensioniertenhaushalte armutsgefährdet. Das Durchschnittseinkommen der Erwerbsbevölkerung ist im Schnitt jährlich rund EUR 2.000 höher als das der Pensionierten. Trotzdem ist die Armutsgefährdung in dieser Gruppe (je nach Berechnungsmethode) etwa gleich wie die der Haushalte ohne Pension. Ein Grund dafür ist, dass auch die Ungleichheit in der Gruppe der Pensionierten etwas niedriger ist. So entfallen bei den Pensionierten (unter Einbezug der Empfänger:innen von Hinterbliebenenpensionen) insgesamt 66% auf die mittleren Quintile, in der Erwerbsbe völkerung nur 59%. Bei den alleinlebenden Frauen in Pension befinden sich hingegen 36% im unteren Einkommensfünftel. Der größte Anteil der Bevölkerung im Alter 65+ wird durch die öffentlichen Pensionssysteme auf der Haushaltsebene einkommensmäßig ver sorgt. Der Anteil des Pensionseinkommens (inkl. Ausgleichszulage) am Einkommen liegt bei den Pensionierten bei 90%, nur durchschnittlich 3% des Einkommens beziehen Pensio nierte aus Sozialtransfers. Auch im untersten Quintil ist der Anteil an Sozialtransfers mit 4% sehr gering. Wenn nun 14,1 % der Bevölkerung im Alter 65 + als armutsgefährdet gelten, sind dies in folgedessen beinahe ausschließlich Pensionsbezieher:innen und deren Angehörige. Im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung gibt es seit Jahrzehnten das Instrument der Ausgleichszulage zur Bekämpfung der Altersarmut: Liegt das gesamte Nettoeinkom men eines Pensionisten(-haushalts) unterhalb des anzuwendenden Ausgleichszulagen richtsatzes, wird die Pension durch die Gewährung der bedarfsorientierten Ausgleichszu lage auf die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes aufgestockt. Die Ausgleichszulage ist keine Pension und damit keine Versicherungsleistung. Sie ist eine Sozialleistung und wird zur Gänze aus dem Bundeshaushalt aus Steuermitteln finanziert. Als Sozialleistung wird sie nur an Personen mit einem Wohnsitz im Inland ausbezahlt: Zu Jahresende 2020 bezogen rund 129.000 Personen im Alter 65 + eine derartige Leistung. Berücksichtigt man die Tatsache, dass es dabei rund 22.000 Bezieher:innen mit dem sog. Familienrichtsatz gibt, waren rund 151.000 Personen durch die Gewährung einer Aus gleichzulage einkommensmäßig bessergestellt: 42.000 Personen davon waren Männer und 109.000 Frauen. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 33
Selbst wenn man annimmt, dass alle Bezieher:innen einer Ausgleichzulage gleichzeitig als armutsgefährdet gelten – was aber nicht immer der Fall ist (z. B. beim Zusammentreffen einer Pension, Ausgleichszulage und Pflegegeld mit höherer Stufe) – gibt es damit eine Lü cke von offenbar mehr als 65.000 Personen, die keine Ausgleichzulage beziehen und laut EU-SILC-Statistik zusätzlich als armutsgefährdet gelten. Für diese „Lücke“ gibt es mehrere Gründe: • Bei der Gewährung bzw. Berechnung einer Ausgleichszulage werden andere Ein kommen berücksichtigt als bei der Berechnung der Armutsgefährdungsschwelle: Beispielsweise werden Pflegegelder oder Unfallrenten bei der Berechnung einer Ausgleichzulage außer Acht gelassen, diese werden aber bei der Berechnung der Armutsgefährdung sehr wohl berücksichtigt. • Einige Einkommensbestandteile bleiben umgekehrt bei der Ermittlung der Armuts gefährdung gänzlich unberücksichtigt: Dazu zählen insbesondere ausländische Pen sionsleistungen, die nicht wenige Pensionsbezieher:innen im Inland erhalten und die bei der allfälligen Gewährung oder Nichtgewährung einer Ausgleichszulage zu berücksichtigen sind. • Die Armutsgefährdungsschwelle lag im Jahr 2020 für einen Einpersonenhaushalt bei EUR 15.933 netto pro Jahr. Der analoge Ausgleichszulagenrichtsatz lag bei EUR 12.843. Es ist daher zu vermuten, dass die Lücke zwischen Ausgleichszulagenbezie her:innen und armutsgefährdeten Personen im Alter 65+ insbesondere aus Perso nen besteht, deren Nettoeinkommen über dem Ausgleichszulagenrichtsatz und un ter der Armutsschwelle liegt. • Durch die Differenz zwischen Ausgleichszulagenrichtsatz bzw. der gewährten Pen sion und der Armutsschwelle entsteht eine sogenannte Armutslücke: Für eine al leinstehende Pensionistin bzw. einen alleinstehenden Pensionisten betrug diese im Jahr 2020 19 %. Für alle in der EU-SILC-Statistik erfassten Personen ergab dies – hochgerechnet auf die gesamte Wohnbevölkerung Österreichs – im Alter von 65+ eine durchschnittliche Armutslücke von 20,6 %. • Dessen ungeachtet ist wohl die überproportionale Erhöhung der Ausgleichszulagen-Richt sätze kurz- und mittelfristig die wirksamste Maßnahme im Bereich der Armutsbekämp fung im Alter: Dies verringert zwar nicht die Armutsgefährdungsquote, kann aber bereits in kurzer Zeit die sogenannte Armutslücke substantiell verringern (selbst wenn sich dies in Seite 34 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
den EUSILC Stichprobendaten aufgrund der erheblichen Stichprobenschwankungen nicht oder nicht sofort manifestiert). Die Pensionsanpassungen 2021 und 2022 mit den überproportionalen Erhöhungen der Ausgleichszulage sind dafür als Beispiel zu nennen. Auch der 2020 neu eingeführten Pensi ons- bzw. Ausgleichzulagenbonus, der Pensionistinnen bzw. Pensionisten mit langen Er werbsphasen zugutekommt sowie der per 1.1.2022 eingeführte Frühstarterbonus sollten ebenfalls zu einer Verkleinerung der Armutslücke beitragen. Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 35
Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Durchschnittliches äquivalisiertes Einkommen und Einkommensobergrenze in Euro nach Einkommensquintilen ......................................................................................... 18 Tabelle 2 Stand der Ausgleichszulagenbezieher:innen, Dezember 2020 ............................ 24 Tabelle 3 Armutsgefährdungsgrenze und Ausgleichszulagenrichtsätze, jährliche Werte für das Jahr 2020 ........................................................................................................................ 27 Tabelle 4 Armutsgefährdungsgrenze und Ausgleichszulagenrichtsätze inkl. Familienbeihilfe für das Jahr 2020 .................................................................................................................. 29 Tabelle 5 Armutsgefährdungsgrenze und Ausgleichszulagenrichtsätze inkl. Pflegegeldbezug für das Jahr 2020....................................................................................... 29 Tabelle 6 Relative Armutslücke der Altersgruppe 65+, Österreich ...................................... 31 Seite 36 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Armutsgefährdungsquoten nach Altersgruppen, Österreich 2020 ................... 6 Abbildung 2 Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp 2009 - 2000 ............................... 7 Abbildung 3 Anzahl der Personen nach Haushaltstyp nach Klassifizierung gemäß EU-SILC und mit Inkludierung von Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen als Pensionierte, ausgewählte Haushaltstypen ................................................................................................. 9 Abbildung 4 Armutsgefährdung nach Berechnungsmethode EU-SILC und mit Inkludierung von Bezieher:innen von Hinterbliebenenpensionen als Pensionierte, Österreich, 2020 ...... 9 Abbildung 5 Armutsgefährdungsquote gesamt Österreich und ausgewählte EU-Länder, 2020 ...................................................................................................................................... 11 Abbildung 6 Armutsgefährdungsquote der 65+ Jährigen Österreich und ausgewählte EU- Länder, 2020 ......................................................................................................................... 12 Abbildung 7 AROPE nach Alter und Geschlecht, Österreich 2020 ....................................... 14 Abbildung 9 AROPE nach Haushaltstyp, verschiedene Klassifizierungen, Österreich 2020 15 Abbildung 10 AROPE, Anzahl der Personen nach verschiedenen Klassifizierungen, Österreich 2020 .................................................................................................................... 16 Abbildung 11 Durchschnittseinkommen nach Haushaltstyp, äquivalisiertes Jahreseinkommen, 2020 ...................................................................................................... 17 Abbildung 13 Quintilsschichtung, Haushalte im Erwerbsalter, 2020................................... 19 Abbildung 14 Quintilsschichtung, Pensionist:innen-Haushalte inkl. Empfänger:innen von Hinterbliebenenpensionen, 2020......................................................................................... 19 Abbildung 15 Einkommensarten nach Quintilen, 2020 ....................................................... 20 Abbildung 16 Einkommensarten nach Quintilen für Haushalte ohne Pension, 2020 ......... 20 Abbildung 17 Einkommensarten nach Quintilen für Haushalte mit Pension, 2020 ............ 21 Abbildung 18 Einkommensanteile S80/S20, Österreich 2020 ............................................. 22 Abbildung 19 Ausgleichszulagen und Art der Pensionsleistung, Stand Dezember 2020..... 24 Die Ausgleichszulage als Instrument zur Armutsreduktion Seite 37
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