Die Bevölkerungsentwicklung in Südhessen bis 2100 - Grundlage für eine langfristige Wasserbedarfsprognose im Rahmen eines Klimafolgen-Projektes

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FACHBERICHTE              Wasserversorgung

      Die Bevölkerungsentwicklung
      in Südhessen bis 2100
      Grundlage für eine langfristige Wasserbedarfsprognose
      im Rahmen eines Klimafolgen-Projektes

      Wasserversorgung, Wasserbedarfsprognose, Klimawandel, Mitigation, Adaption

      Hermann Mikat, Holger Wagner und Ulrich Roth

      Das Verbundprojekt „Anpassungsstrategien an Klima-          Population development in Southern Hesse until year 2100
      trends und Extremwetter und Maßnahmen für ein nach-         The joint project “adaptation strategies for climate
      haltiges Grundwassermanagement“ hat zum Ziel, die           trends and extreme weather and steps towards a sus-
      wasserwirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawan-           tainable groundwater management” has the objective,
      dels im Raum Südhessen bis zum Jahr 2100 abzuschät-         to estimate the consequences of climate change on
      zen. Als Grundlage für die hierzu aufzustellende Was-       water resources in southern Hessia up to the year 2100.
      serbedarfsprognose wird eine Bevölkerungsprognose für       As a basis for the prognosis of water consumption
      das Jahr 2100 benötigt. Dazu werden die vorliegenden        which is to set up, a prognosis of population is needed.
      längerfristigen Bevölkerungsprognosen dokumentiert          Therefore the available long term population prognoses
      und bewertet. Aufgrund der erheblichen Bandbreite die-      are documented and evaluated. Because of the consid-
      ser Bevölkerungsprognosen werden für die aufzustel-         erable spread of these prognoses corresponding scenar-
      lende Wasserbedarfsprognose entsprechende Szenarien         ios have to be defined as a basis for the prognosis of
      definiert.                                                  water demand.

      1. Anlass                                                   Umwelt und Geologie (HLUG) in Wiesbaden und die Hessen-
      Im Rahmen der Klimaforschung hat das Bundesministerium      wasser GmbH & Co. KG in Groß Gerau. Untersuchungsgebiet
      für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Förderschwer-      ist das Hessische Ried und der benachbarte Odenwald. Der
      punkt „klimazwei – Forschung für den Klimaschutz und        Untersuchungszeitraum bezieht sich auf das Jahr 2100.
      Schutz vor Klimawirkung“ anwendungsorientierte Projekte        Als Grundlage für die in dem Projekt benötigte Wasserbe-
      in den Vordergrund der Forschungspolitik gestellt. Damit    darfsprognose ist zunächst eine Bevölkerungsprognose für
      soll die Entwicklung innovativer Technologien und Strate-   den Untersuchungsraum bis zum Zieljahr 2100 aufzustellen.
      gien gefördert werden.                                      Diese Bevölkerungsprognose wurde von Hessenwasser und
         Die Fördermaßnahme besteht aus den beiden Schwer-        dem beauftragten Ingenieurbüro als Vorstudie zur Wasser-
      punkten Verminderung (Mitigation) und Anpassung (Adap-      bedarfsprognose ausgearbeitet und wird hier vorgestellt.
      tation). Im Rahmen des ersten Schwerpunkts werden Pro-      Sie beruht auf vorliegenden Prognosen der Vereinten Natio-
      jekte mit dem Ziel der Minderung der Treibhausgasemissio-   nen (United Nations, UN), der Europäischen Gemeinschaften
      nen gefördert. Der zweite Schwerpunkt beinhaltet die        (European Union, EU), des Statistischen Bundesamtes, des
      Entwicklung von Anpassungsstrategien an das veränderte      Hessischen Statistischen Landesamtes und anderer Stellen.
      Klima und an Wetterextreme.
         Ziel des im zweiten Förderschwerpunkt angesiedelten      2. Untersuchungsraum
      Verbundprojektes „Anpassungsstrategien an Klimatrends       Der Untersuchungsraum umfasst das Hessische Ried und
      und Extremwetter und Maßnahmen für ein nachhaltiges         den Odenwald. Diese unmittelbar benachbarten Landschaf-
      Grundwassermanagement“ ist es zu klären, inwieweit Kli-     ten sind hinsichtlich der wasserwirtschaftlichen Strukturen
      matrends und Extremwetter den Grundwasserhaushalt           völlig unterschiedlich. Der Odenwald ist ein Mittelgebirge
      beeinflussen und in welchem Ausmaß Anpassungsstrate-        mit kleinstädtisch/dörflicher Prägung. Die Wasserversor-
      gien für ein nachhaltiges Grundwassermanagement vor         gung erfolgt überwiegend dezentral aus Brunnen und Quel-
      allem im Rahmen der Trinkwasserversorgung zu entwickeln     len, aus denen jeweils einzelne Ortschaften versorgt werden.
      sind.                                                       Verbundstrukturen sind auf benachbarte Ortschaften
         Partner in diesem Verbundprojekt sind die BGS Umwelt-    beschränkt. Hydrogeologisch handelt es sich in der Regel
      planung GmbH in Darmstadt, das Hessische Landesamt für      um Kluftgrundwasserleiter.

182   Februar/März 2009
      Wasser Abwasser
Wasserversorgung         FACHBERICHTE

  Das Hessische Ried liegt im nordöstlichen Oberrheingra-         Hessen mit 2 Varianten bis 2050 und Daten auf Kreisebene
ben. Es wird durch die Flüsse Rhein, Main und Neckar sowie        bis 2025 enthält [9].
im Osten durch den Odenwald begrenzt. Aus mächtigen            9. Die „Bevölkerungsvorausschätzung für die hessischen
Kies- und Sandschichten wird Grundwasser für Trink- und           Landkreise und kreisfreien Städte bis 2050“ aus dem Jahr
Brauchwasserzwecke sowie für die landwirtschaftliche              2004 der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft Hes-
Beregnung gewonnen. Im Ried liegen neben örtlichen                sen mbH (FEH) [10] und die neue Prognose der Hessen
Gewinnungsanlagen vor allem große verbundwirksame                 Agentur GmbH als deren Nachfolgeorganisation aus dem
Wasserwerke, die in den Leitungsverbund im Rhein-Main-            Jahr 2007 [11].
Raum einspeisen, und aus denen der Raum Wiesbaden/
Frankfurt/Darmstadt zu erheblichen Teilen versorgt wird.         Nur die Prognose der UN für 2300 schließt das Jahr 2100
  Der Untersuchungsraum liegt im Regierungsbezirk Darm-        ein und enthält Zahlenwerte für „Deutschland 2100“. Die
stadt (Südhessen) und umfasst im Wesentlichen die Stadt        anderen Prognosen beziehen sich überwiegend auf den
Darmstadt und die Landkreise Groß-Gerau, Darmstadt-Die-        Zeitraum bis 2050 und enthalten je nach Autor und Zielset-
burg und Bergstraße sowie den Odenwaldkreis. Versor-           zung Angaben für unterschiedliche Räume (z. B. Europa,
gungstechnisch angeschlossen sind die Städte Frankfurt am      Deutschland, Hessen, Südhessen) sowie in den Prognosen
Main und Wiesbaden sowie Teile weiterer Landkreise in          der hessischen Institutionen für die kreisfreien Städte und
deren Umgebung. Der Untersuchungsraum ist somit je             Landkreise. Für Südhessen wurden die Bestandsdaten ab
nach Fragestellung unterschiedlich abgegrenzt. Der abzu-       1977, die Daten der genannten Prognosen sowie weitere
deckende Wasserbedarf bezieht sich auf ein Gebiet, das weit    Prognosen mit kleinräumigen Daten für 2010, 2020 und
über den eigentlichen Untersuchungsraum hinausgeht und         2050 gesondert dokumentiert [1].
weite Teile Südhessens umfasst.                                  Für die vorliegende Aufgabenstellung wird eine Bevölke-
                                                               rungsprognose für Südhessen bzw. die Untersuchungs-
3. Datengrundlagen                                             räume Hessisches Ried und Odenwald für 2100 benötigt.
Für den Untersuchungsraum liegen detaillierte Bestands-        Ziel ist somit eine Abschätzung der Bevölkerungsentwick-
daten sowie verschiedene Bevölkerungsprognosen für 2020,       lung bis 2100 auf Grundlage der vorliegenden Prognosen für
2025 und 2050 vor. Diese wurden im Zusammenhang mit            2050 unter Verwendung der Prognose der UN für 2300.
der aktuellen Wasserbedarfsprognose der Hessenwasser
dokumentiert [1]. Eine Bevölkerungsprognose bis zum Jahr       4. Methodische Grundlagen der verwendeten
2100 für den Regierungsbezirk Darmstadt oder andere klein-        Bevölkerungsprognosen
räumige Einheiten ist jedoch nicht verfügbar. Die Prognose     Die vorliegenden Bevölkerungsprognosen unterscheiden
für die vorliegende Fragestellung musste somit aus anderen     sich nach
Quellen abgeleitet werden.                                      Räumlicher Abgrenzung (Untersuchungsraum,
   Sie basiert auf folgenden Unterlagen:                          z. B. Deutschland, Europa, Welt),
1. Die Bevölkerungsprognose der UN für 2300, die Progno-        Zeitlicher Abgrenzung (Prognosehorizont, z. B. 2050,
   sen auf Staatenebene auf einer Datenbasis bis 2000 und         2100, 2300) und
   Angaben auch für das Zieljahr 2100 enthält [2].              Fragestellung (z. B. Raumnutzung, Ernährung,
2. Die Bevölkerungsprognose der UN für 2050, die Progno-          Altersrenten).
   sen auf Staatenebene auf einer Datenbasis bis 2005 ent-
   hält [3].                                                      Allen Bevölkerungsprognosen liegen Annahmen für die
3. Die Bevölkerungsvorausschätzung der EU für 2050, die        prägenden Faktoren
   Prognosen auf nationaler Ebene auf einer Datenbasis bis      Geburtenrate (Fertilität, fertility)
   2004 enthält [4].                                            Lebenserwartung (life expectancy) bzw. Sterblichkeit
4. Die 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des          (mortality)
   Statistischen Bundesamtes, die eine Prognose für Deutsch-    Wanderungen (Migration, migration)
   land bis 2050 enthält [5].                                  zugrunde. Prägende Eingangsgrößen wie wirtschaftliche
5. Die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des       Entwicklung, Ernährung, Krankheiten etc. gehen über diese
   Statistischen Bundesamtes, die ebenfalls eine Prognose      Parameter in die Prognosen ein. Die unterschiedlichen
   für Deutschland bis 2050 enthält [6].                       Annahmen in den vorliegenden Prognosen werden in Kapi-
6. Die „Raumordnungsprognose 2020/2050“ des Bundesam-          tel 6 beschrieben.
   tes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), die eine Bevöl-        Je nach zugrunde gelegten Annahmen ergeben sich im
   kerungsprognose auf Kreisebene bis 2020 und auf Lan-        Ergebnis der Prognoserechnungen Varianten oder Szena-
   desebene bis 2050 enthält [7].                              rien, deren Eintreten für mehr oder weniger wahrscheinlich
7. Der vom Hessischen Landtag veröffentlichte Bericht          gehalten wird. Oft wird eine „mittlere“ Variante (bzw. Szena-
   „Bevölkerung in Hessen 2050“ der Enquetekommission          rio) definiert, in deren Nähe die Eintritts-Wahrscheinlichkeit
   „Demografischer Wandel“ aus dem Jahr 2005, der eine         im Rahmen der dargestellten Bandbreiten als relativ hoch
   Bevölkerungsprognose auf Kreisebene mit 3 Varianten bis     eingeschätzt wird.
   2050 enthält [8].                                              Daneben werden oft Modellrechnungen durchgeführt,
8. Die Bevölkerungsprognose des Hessischen Statistischen       mit denen bestimmte Fragestellungen untersucht werden,
   Landesamtes aus dem Jahr 2008, die eine Prognose für        z. B. „was wäre, wenn die Geburtenrate konstant bliebe“. Die

                                                                                                             Februar/März 2009
                                                                                                              Wasser Abwasser    183
FACHBERICHTE                            Wasserversorgung

                            Ergebnisse solcher Modellrechnungen haben oft theoreti-                           die Kontinente, ausgewählte Regionen und die Staaten für
                            schen Charakter. Beispielsweise hat die UN eine Modellrech-                       die Jahre 2000, 2050, 2100, 2200 und 2300.
                            nung durchgeführt, nach der die Weltbevölkerung bei welt-                            Die fünf Szenarien für die weltweite Bevölkerungsent-
                            weit konstanten Geburtenraten bis zum Jahr 2300 auf fast                          wicklung sind
                            134 Billionen Menschen anwachsen würde (vgl. Kap. 5.1, Zif-                       1. „Medium“ – mit einer Zunahme auf 8,972 Mrd. Menschen
                            fer 5) und damit den Nachweis geführt, dass dieser Ansatz                            im Jahr 2300 und einem Maximum bei 9,221 Mrd. im
                            auszuschließen ist.                                                                  Jahr 2075.
                               Die Vielzahl der den unterschiedlichen Bevölkerungsprog-                       2. „Zero-Growth“ (Nullwachstum) – mit einer Zunahme auf
                            nosen zugrunde liegenden Annahmen und die daraus resul-                              8,323 Mrd. im Jahr 2300 und einem Maximum bei
                            tierenden Varianten im Detail zu beschreiben, würde den                              9,221 Mrd. im Jahr 2075.
                            Rahmen des vorliegenden Artikels übersteigen. Dazu wird                           3. „High“ – mit einer Zunahme auf 36,444 Mrd. im Jahr 2300.
                            auf die im Literaturverzeichnis aufgeführten Originalquellen                      4. „Low“ – mit einer Abnahme auf 2,310 Mrd. im Jahr 2300
                            verwiesen.                                                                           und einem Maximum bei 7,529 Mrd. im Jahr 2040.
                                                                                                              5. „Constant-Fertility“ (konstante Geburtenrate) – mit einer
                            5. Vorliegende Bevölkerungsprognosen                                                 Zunahme auf 133.591,993 Mrd. im Jahr 2300.
                            5.1 Prognose der UN für 2300
                            Mit dem Bericht „World Population to 2300“ [2] hat das                              Für Deutschland erwarten die UN folgende Entwicklun-
                            Department of Economic and Social Affairs der UN eine Pro-                        gen (Bild 1):
                            gnose für die weltweite Bevölkerungsentwicklung bis zum                            Im mittleren Szenario wird eine gemäßigte Entwicklung
                            Jahr 2300 vorgelegt. Die Prognose basiert auf dem Bevölke-                          von derzeit ca. 82,4 Mio. auf 85,3 Mio. im Jahr 2300 prog-
                            rungsstand des Jahres 2000 (weltweit 6,071 Mrd.) sowie                              nostiziert. Dabei geht die Einwohnerzahl zunächst auf
                            Annahmen für die einzelnen Staaten. Sie enthält Daten für                           73,1 Mio. im Jahr 2100 zurück, um danach wieder
                                                                                                                anzusteigen.
                                                                                                               Das Szenario „Nullwachstum“ folgt bis 2100 diesem
300.000
           1.000 Einwohner                                                                                      Szenario und bleibt danach konstant.
                  Bestand 1950-2000                                                                            Im hohen Szenario ist eine Zunahme auf 284,5 Mio.
                  Mittleres Szenario (Medium)
                  Szenario Nullwachstum (Zero Growth)                                                           Einwohner im Jahr 2300 prognostiziert. Für 2100 ist eine
250.000
                  Hohes Szenario (High)                                                                         Zahl von 102,9 Mio. ausgewiesen.
                  Niedriges Szenario (Low)
                  Szenario konstante Geburtenrate (Constant-Fertility)                                         Im niedrigen Szenario geht die Einwohnerzahl auf
200.000           Bezugszahl 2005
                                                                                                                31,2 Mio. im Jahr 2300 zurück. Für 2100 ist eine Zahl von
                                                                                                                52,8 Mio. ausgewiesen.
150.000                                                                                                        Bei einer konstanten Geburtenrate würde die Einwohner-
                                                                                                                zahl Deutschlands im Jahr 2300 nur noch 3,1 Mio.
100.000
                                                                                                                betragen.

                                                                                                              5.2 Prognose der UN für 2050
50.000
                                                                                                              Mit dem Bericht „World Population Prospects: „The 2004
                                                                                                              Revision Population Database“ [3] hat das Department of
      0                                                                                                       Economic and Social Affairs der United Nations im Jahr 2005
      1950           2000           2050           2100           2150         2200          2250      2300
                                                                                                              eine Prognose für die weltweite Bevölkerungsentwicklung
                            Bild 1. Prognose der UN für Deutschland 2300.                                     bis zum Jahr 2050 vorgelegt. Die Prognose basiert auf dem
                                                                                                              Bevölkerungsstand des Jahres 2005 (weltweit 6,465 Mrd.)
           1.000 Einwohner                                                                                    und enthält Daten für die Kontinente, ausgewählte Regio-
  92.500
                 Bestand 1950-2005                                                                            nen und die Staaten in 5-Jahres-Schritten bis 2050. Die vier
                 Mittlere Variante (Medium)
  90.000
                 Hohe Variante (High)
                                                                                                              Varianten sind
  87.500
                 Niedrige Variante (Low)                                                                      1. „Medium“ mit einer Zunahme auf weltweit 9,076 Mrd. im
                 Variante konstante Geburtenrate (Constant-Fertility)
                 Bezugszahl 2005                                                                                 Jahr 2050.
  85.000
                                                                                                              2. „High“ mit einer Zunahme auf 10,646 Mrd. im Jahr 2050.
  82.500                                                                                                      3. „Low“ mit einer Zunahme auf 7,680 Mrd. im Jahr 2050.
  80.000                                                                                                      4. „Constant-Fertility“ (konstante Geburtenrate) mit einer
                                                                                                                 Zunahme auf 11,658 Mrd. im Jahr 2050.
  77.500

  75.000                                                                                                        Für Deutschland werden ausgehend von 82,7 Mio. Ein-
  72.500
                                                                                                              wohnern im Jahr 2005 für 2050 erwartet (Bild 2):
                                                                                                               In der mittleren Variante ein Rückgang auf 78,8 Mio.
  70.000
                                                                                                                Einwohner.
  67.500                                                                                                       In der hohen Variante eine Zunahme auf 90,9 Mio.
        1950     1960       1970      1980       1990      2000         2010   2020   2030      2040   2050
                                                                                                                Einwohner.
                            Bild 2. Prognose der UN für Deutschland 2050.

                184          Februar/März 2009
                             Wasser Abwasser
Wasserversorgung                     FACHBERICHTE

 In der niedrigen Variante ein deutlicher Rückgang auf
  68,1 Mio. Einwohner.                                                    1.000 Einwohner
                                                                90.000
 In der Variante „konstante Geburtenrate“ ein Rückgang
  auf 72 Mio. Einwohner.
                                                                85.000
 Diese Daten unterscheiden sich zum Teil deutlich von der
  Prognose für 2300 (Bild 1).
                                                                80.000

5.3 Prognosen der EU für Deutschland 2050
In dem Bericht „Langfristige Bevölkerungsvorausschätzun-        75.000
gen auf nationaler Ebene“ [4] hat die EU die Ergebnisse einer
Bevölkerungsprojektion für das Jahr 2050 zusammenge-                            Bestand 2004
                                                                70.000          Basisvariante
fasst. Die Prognose basiert auf dem Bevölkerungsstand des                       Hohe Bevölkerungsvariante
                                                                                Niedrige Bevölkerungsvariante
Jahres 2004 und enthält sieben Varianten für die Bevölke-                       Bevölkerungsvariante mit jüngerem Profil
                                                                65.000
rungsentwicklung in den Mitgliedsstaaten bis 2050 mit Zwi-                      Bevölkerungsvariante mit älterem Profil
                                                                                Hohe Fruchtbarkeitsvariante
schenwerten für 2010 und 2030 (Bild 3).                                         Variante ohne Wanderungen
   Ausgehend von einem Bestand von 82,532 Mio. Einwoh-          60.000
                                                                      2000      2005          2010     2015         2020     2025         2030      2035       2040        2045          2050
nern im Jahr 2004 sind für Deutschland bis 2050 im Wesent-
lichen folgende Trend-Szenarien dargestellt:                              Bild 3. Prognose der EU für Deutschland 2050.
 In der Basisvariante eine Abnahme auf 74,642 Mio.
   Einwohner.
 In der hohen Variante eine Zunahme auf 89,943 Mio.                      1.000 Einwohner
                                                                 87.500
                                                                                                                                                           Variante 1-W1
   Einwohner.                                                                                                                                              Untergrenze der mittleren Bev.
                                                                 85.000                                                                                    Variante 1-W2
 In der niedrigen Variante eine Abnahme auf 63,412 Mio.                                                                                                   Obergrenze der mittleren Bev.
                                                                 82.500                                                                                    Variante 2-W1
   Einwohner.                                                                                                                                              Variante 2-W2
                                                                 80.000                                                                                    Variante 3-W1
                                                                                                                                                           Variante 3-W2
5.4 Prognosen auf Bundesebene für 2050                           77.500                                                                                    relativ "junge" Bevölkerung
                                                                                                                                                           Variante 4-W1
Auf Bundesebene liegen folgende Prognosen für das Jahr           75.000                                                                                    Variante 4-W2
2050 vor:                                                        72.500                                                                                    Variante 5-W1

 Die 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des          70.000
                                                                                                                                                           Variante 5-W2
                                                                                                                                                           Variante 6-W1
  Statistischen Bundesamtes (2003, Datenbasis 2001) [5].                                                                                                   relativ "alte" Bevölkerung
                                                                 67.500                                                                                    Variante 6-W2
 Die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des                                                                                                    Modellrechnung G1-L1-W3
                                                                 65.000
  Statistischen Bundesamtes (2006, Datenbasis 2005) [6].                                                                                                   Modellrechnung G1-L1-W0

 Die Prognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raum-            62.500                                                                                    Modellrechnung GR-L1-W1
                                                                                                                                                           Bezugszahl 2005
  ordnung (BBR, 2006, Datenbasis 2001), die auch Angaben         60.000
                                                                       2000    2005    2010    2015   2020   2025    2030   2035   2040    2045   2050
  für die Bundesländer enthält [7].
                                                                          Bild 4. Prognose des Statistischen Bundesamtes für
   Die ältere Prognose des Statistischen Bundesamtes                      2050 (11. koordinierte Bevölkerungsvorausberech-
enthielt neun Varianten, denen einheitlich eine konstante                 nung).
Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau zugrunde lag. Variiert
wurden hier lediglich Lebenserwartung und Wanderungs-
salden.
                                                                             Einwohner
   Die neuere Prognose des Statistischen Bundesamtes ent-       6.250.000

hält zwölf Varianten und drei Modellrechnungen (Bild 4),
denen verschiedene Annahmen für Geburtenrate, Lebenser-
                                                                6.000.000
wartung und Wanderungssaldo zugrunde liegen (vgl. Kap.
6). Dabei stellen die Varianten 1-W1 und 1-W2 die Unter- und
Obergrenze der „mittleren“ Bevölkerungsentwicklung dar.         5.750.000
   Die Prognose des BBR dient der Politikberatung der Bun-
desregierung in Bezug auf die künftige Nutzung des Rau-
mes. Sie entspricht mit einem Wert von 77,3 Mio. für 2050       5.500.000
etwa der in Bild 4 dargestellten Variante 3-W2 des Statisti-                      Bestand 2000 bis 2006
schen Bundesamtes, beruht jedoch auf anderen Annahmen.                            Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2006
                                                                5.250.000         Statistisches Landesamt 2008, Variante 2
                                                                                  Statistisches Landesamt 2008, Variante 1
5.5 Prognosen für Hessen 2050                                                     Hessen Agentur 2007
Für Hessen liegen drei aktuelle Prognosen für 2050 vor                            Bezugszahl 2005
                                                                5.000.000
(Bild 5):                                                               2000          2005     2010      2015        2020      2025       2030      2035       2040        2045          2050
 Die neue Prognose des Hessischen Statistischen
  Landesamtes mit 2 Varianten für 2050 [9],                               Bild 5. Prognosen für Hessen 2050.

                                                                                                                                    Februar/März 2009
                                                                                                                                     Wasser Abwasser       185
FACHBERICHTE                     Wasserversorgung

                         die neue Prognose der Hessen Agentur GmbH für 2050                    Einwohner und danach einen vergleichsweise gemäßigten
                          [11] und                                                              Rückgang auf 5,86 Mio. im Jahr 2050 aus.
                         die Prognose des Bundesamtes für Bauwesen und
                          Raumordnung (BBR) [7].                                                5.6 Prognosen für Südhessen 2025 und 2050
                                                                                                Die einzige aktuelle Prognose für Südhessen bis 2050 wurde
                          Mit den Prognosen des Statistischen Landesamtes (2007)                durch die Hessen Agentur aufgestellt [11]. Diese weist für
                        und der Hessen Agentur (2008) wurden Prognosen aus den                  den Zeitraum bis 2020 noch eine leichte Zunahme von 3,773
                        Jahren 2004 und 2005 aktualisiert:                                      Mio. Einwohner im Jahr 2006 auf 3,857 Mio. und danach
                         Der vom Hessischen Landtag veröffentlichte Bericht                    einen Rückgang auf 3,65 Mio. aus (Bild 6).
                          „Bevölkerung in Hessen 2050“ der Enquetekommission                       Der Vergleich der Bilder 5 und 6 (Hessen und Südhessen)
                          „Demografischer Wandel“ [8] mit drei Varianten.                       zeigt, dass für die Teilregion Südhessen eine erheblich güns-
                         Die Bevölkerungsvorausschätzung der Forschungs- und                   tigere Entwicklung erwartet wird als für Hessen insgesamt.
                          Entwicklungsgesellschaft Hessen mbH (FEH) [10].                       Die Hessen Agentur rechnet in ihren aktuellen Gutachten für
                                                                                                den Zeitraum 2006 bis 2050 für Südhessen mit einer Bevöl-
                           Die beiden letztgenannten Prognosen sind in Bild 5 nicht             kerungsabnahme um nur 3,2 %, für Mittelhessen dagegen
                        dargestellt, werden aber als Bewertungsgrundlage für die                um 15,7 % und für Nordhessen um 21,6 % [11].
                        Detailbetrachtung für Südhessen mit herangezogen (vgl.                     Die aktuelle Prognose des Statistischen Landesamtes ent-
                        Kap. 5.6).                                                              hält für Südhessen nur Daten für den mittelfristigen Zeit-
                           Die neuen Prognosen [9, 11] basieren auf der 11. regiona-            raum bis 2025. Für eine Abschätzung des längerfristigen
                        lisierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen                Trends sind in Bild 6 daher zusätzlich gestrichelt die Progno-
                        Bundesamtes [6] (vgl. Kap. 5.4) und auf einem Bestand von               sen der Enquetekommission aus dem Jahr 2005 [8] und der
                        6,075 Mio. Einwohnern am 31.12.2006. Das Statistische Lan-              FEH aus dem Jahr 2004 [10] dargestellt, die auch den Zeit-
                        desamt rechnet in seiner Variante 2 kurzfristig noch mit einer          raum bis 2050 abdecken. Es wird deutlich, dass die neuen
                        leichten Bevölkerungszunahme bis 2010. Mittel- und lang-                mittelfristigen Prognosen etwa den Bereich zwischen der
                        fristig wird in beiden Varianten ein mehr oder weniger deut-            FEH-Prognose und der Mittleren Variante der Enquete-
                        licher Bevölkerungsrückgang auf 5,145 Mio. Einwohner in                 kommission abdecken, während deren Obere und Untere
                        Variante 1 bzw. 5,463 Mio. in Variante 2 erwartet. Die Prog-            Variante jeweils höher bzw. niedriger lagen.
                        nose der Hessen Agentur entspricht mit einem Endwert von
                        5,518 Mio. Einwohnern weitgehend der Variante 2 des Statis-             5.7 Gegenüberstellung der Prognosen
                        tischen Landesamtes.                                                    Bild 7 zeigt die Bandbreiten der in den vorangegangenen
                           Gegenüber den früheren Prognosen [8, 10] wird nunmehr                Kapiteln dargestellten Prognosen. Die prozentualen Verän-
                        für die ländlichen Regionen ein stärkerer Bevölkerungsrück-             derungen sind darin (unabhängig von der Basis der jewei-
                        gang erwartet, während die großen Städte zumindest mit-                 ligen Prognose) einheitlich auf den Bestand 2005 bezogen,
                        telfristig noch Bevölkerungszunahmen erwarten können.                   der in den Bildern 1 bis 6 jeweils als Bezugspunkt eingetra-
                        Insofern wurde in Hessen bei den Bevölkerungsprognosen                  gen ist. Die Prognosen beziehen sich jeweils auf das Jahr
                        ein planerischer Paradigmenwechsel berücksichtigt, der sich             2050, nur ganz links sind die Daten der UN für 2100 (Auszug
                        auch in den aktuellen Rahmenwerken der Regionalplanung                  aus der Prognose für 2300) dargestellt – aufgrund der aus
                        wiederfindet.                                                           dem längeren Zeitraum resultierenden Prognose-Unsicher-
                           Die Prognose des BBR liegt höher als die Prognosen der               heiten mit entsprechend größerer Bandbreite.
                        hessischen Institutionen und weist für den Zeitraum bis                    Zunächst fällt auf, dass die UN für Deutschland im Jahr
                        2010 noch eine Bevölkerungszunahme auf knapp 6,15 Mio.                  2050 wesentlich höhere Einwohnerzahlen erwartet als das
                                                                                                Statistische Bundesamt. Die Mittlere Variante der UN weist
                                                                                                gegenüber 2005 einen Rückgang um 4,5 % aus. Dagegen
            Einwohner
3.900.000                                                                                       sind in den Prognosen des Statistischen Bundesamtes Rück-
                                                                                                gänge um 8,9 % bzw. in der neuesten Prognose sogar 13,4 %
3.800.000
                                                                                                (Mittelwert von Unter- und Obergrenze, vgl. Bild 4) ausge-
3.700.000
                                                                                                wiesen. Auch die Randwerte der Bandbreiten liegen vor
                                                                                                allem in der neuesten Prognose des Statistischen Bundes-
3.600.000                                                                                       amtes deutlich unter denen der UN.
                                                                                                   Die Prognose der EU für Deutschland 2050 hat eine grö-
3.500.000
                                                                                                ßere Bandbreite als die anderen Prognosen. Dabei entspricht
                Bestand 2000 bis 2006                                                           der untere Wert mit –23,1 % etwa der neuesten Prognose
3.400.000
                Enquetekommission 2005, Obere Variante
                Enquetekommission 2005, Mittlere Variante
                                                                                                des Statistischen Bundesamtes (–24,2 %), der obere Wert
3.300.000       Enquetekommission 2005, Untere Variante                                         liegt mit +9,1 % gegenüber +4,4 % jedoch deutlich höher.
                Statistisches Landesamt 2008, Variante 2
                Statistisches Landesamt 2008, Variante 1                                        Mittelwert und Basisvariante der EU liegen ebenfalls deut-
3.200.000       FEH / Hessen Agentur 2004
                Hessen Agentur 2007                                                             lich über den aktuellen Daten des Statistischen Bundesam-
                Bezugszahl 2005                                                                 tes [6] und sind mit denen der UN vergleichbar.
3.100.000
        2000     2005     2010     2015      2020     2025   2030   2035   2040   2045   2050      Für Hessen und Südhessen sind in Bild 7 sowohl die
                        Bild 6. Prognosen für Südhessen 2025 und 2050.                          aktuellen Prognosen für 2050 als auch deren Vorgänger-

               186       Februar/März 2009
                         Wasser Abwasser
Wasserversorgung                                              FACHBERICHTE

       Veränderung gegenüber 2005 in Prozent
30%                                                                                                                                                                                                                            Maximum

                        24,8%                                                                                                                                                                                                  Minimum

20%                                                                                                                                                                                                                            Mittelwert
                                                                                                                                                                                                                               Mittlere Variante

10%                                                10,3%                    9,1%
                                                                                                                                4,4%
  0%                                                                                                                                                                                                                               -0,2%
                                                                                                    -1,4%
                                                                                                                                                                -2,7%                          -3,9%                                                             -3,4%
                                                   -4,5%
                                                   -6,1%                    -4,5%                                                                                                                                                  -7,5%
                        -8,5%                                               -9,5%                   -8,9%                                                       -8,4%                          -9,8%                               -8,9%
-10%                    -11,4%                                                                      -9,3%                       -10,9%                          -9,8%
                                                                                                                                -13,4%
                                                                                                                                                                                               -15,5%
                                                   -17,4%                                                                                                       -16,8%                                                             -16,8%
                                                                                                    -18,7%
-20%
                                                                            -23,1%                                              -24,2%

-30%

                        -36,0%
-40%

                                                                                                                                                                                                                                                        Hessen Agentur
                                   Deutschland 2005-2050

                                                            Deutschland 2004-2050
           Deutschland 2000-2100
          (Auszug Prognose 2300)

                                                                                     Statistisches Bundesamt:

                                                                                                                Statistisches Bundesamt:

                                                                                                                                                                                                                    Enquetekommission / FEH
                                                                                      Deutschland 2001-2050

                                                                                                                 Deutschland 2005-2050

                                                                                                                                                 Enquetekommission / FEH /

                                                                                                                                                                             Statistisches Landesamt / HA

                                                                                                                                                                                                                                                          2006-2050
                                                                                                                                                                                                                                                          Südhessen
                                                                                      (10. Berechnung, 2003)

                                                                                                                 (11. Berechnung, 2006)

                                                                                                                                                                                                                         2002/2003-2050
                                                                                          BBR, 2002 -2050

                                                                                                                                                      2002/2003-2050
                                          UN 2005:

                                                                                                                                                                                                                           Südhessen
                                                                                                                                                                                        2006-2050
                                                                      EU:
                     UN:

                                                                                                                                                          Hessen

                                                                                                                                                                                          Hessen
                                                                                                                                                            BBR

Bild 7. Bandbreiten der vorliegenden Prognosen für Deutschland, Hessen und Südhessen.

werke dargestellt. Für Hessen decken die Bandbreiten einen                                                           ist eine Geburtenrate über 2,0 erforderlich. Geburtenraten
Bereich zwischen einem leichten Rückgang um etwa 3 bis                                                               deutlich über 2,0 bedeuten Wachstum, Geburtenraten unter
4 % und einem deutlichen Rückgang um etwa 15 bis 17 %                                                                2,0 Schrumpfung. In Deutschland liegt die Geburtenrate
ab. Für Südhessen ist in den älteren Prognosen eine Band-                                                            derzeit unter 1,4. Die UN erwarten für Europa minimale Ferti-
breite zwischen +/- 0 und -17 % dargestellt. Die aktuelle                                                            litätsraten im Zeitraum zwischen 1990 bis 2010 [3]. Danach
Prognose der Hessen Agentur weist einen leichten Rück-                                                               wird ein langsamer Anstieg auf bestandserhaltende Werte
gang um 3,4 % aus.                                                                                                   leicht über 2,0 erwartet. Die von den UN erwartete Entwick-
  Alle vorliegenden Prognosen sind für sich genommen                                                                 lung in Deutschland zeigt Bild 8.
fachlich fundiert und liefern in Abhängigkeit von den                                                                   Die EU [4] geht davon aus, dass die Geburtenrate in Ost-
zugrunde gelegten Fragestellungen bzw. Zielrichtungen                                                                und Mitteleuropa im kommenden Jahrzehnt gering bleiben
sowie den hierfür festgelegten Annahmen nachvollziehbare                                                             und dann wieder steigen wird. Auf Grundlage dieser
Ergebnisse. Die Entwicklungen der zugrunde liegenden Ein-                                                            Annahme wurden drei Varianten definiert, die als Basis-,
gangsparameter Geburtenrate, Lebenserwartung und Wan-                                                                hohe und niedrige Variante bezeichnet werden (Kap. 5.3 und
derungssaldo hängen von vielen regionalen wie auch globa-                                                            Bild 3). Der Basisvariante liegt für Deutschland eine leichte
len Rahmenbedingungen ab, sind daher nicht exakt prog-
nostizierbar und unterliegen somit einer entsprechenden                                                              2,25
                                                                                                                                       Geburtenrate in Deutschland
Varianz (vgl. Kap. 6). Daraus ergibt sich zwangsläufig eine                                                                                  2,160

Bandbreite von Varianten und Szenarien, die auch in der hier                                                                                                                                                      2,064                         2,061              2,059      2,058       2,058

benötigten Abschätzung der Bevölkerungsentwicklung bis                                                               2,00
                                                                                                                                                                             1,900
2100 zumindest weitgehend berücksichtigt werden muss
(vgl. Kap. 7).                                                                                                                                                                                              Geburtenrate (Kinder pro Frau)
                                                                                                                     1,75

6. Zugrunde liegende Annahmen
Allen Bevölkerungsprognosen liegen Annahmen für die drei
                                                                                                                     1,50
prägenden Faktoren
 Geburtenrate (Fertilität, fertility),
                                                                                                                                                                  1,350
 Lebenserwartung (life expectancy) bzw. Sterblichkeit                                                               1,25
   (mortality),
 Wanderungen (Migration, migration)
zugrunde. Die Lebenserwartung hat dabei den geringsten                                                               1,00
                                                                                                                                           1950-1955           2000-2005      2050-2055                        2100-2105                      2150-2155        2200-2205    2205-2255   2295-2300
Einfluss auf das Ergebnis der Prognose. Die Geburtenrate
wird angegeben in Geburten je Frau. Zur Bestandserhaltung                                                                           Bild 8. Geburtenrate in Deutschland, 1950 bis 2300.

                                                                                                                                                                                                                                              Februar/März 2009
                                                                                                                                                                                                                                               Wasser Abwasser             187
FACHBERICHTE                           Wasserversorgung

2,25
       Geburtenrate in Deutschland                                                                                  Annahmen in Bezug auf die Geburtenrate rechnet als die
                                                                                                                    deutschen Stellen. Als Folge davon ergeben sich in den Pro-
                                                                                                                    gnosen der deutschen Stellen in fast allen Varianten stärkere
                                                                         Bestand 1990-2004
2,00
                                                                         Stat. BA, 11. koordinierte, Modell GR      Rückgänge (Bild 4 bis 6), die den Eindruck eines anhalten-
                                                                         Stat. BA, 11. koordinierte, G2
                                                                         EU, Basisvariante                          den Schrumpfungsprozesses erwecken.
                                                                         Stat. BA, 10. koordinierte                    In Bezug auf die Lebenserwartung erwarten alle Progno-
1,75                                                                     Stat. BA, 11. koordinierte, G1
                                                                         Stat. BA, 11. koordinierte, G3             sen einen mehr oder weniger deutlichen Anstieg, langfristig
                                                                                                                    auf Werte über 100 Jahre. Wanderungsbewegungen sind
1,50                                                                                                                grundsätzlich nicht oder kaum prognostizierbar. Den Prog-
                                                                                                                    nosen liegen deshalb unterschiedliche Annahmen zugrunde,
1,25
                                                                                                                    die aus den Wanderungssalden der Vergangenheit abgelei-
                                                                                                                    tet sind (Bild 10). Die Migration hat in den Prognosen der
                                                                                                                    deutschen Stellen eine höhere Bedeutung als in der langfris-
1,00                                                                                                                tigen Prognose der UN. Insofern findet ein gewisser Aus-
   1990          2000        2010             2020               2030              2040               2050
                                                                                                                    gleich für die meist ungünstigeren Annahmen in Bezug auf
                        Bild 9. Geburtenrate in Deutschland, 1990 bis 2050.                                         die Geburtenrate statt.

 Jährliches Wanderungssaldo (Tausend)                                                                               7. Bevölkerungsprognose für Südhessen 2100
                                        Bestand 1990-2004                   EU, Basisvariante
500                                                                                                                 Für das Jahr 2100 liegen keine Bevölkerungsprognosen für
                                        Stat. BA, 10. koordinierte, W3      Stat. BA, 10. koordinierte, W2
450                                     Stat. BA, 10. koordinierte, W1      Stat. BA, 11. koordinierte, Modell W3   die Bundesländer oder kleinere räumliche Einheiten vor.
                                        Stat. BA, 11. koordinierte, W2      Stat. BA, 11. koordinierte, W1          Zahlenwerte für Deutschland 2100 enthält nur die Prognose
400                                     Stat. BA, 11. koordinierte, Modell W0 BBR (Mittelwerte)
                                                                                                                    der UN für 2300 (Bild 1). Bei der Übertragung auf Südhessen
350                                                                                                                 ist zu beachten:
300                                                                                                                  Die Prognosen der deutschen Stellen und der EU erwarten
                                                                                                                       für Deutschland einen wesentlich stärkeren Bevölkerungs-
250
                                                                                                                       rückgang als die UN.
200
                                                                                                                     Die erwartete Entwicklung für Hessen insgesamt ent-
150                                                                                                                    spricht etwa dem Bundesdurchschnitt.
100                                                                                                                  Für Südhessen wird eine günstigere Entwicklung erwartet
                                                                                                                       als für Nord- und Mittelhessen; das BBR erwartet für Süd-
50
                                                                                                                       hessen bis 2020 sogar eine deutlich überdurchschnittliche
 0                                                                                                                     Entwicklung.
 1990           2000         2010            2020               2030               2040              2050
                                                                                                                     Die aktuellen Prognosen weisen für Südhessen relativ
                        Bild 10. Migration nach Deutschland, 1994 bis 2050.                                            gemäßigte Entwicklungen aus.

                                                                                                                      Bild 11 zeigt die daraus abgeleiteten Szenarien für Süd-
                        Zunahme auf 1,45 Geburten pro Frau zugrunde (Bild 9). In                                    hessen, wie sie der aufzustellenden Wasserbedarfsprognose
                        der älteren Prognose des Statistischen Bundesamtes [5] ist                                  zugrunde gelegt werden. Ausgehend von 3,78 Mio. Einwoh-
                        bis 2010 ein leichter Anstieg der Geburtenrate von derzeit                                  nern im Jahr 2005 ergeben sich demnach für 2100 Einwoh-
                        unter 1,4 auf 1,40 zugrunde gelegt, die dann bis 2050 kon-                                  nerzahlen von rd. 4,72 Mio. als Oberer Wert, 3,48 Mio. als
                        stant bleibt. In der jüngeren Prognose des Statistischen                                    Mittlerer Wert und 2,46 Mio. als Unterer Wert.
                        Bundesamtes [6] sind ausgehend von einer aktuellen Gebur-                                     Dem liegen folgende Annahmen zugrunde (vgl. Bild 7):
                        tenrate von rund 1,4 vier verschiedene Annahmen berück-                                      Das obere Szenario entspricht mit einer Zunahme um
                        sichtigt (Bild 9):                                                                            25 % der Prognose der UN für Deutschland (hohes Szena-
                         In den Varianten 1 und 2 und zwei Modellrechnungen                                          rio). Es liegt deutlich über den Prognosen der deutschen
                           eine ab 2006 annähernd konstante Geburtenrate von 1,40                                     Stellen.
                           (G1).                                                                                     Das untere Szenario entspricht mit einer Abnahme um
                         In den Varianten 3 und 4 ein leichter Anstieg auf 1,6 bis                                   rund 35 % der Prognose der UN für Deutschland (niedri-
                           2025 und danach konstant (G2).                                                             ges Szenario). Da es für 2050 die Untere Variante der
                         In den Varianten 5 und 6 ein linearer Rückgang von derzeit                                  Enquetekommission des Hessischen Landtags gerade mit
                           1,4 auf 1,2 bis 2050 (G3).                                                                 einschließt, ist die so nach unten festgelegte Bandbreite
                         In der dritten Modellrechnung ein starker Anstieg auf 2,1                                   bis 2100 vertretbar.
                           bis 2010 und danach bis 2050 konstant (GR).                                               Das mittlere Szenario ist mit einem Rückgang um 8 % aus
                                                                                                                      dem mittleren Szenario der UN abgeleitet, das für Deutsch-
                          Das BBR [7] rechnet bis 2020 je nach Bevölkerungsstruktur                                   land einen Rückgang um 8,5 % ausweist. Berücksichtigt ist
                        mit unterschiedlichen Entwicklungen in den kreisfreien                                        damit eine etwas günstigere Entwicklung in Südhessen.
                        Städten und Landkreisen und schreibt diese Zahlen dann bis                                    Der Rückgang um 4 % bis 2050 entspricht ziemlich genau
                        2050 als konstant fort. Zusammenfassend ist festzustellen,                                    der aktuellen Prognose der Hessen Agentur, die gegen-
                        dass die UN für Deutschland mit wesentlich günstigeren                                        über 2005 einen Rückgang um knapp 4 % erwartet.

                188      Februar/März 2009
                         Wasser Abwasser
Wasserversorgung               FACHBERICHTE

   Die Entwicklung im Zeitraum 2005 bis 2100 wird nähe-                              Einwohner
                                                                         5.000.000
rungsweise linear angesetzt. Vor dem Hintergrund der                                                                                                                +25%

unvermeidlichen Unsicherheit der Prognose und der Unter-
                                                                         4.500.000
schiedlichkeit der zugrunde liegenden Quellen wäre jede                                            Ausgangswert 2005
weitere Präzisierung (z.B. im zeitlichen Verlauf ) reine Speku-
                                                                         4.000.000
lation. Aus dem gleichen Grund wird keine weitere Differen-
zierung für die Landkreise und kreisfreien Städte vorgenom-
men. Der aufzustellenden Wasserbedarfsprognose werden                    3.500.000
                                                                                                                                                                     -8%
also einheitlich die oben genannten Szenarien zugrunde                                     Bestandsdaten 1977 bis 2006
gelegt.                                                                                    Enquetekommission 2005, Obere Variante
                                                                         3.000.000         Enquetekommission 2005, Mittlere Variante
   Abschließend ist zu bemerken, dass es unwahrscheinlich                                  Enquetekommission 2005, Untere Variante
                                                                                           Statistisches Landesamt 2008, Variante 1
ist, dass in Deutschland eine Entwicklung eintritt, die sich                               Statistisches Landesamt 2008, Variante 1
                                                                         2.500.000         Hessen Agentur 2007
völlig von der Entwicklung weltweit bzw. in Europa abkop-                                  Prognose 2100: Oberer Wert                                               -35%
                                                                                           Prognose 2100: Mittlerer Wert
pelt. Die UN erwarten in ihrem mittleren Szenario weltweit                                 Prognose 2100: Unterer Wert
                                                                         2.000.000
eine Bevölkerungszunahme auf maximal etwa 9,2 Mrd. Men-                           1975               2000               2025                 2050            2075    2100
schen im Jahr 2075 [2]. Einflussfaktoren, die die Entwicklung
in Deutschland mitbestimmen werden, sind die bereits im                  Bild 11. Bevölkerungsprognose für Südhessen 2100.
Bestand hohe Bevölkerungsdichte einerseits, die hoch ent-
wickelte Infrastruktur und die günstigen Lebensbedingun-
gen andererseits. Damit ist eine gemäßigte Bevölkerungs-                  [8] Hessischer Landtag (Hrsg.): Enquetekommission „Demografischer
entwicklung wahrscheinlicher als eine starke Zunahme oder                     Wandel“: Bevölkerung in Hessen 2050. Hessisches Statistisches
                                                                              Landesamt, Wiesbaden, 2005.
ein starker Rückgang.
                                                                          [9] Hessisches Statistisches Landesamt: Bevölkerung in Hessen 2050.
   Für die aufzustellende Wasserbedarfsprognose wird in                       Wiesbaden, 2008.
dem nächsten Schritt die langfristige Entwicklung des Pro-               [10] Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft Hessen mbH: Bevölke-
Kopf-Bedarfs abgeschätzt. Die entsprechenden Szenarien                        rungsvorausschätzung für die hessischen Landkreise und kreis-
                                                                              freien Städte bis 2050. Wiesbaden, 2004.
werden auf Grundlage umfassender Recherchen voraus-
                                                                         [11] Hessen Agentur GmbH: Bevölkerungsvorausschätzung für die hes-
sichtlich erhebliche Bandbreiten abdecken, um den bis 2100                    sischen Landkreise und kreisfreien Städte. Wiesbaden, 2008.
zu erwartenden bzw. denkbaren Entwicklungen Rechnung
zu tragen. Die eigentliche Wasserbedarfsprognose wird
                                                                                                                 21.01.2008
dann aus der Überlagerung von Bevölkerungsentwicklung                                             Eingereicht: 05.12.2008
                                                                                                    Korrektur:
und Pro-Kopf-Bedarf abgeleitet.                                                                                               tachtet
                                                                                                               -Verfahren begu
                                                                                                 Im Peer-Review

Literatur
                                                                              Autoren
[1] Herber, W., Wagner, H. und Roth, U.: Die demografische Entwicklung
    als Grundlage für den Regionalen Wasserbedarfsnachweis der
    Hessenwasser GmbH & Co. KG. GWF-Wasser/Abwasser 148 (2007)                Dr. rer. nat. Hermann Mikat
    Nr. 10, S. 684–690.
                                                                              E-Mail: Hermann.Mikat@hessenwasser.de |
[2] United Nations, DESA, Population Division, World Population in            Hessenwasser GmbH & Co. KG |
    2300 (ESA/P/WR.187), forthcoming. New York 2004. http://www.
    un.org/esa/population/publications/longrange2/WorldPop-                   Taunusstraße 100 | D-64521 Groß-Gerau
    2300final.pdf
[3] United Nations, DESA, Population Division, World Population Pros-         Dipl.-Geol. Holger Wagner
    pects: The 2004 Revision Population Database. New York 2005.
    http://esa.un.org/unpp                                                    Holger.Wagner@hessenwasser.de |
[4] Europäische Gemeinschaft, Eurostat: Langfristige Bevölkerungsvo-
                                                                              Hessenwasser GmbH & Co. KG |
    rausschätzungen auf nationaler Ebene. Luxemburg, Februar 2006.            Taunusstraße 100 | D-64521 Groß-Gerau
[5] Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2050 – 10.
    koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden, 2003.               Dr.-Ing. Ulrich Roth
[6] Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2050 – 11.          Beratender Ingenieur |
    koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden, 2006.
                                                                              E-Mail: Dr.Roth-BadEms@t-online.de |
[7] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Raumord-
    nungsprognose 2020/2050. Berichte des BBR, Heft 23, Bonn 2006.
                                                                              Auf der Hardt 33 | D-56130 Bad Ems
    Dazu Daten-CD (Ausgabe 2006).

                                                                                                                                        Februar/März 2009
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