Die digitale Steuerverwaltung - zsis

Die Seite wird erstellt Joel Graf
 
WEITER LESEN
Die digitale Steuerverwaltung - zsis
Sonstige                                                                                   → Claudio Fischer

        Die digitale Steuerverwaltung

Band 2 / 2020 | Artikel 6
        Zitiervorschlag: Claudio Fischer, Die digitale Steuerverwaltung, in zsis) 2/2020, A6, N [...]
s. 39   (abrufbar unter: publ.zsis.ch/A6-2020)
25.06.2020                                                                                   Sonstige

QUICK READ Die öffentliche Verwaltung und in besonderem Masse
die Steuerbehörden brauchen die Digitalisierung, um die stetig wach-
senden Aufgaben überhaupt bewältigen zu können. Gleichzeitig bie-
tet vernünftig eingesetzte Digitalisierung den Bürgerinnen und Bürgern
einen bedeutenden Mehrwert. Auch wenn wir so schnell nicht vom
Steuernzahlen befreit werden, dürfte sich die Art, wie wir unsere Steuern   Claudio FISCHER
deklarieren und entrichten, fundamental verändern und vereinfachen.         Advokat, CAS Tax
                                                                            Steuerverwalter | Steuerverwaltung
                                                                            des Kantons Bern
Die Steuerbehörden spielen bei diesem Entwicklungsprozess eine              claudio.fischer@fin.be.ch
entscheidende Rolle. Das Potenzial ist enorm. Dabei ist aber der Grat
zwischen technisch Machbarem und politisch bzw. gesellschaftlich
Akzeptiertem manchmal schmal. Die gesetzlichen Grundlagen hin-
ken gerade im Steuerbereich der digitalen Entwicklung stark hinter-
her. Mit den im geplanten «Bundesgesetz über elektronische Verfahren
im Steuerbereich» vorgesehenen Änderungen würde diesbezüglich ein
wichtiger Fortschritt gemacht. Dennoch besteht weiterer Handlungsbe-
darf bei der Harmonisierung der Beschaffung, Übermittlung und
Nutzung von steuerrelevanten Daten. Denn erst eine ausreichende, sta-
bile und korrekte Datenbasis ermöglicht effiziente und effektive digitale
Steuerprozesse.

s. 40    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                         Sonstige

QUICK READ                                    40   1. Einleitung

                                                   Spätestens die Coronavirus-Krise dürfte vielen schlag-       1
HAUPTTEIL                                     41   artig vor Augen geführt haben, welchen entscheiden-
                                                   den Unterschied die Digitalisierung machen kann:
1. Einleitung                                 41   Während «analoge» Läden und Restaurants von einem
                                                   Tag auf den anderen schliessen mussten, konnten
2. Was heisst digital?                        41   Konkurrenten, die über einen Online-Shop verfügen,
                                                   ihre Geschäfte praktisch ohne Unterbruch weiterfüh-
3. Herausforderungen für die Steuerbehörden   42   ren. 01 Mitarbeitende von Verwaltungsstellen, die ihre
                                                   Prozesse und Arbeitsplätze digitalisiert haben, konn-
4. Das Steuerveranlagungsverfahren            44   ten reibungslos von zuhause arbeiten, während ande-
im digitalen Umfeld                                re Dienststellen teilweise praktisch lahmgelegt waren.

5. Fazit                                      49   Zweifellos wird die Coronavirus-Krise der Digitali-          2
                                                   sierung weiteren Schub verleihen. Plötzlich werden
                                                   Dinge möglich, die bisher nicht vom Fleck kamen. 02
                                                   Die Steuerbehörden in der Schweiz haben bereits vor
                                                   der Krise an der digitalen Transformation gearbeitet,
                                                   wenn auch in gut schweizerisch föderalistischer Art
                                                   mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Stoss-
                                                   richtungen. Es ist anzunehmen, dass Corona auch die-
                                                   sen Arbeiten zusätzlichen Schub verleihen wird.

                                                   Dieser Beitrag geht der Frage nach, warum und wo             3
                                                   Digitalisierung für eine Steuerbehörde Sinn macht,
                                                   welche Möglichkeiten sie eröffnet und welche (neuen)
                                                   Fragen sich dabei stellen.

                                                   2. Was heisst digital?

                                                   Digital ist das Gegenteil von analog. Digitalisieren         4
                                                   beschreibt das Ersetzen des Analogen durch das Nu-
                                                   merische. Es entstehen virtuelle Kopien der Realität.

                                                   01
                                                      Wie Corona die Welt verändert:
                                                      Die Wirtschaft wird noch digitaler, St. Galler Tagblatt
                                                      4. April 2020, online gefunden am
                                                      4. Mai 2020 unter: https://www.tagblatt.ch/wirtschaft/
                                                      corona-treibt-die-digitalisierung-an-ld.1210378.
                                                   02
                                                      Plötzlich schafft Deutschland, was bisher
                                                      unmöglich schien, Welt 2. Mai 2020, online gefunden
                                                      am 4. Mai 2020 unter: https://www.welt.de/wirtschaft/
                                                   article207541717/Digitalisierung-Mit-Corona-schafft-
                                                      Deutschland-das-bisher-Unmoegliche.html.

s. 41      Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                              Sonstige

    Digitalisierung verwandelt Atome in Bits: Bücher aus    Mit diesen und weiteren Herausforderungen sind alle       7
    Papier werden zu Zahlenreihen, die mit einem E-Book-    kantonalen Steuerämter und die eidgenössische Steu-
    Reader lesbar gemacht werden. Der Laden um die          erverwaltung (ESTV) in ähnlicher Weise konfrontiert,
    Ecke wird zum Online-Store. Alles Digitale ist immer    weshalb die Digitalisierung überall ein Thema ist. Da
    eine bestimmte endliche Abfolge der Zahlen 1 und 0.     die Voraussetzungen und die Bedürfnisse aber unter-
    Die Form, die Materie, die äussere Erscheinung, das     schiedlich sind, ist die Entwicklung nicht einheitlich.
    Physische spielen keine Rolle mehr.                     Stellvertretend soll am Beispiel des Kantons Bern für
                                                            die zwei wichtigsten Herausforderungen aufgezeigt
5   Der Mensch ist analog, er kann digitale Daten nur mit   werden, wie kantonale Steuerverwaltungen die Digi-
    Hilfe von technischen Hilfsmitteln verstehen. Das mag   talisierung nutzen können.
    erklären, warum viele Menschen der Digitalisierung
    nach wie vor skeptisch gegenüberstehen. Digitale        3.1 Veränderte Bedürfnisse und Erwartungen der
    Prozesse haben jedoch gegenüber analogen so viele       steuerpflichtigen Personen
    entscheidende Vorteile, dass sie sich unaufhaltsam          So wie das materielle Steuerrecht einem steten        8
    durchsetzen: Auf keine andere Art lassen sich Daten     Wandel unterliegt, verändert sich auch die Interak-
    so einfach und kostengünstig erzeugen, übermitteln,     tion zwischen den steuerpflichtigen Personen und
    verfügbar machen und aufbewahren.                       den Steuerbehörden. Eindrücklich ist das zu sehen
                                                            am Beispiel der Steuererklärung. Im Jahr 2000 gab
                                                            es im Kanton Bern einzig die Papiersteuererklärung.
    3. Herausforderungen für die Steuerbehörden             2017 füllten fast 90 % der Steuerpflichtigen im Kanton
                                                            Bern die Steuererklärung am Computer aus, zwei Drit-
6   Auch die Steuerbehörden setzen zunehmend auf            tel davon online. Die Zahl der Online-Nutzer ist weiter
    Digitalisierung. Dabei kann und darf Digitalisierung    stark steigend.
    nicht Selbstzweck sein. Digitalisierung ist kein All-
    zweckmittel. Aber auf viele Herausforderungen, mit      Die Steuerverwaltung des Kantons Bern wollte wis-         9
    denen die Steuerbehörden – wie gleichermassen auch      sen, wie ihre Kundinnen und Kunden in zehn Jahren
    Unternehmen – konfrontiert sind, bietet die Digitali-   die Zusammenarbeit mit der Steuerverwaltung er-
    sierung Antworten:                                      leben möchten. In einem Design Thinking Workshop
    • Veränderte Bedürfnisse und Erwartungen                haben sie ihre Bedürfnisse und Ideen eingebracht.
        der Kunden                                          Die Hauptergebnisse lassen sich in den Stichworten
    • Technologische Entwicklungen                          «Einfach, Mobil und Sicher» zusammenfassen: Das
        und damit einhergehende Veränderungen               Ausfüllen und Einreichen der Steuererklärung soll ein-
    • Zunehmend komplizierte steuerliche                    fach sein. Geschätzt würde eine mit den notwendigen
        Vorschriften, die mehr Daten und einen              Daten vorausgefüllte Steuererklärung, die von den
        höheren Vollzugsaufwand erfordern                   steuerpflichtigen Personen nur noch kontrolliert und
    • Steigende Veranlagungszahlen                          nötigenfalls ergänzt werden müsste. Die Datenherr-
        aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen       schaft soll dabei bei den steuerpflichtigen Personen
        und Bevölkerungswachstum                            bleiben. Das heisst, sie bestimmen, welche Angaben
    • Andere Arbeitsweisen und –einstellungen               direkt und medienbruchfrei in die Steuerdeklaration
        einer jüngeren Generation von Mitarbeitenden        fliessen sollen. Offene Fragen sollen rasch beantwor-
    • Zunehmende Globalisierung, die eine stärkere          tet werden. Das Bezahlen der Steuern soll einfach und
        Vernetzung und Datenaustausch fordert               flexibel sein. Weiter ist davon auszugehen, dass im
    • Im Speziellen für die Verwaltung das Gebot,           privaten Bereich die Entwicklung zu Smartphone und
        Steuergelder haushälterisch und effizient           Tablet weitergeht und den PC ablösen wird.
        einzusetzen.

    s. 42    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                                   Sonstige

10   Wie andere Steuerämter hat die Steuerverwaltung des         soll der Steuerbezug weiter vereinfacht werden. Digi-
     Kantons Bern auf diese Bedürfnisse reagiert, indem          tale und medienbruchfreie Lösungen sind vorgesehen
     sie seit 2019 die vollständig digitale Steuererklärung      für Inkassomassnahmen, Zahlungsvereinbarungen
     anbietet. Die steuerpflichtigen Personen können ihre        und Kontonummeranfragen.
     Steuererklärung elektronisch ausfüllen und online ein-
     reichen. Die Steuererklärung ist personalisiert, d.h. sie   Eine Herausforderung stellt der Wunsch nach jeder-         14
     ist mit Daten aus dem Vorjahr oder aus dem Register         zeitiger und rascher Erreichbarkeit der Steuerbehör-
     bereits teilweise vorausgefüllt. Sie ist nicht mehr for-    den dar. Bereits heute gehen allein auf der zentralen
     mularbasiert aufgebaut, sondern benutzerorientiert.         Telefonnummer der Steuerverwaltung des Kantons
     Es werden einzig die Informationen abgefragt, die für       Bern jährlich über 330’000 Anrufe ein. Aus Ressour-
     die konkrete Lebenssituation der steuerpflichtigen          cengründen mussten dieses Jahr die telefonischen
     Person relevant sind. Statt einer dicken Wegleitung         Ansprechzeiten eingeschränkt werden. Ein Pilotpro-
     erhält die steuerpflichtige Person während des Aus-         jekt befasst sich deshalb mit der Frage, ob mit dem
     füllens auf Wunsch zu jedem Punkt präzise weiterfüh-        subsidiären Einsatz von Chatbots eine umfassende
     rende Informationen. 03                                     und kundenfreundliche Erreichbarkeit sichergestellt
                                                                 werden könnte.
11   Belege können während des Ausfüllens elektronisch
     hochgeladen werden – auch mit dem Smartphone.               3.2 Kostendruck und Effizienzsteigerung
     Der Benutzer erhält via SMS einen Link, der das                 Die Aufgaben der Steuerverwaltungen nehmen             15
     Smartphone direkt mit TaxMe-Online, der Steuer-             zu und werden breiter. Das konstante Bevölkerungs-
     erklärungs-Applikation des Kantons Bern, verbindet.         wachstum in der Schweiz wie auch der ungebrochene
     Danach können Belege entweder fotografiert oder             Trend zu Singlehaushalten führen zu mehr Steuerfäl-
     aus der Dateiablage eingefügt werden. Ist die Steuer-       len. Im Kanton Bern steigt die Anzahl der zu verar-
     erklärung fertig ausgefüllt, kann sie elektronisch frei-    beitenden Steuererklärungen jedes Jahr um rund 1 %.
     gegeben und eingereicht werden. Erst nach diesem            Neue Aufgaben wie der Austausch und die Verarbei-
     Schritt sind die Angaben für die Steuerverwaltung er-       tung von Daten aus dem automatischen Informations-
     sichtlich. Eine Freigabequittung auf Papier mit hand-       austausch kommen hinzu. Die Quellensteuerreform,
     schriftlicher Unterschrift entfällt. Die Sicherheit bei     die auf den 1. Januar 2021 in Kraft tritt und die erwei-
     der Nutzung entspricht jener beim Online-Banking.           terten Steuerabzüge aufgrund der Energiestrategie
     Die Übertragung der Daten im Internet erfolgt jeder-        2050, die seit dem 1. Januar 2020 möglich sind, wer-
     zeit verschlüsselt.                                         den zusätzliche Veranlagungshandlungen erfordern.
                                                                 Die Einführung neuer Instrumente wie der F&E-Abzug
12   Auch eine allfällige Einsprache kann elektronisch ein-      oder die Patentbox bedeutet sowohl für die steuer-
     gereicht werden. Im Kundenportal BE-Login ist der           pflichtigen Personen auch für die Steuerverwaltungen
     Überblick über die Veranlagungen, Rechnungen und            zunächst einmal Mehraufwand.
     Zahlungen stets gewährleistet. Die Steuerrechnung
     erhält die steuerpflichtige Person direkt in ihr Online-    Gleichzeitig besteht in vielen Kantonen regelmässig        16
     Banking-Postfach.                                           starker politischer Druck, Kosten, insbesondere Per-
                                                                 sonalkosten, zu senken. So hat die Steuerverwaltung
13   Als nächstes ist geplant, für sämtliche Kommunikation       des Kantons Bern zwischen 2013 und 2018 23,8 Voll-
     mit der Steuerverwaltung ein elektronisches Postfach        zeitstellen abgebaut. Bis 2021 müssen weitere 9,5 Voll-
     anzubieten und die Zahlung der Steuerschuld direkt          zeitstellen eingespart werden.
     aus dem Online-Portal zu ermöglichen. Mit der Ein-
     bindung der Swiss ID 04 wird ein einfacher einheitlicher    03
                                                                      Weitere Informationen zum Steuererklärungsprozess
     Identifikations- und Login-Prozess möglich. Ebenso               im Kanton Bern finden sich unter www.taxme.ch.
                                                                 04
                                                                      www.swissid.ch.

     s. 43    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                                Sonstige

17   Mit den richtigen Digitalisierungsschritten können       Unklarheiten bestehen, kann das System direkt eine
     in diesem Umfeld oftmals Effizienzgewinne erzielt        Rückfrage an die steuerpflichtige Person stellen oder
     werden, ohne dass die Veranlagungsqualität und der       eine Einforderungshandlung vornehmen. Von einer
     Dienstleistungsgedanke der Verwaltung leiden müs-        solchen Effizienzsteigerung werden auch die Steuer-
     sen.                                                     pflichtigen profitieren, indem sie die Veranlagungs-
                                                              verfügung ein Vielfaches schneller erhalten als bisher.
18   Eine wichtige Rolle bei der Effizienzsteigerung spie-
     len die Standardisierung und Automatisierung von         Bereits heute werden im Kanton Bern rund 18 % der         21
     Abläufen sowie der Abbau von Medienbrüchen. So ist       steuerpflichtigen natürlichen Personen vollständig
     die elektronische Übermittlung der Steuererklärung       automatisiert veranlagt. Mithilfe neuer Techniken und
     sicher mit einem Komfortgewinn und geringeren Kos-       Prozesse soll die Automatenquote bei gleichbleiben-
     ten für die steuerpflichtigen Personen verbunden. Sie    der Veranlagungsqualität signifikant erhöht werden.
     ist aber auch Voraussetzung dafür, dass bei der Steu-    Aber auch bei dem (grösseren) Teil der Fälle, die
     erbehörde die Daten überhaupt automatisiert und da-      künftig weiterhin manuell veranlagt werden müssen,
     mit effizient verarbeitet werden können.                 kann die Effizienz mit digitalen Mitteln massgeblich
                                                              gesteigert werden: Bei der Bearbeitung eines Falles
19   Aktuell wird in der Steuerverwaltung des Kantons         im Veranlagungsprogramm wird die Veranlagungs-
     Bern die aufwändige manuelle Wertschriftenprüfung        expertin Hinweise und Entscheidvorschläge zu die-
     automatisiert. Der eSteuerauszug, welcher den steu-      sem Fall erhalten. Das System vergleicht dazu den
     erpflichtigen Personen den freiwilligen elektronischen   vorliegenden Fall mit vielen ähnlichen Fällen in seiner
     Datenaustausch mit den Banken und den Steuerbe-          Datenbasis. Aus der Art, wie die Vorschläge von den
     hörden erlaubt, kann im Kanton Bern ab der Steuer-       Veranlagungsexperten akzeptiert oder zurückgewie-
     erklärung 2019 genutzt werden. 05 Er wurde von der       sen werden, kann das System lernen und sich mit dem
     Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) 06 initiiert und   Aufstellen von neuen, genaueren Prüfparametern lau-
     ermöglicht Effizienzsteigerungen bei den Banken, den     fend verbessern. Idealerweise können künftig dann
     Bankkunden und den Steuerbehörden. Der Kunde             auch solche Fälle vollautomatisch veranlagt werden.
     kann den eSteuerauszug von seinem eBanking-Portal
     direkt in die Steuererklärung hochladen. Sodann er-
     scheinen die importierten Daten als Einzelpositionen     4. Das Steuerveranlagungsverfahren
     in seinem Wertschriftenverzeichnis. Wie alle andern      im digitalen Umfeld
     einzeln erfassten Wertschriften können diese von der
     Steuerverwaltung mithilfe der schweizweiten Appli-       Die Erhebung von Steuern nach einem standardisier-        22
     kation ICTax automatisiert geprüft werden. 07 Die auf-   ten Prozess kennt die Schweiz seit dem 19. Jahrhun-
     wändigen Such- und Kontrollarbeiten entfallen. Ein       dert, nachdem sich das Verständnis von Steuern als
     weiterer Vorteil ist, dass mit dem medienbruchfreien     Entgelt für Leistungen, die der Staat gegenüber dem
     Deklarations- und Kontrollprozess Übertragungsfeh-       Einzelnen erbringt, durchgesetzt hatte. 08
     ler vermieden werden.
                                                              05
                                                                   https://esteuer.ewv-ete.ch/de/esteuerauszug/.
20   Als nächster Schritt soll die Automatisierung der Ver-   06
                                                                   www.steuerkonferenz.ch.
     anlagung vorangetrieben werden. Sofern alle Steuer-      07
                                                                   www.ictax.admin.ch.
     erklärungsdaten digital vorliegen, können diese auto-    08
                                                                   Begriffsgeschichte, ESTV-Webseite, online gefunden
     matisiert geprüft, mit Datenbanken abgeglichen und            am 4. Mai 2020 unter: http://www.estv2.admin.ch/
     mit Daten aus dritten Quellen ergänzt werden. Falls           jubi/begriffsgeschichte-d.htm.

     s. 44    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                                    Sonstige

23   Die kantonalen Steuerämter bzw. die ESTV haben den        scheinung keine Rolle mehr. Gesetzesbestimmungen
     gesetzlichen Auftrag zur Erhebung der Steuern. 09 In      knüpfen aber auch heute noch vorwiegend an äussere
     welchem Rahmen dieser Auftrag zu erfüllen ist, wird       Umstände an. Im Zusammenhang mit der Digitalisie-
     in der Regel aber kaum näher präzisiert. Dabei er-        rung im Steuerbereich könnten sich zum Beispiel fol-
     scheint klar, dass das Handeln einer Steuerbehörde        gende Fragen stellen:
     als Teil der allgemeinen Staatsverwaltung den in der      • Welche Bedeutung hat Art. 71 Abs. 3 StHG,
     schweizerischen Bundesverfassung (BV) genannten              wenn es keine Papierformulare mehr gibt, sondern
     Grundsätzen des rechtsstaatlichen Verwaltungshan-            einen digitalen Steuerdeklarationsprozess, in dem
     delns genügen muss: Das heisst, die Grundsätze der           benutzerspezifisch bestimmte Daten abgefragt
     Gesetzmässigkeit (Art. 5 Abs. 1 BV), des öffentlichen        werden?
     Interesses (Art. 5 Abs. 2 BV) und der Verhältnismäs-      • Wie ist eine persönliche Unterzeichnung der
     sigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) sowie die Rechtsgleichheit,       Steuererklärung gemäss Art. 124 Abs. 2 DBG bei
     das Willkürverbot (Art. 8 / 9 BV) und der Grundsatz          einer digitalen Datenübermittlung zu verstehen?
     von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV)        • Muss eine Steuerverwaltung mehrere Möglichkei-
     sind unbedingt einzuhalten. 10                               ten vorsehen, wie die Steuerpflichtigen ihre Daten
                                                                  übermitteln können? Darf sie eine bestimmte
24   Dabei verbleibt aber ein erheblicher Handlungsspiel-         Möglichkeit vorschreiben?
     raum. Weder das Bundesgesetz über die direkte Bun-        • Haben die Bürger Anspruch auf einen direkten
     dessteuer (DBG) noch das Bundesgesetz über die               persönlichen Kontakt mit der Steuerverwaltung?
     Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone           • Welche Daten in welcher Form dürfen die Steuer-
     und Gemeinden (StHG) enthalten spezifische Be-               behörden von den steuerpflichtigen Personen
     stimmungen zum Ablauf des Veranlagungsverfahren.             verlangen? Wäre es beispielsweise möglich,
     Mangels einschlägiger bundesrechtlicher Regelung             statt eine unterzeichnete Jahresrechnung gemäss
     sind die kantonalen Verfahrensbestimmungen an-               Art. 125 Abs. 2 DBG einzuverlangen, direkt
     wendbar. 11 Auch auf kantonaler Ebene sind Details           eine Schnittstelle in die Buchhaltungssoftware
     zum Ablauf des Veranlagungsverfahrens aber eher              eines Unternehmens vorzusehen?
     rudimentär geregelt. Der Kanton Bern sieht immerhin
     in der Verordnung über das Veranlagungsverfahren          Solche Fragen der Organisation des Steuererklärungs-         26
     (VVV) vom 30.01.2002 vor, dass die Steuererklärung        und Veranlagungsprozesses standen bisher nicht im
     in Papierform oder per Internet eingereicht werden        Vordergrund, gewinnen aber an Bedeutung und ru-
     kann und beschreibt die beiden Verfahren (Art. 2 ff.      fen nach klaren Regelungen. Wichtig ist dabei, dass
     VVV). In Artikel 7 derselben Verordnung ist geregelt,
     in welcher Form Verfügungen und Entscheide eröff-         09
                                                                    Vgl. Art. 104 DBG, Art. 71 Abs. 1 StHG
     net werden können.                                             oder für den Kanton Art. 149 des Bernischen
                                                                    Steuergesetzes (StG) vom 21.05.2000.
25   Mit der fortschreitenden Digitalisierung zeigt sich,      10
                                                                    Häfelin Ulrich/Müller Georg/Uhlmann Felix,
     dass viele gesetzliche Grundlagen zu Verfahrensfra-            Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, N 363.
     gen nicht mehr zeitgemäss sind und keine Antworten        11
                                                                    Art. 104 Abs. 4 DBG; vgl. auch Jud Guido in: Zweifel
     auf konkrete neue Fragen geben. Das dürfte nicht               Martin/Beusch Michael (Hrsg.), Kommentar zum
     zuletzt damit zusammenhängen, dass sich mit der                Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über
     Digitalisierung die Bedingungen, an die eine gesetz-           die direkte Bundessteuer (DBG), 3. Aufl. 2017,
     liche Regelung anknüpft, verschieben. Wie oben auf-            Art. 104 DBG N 1 und 4f.; Beusch Michael/Rohner
     gezeigt, spielt in einer digitalen Welt die äussere Er-        Roger, Möglich-keiten und Grenzen der elektro-
                                                                    nischen Einreichung von Steuererklärungen
                                                                    bei den direkten Steuern, zsis) 2006, Aufsätze Nr. 4,
                                                                    S. 12 (zit. Beusch/Rohner).

     s. 45    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                                   Sonstige

     Bund und Kantone bei der Anpassung des Steuerver-         anlagung unterschiedliche Daten, was einer absoluten
     fahrensrechts an das digitale Zeitalter dem Grundsatz     Vereinheitlichung entgegensteht. Mit der digitalen
     der technischen Neutralität folgen und gesetzlich kei-    Entwicklung wird Art. 71 Abs. 3 StHG aber auch gram-
     ne bestimmte Technik regulieren oder bevorzugen. 12       matikalisch bedeutungslos. Der Bundesrat will diese
                                                               Bestimmung deshalb ersatzlos streichen. 16
27   Anschauungsmaterial hierzu bietet Deutschland, das
     in der Abgabeordnung (AO) konsequent auch die             Während Formulare an Bedeutung verlieren, wird               32
     digitalen Aspekte des Steuerverfahrens anspricht:         eine Harmonisierung der Bewirtschaftung, der Ver-
     §§ 87a – 87d regeln die elektronische Kommunikation       wendung, der Übertragung und der Speicherung der
     und die elektronische Übermittlung von Daten an Fi-       Steuerdaten im Verhältnis zwischen den Steuerbe-
     nanzbehörden, § 150 regelt Form und Inhalt der Steu-      hörden, aber viel mehr noch zwischen Steuerpflich-
     ererklärungen und §§ 357 und 366 regeln die Form der      tigen bzw. Dritten und Steuerverwaltungen, immer
     Einsprache und der Einspracheentscheidung.                wichtiger. Sinnvoll wären harmonisierte Schnittstellen
                                                               und Datenformate sowie die Definition einheitlicher
28   Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, auf         technischer Standards, ohne den Grundsatz der tech-
     die oben aufgeworfenen Fragen abschliessende Ant-         nischen Neutralität zu verletzen. Die Schweizerische
     worten herzuleiten. Eingehend auseinandergesetzt          Steuerkonferenz und die Vereine eCH 17 und swiss-
     mit einigen dieser Fragen haben sich Michael Beusch       dec 18 haben diesbezüglich bereits wichtige Arbeit
     und Roger Rohner bereits im Jahr 2006 in ihrem Auf-       geleistet: Das System CH-Meldewesen Steuern bei-
     satz «Möglichkeiten und Grenzen der elektronischen        spielsweise regelt den elektronischen Austausch von
     Einreichung von Steuererklärungen bei den direkten        gesetzlich vorgeschriebenen Informationen im Steu-
     Steuern». 13                                              erumfeld. Im Rahmen des Projektes Lohnstandard-
                                                               CH Quellensteuer werden Lohndaten zwischen den
29   Mit der am 20. Mai 2020 verabschiedeten Botschaft         Arbeitgebenden und den kantonalen Steuerbehörden
     zu einem «Bundesgesetz über elektronische Verfah-         ausgetauscht. 19
     ren im Steuerbereich» setzt sich der Bundesrat das
     hohe Ziel, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen,       12
                                                                    Beusch/Rohner, S. 14.
     um Steuerverfahren komplett zu digitalisieren. 14 Auf     13
                                                                    Beusch/Rohner.
     jeden Fall wird damit die Schweizer Steuergesetzge-       14
                                                                    Bundesgesetz über elektronische Verfahren im
     bung einen grossen und wichtigen Schritt in die digi-          Steuerbereich, Botschaft, online gefunden am 11. Juni
     tale Zukunft machen. Es ist zu wünschen, dass die nun          2020 unter: https://www.admin.ch/gov/de/start/doku
     anstehenden parlamentarischen Beratungen zügig                 mentation/medienmitteilungen.msg-id-79192.html
     vonstattengehen und das Gesetz bald in Kraft treten            (zit. Botschaft elektronische Verfahren).
     kann.                                                     15
                                                                    Bucher Laura/Beusch Michael in: Zweifel Martin/
                                                                    Beusch Michael (Hrsg.), Kommentar zum
30   Vor dem Hintergrund dieses Gesetzesentwurfs seien              Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz
     hier einige Überlegungen zu den oben aufgeworfenen             über die Harmonisierung der direkten Steuern der
     Fragen angestellt.                                             Kantone und Gemeinden (StHG), 3. Aufl. 2017,
                                                                    Art. 71 StHG N 25 (zit. Autor/in in: Zweifel/Beusch,
     4.1 Artikel 71 Absatz 3 StHG                                   Komm. StHG).
31       Schon bisher herrschte die Auffassung vor, dass die   16
                                                                    Botschaft elektronische Verfahren, S. 19.
     harmonisierungsrechtliche Vorgabe von Art. 71 Abs. 3      17
                                                                    Verein eCH, E-Government Standards,
     StHG vorwiegend programmatischen Charakter hat. 15             online gefunden am 4. Mai 2020 unter: www.ech.ch.
     Solange das Steuerrecht materiell in der Schweiz nicht    18
                                                                    Verein swissdec, online gefunden am 4. Mai 2020
     vereinheitlicht ist, brauchen die Kantone für die Ver-         unter: www.swissdec.ch.
                                                               19
                                                                    CHM Steuern, Meldewesen SSK, online gefunden
                                                                    am 4. Mai 2020 unter: https://www.chm-steuern.ch/.

     s. 46    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                                  Sonstige

33   Erfahrungsgemäss setzen sich freiwillige Standards        4.3 Art der Datenübermittlung
     nur langsam durch, insbesondere wenn – wie im                 Lange Zeit konnten die Steuererklärungsdaten           36
     Steuerrecht – viele Beteiligte mit unterschiedlichen      einzig auf zwingend vorgeschriebenen Papierformu-
     Interessen involviert sind. Der Gesetzgeber hätte es      laren übermittelt werden. 23 Mittlerweile können in den
     in der Hand, mit dem Erlass geeigneter zeitgemässer       meisten Kantonen die Daten auch elektronisch über-
     Vorschriften diese Standardisierungsarbeiten zu be-       mittelt werden. Der Bundesrat schlägt vor, künftig
     schleunigen und ihre Verbindlichkeit zu erhöhen.          das Recht der Kantone gesetzlich zu verankern, den
                                                               steuerpflichtigen Personen mit ihrem Einverständnis
     4.2 Unterzeichnung der Steuererklärung                    Dokumente in elektronischer Form zuzustellen. 24 Die
34       Es versteht sich von selbst, dass eine handschrift-   steuerpflichtigen Personen können jedoch bei den di-
     liche Unterschrift ohne Papierträger nicht mehr mög-      rekten Steuern nicht dazu verpflichtet werden, amt-
     lich ist. Gemäss der bundesrätlichen Botschaft soll       liche Zustellungen elektronisch entgegenzunehmen.
     deshalb bei elektronischen Prozessen künftig auf die      Ebenso wenig sollen sie verpflichtet werden können,
     Unterschrift verzichtet werden können. 20 Richtiger-      ihre Daten elektronisch zu übermitteln. Dies im Unter-
     weise verzichtet der Bundesrat darauf, statt einer        schied zu den Steuern, für die der Bund zuständig ist.
     handschriftlichen Unterschrift einfach ihr digitales      So soll der Bundesrat bei der Verrechnungssteuer,
     Pendant, die elektronische Unterschrift, vorzusehen.      der Stempelsteuer und der Mehrwertsteuer die Kom-
     Diese verbreitet sich in der Schweiz nach wie vor nur     petenz erhalten, die steuerpflichtigen Personen zu
     schleppend. Vielmehr sollen die Kantone verpflich-        verpflichten, elektronisch mit der ESTV zu verkehren.
     tet werden, die Identifizierung der steuerpflichtigen     Dabei sollen auch die Modalitäten der Durchführung
     Person und die Datenintegrität der übermittelten          (bspw. über eine Plattform) vorgeschrieben werden
     Daten nach kantonalem Recht sicherzustellen. 21 Statt     können. 25
     der Unterzeichnung der Eingabe kann die kantonale
     Behörde bei der elektronischen Übermittlung eine          Heute steht in fast 90 % der Schweizer Haushalte ein       37
     elektronische Bestätigung der Angaben durch die           Computer 26 und 95 % aller Haushalte haben einen
     steuerpflichtige Person vorsehen. 22 Damit werden
     auch Portallösungen möglich. Wie beim Online-Ban-         20
                                                                    Art. 104a DBG im Entwurf bzw. Art. 38a StHG
     king identifiziert sich die steuerpflichtige Person bei        im Entwurf.
     der Anmeldung. Einmal angemeldet, kann sie im Por-        21
                                                                    Art. 104a Abs. 1 DBG im Entwurf.
     tal mit der Steuerbehörde kommunizieren und Daten         22
                                                                    Art. 104a Abs. 2 DBG im Entwurf.
     austauschen, ohne dass jedes Mal eine (elektronische)     23
                                                                    Es entzieht sich der Kenntnis des Autors,
     Unterschrift bzw. Identifikation nötig ist.                    ob es steuerpflichtige Personen gegeben hätte,
                                                                    die ihre Steuererklärung beispielsweise gerne
35   Wie die Kantone die Anforderungen technisch um-                auf Schiefertafeln oder mittels Rauchzeichen
     setzen, bleibt ihnen freigestellt. Der Kanton Bern             übermittelt hätten.
     beispielsweise stellt die Identifikation gegenwärtig      24
                                                                    Art. 104a Abs. 3 DBG im Entwurf bzw. Art. 38a
     sicher, indem die steuerpflichtigen Personen nebst             Abs. 3 StHG im Entwurf.
     den Zugangsdaten, die sie von der Steuerverwaltung        25
                                                                    Botschaft elektronische Verfahren, S. 13.
     erhalten (ZPV-Nummer, Fall-Nummer und ID-Code)            26
                                                                    Bundesamt für Statistik, IKT-Ausstattung und
     zusätzlich ihre AHV-Nummer und eine E-Mail-Adres-              Ausgaben der Haushalte, 2020, online gefunden
     se angeben müssen. Wie erwähnt, soll für die Identi-           am 5. Mai 2020 unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/
     fikation aber noch in diesem Jahr auch die Swiss ID            de/home/statistiken/kultur-medien-informations
     zum Einsatz kommen.                                            gesellschaft-sport/informationsgesellschaft/
                                                                    gesamtindikatoren/haushalte-bevoelkerung/ikt-
                                                                    ausstattung-ausgaben.html.

     s. 47    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                                Sonstige

     Breitband-Internetzugang. 27 Angesichts dieser Zah-      Kontaktart oder ein grundsätzliches Wahlrecht des
     len wäre zu überlegen, den Steuererklärungsprozess       Kontakts. 28 Der Einführung einer automatisierten Be-
     in naher Zukunft auch bei der direkten Bundessteuer      antwortung von Kundenanfragen mittels Chatbots
     (und den kantonalen Steuern) zwingend elektro-           dürfte daher rechtlich nichts im Wege stehen, sofern
     nisch auszugestalten. Damit könnten massiv Kosten        die grundsätzlichen Voraussetzungen wie beispiels-
     gesenkt und die Effizienz erhöht werden. Wem eine        weise Datensicherheit oder Steuergeheimnis einge-
     elektronische Übermittlung absolut nicht zumutbar        halten werden.
     ist, könnte nach dem Beispiel von § 151 der deutschen
     Abgabeordnung seine Steuererklärung beim zustän-         4.5 Art und Umfang der Daten
     digen Steueramt zur Niederschrift erklären.                  Gemäss Art. 125 und 126 DBG bzw. Art. 42 StHG         41
                                                              haben die steuerpflichtigen Personen umfassende
     4.4 Persönlicher Kontakt                                 Auskunfts-, Beweis- und Mitwirkungspflichten im
38       Im Sinne der Kundenfreundlichkeit und leichten       Steuerveranlagungsprozess. Die Steuerbehörden wie-
     Erreichbarkeit ist es heute eine Selbstverständlich-     derum haben weitreichende Untersuchungsrechte
     keit, dass die Steuerverwaltungen telefonisch erreicht   (vgl. Art. 130 DBG). Da die direkten Steuern stich-
     werden können und bei Bedarf Besprechungen statt-        tagsbezogen für jeweils eine Steuerperiode erhoben
     finden. Allein die Steuerverwaltung des Kantons Bern     werden, ist es in der Regel sachgerecht und ausrei-
     verzeichnet weit über eine halbe Million telefonische    chend, die relevanten Informationen einmal jährlich
     Kundenkontakte pro Jahr. Durchschnittlich telefoniert    im Rahmen der Steuererklärung einzuverlangen. Im
     jede steuerpflichtige Person im Kanton Bern einmal       Rahmen der Überprüfung der Steuererklärung oder
     im Jahr mit der Steuerverwaltung. Trotz laufend aus-     von umfassenden Buchprüfungen könnte es bei buch-
     gebautem Internet-Angebot ist die Tendenz der Tele-      führungspflichtigen Personen aber überlegenswert
     fonanrufe steigend. Einige Kantone prüfen daher, wie     sein, wenn die Steuerbehörde direkt, quasi in Echtzeit,
     solche Kundenkontakte automatisiert und digitalisiert    an die Buchhaltungssysteme andocken und Unter-
     abgewickelt werden könnten, beispielsweise mit dem       suchungen vornehmen könnte, statt Prüfungen vor
     Einsatz von Chatbots.                                    Ort durchzuführen oder umfassende Unterlagen ein-
                                                              zufordern. Das könnte auch für die steuerpflichtigen
39   Ein Chatbot ist ein technisches Dialogsystem, mit dem    Personen vorteilhaft sein: Statt jährlich umfangreiche
     per Texteingabe oder Sprache kommuniziert werden         Steuererklärungen mit Beilagen einzureichen, würde
     kann. Um die entgegengenommenen Anfragen zu              sich die Steuerbehörde die Informationen dann holen,
     verarbeiten und zu beantworten, verwenden die Chat-      wenn sie sie braucht.
     bots Wissensdatenbanken und Erkennungsmuster für
     die jeweiligen Fragen und Antworten. Ist eine passen-    Nach Meinung des Autors wäre eine solche Buchhal-         42
     de Antwort gefunden, wird sie für die Ausgabe vor-       tungsschnittstelle unter den geltenden gesetzlichen
     bereitet und gegebenenfalls mit weiteren Elementen       Grundlagen im Verhältnis mit der steuerpflichtigen
     kombiniert, um sie möglichst relevant zu machen. Im
     letzten Schritt erfolgt die grammatikalische Synthese    27
                                                                   Bundesamt für Statistik, Internetzugang der Haus-
     der Antwort und die Ausgabe per Text oder Sprache.            halte, 2020, online gefunden am 5. Mai 2020 unter:
                                                                   https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/
40   Es dürfte unbestritten sein, dass die Steuerbehörde           kultur-medien-informationsgesellschaft-sport/
     gut erreichbar sein muss, damit die steuerpflichti-           informationsgesellschaft/gesamtindikatoren/haus
     ge Person ihre in Art. 124 ff. DBG bzw. Art. 42 StHG          halte-bevoelkerung/internetzugang-haushalte.html.
     festgelegten Verfahrenspflichten wahrnehmen kann.        28
                                                                   Vgl. auch Zweifel/Hunziker in: Zweifel/Beusch,
     Es besteht aber kein Anspruch auf eine bestimmte              Komm StHG, Art. 42 StHG N 34.

     s. 48    Die digitale Steuerverwaltung
25.06.2020                                                                                 Sonstige

     Person heute bereits zulässig. So sieht auch Art. 6 der   erfolgen. Dennoch besteht weiterer Handlungsbedarf
     Verordnung über die Führung und Aufbewahrung der          bei der Harmonisierung der Beschaffung, Übermitt-
     Geschäftsbücher (Geschäftsbücherverordnung; Ge-           lung und Nutzung von steuerrelevanten Daten. Denn
     BüV) vor, dass Geschäftsbücher und Buchungsbelege         erst eine ausreichende, stabile und korrekte Datenba-
     so (elektronisch) aufbewahrt werden müssen, dass sie      sis ermöglicht effiziente und effektive digitale Steuer-
     innert angemessener Frist eingesehen und geprüft          prozesse.
     werden können. Im digitalen Zeitalter darf davon aus-
     gegangen werden, dass eine angemessene Frist eine         29
                                                                    Vgl. auch Zweifel/Hunziker in: Zweifel/Beusch,
     sehr kurze Frist sein kann. Selbstverständlich müsste          Komm StHG, Art. 42 StHG N 4ff.
     auch eine solche Lösung verhältnismässig sein. Das        30
                                                                    Vgl. auch Art. 129 DBG.
     heisst, sie müsste geeignet und notwendig sein, um
     die Prüfungen durchzuführen und sie müsste für die
     steuerpflichtige Person zumutbar sein. 29

43   Im Verhältnis zu Dritten hingegen bräuchte ein sol-
     ches Melde- oder Abrufverfahren von Daten, die die
     steuerpflichtige Person betreffen, eine explizite for-
     mell-gesetzliche Grundlage 30 oder aber mindestens
     die ausdrückliche Zustimmung der steuerpflichtigen
     Person und die Bereitschaft von dritter Seite, die ge-
     wünschten Informationen zu liefern.

     5. Fazit

44   Die öffentliche Verwaltung und in besonderem Mas-
     se die Steuerbehörden brauchen die Digitalisierung,
     um die stetig wachsenden Aufgaben überhaupt be-
     wältigen zu können. Gleichzeitig bietet vernünftig
     eingesetzte Digitalisierung den Bürgerinnen und Bür-
     gern einen bedeutenden Mehrwert. Auch wenn wir so
     schnell nicht vom Steuernzahlen befreit werden, dürf-
     te sich die Art, wie wir unsere Steuern deklarieren und
     entrichten, fundamental verändern und vereinfachen.

45   Die Steuerbehörden spielen bei diesem Entwicklungs-
     prozess eine entscheidende Rolle. Dabei ist aber der
     Grat zwischen technisch Machbarem und politisch
     bzw. gesellschaftlich Akzeptiertem manchmal schmal.

46   Die gesetzlichen Grundlagen hinken gerade im Steu-
     erbereich der digitalen Entwicklung hinterher. Mit den
     im geplanten «Bundesgesetz über elektronische Ver-
     fahren im Steuerbereich» vorgesehenen Anpassun-
     gen wird ein grosser Schritt in die richtige Richtung

     s. 49      Die digitale Steuerverwaltung
Sie können auch lesen