Entscheid vom 31. Mai 2021 - Entscheidsuche.ch

 
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Kantonsgericht von Graubünden
             Dretgira chantunala dal Grischun
             Tribunale cantonale dei Grigioni

Entscheid vom 31. Mai 2021

Referenz          ZK1 21 68

Instanz           I. Zivilkammer

Besetzung         Cavegn, Vorsitzender
                  Nydegger und Bergamin
                  Gees, Aktuar ad hoc

Parteien          A._____
                  Beschwerdeführer

Gegenstand        Behandlung ohne Zustimmung

Anfechtungsobj.   Anordnung Psychiatrische Dienste Graubünden (PDGR) vom
                  21.05.2021

Mitteilung        10. Juni 2021
Sachverhalt

A.    A._____, geboren am _____ 1970, wurde am 15. Mai 2021 von Dr. med.
B.________, C.________, gestützt auf Art. 426 und Art. 429 f. ZGB für die Dauer
von 6 Wochen in der Klinik D.________, fürsorgerisch untergebracht.

B.     Für A._____ wurde am 18. Mai 2021 ein Behandlungsplan erstellt, wobei
psychische sowie Verhaltungsstörungen durch Alkohol und Tabak diagnostiziert
wurden. Am 21. Mai 2021 ordnete die Klinik D.________ eine Behandlung ohne
Zustimmung nach Art. 434 ZGB an. Die Massnahme wurde damit begründet, dass
bei A._____ ein systematisiertes Wahngebilde vorliege, wobei die affektive
Beteiligung synthym imponiere. A._____ zeige keine Behandlungseinsicht und
verweigere jegliche Medikation.

C.    Mit Eingabe vom 25. Mai 2021 (Datum Poststempel) erhob A._____
(nachfolgend Beschwerdeführer) beim Kantonsgericht von Graubünden
Beschwerde gegen die Anordnung der Behandlung ohne Zustimmung.

D.     Der Vorsitzende der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
ersuchte die Klinik D.________ mit Schreiben vom 26. Mai 2021, unter
Fristansetzung bis zum 27. Mai 2021, um einen kurzen Bericht zum
Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, zur Art der Behandlung und
insbesondere darüber, inwiefern die Voraussetzungen für eine Behandlung ohne
Zustimmung aus ärztlicher Sicht gegeben seien. Weiter forderte er die
wesentlichen Klinikakten über den Beschwerdeführer an.

E.     Am 27. Mai 2021 reichte die Klinik D.________ den angeforderten Bericht
ein. Im Bericht wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei am 15. Mai 2021
alkoholisiert und wegen Verdachts auf wahnhafte Störung per fürsorgerische
Unterbringung durch Dr. med. B.________ in die Klinik D.________ eingeliefert
worden. Der Beschwerdeführer zeige sich weder krankheits- noch
behandlungseinsichtig und aufgrund paranoider Symptomatik sei die Behandlung
ohne Zustimmung angeordnet worden.

F.     Mit prozessleitender Verfügung des Vorsitzenden vom 27. Mai 2021 wurde
Dr. med. E.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, gestützt auf
Art. 439 Abs. 3 ZGB in Verbindung mit Art. 450e Abs. 3 ZGB mit der Begutachtung
des Beschwerdeführers betraut. Die Gutachterin wurde ersucht darzulegen, ob
und inwiefern ein Bedarf an der Behandlung ohne Zustimmung einer festgestellten
psychischen Erkrankung bzw. an der Betreuung der betroffenen Person bestehe
und mit welcher konkreten Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der

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betroffenen Person bzw. von Dritten zu rechnen sei, wenn die Behandlung der
gutachterlich erstellten Krankheit bzw. Betreuung unterbleibe. Im Gutachten sei
weiter die Frage zu beantworten, ob aufgrund des festgestellten
Handlungsbedarfs eine stationäre Behandlung bzw. Betreuung unerlässlich sei
oder allfällige ambulante Alternativen bestünden, wobei die Expertin auch darüber
Auskunft zu geben habe, ob die Person glaubwürdig über eine Krankheits- und
Behandlungseinsicht verfüge.

G.    Die Gutachterin Dr. med. E.________ diagnostizerte in ihrem Gutachten
vom 28. Mai 2021 beim Beschwerdeführer eine akute schizophreniforme
psychotische Störung (F23.2) sowie eine psychische und Verhaltungsstörung
durch Alkohol, gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung (F10.21).
Der Beschwerdeführer benötige zumindest noch zeitweilig eine stationäre
Behandlung. Es sei davon auszugehen, dass bei ausbleibender Behandlung ein
Anhalten bzw. eine Verstärkung der Symptomatik auftrete und konsekutiv zu einer
Verschlechterung des Zustandes führe. Eine ambulante Behandlungsalternative
sei unzureichend, da weder Krankheits- und Behandlungseinsicht noch
Compliance bestünden.

H.    Mit Verfügung vom 27. Mai 2021 wurde der Beschwerdeführer zur
mündlichen Hauptverhandlung auf den 31. Mai 2021 vor der I. Zivilkammer des
Kantonsgerichts von Graubünden vorgeladen.

I.     Am 31. Mai 2021 fand die mündliche Hauptverhandlung vor der I.
Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden statt, an welcher der
Beschwerdeführer persönlich teilnahm. Über die richterliche Befragung wurde ein
Protokoll   erstellt. Nach     durchgeführter     Urteilsberatung wurde    dem
Beschwerdeführer sowie der ärztlichen Leitung der Klinik D.________ noch
gleichentags das vorzeitige Entscheiddispositiv zugestellt.

J.    Auf die Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich der richterlichen
Befragung sowie auf die Ausführungen im Gutachten und auf die beigezogenen
Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

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Erwägungen

1.1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Behandlung einer
psychischen Störung ohne Zustimmung gemäss Art. 434 ZGB. Das
Kantonsgericht von Graubünden ist hierfür die einzige kantonale
Beschwerdeinstanz (Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 ZGB in Verbindung mit Art. 60
Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch [EGzZGB; BR 210.100])
und dementsprechend zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig.

1.2. Gegen eine Behandlung ohne Zustimmung nach Art. 434 ZGB kann die
betroffene oder eine ihr nahestehende Person innert zehn Tagen schriftlich beim
zuständigen Gericht Beschwerde erheben (Art. 439 Abs. 1 und 2 ZGB). Eine
Begründung ist nicht notwendig (Art. 439 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 450e
Abs. 1 ZGB). Vorliegend handelt es sich um eine Beschwerde der betroffenen
Person, die sich gegen die am 21. Mai 2021 angeordnete Behandlung ohne
Zustimmung richtet. Die Beschwerdefrist wurde mit der Eingabe vom 25. Mai 2021
gewahrt (act. 01). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist
einzutreten. Nicht Beschwerdethema bildet die am 15. Mai 2021 angeordnete
fürsorgerische Unterbringung.

2.1. Das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz richtet sich nach
Art. 450a ff. ZGB. Zu beachten sind sodann die allgemeinen
Verfahrensgrundsätze des erstinstanzlichen Verfahrens (Art. 433 ff. ZGB), die
auch im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anwendbar sind,
soweit das Gesetz in den Art. 450 ff. ZGB keine abweichenden Vorschriften
enthält (vgl. Lorenz Droese/Daniel Steck, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, N 13 zu Art. 450 ZGB). Dies
gilt namentlich für die in Art. 446 ZGB verankerte uneingeschränkte
Untersuchungs- und Offizialmaxime und das an gleicher Stelle festgeschriebene
Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Der Anwendungsbereich dieser
zentralen Verfahrensgrundsätze bezieht sich auf sämtliche Verfahren vor der
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und erstreckt sich – wenn auch teilweise
in abgeschwächter Form – nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses auch
auf die Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (vgl. Luca
Maranta/Christoph Auer/Michèle Marti, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, N 1 f. zu Art. 446 ZGB m. w.
H.). Aus Art. 450a ZGB wie auch aus Art. 5 Ziff. 4 der Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) ergibt sich
schliesslich, dass das Gericht Tat- und Rechtsfragen wie auch die

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Angemessenheit frei überprüft und ihm von Bundesrechts wegen volle Kognition
zukommt.

2.2. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass das Gericht aufgrund eines
Gutachtens entscheiden muss, wenn die betroffene Person an einer psychischen
Störung leidet (Art. 439 Abs. 3 ZGB in Verbindung mit Art. 450e Abs. 3 ZGB). Das
Gutachten muss von einer unabhängigen Person erstellt werden und in dem Sinne
aktuell sein, dass es sich zu den sich im gerichtlichen Verfahren stellenden Fragen
äussern muss (BGE 143 III 189 E. 3.2 f. m.w.H.). Mit dem Gutachten vom 28. Mai
2021 von Dr. med. E.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
FMH, welche die Beschwerdeführerin am 28. Mai 2021 persönlich untersucht hat,
wurde dieser Vorschrift Genüge getan (act. 06).

2.3. Gemäss Art. 450e Abs. 4 Satz 1 ZGB muss die gerichtliche
Beschwerdeinstanz die betroffene Person in der Regel als Kollegium anhören,
was faktisch zur Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung führt (vgl.
Christof Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N
848 f.). Mit der Durchführung der mündlichen Hauptverhandlung am 31. Mai 2021
wurde diese Vorgabe umgesetzt.

3.1. Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer
Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der
behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer
Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan (Art. 433 Abs. 1 ZGB). Die
Ärztin oder der Arzt informiert die betroffene Person und deren Vertrauensperson
über alle Umstände, die im Hinblick auf die in Aussicht genommenen
medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe,
Zweck, Art, Modalitäten, Risiken und Nebenwirkungen, über die Folgen eines
Unterlassens        der    Behandlung      sowie    über   allfällige   alternative
Behandlungsmöglichkeiten (Art. 433 Abs. 2 ZGB). Der Behandlungsplan wird der
betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet. Bei einer urteilsunfähigen Person
ist eine allfällige Patientenverfügung zu berücksichtigen (Art. 433 Abs. 3 ZGB).
Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst (Art. 433 Abs. 4
ZGB).

3.2. Fehlt die Zustimmung der betroffenen Person, so kann die Chefärztin oder
der Chefarzt der Abteilung die im Behandlungsplan vorgesehenen medizinischen
Massnahmen schriftlich anordnen, wenn (1.) ohne Behandlung der betroffenen
Person ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht oder das Leben oder die
körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet ist; (2.) die betroffene Person

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bezüglich ihrer Behandlungsbedürftigkeit urteilsunfähig ist; und (3.) keine
angemessene Massnahme zur Verfügung steht, die weniger einschneidend ist
(Art. 434 Abs. 1 ZGB).

3.3. Die medikamentöse Behandlung ohne Zustimmung stellt einen schweren
Eingriff in die persönliche Freiheit im Sinne der körperlichen und geistigen
Integrität nach Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK dar und betrifft auch die
Menschenwürde gemäss Art. 7 BV zentral (BGE 130 I 16 E. 3; 127 I 6 E. 5). Der
Eingriff verlangt deshalb nebst der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, die mit
Art. 434 ZGB gegeben ist, eine umfassende Interessenabwägung, wobei auch die
Erfordernisse von Art. 36 BV zu beachten sind. Zu berücksichtigen sind dabei die
öffentlichen Interessen, die Notwendigkeit der Behandlung, die Auswirkungen
einer Nichtbehandlung, die Prüfung von Alternativen sowie die Beurteilung der
Selbst- und Fremdgefährdung. In die Interessenabwägung miteinzubeziehen sind
nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung insbesondere auch langfristige
Nebenwirkungen einer zwangsweise vorgesehenen Behandlung mit Neuroleptika
bzw. Antipsychotika (BGE 130 I 16 E. 4 und 5; BGer 5A_353/2012 v. 19.6.2012 E.
3.3.1).

3.4. Eine Behandlung muss sich sodann auf einen aktuellen Behandlungsplan
nach Art. 433 ZGB abstützen, welchen der Arzt oder die Ärztin grundsätzlich unter
Mitwirkung der zu behandelnden Person erstellt. Dabei können nur Massnahmen
angeordnet werden, welche darin vom behandelnden Arzt vorgeschlagen sind, so
dass der Eingriff einzig den Zweck haben darf, der Unterbringung
zugrundeliegende      psychische    Störungen     zu    behandeln.      Wird     der
Behandlungsplan den veränderten Verhältnissen angepasst, ist eine neue
Anordnung notwendig (vgl. Thomas Geiser/Mario Etzensberger, in:
Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel
2018, N 13 f. zu Art. 434/435 ZGB m.w.H.). Der Behandlungsplan ist dem
Patienten zur Zustimmung zu unterbreiten. Rechtsgrundlage für die Behandlung
ist die Einwilligung durch den Patienten. Liegt die Einwilligung nicht vor, ist eine
Behandlung nach Art. 434 ZGB möglich und muss folglich erst mittels Verfügung
angeordnet werden. Der Behandlungsplan bildet die Grundlage für diese
Verfügung. Eine Behandlung ohne Zustimmung nach Art. 434 ZGB ist nur
möglich, wenn diese ausdrücklich im Behandlungsplan vorgesehen ist. Es kann
nur die darin vom behandelnden Arzt vorgeschlagene Behandlung angeordnet
werden (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 23 f. zu Art. 433 ZGB m.w.H.). Der
Behandlungsplan hat neben den Personalien der betroffenen Person eine
Diagnose oder mindestens die Beschreibung des Krankheitsbildes zu enthalten.

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Er muss Auskunft über die geplanten Abklärungen und Untersuchungen geben
sowie das Ziel der Behandlung und die beabsichtigte Therapie benennen. Dem
Behandlungsplan müssen auch Ausführungen zu den Risiken und
Nebenwirkungen der vorgeschlagenen Therapie und eine Prognose zu ihrer
Wirkung zu entnehmen sein. Überdies hat er auch eine Prognose über den
Krankheitsverlauf zu enthalten, wenn die notwendige Therapie unterbleibt.
Schliesslich muss aus dem Behandlungsplan ersichtlich sein, wer ihn als
behandelnder Arzt erstellt hat. Dabei ist der Behandlungsplan laufend den
Entwicklungen anzupassen (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 8 f. zu Art. 433
ZGB m.w.H.).

4.1. Der Beschwerdeführer befindet sich infolge einer ärztlich angeordneten
fürsorgerischen Unterbringung aktuell in der Klinik D.________ (act. 03.3).
Gemäss den Ausführungen der Gutachterin, welche sich nebst einer persönlichen
Konsultation auch auf die Akten der Klinik D.________ stützt, liegt beim
Beschwerdeführer eine akute schizophreniforme psychotische Störung (F23.2)
sowie psychische und Verhaltungsstörung durch Alkohol, gegenwärtig abstinent,
aber in beschützender Umgebung (F10.21), vor (act. 06). Diese Krankheitsbilder
stellen eine psychische Störung im Sinne des Gesetzes dar.

4.2. Aus den Akten ist ersichtlich, dass die Klinik am 18. Mai 2021 einen
Behandlungsplan erstellt hat. Dieser enthielt das Ziel einer psychischen
Stabilisierung,    Einstellen    von     fremdaggressivem      Verhalten     und
Auseinandersetzung über den Alkoholkonsum und dessen Auswirkungen auf das
Befinden und Verhalten. Als Behandlungsziele wurden die Aufgleisung einer
adäquaten medikamentösen Therapie mit guter Compliance sowie eine
Auseinandersetzung über den Alkoholkonsum genannt. Eine konkrete
medikamentöse Behandlung wurde nicht aufgeführt (act. 03.2). Im Eintrittsstatus
vom 20. Mai 2021 (act. 03.1) wurde auf diverse verordnete Medikamente seit dem
Eintritt hingewiesen. Der angefochtenen Anordnung einer Behandlung ohne
Zustimmung nach Art. 434 ZGB vom 21. Mai 2021 ist demgegenüber eine
gänzlich andere Behandlung zu entnehmen. Gegenstand der angeordneten
Behandlung ist im Gegensatz zum Behandlungsplan vom 18. Mai 2021 nicht etwa
der Alkoholkonsum bzw. die Alkoholabhängigkeit, sondern ein systematisches
Wahngebilde, wobei die affektive Beteiligung synthym imponiere. Angeordnet wird
eine medikamentöse Behandlung mit Haldol bis zu 40 mg/d und
Valium/Psychopax bis zu 40 mg/d oral, alternativ die beiden genannten
Substanzen i.m. jeweils bis zu 2x10 mg/d oder Clopixol acutard bis zu 150 mg i.m.
alle drei Tage (act. 03.4). Ein Bezug zu einem dieser Anordnung

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zugrundeliegenden Behandlungsplan ist dabei nicht ersichtlich, auch wenn in act.
03.4 auf einen Behandlungsplan verwiesen wird. Der im Recht liegende
Behandlungsplan (act. 03.2) kann jedoch offensichtlich nicht Grundlage der
angeordneten Behandlung sein, wenn weder die Diagnose noch die beabsichtigte
Behandlung mit der anzuordnenden Behandlung übereinstimmt. Mit anderen
Worten liegt kein Behandlungsplan im Recht, welcher die später in der
verweigerten Zustimmung angeordnete Behandlung auch nur im Ansatz enthält.
Die Anordnung ohne Zustimmung nach Art. 434 ZGB selber kann jedenfalls nicht
gleichzeitig Behandlungsplan nach Art. 433 ZGB darstellen.

4.3. Somit vermag der Behandlungsplan vom 18. Mai 2021 inhaltlich keine
genügende Grundlage für die spätere Anordnung ohne Zustimmung vom 21. Mai
2021 zu bilden. Das Vorgehen der Klinik im Zusammenhang mit der Anordnung
einer Behandlung ohne Zustimmung vom 21. Mai 2021 erweist sich daher nicht
als mit dem geltenden Bundesrecht konform. Die dagegen erhobene Beschwerde
ist folgerichtig gutzuheissen und die Anordnung der Behandlung ohne
Zustimmung vom 21. Mai 2021 ist aufzuheben.

5.1. Im Weiteren ist festzuhalten, dass weder im Behandlungsplan vom 18. Mai
2021 noch in weiteren Dokumenten die nach Art. 433 Abs. 2 ZGB erforderlichen
Angaben über die Umstände vorliegen, die im Hinblick auf die in Aussicht
genommenen Massnahmen wesentlich sind. Insbesondere fehlen sowohl im
Behandlungsplan wie auch in der angefochtenen Anordnung Informationen über
die Modalitäten, Risiken und Nebenwirkungen sowie die Folgen eines
Unterlassens. Deren Fehlen läuft dem Zweck eines Behandlungsplans zuwider,
wonach eine gültige Einwilligung in eine Behandlung nur vorliegen kann, wenn
dem Patienten die Vor- und Nachteile der Behandlung vorgängig dargelegt
werden. Der Patient muss sich ein Gesamtbild über die Behandlung machen
können, um gültig in solche einzuwilligen. Dies gilt umso mehr für den
vorliegenden Fall, in welchem sich der Beschwerdeführer gemäss der richterlichen
Befragung auch wegen befürchteter Nebenwirkungen einer Behandlung
widersetzt.

5.2. Insbesondere gibt auch die Anordnung der Behandlung ohne Zustimmung
mit der unpräzisen Bezeichnung "Verschlechterung der bestehenden Psychose
mit Gefahr von selbstgefährdenden Handlungen und Verschlechterung der
Prognose" – gerade im Hinblick auf die Beurteilung der Verhältnismässigkeit des
Eingriffs – keine hinreichend klare Auskunft darüber, mit welchem
Krankheitsverlauf zu rechnen ist, wenn die angeordnete Behandlung unterbleibt.
Es wird lediglich festgehalten, dass ein reiner Aufenthalt ohne Behandlung "zuletzt

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zu einer deutlichen Verschlechterung geführt" habe und andere weniger
einschneidende Massnahmen als eine medikamentöse Behandlung nicht
ersichtlich seien, insbesondere werde "die Dauer des akuten Schubs und der
Klinikbehandlung wahrscheinlich verkürzt". Für eine konkrete Beurteilung durch
das Kantonsgericht ist dies jedenfalls nicht ausreichend.

5.3. Im Weiteren sind auch die entsprechenden Ausführungen im Gutachten von
Dr. med. E.________ nicht so konkret erfolgt, dass – selbst bei Vorliegen eines
Behandlungsplanes – von der Erfüllung der Voraussetzungen der Behandlung
ohne Zustimmung ausgegangen werden kann, insbesondere was die Selbst- und
Drittgefährdung betrifft. Die Gutachterin hält zwar fest, dass aufgrund der
Symptomatologie aktuell die Gefahr der Selbst- und Fremdgefährdung bestehe
(act. 06, S. 7), wobei eine Suizidalität glaubhaft verneint wurde (act. 06, S. 7). In
der telefonischen Fremdanamnese mit der behandelnden Ärztin Peggy Stützer
hielt letztere fest, der "Expl. würde grundsätzlich funktionieren, ecke aber aufgrund
seines Verhaltens bei Menschen an und habe teilweise schräge Ideen mit einem
ausgeprägten systematisierten Wahnsystem (fühle sich von Türken verfolgt), was
wiederkehrend zu Konflikten führen würde" (act. 06, S.4). Somit hat die
Gutachterin zwar eine Selbst- und Fremdgefährdung angesprochen, sich indessen
nicht genügend konkret zur tatsächlichen Gefährdung bzw. zur in Art. 434 Abs. 1
Ziff. 1 ZGB erwähnten Ernsthaftigkeit geäussert. Nachdem die Ernsthaftigkeit
einer Gefährdung aber restriktiv zu beurteilen ist (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N
20 f. zu Art. 434/435 ZGB), genügen die gutachterlichen Ausführungen nicht für
die Annahme einer konkreten Selbst- und/oder Fremdgefährdung, welche eine
Behandlung ohne Zustimmung gemäss Art. 434 ZGB als angemessene
Massnahme rechtfertigen würde.

6.    Zusammenfassend sind die formellen Voraussetzungen für die Anordnung
einer Behandlung ohne Zustimmung nach Art. 434 ZGB nicht erfüllt. Die
Beschwerde erweist sich demnach als begründet und ist gutzuheissen. Die
Behandlung ohne Zustimmung vom 21. Mai 2020 ist aufzuheben.

7.     In   Bezug      auf    die     Grundsätze   der      Kostenauflage     im
erwachsenenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahren verweisen die Art. 63 Abs. 5
und Art. 60 Abs. 2 EGzZGB subsidiär auf die Bestimmungen der ZPO. Demnach
werden die Prozesskosten gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO grundsätzlich der
unterliegenden Partei auferlegt. Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Antrag auf
Aufhebung der Anordnung der Behandlung ohne Zustimmung umfassend
durchgedrungen. Bei diesem Verfahrensausgang gehen die Kosten des
Beschwerdeverfahrens von insgesamt CHF 3'437.50 (CHF 1'500.00

                                                                                 9 / 11
Gerichtsgebühr und CHF 1'937.50 Gutachterkosten) zu Lasten des Kantons
Graubünden. Ausseramtliche Entschädigungen sind keine zu sprechen.

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Demnach wird erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Anordnung der Behandlung
     ohne Zustimmung vom 21. Mai 2021 wird aufgehoben.

2.   Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von insgesamt CHF 3'437.50
     (CHF 1'500.00 Gerichtsgebühr und CHF 1'937.50 Gutachterkosten)
     verbleiben beim Kanton Graubünden.

3.   Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 BGG Beschwerde in
     Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14,
     geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30
     Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in
     der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die
     Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen
     und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90
     ff. BGG.

4.   Mitteilung an:

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