Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte: Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen USA und China nicht Zaungast bleiben - Deutsche ...

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DGAPkompakt                                                                                             Nr. 6 / Mai 2019

Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte:
Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen
USA und China nicht Zaungast bleiben
Stormy-Annika Mildner, Claudia Schmucker

Trotz Verhandlungen eskalierte Trump am 10. Mai den Handelsstreit mit China. Mitt-
lerweile bezeichnet auch die EU China als systemischen Rivalen. Damit nähert sie
sich den USA an. Doch die transatlantische Kooperation hat Grenzen. Trump scheint
durch unilaterale Maßnahmen die wirtschaftliche Verflechtung mit China aufbrechen
zu wollen. Die EU setzt auf multilaterale Regeln. Gleichzeitig muss sie aktiver den Di-
alog mit China – und den USA – vorantreiben. Ansonsten droht sie, zum Verlierer zu
werden.

Die USA haben seit Jahren ein riesiges Defizit im Waren-        die Peking in seiner „Made in China 2025“-Strategie als
handel mit China. Mit rund 378,7 Milliarden US-Dollar im        besonders wichtig identifiziert hatte. Diesmal diente
Jahr 2018 war es so hoch wie mit keinem anderen Land.           Abschnitt 301 des Handelsgesetzes von 1974 als Grundlage,
Präsident Trump will dies ändern. Ebenso wie die EU             welcher Maßnahmen gegen unfaire Handelspraktiken
moniert der Präsident den mangelnden Schutz geistigen           ermöglicht. Die chinesische Regierung antwortete mit
Eigentums, staatliche Subventionen sowie den erzwun-            eigenen Importzöllen auf US-Waren in Höhe von 34 Mrd.
genen Technologietransfer bei Joint Ventures in China.          US-Dollar. Als die Trump-Administration die 301-Zölle
Anders als die EU setzen die USA allerdings auf unilate-        auf weitere chinesische Produkte im Wert von 16 Mrd.
rale Handelsinstrumente und -gesetze, um Peking zum             US-Dollar ausdehnte, reagierte China kurzerhand mit
Einlenken zu bewegen. In ihrer nationalen Sicherheits-          Gegenzöllen in derselben Höhe.
strategie vom Dezember 2018 kritisierte die Trump-Admi-            Im September 2018 führten die USA zusätzliche Zölle
nistration, dass sich die seit Jahrzehnten verfolgte Politik,   in Höhe von zehn Prozent auf chinesische Waren im Wert
China durch die Einbindung in internationale Organisati-        von 200 Mrd. US-Dollar ein. Trump wollte diese ur-
onen und den Welthandel zu einem vertrauenswürdigen             sprünglich im Januar 2019 auf 25 Prozent erhöhen, sollte
Partner zu machen, als falsch erwiesen habe.                    China nicht einlenken. Hinzu kam der Streit um den chi-
   Am 8. März 2018 erließ Präsident Trump unter Be-             nesischen Technologie-Giganten Huawei. Anfang Dezem-
rufung auf die nationale Sicherheit (Abschnitt 232 des          ber 2018 verhaftete Kanada auf Bitten der USA Huaweis
Handelsgesetzes von 1962) globale Zölle in Höhe von 25          Chief Financial Officer Meng Wanzhou. Nach Ansicht der
Prozent auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumimporte.         USA hat Huawei die US-Sanktionen gegen den Iran ver-
China ist der weltweit größte Hersteller beider Produkte;       letzt. Im Januar 2019 verklagte das US-Justizministerium
seine erheblichen Überkapazitäten haben zu gravieren-           Huawei zudem wegen Diebstahl von Geschäftsgeheim-
den Verzerrungen auf den Weltmärkten geführt. Im Juli           nissen. Die chinesische Regierung kritisierte das Vorge-
2018 erließen die USA zusätzliche Importzölle in Höhe
von 25 Prozent auf chinesische High-Tech-Produkte im
Wert von 34 Mrd. US-Dollar – darunter viele Produkte,
Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte: Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen USA und China nicht Zaungast bleiben 2

hen der USA scharf als Versuch, den Wettbewerb um die                     Chronologie des Zollstreits
technologische Vorherrschaft zu gewinnen.
   Bis Anfang Mai herrschte Waffenstillstand zumindest                    8. März 2018
an der Handelsfront. Auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires                   Präsident Trump erlässt auf Basis der nationalen Si-
                                                                          cherheit (Abschnitt 232 des Handelsgesetzes von 1962)
im Dezember 2018 hatten sich Präsident Trump und Präsi-
                                                                          globale Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und 10
dent Xi darauf geeinigt, bis zum 1. März 2019 ein bilate-                 Prozent auf Aluminiumimporte. China ist als weltweit
rales Abkommen über chinesische Wirtschaftsreformen                       größter Hersteller beider Produkte betroffen.
zu schließen. Im Gegenzug versprach Trump, zunächst
                                                                          6. Juli 2018
keine weiteren Zölle zu verhängen. Seit Januar laufen die
                                                                          Die USA erlassen Importzölle in Höhe von 25 Prozent
Verhandlungen; die März-Frist wurde aufgrund der guten                    auf chinesische High-Tech-Importe im Wert von 34 Mrd.
Fortschritte noch einmal verlängert.                                      US-Dollar. Grundlage ist Abschnitt 301 des Handelsge-
   Der nach außen gezeigte Optimismus über den Fort-                      setzes von 1974. China erhebt daraufhin Gegenzölle in
schritt der Gespräche wandelte sich Anfang Mai. Trump                     Höhe von 25 Prozent auf US-Produkte im Wert von 34
drohte, die Zölle auf chinesische Importe im Wert von                     Mrd. US-Dollar.
200 Mrd. US-Dollar wie geplant auf 25 Prozent zu erhö-                    23. August 2018
hen. Diese Drohung setzte er am 10. Mai auch schließlich                  Die Trump-Regierung erweitert auf Basis des Ab-
um. Gleichzeitig plant er weitere Zölle in Höhe von 25                    schnitts 301 (Handelsgesetz von 1974) die Strafzölle
Prozent auf den Rest der chinesischen Importe. Die                        auf weitere Importe aus China im Wert von 16 Mrd.
                                                                          US-Dollar. China erwidert mit Gegenzöllen in dersel-
USA sind der Ansicht, dass China seine ursprünglich
                                                                          ben Höhe.
angebotenen Zugeständnisse in zentralen Fragen wieder
zurückgenommen hat. Strittige Punkte sind vor allem                       24. September 2018
                                                                          Die US-Regierung erhebt weitere Zölle in Höhe von
der Durchsetzungsmechanismus sowie der Umgang
                                                                          zehn Prozent auf chinesische Produkte im Wert von 200
Chinas mit US-Strafzöllen. Geht es nach den USA, soll
                                                                          Mrd. US-Dollar. Die USA drohen, die Zölle im Januar
China sein Recht aufgeben, auf US-Strafzölle mit eige-                    2019 auf 25 Prozent zu erhöhen. China antwortet mit
nen Zöllen antworten zu können, wenn das Land nach                        Zöllen auf Importe im Wert von 60 Mrd. US-Dollar.
Auffassung der USA gegen das Abkommen verstoßen hat.
                                                                          2. Dezember 2018
China kündigte daraufhin an, ab dem 1. Juni die Zölle                     Auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires einigen sich
auf US-Produkte im Wert von 60 Mrd. US-Dollar je nach                     Präsident Trump und Präsident Xi darauf, bis zum 1.
Produkt auf 10, 20 bzw. 25 Prozent anzuheben.                             März 2019 ein bilaterales Abkommen zu schließen. Im
                                                                          Gegenzug verspricht Trump, keine weiteren Zölle mehr
                                                                          zu verhängen.
Trumps China-Politik hat viele Anhänger                                   Seit Januar 2019
Die harte China-Politik der Trump-Administration hat                      Beide Seiten verhandeln. Trump lässt die Frist vom 1.
viele Unterstützer in den USA. Laut einer Pew-Umfrage                     März verstreichen. Das geplante Treffen zwischen Xi
vom Oktober 2018 haben nur 38 Prozent der US-Ameri-                       und Trump wurde bereits von April auf Ende Juni 2019
                                                                          verschoben.
kaner ein positives Bild von China; 2017 waren es noch
44 Prozent.1 Während sich Wähler der Republikanischen                     10. Mai 2019
Partei – im Einklang mit der Politik Trumps – vor allem                   Die Zölle auf chinesische Produkte im Wert von 200
über Chinas wirtschaftliche Stärke Sorgen machen                          Mrd. US-Dollar werden – wie angedroht – von 10 Pro-
                                                                          zent auf 25 Prozent erhöht. Die USA drohen, auch die
(Handelsdefizit, Verlust von Arbeitsplätzen), kritisieren
                                                                          restlichen chinesischen Importe mit Zöllen zu belasten.
Wähler der Demokratischen Partei Chinas Einfluss auf die
Umwelt und die Verletzung von Menschrechten.                              13. Mai 2019
   Die Strafzölle gegen China finden hingegen keine so                    China reagiert mit Gegenmaßnahmen und hebt seiner-
                                                                          seits ab dem 1. Juni die Importzölle auf US-Produkte im
deutliche Unterstützung. Einer Umfrage von Gallup vom
                                                                          Wert von 60 Milliarden US-Dollar an.
Juli 2018 zufolge waren 38 Prozent der Befragten der An-
sicht, dass die erste Runde von Zöllen der US-Wirtschaft                   Die Wirtschaft, beispielsweise die US Chamber of Com-
kurzfristig schaden würde, während nur 16 Prozent die                   merce, gehört zu den lautstarken Kritikern der Trump-
Zölle als positiv für die US-Wirtschaft bewerteten.                     schen Handelspolitik und der Zollspirale, auch wenn
45 Prozent der Befragten waren zudem der Ansicht, dass                  sie die Bedenken der Regierung gegenüber China teilt.
sich die Zölle langfristig negativ auf die US-Wirtschaft                Gerade die Landwirtschaft äußert sich kritisch, da durch
auswirken würden.2                                                      Chinas Gegenmaßnahmen ein wichtiger Absatzmarkt

                                                                                                               DGAPkompakt / Nr. 6 / Mai 2019
Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte: Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen USA und China nicht Zaungast bleiben 3

eingebrochen ist. Die Gewerkschaften, unter ihnen die                                     der Gegenmaßnahmen tragen. Je näher die nächsten
American Federation of Labor and Congress of Industrial                                   Wahlen rücken, desto schwieriger dürfte es allerdings für
Organizations (AFL-CIO), die grundsätzlich Handelsli-                                     die Republikaner werden, sich in dieser wichtigen Frage
beralisierungen kritisch gegenübersteht, unterstützen                                     gegen den Präsidenten zu positionieren.
das harte Vorgehen gegen China. Gleichwohl forderte die                                      Viele prominente Demokraten – wie beispielsweise
AFL-CIO, die Zollpolitik müsse positive Auswirkungen für                                  der Minderheitsführer im Senat Chuck Schumer (D-NY)
die arbeitenden Familien haben.3                                                         – kritisieren ebenfalls die Handelspraktiken Chinas und
                                                                                          fordern den Präsidenten auf, aggressiv gegen den Dieb-
Tabelle 1:                                                                                stahl geistigen Eigentums vorzugehen.4 Andere einfluss-
Der Aufstieg Chinas in der Weltwirtschaft, 1990-2017                                      reiche Demokraten, wie zum Beispiel der Vorsitzende des
 Anteil des BIP, basierend auf Kaufkraftparität (in Prozent)                              Ways and Means-Ausschusses im Repräsentantenhaus
                             USA (in %)       EU (28) (in %)       China (in %)           Richard Neal (D-MA), kritisieren hingegen die erratische
 1990                            21,8              27,4                  4,1              Verhängung von Zöllen auf chinesische Güter. Zahlrei-
 2001                            20,2              23,5                  7,8              chen Umfragen zufolge bewertet die Wählerschaft der
 2017                            15,3              16,5                 18,2              Demokraten Handel zunehmend positiv. Trotzdem ist
 Anteil am weltweiten Waren- und Dienstleistungshandel (in Prozent)                       aufgrund der Position der Gewerkschaften mit keinem
 (inklusive intra-EU-Handel)                                                              großen Widerstand der Partei gegen Trumps China-Poli-
                             USA (in %)       EU (28) (in %)       China (in %)           tik zu rechnen.
 1999
            Exporte               13                42                    3                  Trumps Zollpolitik ist teuer; sie gefährdet Arbeitsplät-
            Importe               17                42                    3
                                                                                          ze und belastet die Konsumenten. Zu einer Änderung
            Exporte               10                40                    6
 2005
            Importe               15                40                    6
                                                                                          des Wahlverhaltens hat dies bei den Zwischenwahlen im
            Exporte               10                36                   11               November 2018 jedoch nicht geführt – nicht einmal in
 2017
            Importe               13                34                   10               den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten, die von
 Anteil an den weltweiten Direktinvestitionen (in Prozent)                                den chinesischen Gegenmaßnahmen besonders betroffen
                             USA (in %)       EU (28) (in %)       China (in %)           sind. Trump dürfte daher an seinem Kurs festhalten. Chi-
            Eingehend             25                40                    1               na wird auch im Wahlkampf 2020 ein zentrales Thema
 1990
            Ausgehend             32                43                    0               bleiben.
            Eingehend             34                32                    3
 2001
            Ausgehend             32                42                    0
            Eingehend             25                29                    5
 2017
            Ausgehend             25                34                    5
                                                                                         USA-China-Konflikt belastet
Quelle:
                                                                                         das multilaterale Handelssystem
IWF (2018),  (abgerufen am 15. Januar 2019).
                                                                                         Die Trump-Administration steht der WTO äußerst
WTO (2018),
Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte: Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen USA und China nicht Zaungast bleiben 4

der Folge sämtliche Berufungsverfahren auf Eis gelegt                    schaft. Auch der EU und Deutschland würde ein solches
werden müssen, wird der gesamte Streitschlichtungsme-                    Abkommen zugutekommen. Zudem würde damit der Weg
chanismus der WTO beschädigt.                                            für eine umfassende WTO-Reform geebnet. Allerdings
   Zweitens kritisieren die USA, dass das WTO-Regelwerk                  ist dieses Szenario sehr unwahrscheinlich. Denn China
unzureichend sei, um gegen die marktverzerrenden                         dürfte kaum bereit sein, sein aktuelles Wirtschafts- und
Handelspraktiken von China vorzugehen. Dies betrifft vor                 Wachstumsmodell aufzugeben.
allem das Thema Subventionen und Staatsunternehmen.                          Wahrscheinlicher ist es, dass sich die USA und China
Die EU und Japan teilen diese Kritik und haben daher ge-                 auf einen bilateralen Deal ohne substanzielle Änderun-
meinsam mit den USA auf der WTO-Ministerkonferenz in                     gen an Chinas Industriestrategie einigen. China dürfte
Buenos Aires im Dezember 2017 die „Trilaterale Initiative“               versprechen, mehr Waren aus den USA, insbesondere
gegründet.                                                               Energie und landwirtschaftliche Güter, zu importieren.
   Der dritte Kritikpunkt bezieht sich auf den mangeln-                  Voraussichtlich verständigen sich die USA und China
den Fortschritt in der Doha-Entwicklungsrunde. Abgese-                   zudem auf Regeln für die Bereiche Landwirtschaft,
hen vom Abkommen über Handelserleichterungen (2017)                      Dienstleistungen, nicht-tarifäre Handelshemmnisse,
haben es die WTO-Mitgliedstaaten bisher nicht geschafft,                 Schutz geistigen Eigentums, erzwungener Technologie-
sich auf neue Liberalisierungen und Regeln zu einigen.                   transfer und Cybersicherheit. Tiefergreifende Reformen
Daher haben die USA – und in Teilen auch die EU – das                    dürfte dies jedoch nicht umfassen. Auch ist mit einem
Interesse an der multilateralen Runde verloren. Dies liegt               schwachen Durchsetzungsmechanismus zu rechnen. Die
vor allem auch daran, dass sich große Schwellenländer                    USA würden zwar von einem verbesserten Marktzugang
wie China und Indien auf ihren selbstgewählten Status                    in China profitieren, die grundlegenden Probleme in der
als Entwicklungsland zurückziehen und zu keinen grund-                   Beziehung zwischen den beiden Wirtschaftsmächten
legenden Zugeständnissen bereit sind. Ein Fortschritt                    blieben aber ungelöst. Dennoch dürfte Trump ein solches
sind immerhin die neuen plurilateralen Initiativen, an                   Abkommen als Erfolg für sich verbuchen. Die Verhand-
denen sich auch die USA (bei E-Commerce) und die EU                      lungsstrategie und das Abkommen könnten in der Folge
(bei E-Commerce, Investitionen sowie bei Micro, Small                    Vorbildcharakter für die Verhandlungen der USA mit Ja-
and Medium Sized Enterprises) beteiligen. Doch auch die-                 pan und auch der EU entfalten. Die EU könnte in diesem
se können nicht die Unterstützung der USA für die WTO                    Szenario zur Verliererin des Handelskonflikts werden.
sichern.                                                                 Die Weltwirtschaft hätte weiterhin mit Unsicherheiten zu
   Der vierte Kritikpunkt der USA betrifft die Tatsache,                 kämpfen; Handelsumlenkungen wären die Folge. Auch
dass viele Mitglieder – allen voran China – ihren WTO-                   die Blockaden in der WTO könnten nicht überwunden
Pflichten nicht nachkommen, Subventionen bei der WTO                     werden. Der multilateralen Handelsorganisation droht
zu melden. Dies beeinträchtigt die Überwachungsfunkti-                   dann eine weitere Schwächung.
on der WTO.                                                                  Im Worst Case schaffen es die USA und China nicht,
   Die Trump-Administration setzt daher weniger auf die                  sich auf ein Übereinkommen zu verständigen, und der
WTO, um den Konflikt mit China zu lösen, als auf unila-                  Handelskonflikt eskaliert weiter. Dieses Szenario ist
terale Handelsinstrumente und bilaterale Verhandlungen.                  Anfang Mai mit der Anhebung der US-Zölle noch einmal
Damit gefährdet sie jedoch das multilaterale Handelssys-                 wahrscheinlicher geworden. Dies wäre nicht nur für
tem, das über Jahrzehnte hinweg wirtschaftliches Wachs-                  die beiden beteiligten Staaten ein Desaster, sondern
tum und Entwicklung weltweit begünstigt hat.                             auch für die EU und die Weltwirtschaft. Welthandel
                                                                         und weltweites Wirtschaftswachstum dürften deutlich
                                                                         gebremst werden, was gerade exportabhängige Länder
Verhandlungen mit unsicherem Ausgang                                     wie Deutschland hart treffen würde. Die US-Wirtschaft
Trumps China-Politik ist zu Recht umstritten. Ob sie zum                 ist zwar weniger abhängig von den Weltmärkten, doch
Erfolg führt, ist alles andere als sicher, und sie birgt große           würde ein Einbruch des Weltwirtschaftswachstums
Risiken für die USA und die Weltwirtschaft.                              auch an den USA nicht spurlos vorüberziehen. Schon
   Im besten Fall einigen sich die USA und China auf ein                 jetzt zeigten sich die Aktienmärkte wiederholt nervös.
ambitioniertes Abkommen, das strukturelle und rechtlich                  Präsident Trump sollte an einem solchen Ausgang wenig
bindende Reformen Chinas vorsieht, auf das sich auch                     Interesse haben, insbesondere nicht vor den Präsident-
andere Staaten berufen können, und das einen starken                     schaftswahlen 2020. Umso mehr Trump allerdings
Durchsetzungsmechanismus hat. Ein solcher Deal wäre                      innenpolitisch unter Druck steht, umso mehr wird er
nicht nur gut für die USA, sondern auch für die Weltwirt-                versuchen, das Augenmerk der Bevölkerung auf außen-

                                                                                                                DGAPkompakt / Nr. 6 / Mai 2019
Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte: Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen USA und China nicht Zaungast bleiben 5

politische Konflikte zu lenken – und umso wahrscheinli-                eng mit China verflochten. Gerade in Deutschland ist die
cher wird dieses Szenario.                                             Abhängigkeit deutlich größer als in den USA. China wird
                                                                       auch in Zukunft ein wichtiger Markt für europäische
                                                                       Unternehmen bleiben. Ein de-coupling, wie es Trump
Ausblick:                                                              vorzuschweben scheint, ist für die EU keine Option. Auch
Das Dreiecksverhältnis USA-China-EU                                    deswegen setzt die EU, anders als die Trump-Administ-
Für die Trump-Administration ist die China-Politik der                 ration, stärker auf multilaterale Institutionen, rechtlich
EU auch ein Lackmustest für die transatlantischen Be-                  bindende Übereinkommen und Dialogformate.
ziehungen. Trumps handelspolitisches Team hat der EU                       Das größte Problem der EU ist jedoch, dass sie zurzeit
wiederholt vorgeworfen, zu wenig gegen Chinas wettbe-                  noch weit von einer einheitlichen China-Politik entfernt
werbsverzerrende Praktiken zu tun. Mittlerweile zeichnet               ist. Besonders deutlich zeigt sich dies im unterschied-
sich in der EU ein Paradigmenwechsel ab. Während noch                  lichen Umgang der EU-Mitglieder mit Chinas Belt and
vor wenigen Jahren die Hoffnung in der EU groß war,                    Road Initiative. Die EU hat somit auch einige Hausaufga-
dass sich das Land weiter öffnen und letztlich zu einer                ben zu erledigen. In erster Linie müssen die EU-Mitglieder
Marktwirtschaft wandeln würde, ist der Ton gegenüber                   an einer kohärenten China-Politik arbeiten. Zudem muss
China deutlich rauer geworden. Dies zeigen nicht nur                   die EU rigoros dafür eintreten, dass China seinen Ver-
der strategische Ausblick der EU5 und die Erklärung des                sprechen aus der Erklärung des EU-China-Gipfels von
jüngsten EU-China-Gipfels, sondern auch der neue Rah-                  Anfang April 2019 auch nachkommt. Auch sollte sich die
menplan für ein europäisches Investitionsscreening sowie               EU weiterhin für einen konstruktiven Dialog über WTO-
die Debatte um Reziprozität im öffentlichen Auftragswe-                Reformen einsetzen – sowohl in der Trilateralen Initiative
sen. Bei der 5G-Infrastruktur haben die EU-Mitglieder                  als auch im bilateralen Verhältnis zu China. Sie muss sich
zwar bisher chinesischen Unternehmen nicht komplett                    weiter für offene und regelbasierte Märkte stark machen,
den Zugang verweigert, sondern nur einen Mix aus                       wobei die neue China-Politik nicht zu einem Protekti-
kleineren und größeren Restriktionen und Sicherheits-                  onismus durch die Hintertür führen darf. Die EU darf
maßnahmen eingeführt, aber die Debatte verschärft sich.                nicht Zaungast in den USA-China-Verhandlungen bleiben.
Einige Mitgliedstaaten (inklusive Deutschland) fordern                 Ansonsten droht sie zur Verliererin des Dreiecksverhält-
zudem eine einheitliche europäische Lösung.                            nisses zu werden.
   Die neue China-Politik der EU bringt die transatlanti-
schen Partner enger zusammen. Allerdings gibt es auch
Grenzen für die transatlantische Zusammenarbeit. So ist
das transatlantische Verhältnis selbst durch zahlreiche                Dr. Stormy-Annika Mildner ist Abteilungsleiterin Außen-
handelspolitische Konflikte belastet. Die USA erheben                  wirtschaftspolitik des Bundesverbands der Deutschen
nicht nur Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU, sie                Industrie (BDI). Sie ist deutsche Sherpa für den B20- und
drohen zudem mit Zöllen auf Fahrzeuge und Fahrzeug-                    B7-Prozess sowie Adjunct Lecturer an der Hertie School
teile. Im April 2019 kündigte USTR Lighthizer an, im                   of Governance.
Streitfall um Subventionen für Airbus Strafzölle in Höhe
von elf Mrd. US-Dollar zu verhängen.                                   Dr. Claudia Schmucker ist Leiterin des Programms Globa-
   Überdies sind die EU-Mitgliedstaaten durch Handel                   lisierung und Weltwirtschaft in der Deutschen Gesellschaft
und ausländische Direktinvestitionen wirtschaftlich sehr               für Auswärtige Politik e.V. (DGAP).

                                                                                                              DGAPkompakt / Nr. 6 / Mai 2019
Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte: Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen USA und China nicht Zaungast bleiben 6

  Anmerkungen
1 Richard Wike, Kat Devlin, As Trade Tensions Rise,     usatoday.com/story/news/politics/2018/08/01/        5 Europäische Kommission, EU-China: A Strategic
  Fewer Americans See China Favorably, Pew Re-          afl-cio-leader-president-trump-moving-right-          Outlook, European Commission Contributi-
  search Center, 28.8.2018  (abgerufen am 12.         on to the European Council, March 2019, S.
  bal.org/wp-content/uploads/sites/2/2018/08/           März 2019).                                           4  (abgerufen am 4. April           mer, Wyden and Brown Urge President Trump to          strategic-outlook.pdf?utm_source=POLITICO.
  2019).                                                not Back Down on Further Action against China         EU&utm_campaign=5af610fc54-EMAIL_
2 Jeffrey M. Jones, Americans Say US China              for Sake of Weak and Meaningless Agreement”,          CAMPAIGN_2019_03_12_07_00&utm_
  Tariffs More Harmful than Helpful, Gallup             Press Release, 28.11.2018  (abgerufen am 10.
  Policies”, USA Today, 1.8.2018
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