Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren

Die Seite wird erstellt Paul-Luca Wittmann
 
WEITER LESEN
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Die Faszination Poker:
    Spielanreize und Suchtgefahren
   Vortragsreihe 2009: Von Börsenhelden, Pokerstars und Lottoträumern –
                 Glücksspiele im gesellschaftlichen Kontext

                             Dipl.-Psych. Tobias Hayer, Universität Bremen

Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern / Bayerische Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis BAS e.V.
                                             Würzburg, 07. Juli 2009
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Früher ...

Dipl.-Psych. Tobias Hayer
   Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
... und heute

 Dipl.-Psych. Tobias Hayer
    Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Der Pokerboom: Licht ...

      Dipl.-Psych. Tobias Hayer
         Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
... und Schatten

  Dipl.-Psych. Tobias Hayer
     Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Poker – Spielmöglichkeiten im Überblick

                Die bekannteste Pokervariante ist Texas Hold‘em
      Unter den Spielformaten sind Turniere von Cash-Games zu unterscheiden

                LEGALE und ILLEGALE Spielmöglichkeiten

• Staatlich konzessionierte Angebote in terrestrischen Spielbanken
• Selbstorganisierte, nicht-öffentliche Pokerrunden (z.B. Homegames)
• Angebote von privaten Veranstaltern als Unterhaltungsspiele
• Online-Angebote im Trainingsmodus → Spielen um Spielgeld
• Kommerzielle Angebote von privaten Veranstaltern, die Auflagen nicht erfüllen
• Kommerzielle Online-Angebote → Spielen um Echtgeld

                                  Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                     Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Aktuelle Gerichtsurteile – Auszüge

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.04.2009 – OVG 1 S 203.08
„Das Pokerspiel ist ein überwiegend von nicht steuerbaren Zufallselementen abhängiges
Glücksspiel; an diesem Charakter ändert sich auch nichts dadurch, wenn es im Rahmen eines
Turniers gespielt wird. Öffentliche Pokerturniere sind nur unter der Voraussetzung zulässig, dass
kein Einsatz geleistet wird“.

VG Halle, Beschluss vom 27.02.2009 – 3 B NN/09 HAL, ZfWG 2009, S. 152 Ls.
„Das Pokerturnier ist erlaubt, wenn zuvor sämtliche als Preise vorgesehene Gegenstände von der
Veranstalterin bei der Stadt zur Aufbewahrung übergeben werden. Außerdem muss eine
buchhalterisch genaue Abrechnung samt Belegen über die Kosten des Pokerturniers zur
Überprüfung vorgelegt werden“.

VG Trier, Urteil vom 03.02.2009 – 1 K 592/08.TR, ZfWG 2009, S. 66 ff.
„Die Veranstaltung von Pokerturnieren, in denen nur Sachpreise mit geringem Wert (hier: im Wert
von höchstens 60,00 €) als Gewinne ausgeschrieben werden und bei denen von den Teilnehmern
anstelle eines Einsatzes, der in die Gewinne fließt, lediglich ein Unkostenbeitrag (hier: 15 €)
erhoben wird, unterliegt dem gewerblichen Spielrecht und nicht dem Glücksspielstaatsvertrag“.

                                        Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                           Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Popularität des Pokerspiels in Deutschland
                            Meyer & Hayer (2008)

Nach Schätzungen der German Poker Players Association (GPPA) spielen
etwa zwei Millionen Bundesbürger Poker, der Deutsche Poker Bund (DPB)
geht von ungefähr einer Million Pokerspieler aus.
Die Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA) beziffert die 12-Monats-Prävalenz beim Pokern auf 4,2%.
Eine weitere Bevölkerungsstudie weist knapp über 200.000 Spieler aus, die
sich in den vergangenen 12 Monaten an Kartenspielen im Internet beteiligt
haben (Bühringer et al., 2007).
Nach einer Umfrage von forsa mit mehr als 1.000 repräsentativ ausgewählten
Bundesbürgern (Datenerhebung im Juni 2008) gelten rund 2,2 Millionen
Deutsche als Online-Zocker und davon 430.000 Personen als Internet-
Pokerspieler.

                              Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                 Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Der Pokerboom und seine Auswüchse

¾ Vernetzung staatlicher und privater Anbieter (z.B. European Poker Tour)
¾ Verzahnung von Trainings- und Echtgeld-Websites
¾ Vermarktung als Entertainment (z.B. Pokerturniere mit Prominenten)
¾ Übertragungen von Pokerturnieren im Sportfernsehen
¾ Etablierung von Poker-Ligen
¾ Verkauf von Pokerutensilien
¾ Eröffnung von Pokerschulen/Gründung von Pokerverbänden
¾ Internetdomain „poker.de“: Verkauf für 695.000 Euro
¾ Poker via Mobiltelefon
¾ ...
¾ Pokerspieler in Suchtberatungs-/Suchtbehandlungseinrichtungen

                               Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                  Universität Bremen
Die Faszination Poker: Spielanreize und Suchtgefahren
Texas Hold‘em – Spielregeln

¾ Es wird nicht gegen die Bank, sondern gegen andere Spieler gespielt.
¾ Nach dem Erhalt von 2 verdeckten Karten kann ein Spieler passen („fold“),
  mitgehen („call“) oder erhöhen („raise“).
¾ Wenn mindestens zwei Spieler mitgegangen sind, legt der Kartengeber zunächst
  3 Karten offen auf den Tisch („Flop“). Diese Gemeinschaftskarten gehören allen
  Spielern.
¾ Nun haben alle Spieler die Möglichkeit, zu schieben („check“) oder einen Betrag
 zu setzen („bet“).
¾ Haben alle Spieler ausgeglichen, wird eine weitere Gemeinschaftskarte offen auf
  den Tisch gelegt („Turn Card“).
¾ Nach einer weiteren Einsatzrunde wird die letzte Karte („River Card“) aufgedeckt.
¾ Gewinner einer Runde ist der Spieler mit dem höchsten Blatt, bestehend aus 5
  Karten (das beste Blatt aus den eigenen Karten und den Gemeinschaftskarten).
                                   Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                      Universität Bremen
Poker – Rangreihe der Blätter

- High Card:      Höchste Karte im Blatt: z.B. König
- Pärchen:        2 Karten der gleichen Wertigkeit : z.B. 7, 7
- 2 Pärchen:      Kombination von zwei Zwillingen: z.B. Ass, Ass, König, König
- Drilling:       3 Karten der gleichen Wertigkeit: z.B. 10,10,10
- Straight:       5 Karten in einer Reihe: z.B. 4, 5, 6, 7, 8
- Flush:          5 Karten der gleichen Farbe: z.B. 4, 6, 9, Dame, Ass von Herz
- Full House:     Kombination von einem Drilling und einem Paar:
                  z.B. 6, 6, 6, Bube, Bube
- Vierling:       4 Karten der gleichen Wertigkeit: z.B. vier Buben
- Straight Flush: 5 Karten der gleichen Farbe in einer Reihe:
                  z.B. 8, 9, 10, Bube, Dame von Pik
- Royal Flush: Ass, König, Dame, Bube und 10 einer Farbe

                                Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                   Universität Bremen
Siegertypen und Vorbilder

                      WSOP 2007
Jerry Yang gewann als Sieger des Hauptturniers 8,25 Mio. $
              bei einem Einsatz von 225 $

    ... Jerry Yang ist Psychologe und Sozialarbeiter ...
                      Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                         Universität Bremen
Tischkameras und Vermarktung im TV

           Dipl.-Psych. Tobias Hayer
              Universität Bremen
Poker im Internet – Kundenbindung

           Dipl.-Psych. Tobias Hayer
              Universität Bremen
Poker im Internet – Ausgewählte Problemfelder

                 Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                    Universität Bremen
Poker im Internet – Suchtgefahren
         Hayer, Bachmann & Meyer (2005); Meyer & Hayer (2008)
              Verfügbarkeit
                  (24/7)                             Demo-Seiten

                               Wettbewerbs-                         Extensive
Ereignisdichte
                                charakter                          Vermarktung

 Anonymität                     Heroisierung                        Fast-Gewinne

            Bargeldloser
                                                     Kontrollillusion
          Zahlungsverkehr

                              Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                 Universität Bremen
Exkurs: Möglichkeiten des Geldtransfers im Internet

- Banküberweisungen/Schecks
 → langsam, umständlich
- Kreditkarten (z.B. VISA, MasterCard)
 → Standardmethode der Bezahlung im Internet
- Wertkartensysteme (z.B. paysafecard)
  → elektronische Zahlungsmittel, die nach dem Prepaid-System funktionieren
  → paysafecards sind in über 110.000 Verkaufsstellen in ganz Europa zu
    erwerben (in Deutschland: Drogeriemärkte, Tankstellen,
    Lottoannahmestellen etc.)
- Online-Bezahldienste (z.B. NETeller, PayPal, moneybookers)
  → „elektronische Brieftaschen“ bzw. „e-Wallets“
  → Voraussetzung ist eine individuelle Registrierung

                              Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                 Universität Bremen
Online-Poker und die Industrie

         Dipl.-Psych. Tobias Hayer
            Universität Bremen
Pokersites – Das Beispiel „FullTilt Poker“

               Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                  Universität Bremen
Pokersites – Das Beispiel „Everestpoker“

              Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                 Universität Bremen
Poker-Bots

Dipl.-Psych. Tobias Hayer
   Universität Bremen
... Aus Sicht eines Pokerdozenten ...
            Interviewauszug mit Thomas Dellbusch, Seminarleiter bei Rhinepoker
                              RP-online vom 05.09.2007

„Pokern ist nicht suchtfördernd. Im Gegenteil: Um möglichst lange spielen zu
können, muss der Spieler lernen, seine Karten in 80 Prozent der Fälle zu passen.
Ein Spielsüchtiger möchte aber nicht passen, sonst wird ihm das Spiel zu
langweilig. Somit passiert folgendes: Entweder er verliert rasend schnell sein Geld
und kann nicht mehr mitspielen oder er begreift, dass man Geduld braucht, um
dabei zu bleiben. Sprich: Beim Poker muss er seinen Spielzwang zügeln. Und das
wäre der erste Weg zur Heilung [...] Das Thema „Spielsucht“ würde sich von
alleine erledigen, wenn anerkannt wird, dass Poker ein Gedulds- und
Geschicklichkeitsspiel und kein Glücksspiel ist. Wer Poker für sich entdeckt, sucht
die analytische, intellektuelle Herausforderung. Das beweisen der große Absatz
von taktischen Pokerbüchern, ausgebuchte Seminare und zahlreiche
Diskussionen in Internetforen. Solange die Leute aber glauben, Pokern hänge
überwiegend vom Glück ab, verirren sich Spielsüchtige auch an Pokertische“

                                   Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                      Universität Bremen
Reaktionen auf einen eigenen Internetbeitrag

„Schon krass, dass Leute behaupten Poker wäre nur Glück. Ich behaupte dann auch mal was:
Diese sind keine Winningplayer“.
„Muss 2 Sachen loswerden. Pokern ist auf keinen Fall ein reines Glückspiel. Oder glaubst du, es
gibt Leute, die machen im Monat 50 Stacks, nur weil sie einfach Glück im Leben haben? Aber man
muss auch sagen, es gibt sicherlich Leute, die von dem Spiel genauso abhängig werden, und ihr
ganzes Geld verspielen. Und den Leuten muss wohl oder übel aufgezeigt werden, dass sie ihr
Leben wieder in die Hand nehmen sollen“.
„Standard Poker ist Glücksspiel und macht deswegen süchtig? Müll. Online Poker ist kein
Glücksspiel mit Geschicklichkeitsfaktor. Online Poker mit Glücksspielseiten zu vergleichen, wie
z.B.ein Online-Casino, ist eine bodenlose Frechheit und zeigt die erbarmungslose
Ahnungslosigkeit solcher Möchtegern-Professoren oder für was auch immer die sich halten“.
Ja, aber alle Welt will den Leuten verklickern, das Poker eben kein Glücksspiel ist, sondern eben
ein Spiel, das man mit Skill schlagen kann - was eben Unsinn ist. Der Pokerboom wäre geringer,
wenn eben mal klar und deutlich zur Sprache kommen würde, dass Poker eben ein reines
Glücksspiel ist“.
                                        Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                           Universität Bremen
... Fiktion und Wirklichkeit ...

         Dipl.-Psych. Tobias Hayer
            Universität Bremen
Aus der Sicht eines Betroffenen – Teil 1
       www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,284.0.html vom 23.06.2007

„Ich bin ein wenig verzweifelt. Ich habe vor gut einem Jahr angefangen Poker zu
spielen. Erst nur auf Spielgeld-Seiten. Irgendwann bin ich auf einer Seite
gelandet, die auch das Spielen um echtes Geld anbietet, und ich dachte mir:
‚Probier’s doch einfach mal!‘ Zuerst habe ich 50 Euro eingezahlt, damit ich den
angepriesenen Bonus bekommen kann, doch das Geld war schneller weg, als ich
gucken konnte [...]. Ich habe irgendwann den Bonus von 50 Euro bekommen,
doch leider waren da schon knapp 500 Euro verspielt. So fing leider alles an, und
ich zahlte immer mehr ein. Mittlerweile bin ich auch auf einer zweiten Seite
angemeldet. Ich habe meine Kreditkarte derzeit mit insgesamt knapp 5.000 Euro
belastet, und ich weiß nicht mehr weiter. Ich verdiene nicht viel, da ich noch
Student bin, und ich weiß leider auch nicht, wie ich das abbezahlen soll [...]. Meine
Freundin und meine Eltern wissen nichts davon, und dass soll auch so bleiben.
Ich will da irgendwie wieder raus aus den Schulden. In letzter Zeit spiele ich auch
nur, um mit einem größeren Gewinn die Schulden auszugleichen. Ich weiß, dass
das dumm ist, aber es packt mich immer wieder.“

                                    Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                       Universität Bremen
Aus der Sicht eines Betroffenen – Teil 2
          www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,670.0.html vom 24.06.2009

„Ich habe vor ca. 2 Jahren angefangen zu Pokern. Zuerst nur offline mit Freunden und
ohne Geld. Dann um kleine Beträge aber immer nur aus Spaß. Vor einem Jahr begann
ich, Online-Poker zu entdecken und spielte ausschließlich Freerolls. Als Bwin dann auch
Poker anbot, habe ich zum ersten Mal online Cash Game gespielt, da ich vorher oft
Sportwetten bei Bwin abgeschlossen habe [...]. Ich würde meinen Verlust auf ca 1.500€
schätzen. Das Geld hatte ich selbst verdient und gespart. Im Moment ist es am
Schlimmsten: Ich habe Schulden. 400€ von 2 Gläubigern. Ich habe quasi KEIN
Einkommen, da ich zur Zeit kein Taschengeld bekomme und neben dem Abitur nur wenig
Zeit für Arbeit habe. In der Schule läuft‘s auch nicht besonders gut - ich lerne zu wenig und
sehe wie alles den Bach runter geht. Ich habe schätzungsweise 20 Stunden pro Woche
gepokert. Manchmal, meist direkt nachdem ich verliere, werde ich mir bewusst über die
Sucht. In anderen Momenten denke ich dann wieder, es ist meine einzige Chance und ich
muss mich einfach zusammenreißen [...]. Ich weiss nicht, was ich tun soll. Meine
Gedanken werden immer kranker - ich krieg schon die Idee, das Geld illegal zu
beschaffen. Nach außen hin merkt keiner, dass ich ein echtes Problem habe“.

                                       Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                          Universität Bremen
Beschaffungskriminalität ...
                           http://www.abendzeitung.de/muenchen/103877

Prozess: Pech beim Poker - Sonnenstudio überfallen

„Das ist der!“ – flüsterte die Kassiererin Karin B. (20, Identität geändert) zu ihrem Freund, als Andre P.
(18) am 5. 10. 2008, gegen 21.40 Uhr, das Sonnenstudio „Planet Sun“ an der Humboldtstraße betrat.
Sie hatte Andre P., der seit Montag wegen Raubes vor der Münchner Jugendkammer sitzt,
wiedererkannt. Denn Andre P. hatte bereits am 27.9.2008 mit einem mitgeführten Messer das
Sonnenstudio überfallen, rund 500 Euro geraubt [....]. Andre P. ist bereits einschlägig vorbestraft.
Gewaltdelikte. Die Jugendfürsorge kümmerte sich um ihn. Er nahm bis Mai 2008 20 Monate an dem
Philadelphia-Projekt teil. In den USA werden Jugendliche, die bei uns keine Therapiemöglichkeiten
mehr haben, erzogen und ausgebildet. Als Andre P. wieder nach München kam, bekam er wegen
seiner Mittleren Reife sofort eine Lehrstelle als Hotelfachmann. Aber die Spielsucht war sein
Verhängnis. Er verlor rund 4000 Euro bei Pokerrunden. „Die setzten mich unter Druck“, so Andre
P. Nach seiner Schilderung habe ihm Karin B. das Geld freiwillig gegeben: „Ich hatte ihr nur das
Messer in meinem Hosenbund gezeigt. Sie sagte noch, geh’ jetzt. Ich muss die Polizei holen.“ Die
Version nimmt ihm aber der Richter nicht ab. Der Prozess dauert an.

                                           Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                              Universität Bremen
... und weitere „Kollateralschäden“
                               http://www.acemag.net vom 06.05.2009

Mann begeht Selbstmord nach Pokerpartie

Ein unglaublicher Zwischenfall ereignete sich vor kurzem in einem Casino in Tampa Bay, Florida. Ein
57 jähriger Mann kaufte sich mit dem Maximal Buy In von 1,000 Dollar in eine 5/10 Partie Texas Hold
Em ein. Nachdem es den ganzen Abend über ganz gut für ihn gelaufen war, gelang es ihm seinen
Stack zu verdoppeln und er hätte eigentlich mit einem schönen Gewinn das Casino verlassen können.
Doch wie so oft wendete sich das Glück, bevor man die Notbremse ziehen kann und so verlor
er in einem beeindruckenden 4,000 Dollar Pot seinen gesamten Stack. Augenzeugenberichten zu
Folge machte der Mann daraufhin einen sehr geschockten und am Boden zerstörten Eindruck.
Wortlos verließ er das Casino, um vor der Türe auf seine Freunde, die sich noch im Casino befanden,
zu warten. Da sie eine zeitlang nicht kamen, rief er sie an und bat, sie mögen sich doch zu ihm vor die
Türe gesellen. Als sie dieser Aufforderung nachkamen, ersuchte er sie, doch bitte ein Foto von ihm
mit ihrer Handycam zu machen. Seine Freunde dachten sich nichts weiter dabei und kamen dieser
Bitte ebenfalls nach. Dann wurde das Ganze jedoch tragisch und bizarr zu gleich. Denn der 57
Jährige meinte daraufhin nämlich: “This is the last picture anyone will ever take of me!“ Zog eine
Waffe und schoss sich selbst in die Brust. Die sofort hinzu gezogenen Notfall Sanitäter konnten nur
mehr den Tod des armen Spielers feststellen.

                                         Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                            Universität Bremen
Glücksspielrisiko
                              Bühringer et al. (2007)
Glücksspielgruppen bzw.      Risiko für pathologisches       Risiko für problematisches
ausgewählte Glücksspiele      Spielverhalten (n = 14)          Spielverhalten (n = 21)
          Lotto                             0,1%                       0,1%

   Sportwetten (offline)                    1,9%                       3,9%

 Sportwetten (im Internet)                  2,0%                       1,3%

      Kleines Spiel                         6,7%                       4,9%

      Großes Spiel                          1,4%                       1,8%

  Internetkartenspiele                      7,0%                       11,5%

   Geldspielautomaten                       5,1%                       3,6%

                                 Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                    Universität Bremen
Monitoring zum Glücksspielverhalten
                                     BZgA (2008)

                    - Computer-Assisted Telephone Interviewing (RR = 63,3%)
Methode
                    - Datenerhebung in 2007
                    - n = 10,001 zufällig ausgewählte Personen (16-65 Jahre)
Stichprobe          - Grundgesamtheit: deutschsprachige WB in Haushalten mit
                      Festnetzanschluss
                    - 4,2% haben in den letzten 12 Monaten um Geld gepokert
                          7,2% der Männer, 1,2% der Frauen
Spielerfahrung            3,8% privat, 0,6% im Internet, 0,5% in der Spielbank
                          9,3% der Minderjährigen
                          27,6% der Männer im Alter von 18-20 Jahren (höchster Wert)
                    - Anteil mit Pokererfahrung
                          Unauffällige Spieler: 7,0%
Glücksspielrisiko
                          Auffällige Spieler: 12,4%
                          Problemspieler: 25,7%

                                  Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                     Universität Bremen
Ausgewählte Forschungsbefunde

- Wood et al. (2007) konnten zeigen, dass 18% der befragten Online-Poker-
  Spieler (422 Studenten) als Problemspieler gelten. Zu den Prädiktoren
  problematischen Spielverhaltens zählen negative Gefühlszustände nach dem
  Spiel, das Angeben einer falschen Geschlechtsidentität während des Spiels
  sowie die Flucht vor Problemen als Motiv der Spielteilnahme.
- Nach Tryggvesson (2007) fällt der Anteil von Personen mit
  glücksspielbezogenen Problemen in der Gruppe der Internetpokerspieler
  deutlich (26,8%) bzw. in der Gruppe der Internetglücksspieler (8,1%) noch
  immer merklich höher aus als in der Gruppe der „klassischen“ Glücksspieler
  (2,1%).
- Erste experimentelle Studien zum Einfluss von Fähigkeiten/Fertigkeiten auf
  den Spielausgang beim Pokern sind inkonsistent: Während Dedonno und
  Detterman (2008) Lernfaktoren als spielentscheidend ansehen, gehen
  Sévigny et al. (2007) davon aus, dass der Faktor Zufall das Spielergebnis
  maßgeblich bestimmt.

                              Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                 Universität Bremen
Befunde aus Großbritannien
Kontakte einer Spieler-Hotline/Online-Beratung in 2007
                 GamCare (2008)

                 Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                    Universität Bremen
Glücksspiel(sucht) vs. Poker(sucht) – Unterschiede?!

         Variable                Glücksspiel(sucht)                     Poker(sucht)
                                                                männliche junge Erwachsene/
   Soziodemographie            männlich, mittleres Alter
                                                                eher höheres Bildungsniveau
                                Flucht vor Problemen/
   Primärer Spielanreiz                                                 Geldgewinne
                                 Emotionsregulation
                                                                 Zeitverlust/soziale Isolation/
   Hauptfolgeschaden          Geldverlust/Verschuldung             Problemspieler können
                                                                    finanziell im Plus sein
                              Negative Gewinnerwartung/            Wettbewerbscharakter
      Spielstruktur
                               Spiel gegen den Anbieter            Spiel gegen Mitspieler
                                                                    Sport, Lifestyle, „vom
                                  Unterhaltung mit
Gesellschaftliche Attribute                                     Tellerwäscher zum Millionär“
                                  gewissen Risiken
                                                                 Lebenskompetenzerwerb
            ...                             ...                               ...

                                    Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                       Universität Bremen
... Interpretation der Befunde ...

          Dipl.-Psych. Tobias Hayer
             Universität Bremen
Zum Abschluss sieben Hypothesen

9 Poker ist ein Glücksspiel mit Geschicklichkeitsanteil und Suchtpotential. Der
  Einfluss bestimmter Skills macht sich (erst) auf lange Sicht bemerkbar!
9 Vermarktungsstrategien verschleiern gezielt den Glücksspielcharakter des
  Pokerspiels und machen suchtpräventive Aktivitäten entsprechend schwierig!
9 Die Einstufung von Poker als Skill-Game würde eine Öffnung der Märkte nach
  sich ziehen, verbunden mit einer weiteren Zunahme der Spielanreize!
9 Das Gefährdungspotential von Poker im Internet erscheint (besonders) hoch!
9 Zukünftig ist mit einer größeren Anzahl an Pokerspielern im Suchthilfesystem zu
  rechnen. Zudem unterscheidet sich dieses Klientel in einigen Merkmalen von
  den typischen Glücksspielsüchtigen!
9 Pokern im Freundeskreis oder um Sachpreise kann vor allem für Jugendliche
  einen Türöffner für weitere Glücksspielteilnahmen darstellen!
9 Es bedarf weiterer Forschung zu den Auswirkungen des Pokerbooms
  (typische Konsummustern, Suchtgefahren,Skill-Anteil verschiedener
  Spielvarianten, Manipulationsmöglichkeiten, ...)

                                 Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                                    Universität Bremen
Vielen Dank für Ihre Teilnahme!

             Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                Universität Bremen
Institut für Psychologie und Kognitionsforschung
                     Grazerstr. 4
                   28359 Bremen
                Tel. 0421 218-4333
           E-Mail: tobha@uni-bremen.de
             Web: http://www.tobha.de

                Dipl.-Psych. Tobias Hayer
                   Universität Bremen
Sie können auch lesen