DIE FOLGESCHÄDEN DES KLIMAWANDELS IN ÖSTERREICH 2015 - DIMENSIONEN UNSERER ZUKUNFT IN ZEHN BILDERN FÜR ÖSTERREICH
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sonderheft 2015 Die Folgeschäden des Klimawandels in Österreich Dimensionen unserer Zukunft in zehn Bildern für Österreich w w w.klimafonds.gv.at
Inhalt 07 Einleitung 11 Gesundheit 15 Überforderte Abflusssysteme 19 Energieversorgung 23 Verkehr 27 Handel 31 Landwirtschaft 35 Forstwirtschaft 39 Tourismus 43 Katastrophenmanagement 47 Versicherung 50 Literaturverzeichnis 52 Impressum 1
Vorwort Welche Schäden bringt der In intensiver Zusammenarbeit haben ForscherInnen Klimawandel mit sich? unterschiedlichster Disziplinen diese Fragen bearbei- tet. Wenn man WissenschafterInnen fragt, kann man Auch wenn diese Frage nicht einfach zu beantworten sich zunächst keine einfachen Antworten erwarten: ist, so muss sich eine verantwortungsvolle Klimapoli- „Wenn, dann … ist dieses wahrscheinlicher als jenes.“ tik dieser Herausforderung stellen. Sie muss auch die Zugegeben, das Thema ist komplex, aber darunter Frage stellen, an welche unumkehrbaren Klimaände- können sich Betroffene wohl schwer etwas vorstellen. rungen wir uns anpassen müssen – als BürgerInnen, Daher wagen sich die ForscherInnen in dieser Bro- als Wirtschaftstreibende, Bauern und Bäuerinnen, schüre auf ein ungewohntes Terrain und skizzieren auf BeamtInnen und als PolitikerInnen. Und für welche Basis ihres Wissens zukünftige Situationen Betroffener Schäden und Risiken ist der Klimaschutz die beste – meist in zwei möglichen, unterschiedlichen Szenari- und billigste, ja in vielen Fällen die einzig verfügbare en. Damit soll die Zukunft greifbarer werden. Zudem Versicherung? wird mit solchen Bildern deutlich, wo beobachtendes Abwarten am klügsten ist, wo Nichthandeln zum nachteiligen Versäumnis wird und wo selbst diese Einschätzung unklar bleiben muss. 2 3
Die Inhalte dieser Broschüre basieren auf: K. Steininger, M. König, B. Bednar-Friedl, L. Kranzl, W. Loibl, F. Prettenthaler (eds.); Economic Evaluation of Climate Change Impacts: Development of a Cross-Sectoral Framework and Results for Austria, Springer, 2015. Team P. Watkissa; The Cost of Climate Change in Europe, Chapter 2 in Steininger et al. 2015. (a Oxford University) H. Formayera, I. Nadeema, I. Andersb; Climate Change Scenario: from Climate Model Ensemble to local indicators, Chapter 5 in Steininger et al. 2015. (a Institute of Meteorology, BOKU, Vienna. | b Climate Research Section, Division Data|Methods|Modelling, ZAMG) H. Mittera, M. Schönharta, I. Meyerb, K. Mechtlerc, E. Schmida, F. Sinabellb, G. Bachnerd, B. Bednar-Friedld; Agriculture, Chapter 8 in Steininger et al. 2015. (a Universität für Bodenkultur, Wien | b Österreichisches Institut für Wirtschafsforschung | c Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit | d Karl-Franzens Universität Graz | e Umweltbundesamt) Koordination M. J. Lexera, R. Jandlb, S. Naberneggc, B. Bednar-Friedlc; Forestry, Chapter 9 in Steininger et al. 2015. Karl W. Steininger (a Universität für Bodenkultur, Wien | b Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) | c Karl-Franzens Universität Graz) Universität Graz K.P Zulka , M. Götzl ; a a Ecosystem Services: Pest Control and Pollination, Chapter 10 in Steininger et al. 2015. (a Umweltbundesamt) Autorenteam W. Haasa, U. Weisza, P. Maiera, F. Scholza; Human Health, Chapter 11 in Steininger et al. 2015. (a Alpen-Adria Universität Klagenfurt) Willi Haas R. Neunteufel , R. Perfler , D. Schwarz , G. Bachner ,B. Bednar-Friedl ; a a a b b Alpen-Adria-Universität Klagenfurt-Wien-Graz Water Supply and Sanitation, Chapter 12 in Steininger et al. 2015. (a Universität für Bodenkultur, Wien | b Karl-Franzens Universität Graz) Martin König Umweltbundesamt, Wien L. Kranzla, G. Totschniga, A. Müllera, G. Bachnerb, B. Bednar-Friedlb; Electricity, Chapter 13 in Steininger et al. 2015. Michael Pech Climate Change Centre Austria, Graz L. Kranzla, M. Hummela, W. Loibla, A. Müllera, I. Schickera, A. Toleikytea, G. Bachnerb, B. Bednar-Friedlb; Buildings: Heating and Cooling, Chapter 14 in Steininger et al. 2015. Franz Prettenthaler (a Technische Universität Wien | b Karl-Franzens Universität Graz) Joanneum Research, Graz B. Bednar-Friedla, B. Wolkingera, M. Königb, G. Bachnera, H. Formayerc, I. Offenthalerb, M. Leitnerb; Andrea Prutsch Transport and Mobility, Chapter 15 in Steininger et al. 2015. Umweltbundesamt, Wien (a Karl-Franzens Universität Graz | b Umweltbundesamt | c Universität für Bodenkultur, Wien) Karl W. Steininger H. Urbana, K. Steiningera; Universität Graz Manufacturing and Trade Services, Chapter 16 in Steininger et al.2015 (a Karl-Franzens Universität Graz) Matthias Themessl Climate Change Centre Austria, Graz F. Prettenthalera, D. Kortschakb, S. Hochrainer-Stiglerb, R. Mechlerb,c, H. Urband, K. W.Steiningerd; Catastrophy Management, Chapter 18 in Steininger et al. 2015. Gernot Wagner (a Joanneum Research | b IIASA International Institute for Applied Systems Analysis | c Wirtschaftsuniversität Wien | Environmental Defense Fund, Cambridge, MA, USA d Karl-Franzens Universität Graz) Angelika Wolf J. Köberla, F. Prettenthalera, S. Naberneggb, Th. Schinkob, Climate Change Centre Austria, Graz Tourism, Chapter 19 in Steininger et al. (ed.), Economic Evaluation of Climate Change Impacts: Development of a Cross-Sectoral Framework and Results for Austria, Springer (2015). (a Joanneum Research | b Karl-Franzens Universität Graz) 4 5
Einleitung Schäden durch Wetter, Witterung und Klimawandel Abb. 1 Wetterextreme nehmen zu. Hitze, Dürre, Hochwasser, Hagel, Sturm – global wieder ein amtliches Schadensregister für alle wetter- warming entwickelt sich immer mehr zum global bedingten Schadensereignisse fordern. Schäden in den weirding (engl. für Durcheinander). Die Extreme Bereichen Land- und Forstwirtschaft oder Gesundheit, nehmen zu und die damit verbundenen Schäden sind an Energie-, Wasser- und Verkehrsinfrastrukturen, schon heute beträchtlich. Sowohl der Klimawandel als Industrieanlagen, Gebäuden, etc. müssten einheitlich auch der sozioökonomische Strukturwandel erzwin- und systematisch erfasst werden, damit künftig eine gen schon jetzt eine Anpassung an den Wandel. Nur solide Datengrundlage zur Verfügung steht. Abb. 2 so können hohe Schäden künftig gemildert werden. Sie wusste, dass die indirekten Folgeeffekte dieser 1200 Die Leiterin der Abteilung Risikoanalyse beugte sich Schäden oft noch weitaus größer waren als die reinen 3670 Millionen EUR Gesamtschaden. Anteil des Augusthochwassers 2002: über Tabellen und Diagramme. Seit über 30 Jahren Reparatur- und Instandsetzungskosten, die in den Ta- 3545 Millionen EUR. 1000 hatte sie mit Schadenszahlen zu tun, aber die Aus- bellen und Grafiken aufgelistet waren. Und wenn sie geschätzte nicht versicherte Schäden (in Mio. EUR) wertung der Zahlen für das letzte Jahrzehnt hatte in der Abteilung jetzt über die nötige Umsetzung von geschätzte versicherte Schäden (in Mio. EUR) alle KollegInnen in der Abteilung geschockt: Die Anpassungsmaßnahmen und Investitionen sprachen, 800 jährlichen Kosten wetterbedingter Extremereignisse ging es längst nicht nur um Schäden, die konkret in Österreich waren von jährlich durchschnittlich 97 durch bestimmte Schadensereignisse fassbar und in 600 Millionen EUR in den 80er-Jahren über 127 Millio- EUR-Zahlen darstellbar waren. nen EUR in den 90er-Jahren auf jetzt 706 Millionen 400 EUR in den Jahren 2001–2010 gestiegen. Die Zahlen Laut neuer Studien waren Wetterschwankungen und waren inflationsbereinigt, d. h. die Preissteigerung war -anomalien (also plötzliche Kälte- oder Schlecht- 200 nicht die Ursache für den Anstieg. wettereinbrüche) für Kosten bis zu zehn Milliarden EUR pro Jahr in Österreich verantwortlich. Derartige Diese hohen Schadenssummen sind durch große Ereignisse hatte es aber schon immer gegeben: Unge- 0 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Ereignisse entstanden – kleine und mittlere Ereignisse wöhnlich trockene Sommer, Spätfröste, eine verregne- fehlten in den Zahlen weitgehend. Welche Schadens- te Sommersaison oder schneearme Winter waren nicht Abb. 2 ausmaße haben wohl diese Ereignisse verursacht? unbedingt eine Folge des Klimawandels. Entscheidend Schadensentwicklung in Österreich Welchen Multiplikationsfaktor würden vollständige war aber die wissenschaftlich fundierte Sorge, dass Schadenszahlen ergeben? Keiner wusste es. Sie würde diese Schwankungen künftig noch zunehmen würden. 6 7
Einleitung Daneben entstanden in den letzten drei Jahrzehnten der hohen Wahrscheinlichkeit von mehr Wetter- und Klimaschutzes getroffen würden. Letztere würden strächtigen Ereignisse künftig stattfinden würden. auch immer wieder Kosten durch globale Ereignisse Witterungsextremen und einem stetigen Anstieg der allerdings erst langfristig Wirkung zeitigen. Bei einigen – Hitzewellen etwa – wussten sie bereits und Entwicklungen, die etwa zu starken Preisschwan- Werteexposition Anlass zur Sorge. genug, um zu handeln bzw. um vor allem die großen kungen und somit indirekten Kosten in Österreich Die ForscherInnen sprachen von einem jetzt schon Städte auf ihren Handlungsbedarf aufmerksam zu führten: Die Dürren in Nord- und Südamerika, Und was sie und ihre KollegInnen besonders nervös starken und weiter zunehmenden Anpassungsdefizit. machen. Hier befasste man sich bereits ernsthaft mit Afrika, Osteuropa und Australien sowie die hohe machte, war die Frage, welche Schäden der Klima- Die Herausforderungen würden immer größer wer- den Folgen häufigerer Hitzesommer und begann mit Nachfrage aus China und anderen stark wachsen- wandel Österreich noch zusätzlich zufügen würde. den. Auch international war unisono der Ruf nach der Erstellung entsprechender Maßnahmenpläne. den Volkswirtschaften – wo die Rohstoffnachfrage Obwohl die WissenschaftlerInnen nur einen Teil der einem möglichst frühen Start von Anpassungsprozes- bisweilen durch witterungsbedingte Einbrüche bei den Klimafolgen modellieren und abschätzen konnten, sen zu hören. Frühes Intervenieren, so hieß es beim Einen ersten Rahmen für Anpassungsmaßnahmen gab eigenen Ernten stark anwuchs – hatten mittlerweile waren sie zu dem Schluss gelangt, dass sowohl der Weltklimarat IPCC und im so genannten Stern-Report es ja bereits, seit im Herbst 2012 die österreichische durch den globalen Markt für landwirtschaftliche Klimawandel als auch der fortschreitende sozioökono- der britischen Regierung, könne die Kosten des Klima- Strategie zur Anpassung an den Klimawandel be- Rohstoffe die Preise stark ansteigen lassen. Die Tatsa- mische Strukturwandel dem Land zusätzliche Kosten wandels eindämmen. schlossen worden war. che, dass immer mehr landwirtschaftliche Rohstoffe aufbürden würde. Es war demnach auch klar, dass der Die vorliegenden Schadenszahlen und die von den zur Energiequelle der Industrieländer wurden und horrende Anstieg der Schadenszahlen über die letzten ForscherInnen dargestellten künftigen Auswirkungen außerdem noch zur heißen Spekulationsware an der 30 Jahre nur zu einem Teil auf den Klimawandel Wovon kann man ausgehen? des Klimawandels ließen jetzt keinen Zweifel mehr Chicagoer Börse mutierten, tat ihr übriges. Der FAO- zurückzuführen war. Was ist noch unsicher? zu: Sie mussten den Handlungsrahmen der österrei- Nahrungsmittel-preisindex las sich zumindest in den chischen Klimawandelanpassungsstrategie rasch mit letzten zehn Jahren eher wie eine Fieberkurve. Ein gutes Stück war dadurch verursacht, dass immer Die Leiterin der Abteilung Risikoanalyse schaute sich Leben füllen. Aber wo sollten sie starten? Die Scha- mehr und immer größere Werte den zunehmenden die Auswertungen der Einzelereignisse in Österreich denszahlen waren kaum zuzuordnen, d. h. man konn- Dass bereits seit Jahrzehnten die Zahl der Umwelt- Wetterkapriolen ausgesetzt wurden. Zusätzlich ent- an: Die teuersten Einzelereignisse waren die Hoch- te nicht genau sagen, wie sich die Schäden etwa auf und Klimaflüchtlinge stark zugenommen hat, hatte wickelten sich Bevölkerung und Landnutzung in eine wässer, dann folgten die großen Stürme. Die meisten Ernteverluste, Schäden an Gebäuden oder sonstiger ebenfalls Effekte auf Österreich.Wie stark würden die immer schadensträchtigere Richtung: Zum Beispiel Todesopfer hatte die Hitzewelle 2003 gefordert; im Infrastruktur aufteilten. Die Ergebnisse aus bisherigen Flüchtlingsströme zunehmen, wenn weite Landstriche gab es immer mehr teuer bebaute Flächen und zum kleineren Maßstab waren vor allem Hangrutschun- Forschungsprojekten ließen sich kaum in klare Hand- in subtropischen Breiten unbewohnbar würden? Eine Teil schlecht angepasste forst- und landwirtschaftliche gen, Muren, Felsstürze und Lawinen sehr schadens- lungsanweisungen für die Politik übersetzen. weitere Unsicherheit, die sich derzeit noch nicht in Nutzungen; außerdem dicht bebaute Stadtviertel, die trächtig – in EUR und auch in Menschenleben. den Szenarien zur Kostenabschätzung des Klimawan- bei künftigen Hitzewellen besonders leiden würden. Massenbewegungen unterbrachen auch oft lange Es war an der Zeit, dass jedes einzelne Aktivitätsfeld dels widerspiegelte. Dazu die globale Verflechtung: Import/Exportbe- den Bahn- und Straßenverkehr. Die Nassschneefälle der österreichischen Anpassungsstrategie noch einmal ziehungen mit Ländern, die oft noch anfälliger für Anfang Februar 2014 hatten gezeigt, dass auch die genau unter die Lupe genommen wird. Sie mussten ein Folgen des Klimawandels sind als Österreich, wür- Energieinfrastrukturen anfällig waren – längere und Gefühl dafür bekommen, wie sich anteilig der Klima- Die Schadensbilanz – oder: das Anpassungsde- den künftig verstärkt auf die heimische Wirtschaft großräumige Stromausfälle können zudem extrem wandel auswirkte. Ansätze für eine Vergleichbarkeit fizit ist heute schon signifikant durchschlagen. Das Resultat: Österreich würde nicht teuer werden. mussten her, die auch gewisse Prioritätensetzungen nur stärker betroffen sein durch mehr und intensi- ermöglichten. Die Lehre aus den vorliegenden Schadenszahlen: Ös- vere meteorologische Schadensereignisse, es würde Aber wie sollten sie mit den Unsicherheiten umgehen Im Folgenden wird in zehn Bildern auf die Ergebnisse terreich war und ist auf das derzeitige Klima und die diesen Ereignissen gegenüber auch immer empfind- – gerade in Bezug auf das Auftreten von Extremereig- genau dieser Untersuchung zurückgegriffen. rasche Abfolge von extremen Jahren noch gar nicht licher, wenn keine Gegenmaßnahmen im Sinne der nissen? Um sich optimal anpassen zu können, müssten eingestellt. Daher gibt der Blick in die Zukunft mit Anpassung (kurz- und mittelfristig) und des globalen sie genau wissen, wie, wann und wo diese schaden- 8 9
Gesundheit Heißere Sommer bedeuten höhere Gesundheitsrisiken Abb. 1 Hitzestress kann vor allem bei älteren Menschen zu Herz-Kreislauf- versagen führen. Als sich die Wohnung im dicht bebauten Stadtzent- Physiologisch bedeuten ungewohnt hohe Tempera- rum im Sommer des Jahres 2003 wieder über 40 °C turen einen besonderen Hitzestress, der vor allem erwärmte, wusste Josefine S., dass dies ein weiterer bei älteren Personen zu Atemwegserkrankungen und anstrengender Hitzetag wird. Die Temperaturen dieses Herz-Kreislaufversagen bis hin zum Tod führen kann. Sommers lagen im Mittel 3-5 °C über den Werten Im Sommer 2003 waren etwa 5% der österreichischen vergangener Sommer. Entsprechend der bis ins 18. Bevölkerung, also 400.000 Menschen über 65, in den Anzahl der Hitzetage Jahrhundert zurückreichenden Aufzeichnungen zweier urbanen Zentren besonders betroffen. Während der Heute 2030 ‹5 Messstellen, Kremsmünster und Wien, brach dieser beiden Hitzewellen im Jahr 2003 starben 350 ältere 5.1 - 10 überaus warme Sommer den bisherigen Hitzerekord Personen. Diese gehören zu den 12,6% zusätzlicher 10.1 - 15 von 1811. Todesfälle, die sich aufgrund statistischer Analysen 15.1 - 20 der Hitzewelle zurechnen lassen. 20.1 - 25 25.1 - 30 Der heißeste Tag dieses Sommers war der 13. August. 30.1 - 35 Dieser war in der Mitte der zweiten der beiden unmit- Mehr Hitzetage durch Klimawandel 35.1 - 40 telbar aufeinanderfolgenden Hitzewellen. 40.1 - 50 Unter einer Hitzewelle ist eine Serie von zusammen- Klimamodelle, die aufgrund von Beobachtungen der › 50 2050 2085 hängenden, besonders belastenden Hitzetagen zu Vergangenheit Entwicklungen in die Zukunft fort- verstehen, an denen die an Messstellen gemessenen schreiben, lassen eine kräftige Zunahme der Hitzetage Tageshöchstwerte über 30 °C liegen und die Nacht- erwarten. Doch aufgrund des Klimawandels muss temperaturen nicht unter 25 °C sinken. Wohnungen, kritisch hinterfragt werden, ob sich die ursprünglich die im dicht verbauten Wohngebiet ohne kühlenden angenommenen Wahrscheinlichkeiten der Wiederkehr Grünraum, guter Belüftungsmöglichkeit und Beschat- aufrecht erhalten lassen. tung in sogenannten städtischen Wärmeinseln liegen, Die Hitzewelle 2003 war ein 200-jähriger Extremfall. Abb. 2 können allerdings über den gesamten Tagesverlauf In der Wissenschaft gilt es allerdings als eher unwahr- Hitzetage-Szenario für Österreich. im Vergleich zu den Messstellen etwa 3-4 °C höhere scheinlich, dass wieder 200 Jahre bis zu einer Wieder- Temperaturen aufweisen. holung vergehen werden. 10 11
Gesundheit Barriopedro und seine ForscherInnen-Gruppe argu- angestiegen. Während diese Gruppe 2011 noch 1,5 urbanen Zentren, in denen Hitzewellen zu besonders Mögliche Auswirkungen und gangbare Auswege mentieren beispielsweise aufgrund von Modellexperi- Millionen Menschen waren, sind dies 2050 bereits 2,6 hohem Hitzestress führen. Zusätzlich haben Jahre menten, dass die Wahrscheinlichkeit von sogenannten Millionen. Das Gesundheitsrisiko für einen einzelnen nur schwachen Wirtschaftswachstums die finanzielle Hitzetage werden jedenfalls deutlich zunehmen. Die „Mega-Hitzewellen“ in den nächsten 40 Jahren um Menschen an einem einzelnen Hitzetag zu sterben, hat Situation vieler älterer Menschen angespannt. Die Zunahme führt bereits bei einer Trendfortschreibung den Faktor 5-10 steigen wird. sich geringfügig reduziert, da die Zahl der klimatisier- Wohnqualität ist leicht gesunken, Hitzetage sind für zu hohen Opferzahlen. Je stärker sich die extremen ten Räume bei diesen älteren Menschen um etwa 10% eine breitere Gruppe dadurch gesundheitlich noch Hitzetage entwickeln, umso wahrscheinlicher sind Vorhersagen über die Zukunft sind immer unsicher. höher liegt als noch zu Beginn des Jahrhunderts. belastender. Gleichzeitig hat sich auch aufgrund ange- neue (auch unerwartete) Auswirkungen und Phäno- Das bedeutet aber nicht, dass wir nichts wissen. Wir spannter staatlicher Haushaltsbudgets durch schwa- mene. Dies ist vor allem die Ausweitung von älteren können zwischen robusteren und eher unsicheren Vor- Vor allem durch den Anstieg der Hitzetage und der ches Wirtschaftswachstum und der größeren Zahl der Personen auf bis dato noch wenig betroffene vulnera- hersagen unterscheiden. So scheinen demografische wachsenden Zahl älterer Personen, aber auch unter älteren Personen die medizinische Versorgung für den ble Gruppen. Damit ist zusätzlich zu Todesfällen mit Entwicklung, Urbanisierung und Entwicklung der der Annahme fehlender abgestimmter staatlicher Einzelnen verschlechtert. einem verstärkten Auftreten von hitzebedingten Er- Durchschnittstemperaturen für WissenschaftlerInnen Anpassungsmaßnahmen, sterben in dieser Zukunfts- krankungen zu rechnen, die Kosten für medizinische vertrauenswürdig und sind weitgehend unumstritten. vorstellung in einem durchschnittlichen Jahr um 2050 Während in einem durchschnittlichen Sommer vor Versorgung und Arbeitsausfälle nach sich ziehen. Dies Andere Aspekte wie die Wahrscheinlichkeit von „Me- etwa 1.000 ältere Menschen. Diese Abschätzung er- allem ältere Personen betroffen sind, steigt angesichts betrifft das Gesundheitssystem und die dieses finan- ga-Hitzewellen“ sind hingegen unsicherer. Ein Weg folgt unter der Annahme, dass Grünräume in Städten der neuen Temperaturrekorde eines besonders heißen zierenden Stellen wie Versicherungen, die Länder und mit diesen Unsicherheiten umzugehen ist, mögliche unter erhöhtem Aufwand gepflegt werden müssen, um Jahres das Risiko auch für andere vulnerable Grup- den Bund sowie die Wirtschaft bzw. Unternehmen. Entwicklungen für verschiedene Szenarien abzuschät- eine ähnlich temperaturabschwächende Wirkung wie pen deutlich an. Hitzestress ist auch für Kleinkinder, zen. Entsprechend beschreiben wir zum Explorieren in der Vergangenheit zu erzielen. chronisch Kranke oder Personen nach einem Kranken- Die Frage ist nun, ob die Hitzetage eines Sommers im künftiger heißer Sommer das Jahr 2050 in zwei Vari- hausaufenthalt eine gefährliche Zusatzbelastung. Jahr 2050 für ältere Menschen wie Josefine S. noch anten: Einmal als Ergebnis einer Trendfortschreibung belastender werden. Dies hängt neben Veränderungen und einmal als Ergebnis extremerer, aber durchaus Die große Hitze – oder wie ein Jahr um 2050 Dadurch sind die Todeszahlen gestiegen. Es werden des Klimas und der sozioökonomischen Situation da- möglicher Entwicklungen. auch aussehen könnte etwa 6.000 Todesfälle von älteren Personen sowie von ab, ob gezielte Anpassungsmaßnahmen getroffen chronisch Kranken verzeichnet. Aber es geht nicht werden. Beispielsweise, ob für vulnerable Gruppen in Was Österreich an Hitzewellen rund um 2050 erlebt, nur um Todesfälle. Der gestiegene Hitzestress macht besonders anfälligen Wohn- oder Arbeitssituationen Ein durchschnittlicher Sommer im Jahr 2050 haben WissenschafterInnen erst für 2070 vorherge- das Leben für alle anstrengender. SchülerInnen und Vorkehrungen getroffen werden. Adäquate Maßnah- sagt. In einem besonders heißen Jahr sind sowohl LehrerInnen verlangen nach Hitzeferien, weil die men dafür sind die Entschärfung von Wärmeinseln Wir schreiben das Jahr 2050: Eine ältere Dame erhält auftretende Höchsttemperaturen als auch das Ausmaß Konzentrationsfähigkeit bei Hitze stark abnimmt. durch mehr Grünraum in dicht bebauten Gebieten, eine Hitzewarnung. In diesem Jahr werden derartige der Temperaturschwankungen extrem geworden. Die- Andere Berufsgruppen mit hohen Arbeitsplatztem- verbesserte Durchlüftung und Beschattung von leicht Warnungen ungefähr zwei- bis dreimal so oft wie se Schwankungen sind besonders belastend, weil sich peraturen schließen sich dieser Forderung an. Vorbe- überhitzenden Wohnräumen und eine zielgruppen- noch um 2010 gemeldet. So muss in Wien in einem weder der Körper so rasch umstellen kann noch der lastete Personen aller Altersgruppen mit schlechtem nahe Information vor dem Auftreten von Hitzewellen. durchschnittlichen Jahr mit 22 Hitzetagen gerech- Mensch einfach sein gewohntes Verhalten so schnell Gesundheitszustand leiden besonders. Die Lebensqua- Das Risiko, durch Hitze zu erkranken oder zu sterben, net werden; 2003-11 waren es noch zehn. Auch im ändert. lität aller ist bei anhaltender Hitze deutlich gesenkt. ist also in den nächsten Jahren durch vorkehrende Tiroler Oberland sind bereits zehn Hitzetage pro Jahr Zudem kämpfen sowohl der Rettungsdienst als auch Anpassung durchaus gestaltbar – und entschiedener zu verzeichnen; 2003-11 waren es noch drei. Die Zahl Die Gruppe der 65-jährigen und älteren Menschen die Spitäler an Hitzetagen mit extremen Spitzenbe- Klimaschutz könnte das Risiko großer Hitzewellen der besonders gefährdeten Menschen, der Personen im ist auf fast drei Millionen angestiegen. Immer mehr lastungen. Die Versorgungsqualität kann dabei nicht deutlich verringern. Alter von 65 Jahren oder älter, ist mittlerweile stark dieser besonders gefährdeten Menschen leben in durchgehend gewährleistet werden. 12 13
Überforderte Abflusssysteme Überforderte Abflusssysteme Steigende Überflutungsrisiken in urbanen Räumen Abb. 1 Überflutete Industrieanlage. Der 17. Juli 2010 bescherte Innsbruck ein heftiges Un- Abb. 2 wetter. Innerhalb von 30 Minuten fielen mit kleinräu- migen Unterschieden 1,4–3,4 cm Regen und Hagel. Überschwemmung der historischen Altstadt in Innsbruck, 2010. Diese 14–34 Liter pro Quadratmeter Niederschlag mussten über Oberflächenabflüsse und Kanäle aus der Stadt abfließen. Abgefallenes Laub sowie der Hagel verstopften allerdings Gullies und Einläufe. Die Folge war eine Überschwemmung der historischen Altstadt, in der sich das Wasser bis zu 60 cm Höhe aufstaute. Auch in östlichen Stadtteilen standen Straßen und Bürgersteige mit bis zu 40 cm unter Wasser. Die größ- ten Schäden wurden im Stadtzentrum verzeichnet, wo Wasser in Gebäude und Keller eintrat. Unter anderem war die Bibliothek des Tiroler Landesmuseums vom Wassereinbruch betroffen. Jasper-Tönnis et al. 2014, Klimatag Bereits in den letzten beiden Jahrzehnten führten Extremwetterereignisse zu Schäden an der Wasser- ver- und -entsorgung, die Folgeschäden an baulichen Einrichtungen verursachten. Hier zwei Beispiele: Das für Innsbruck beschriebene Ereignis im Juli 2010 verursachte im gesamten Bundesland Tirol sowie der 14 15
Überforderte Abflusssysteme Steiermark insgesamt 310 Millionen Euro Schaden. Extremereignisse, wie sie sich um 2050 durch die Überflutung die für das Funktionieren erfor- Derartige, meist lokale Ereignisse könnten sich in Im Mai des gleichen Jahres hatten heftige Regengüsse ereignen könnten derliche Biomasse aus den Klärbecken ausgewaschen unregelmäßigen Abständen mit unterschiedlicher in Wien mit 5,6 cm Niederschlag in der Stunde schwe- wurde. Bis zur neuerlichen Inbetriebnahme können Intensität ereignen. Das Auftreten aller drei Ereignisse re Schäden an Gebäuden, Straßen und Brücken im Ereignis 1 mehrere Wochen vergehen. Zwischenzeitlich muss das innerhalb ein und desselben Jahres rund um 2050 ist Ausmaß von 810 Millionen Euro angerichtet. Dies ist Die Familie Karl in der Südsteiermark erhält wie alle Abwasser ohne Klärung in den Innzubringer einge- jedenfalls nicht auszuschließen. aus den Aufzeichnungen der Münchner Rückversiche- Einwohner einen Aufruf der Bezirkshauptmannschaft: leitet werden. Die BewohnerInnen werden ersucht, rung zu entnehmen. Im Schnitt mussten in den letzten sparsamer Umgang mit Wasser, um den Wasserver- den Wasserverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren beiden Jahrzehnten Schäden von 16 Millionen Euro brauch gering zu halten (keine Gartenbewässerung und auf die Verwendung von Wasch- und Spülmitteln Mögliche Auswirkungen und gangbare Auswege pro Jahr alleine an der Wasserver- und -entsorgung und Autowäsche, sparsamer Gebrauch der WC-Spül- weitgehend zu verzichten. ohne Berücksichtigung von Folgeschäden in Kauf taste, kurzes Duschen, Vermeiden von Vollbädern). Auch ohne Klimawandel sind bis Mitte des Jahrhun- genommen werden. Wie letztes Jahr hat es diesen Sommer bereits über Ereignis 3 derts beträchtliche Investitionen für die Wasserver- zwei Monate nicht mehr geregnet. Die Wasserversor- Heute Morgen herrschte Chaos in der Schule der und -entsorgung erforderlich. Durch den Klimawandel Oft unerwartet heftige Regenereignisse und darauf gung stößt an ihre Grenzen. Neben der Wasserknapp- oberösterreichischen Kleinstadt. Zwei Drittel der werden sich diese um zumindest 10% erhöhen (auf- folgende Überflutungen überfordern das Kanalsystem heit sind auch die steigenden Nitratwerte ein Problem. SchülerInnen und ein Großteil der LehrerInnen summiert bis 2050 sind dies zumindest 170 Millionen vor allem in urbanen Räumen und führen wiederum Da die Grundwasserspiegel sinken und die natürlichen mussten bereits vor dem Tritt auf den Gehsteig ihren EUR). Die tatsächlichen Kosten dürften jedoch höher zu Schäden an Gebäuden bzw. lagernden Waren wie Wasservorräte stark abnehmen, verschlechtert sich bei gewohnten Schulweg abbrechen. Heftiger Regen der liegen, da nur ein Teil der möglichen Folgeschäden z. B. Archivbeständen. Überflutungen gefährden aber gleichbleibenden Nitrateinträgen und aufgrund der ge- vergangenen Nacht hatte Straßen und Gehsteige im des Klimawandels von den Expertinnen und Experten auch die Wasserqualität, beispielsweise durch Ölaus- ringeren Verdünnung die Wasserqualität. Daher wird Stadtzentrum bis zu 60 cm unter Wasser gesetzt – und quantifiziert werden konnte. tritte von aus der Verankerung gerissenen Heizöltanks die Wasserversorgung per Tankwagen erwogen. das im April. Während SchülerInnen eher erfreut re- oder durch die Ausspülung von Altlasten. agierten, bedeutete das Ereignis erhöhten Stress für die Um den möglichen Auswirkungen zu begegnen, wird Ereignis 2 LehrerInnen, die ihrer Aufsichtspflicht in verringerter eine systematischere Abschätzung der lokalen Scha- Starke Regenfälle im Innviertel haben Wasserlei- Zahl in zusammengefassten Klassen nachkommen densrisiken erforderlich sein. Die notwendigen Verbes- Klimawandel strapaziert verstärkt die tungen beschädigt und die Kläranlage überflutet. mussten. An Unterricht war nicht zu denken. Für den serungsmaßnahmen bei der Ver- und Entsorgung Wasserver- und -entsorgung Oberflächenwasser wurde durch aus der Veranke- örtlichen Bauhof und die freiwillige Feuerwehr musste werden jedoch sowohl Wasser- wie auch Abwasserge- rung gerissenen Heizöltanks und durch weggespülte in Windeseile ein Krisenstab und ein Notfallplan bühren verteuern. Gleichzeitig können aber mögliche Veränderungen des Klimas, wie sie von Klimamodel- undichte Chemikaliengebinde verschmutzt. Derartiges ausgearbeitet werden. Zunächst musste ein Plan für Schäden und Einschränkungen bei Extremereignissen len vorhergesagt werden, führen zu einer Verlage- Oberflächenwasser unbekannter Wasserqualität tritt den Abfluss der Wassermassen aus den tiefer gelege- nur reduziert, nicht aber ausgeschlossen werden. Da- rung des Regenfalls vom Sommer in den Winter und in das Leitungssystem ein und vermischt sich mit dem nen Bereichen des Stadtzentrums erarbeitet werden. her wird eine laufende und schrittweise Verbesserung zu mehr trockenen Tagen bzw. länger anhaltenden überprüften Wasser des lokalen Wasserverbandes. In das Kanalsystem eingespülte Schlamm hatte sich von Frühwarnsystemen notwendig sein, wobei hier Trockenperioden im Sommer. Die Wasserversorgung Für die vom betroffenen Wasserverband versorgten in den Rohren abgesetzt und diese manchenorts ganz zutrifft, dass umso lokaler und kürzer die Ereignisse muss daher mit Wasserverknappungen rechnen. Auch BewohnerInnen bedeutet dies, dass die Trinkwas- verschlossen. Spezialgeräte aus benachbarten Städ- sind, desto geringer die Prognosesicherheit. Klima- das Wasserentsorgungssystem wird von der Aufnah- serqualität aus dem Wasserhahn nicht gewährleistet ten mussten recherchiert und angefordert werden. schutz, sprich eine Absenkung der Treibhausgasemis- me des Abwassers bis zur Einleitung in Gewässer werden kann. Die BewohnerInnen sind aufgerufen, Die Wiederherstellung eines vollfunktionsfähigen sionen, ist auch hier die beste Risikominimierung. verstärkt strapaziert. Kanäle und Kläranlagen müssen Mineralwasser aus dem Geschäft zu kaufen, bis Kanalsystems kann mehrere Monate dauern. Die Feu- vermehrt in kurzer Zeit stark erhöhte Abwassermen- Wasser in Tanks bereitgestellt wird. Zudem musste erwehr erstellte einen Plan zur schrittweisen Sicherung gen aufnehmen. die Kläranlage außer Betrieb genommen werden, da von Gebäuden und zum Auspumpen von Kellern. 16 17
Energieversorgung Klimabedingter Anstieg der sommerlichen Spitzenlasten und Extremereignisse strapazieren Abb. 1 Reperaturarbeiten an einem Gebäudekühlsystem. die Versorgungssicherheit des Stromnetzes Im Sommer 2006 musste der Sprecher der „Wien wird das Stromnetz in Österreich in Zukunft vor Energie“, Robert Grüneis, seinen Kunden erklären, große Herausforderungen gestellt – zumindest dann, warum es am frühen Abend des 24. Juli in drei Wie- wenn man sich auf die zu erwartende Temperaturstei- ner Bezirken zu einem Stromausfall von bis zu zwei gerung nicht entsprechend vorbereitet. Stunden gekommen war. Betroffen vom Blackout waren rund 500 Haushalte. Schuld an dem Ausfall Durch wärmere Winter sinkt der Energieverbrauch waren ein paar durch die Hitze geschmolzene Strom- laut COIN-Studie für den Zeitraum zwischen 2036 kabel. Dieser Vorfall zeigt, wie sensibel das Stromnetz und 2065 zwar um 5.800 Gigawattstunden pro Jahr, Abb. 2 und damit auch die Gewährleistung einer sicheren was in etwa dem derzeitigen jährlichen Tiroler Lan- Eisregen und Nassschneedeposition Stromversorgung sind. desverbrauch entspricht, jedoch werden zunehmende in Kärnten und Osttirol. Februar 2014 Hitzewellen im Sommer Energiespitzenlasten zum Der Stromausfall in Wien im Juli 2006 erfolgte wäh- Kühlen von Gebäuden hervorrufen (470 Gigawatt- rend einer Hitzewelle von 16 aufeinander folgenden stunden pro Jahr) und so die Stromversorgung vor Tropennächten, in denen die Temperatur nicht unter Probleme stellen. Schon jetzt sorgen Klimaanlagen für 20 °C gefallen war. Zusätzlich gab es in diesem Monat Spitzenlasten im heimischen Stromnetz. Während der in Wien 17 Tage mit Höchsttemperaturen über 30 °C. Hitzewelle im Juli 2013 stieg der Energieverbrauch Der Gehsteig hatte sich während dieser Zeit so stark dadurch allein in der Steiermark zum Beispiel um bis aufgeheizt, dass die darunterliegenden Stromkabel zu zu vier Prozent. Urs Harnik, Sprecher der Energie schmelzen begannen. 2010 wiederholte sich der Vor- Steiermark, bringt es auf den Punkt: „Wenn man es fall an einer anderen Stelle in Wien: Diesmal waren umlegen würde: 30.000 Haushalte brauchen gleich 4.200 Haushalte ohne Strom. viel Strom wie alle Klimaanlagen in der Steiermark, das ist also absolut ein starker Faktor.“ Erhöhte Spitzenlasten durch heißere Sommer Vermehrte Spitzenlasten können auch im gesamteu- ropäischen Kontext zu einem ernsten Problem für die Beispiele wie diese zeigen, dass die Stromversorgung Stromnetze werden, da der europäische Strommarkt immer öfter am sogenannten „seidenen Faden“ hängt. stark verflochten ist. Welche Auswirkungen diese Geht es nach den Prognosen der KlimaforscherInnen, Verflechtungen haben können, zeigt ein großräu- 18 19
Energieversorgung miger Stromausfall in Italien im September 2003. IT-Security, Rettung, Feuerwehr, Medizin und Medien Verfügbarkeit von Strom abhängig. Besonders kritisch milder Temperaturen stark geheizt, in den heißen Die Ausgangslage: Italien musste aufgrund der im Bundesministerium für Inneres, um gemeinsam bei langfristigen Stromausfällen über 72 Stunden ist Sommermonaten dann wiederum gekühlt werden. Niedrigstände der Wasserpegel in den italienischen Strategien zu erarbeiten. „Mit normalen Maßnah- der Betrieb von Krankenhäusern: Hier sind die Not- Verbunden damit ist natürlich auch ein finanzieller Flüssen nach wochenlanger Dürre viele thermische men im Krisenmanagement ist so eine Situation nicht stromaggregate auf rund drei Tage ausgelegt, danach Mehraufwand durch erhöhte Stromkosten. Da in Kraftwerke herunterfahren, da das Wasser hier zum zu bewältigen“, erklärte Harald Felgenhauer vom kann der Betrieb nur bei entsprechender Dieselzufuhr diesen Wohnungen meist Menschen leben, denen oh- Kühlen genutzt wird. Als Folge war Italien stark auf „Systemic Foresight Institute“, das mit internationa- weitergeführt werden. Selbige ist in vielen Fällen kri- nehin nur ein geringes Haushaltsbudget zur Verfügung Stromimporte aus Mittel- und Nordeuropa ange- len Organisationen im Bereich Zukunftsanalyse und tisch, da die gängigen Tank- und Zapfanlagen nur mit steht, stehen sie vor finanziellen Herausforderungen. wiesen. Die zum Teil durch die Schweiz führenden Risikomanagement zusammenarbeitet und Strategien elektrischen Pumpen zu betreiben sind. Höchstspannungsübertragungsleitungen (380 kV) für Notfälle entwickelt. waren oftmals überlastet. So auch am 28. September, Um die Versorgungsicherheit mit Strom aufrecht zu Zeit zu handeln als eine starke Gewitterfront mit zahlreichen Blitz- Tatsächlich werden die Folgen eines großflächigen erhalten, werden hohe Investitionskosten in das heimi- einschlägen über die Alpen zog und zu Kurzschlüssen Stromausfalls, der länger als einen Tag anhält, von sche Stromnetz nötig sein, um vor allem Spitzenlasten Möglichkeiten und Strategien, sich auf diese veränder- führte. Durch einen Kaskadeneffekt kam es zum vielen Menschen unterschätzt. Nach fünf bis acht abzudecken. Im Gegensatz zur Abnahme des Gesamt- ten Bedingungen einzustellen und somit die potenziel- schlimmsten Stromausfall in Italien seit 70 Jahren, als Stunden fällt die Kommunikation über das Festnetz- energieverbrauchs prognostizieren Wissenschaftler- len Risiken des Klimawandels für den Energie- und 56 Millionen ItalienerInnen für einige Stunden ohne telefon weg, das Mobilfunknetz fällt bereits nach 30 Innen, dass der Strombedarf in Österreich bis 2050 Stromsektor abzufedern, gibt es heute schon: Inves- Strom auskommen mussten. In vielen Landesteilen bis 120 Minuten aus. Computerbasierte Dienstleis- um ca. 50 Prozent steigen wird. Was die Stabilität der tition in flexible Kraftwerke, Stromlastmanagement dauerte der Stromausfall sogar mehrere Tage. Dieses tungen wie Bargeldbehebung fallen weitgehend aus. Stromversorgung und die Strompreise aber weitaus mit Hilfe neuer Technologien (z. B. Smart Meter), die Ereignis 2003 schwappte nicht auf Österreich über, Menschen bleiben in Aufzügen stecken oder sitzen in mehr beeinflussen könnte als der Jahresstromver- Absicherung besonders versorgungskritischer Einrich- jedoch wird das Eintreffen einer solchen Ereignisse- öffentlichen Verkehrsmitteln wie Zug, U-Bahn oder brauch, ist die zeitliche Verschiebung von Strompro- tungen mit netzunabhängigen Inselanlagen unter Ein- quenz durch die vermehrt zu erwartenden Dürre- und Straßenbahn fest. Ohne funktionierendes Verkehrsleit- duktion und -nachfrage: Unter der Annahme eines bindung erneuerbarer Energien (z. B. Photovoltaik), Hitzesommer weitaus wahrscheinlicher. system ist auch der private Verkehr durch eine hohe moderaten Klimawandels würden laut Berechnungen Gebäudeisolierung sowie Beschattung und vermehrter Unfallwahrscheinlichkeit stark betroffen. der COIN-Forschungsgruppe zusätzlich 160 Milli- Grünraum in dicht verbauten Siedlungsräumen zur Bereits nach 24 Stunden beginnt das Kanalsystem zu onen Euro an Investitionen für zusätzliche flexible Minderung des Kühlbedarfs bei Hitzewellen. Gleich- Vermehrte Stromausfälle in Zukunft? kippen und es dauert in Folge mindestens sieben Tage, Kraftwerke anfallen, um die Abdeckung der Spitzen- zeitig sollte bei all diesen Maßnahmen bedacht wer- bis die Kläranlagen wieder voll funktionsfähig sind. lasten im Sommer zu sichern. den, dass diese Anpassungsmaßnahmen die Treibhaus- Neben Spitzenlasten können Extremwetterereignisse Das heißt: Es besteht massive Seuchengefahr, Wasser gasemissionen nicht erhöhen, sondern absenken. wie Hochwasser, Stürme oder Schnee- und Eislast zu aus stehenden Gewässern sollte nicht mehr getrun- gravierenden Beschädigungen an der Elektrizitätsinf- ken werden. Auch das Versorgungssystem bricht Zusätzliche Kosten für die VerbraucherInnen? Klimaschutz bleibt ein vorrangiges Ziel, um die Fol- rastruktur mit weitreichenden Ausfällen und enormen relativ rasch zusammen, da es kaum mehr Lager gen des Klimawandels abzuschwächen. Eine einfache Reparaturkosten führen. gibt, sondern alles „just in time“ in die Supermärkte Derzeit gehen ExpertInnen noch eher von einer Lösung wird es für so ein komplexes Problem nicht transportiert wird. 800.000 österreichische Milchkühe Entlastung für die privaten Verbraucher aus: Die geben. ExpertInnen sind sich jedoch einig: Es ist Zeit Doch was könnte in Zukunft tatsächlich drohen, müssen möglicherweise notgeschlachtet werden, wenn Heizkostenersparnisse für fossile Brennstoffe dürften zu handeln und entsprechende Maßnahmen sind von wenn es durch Spitzenlasten und Extremwetterschä- sie nicht per Hand gemolken werden können. Ohne zumindest bis 2050 über den zusätzlichen Stromkos- der Politik zu treffen. Rechtzeitiges Handeln reduziert den auch in Österreich zu flächendeckenden Strom- Strom verdirbt auch das Glashaus-Gemüse, speziell an ten für Kühlung liegen. Für Menschen in schlecht das Schadensrisiko. ausfällen kommt? 2013 tagten zu diesem Thema rund Hitzetagen. Fast alle Lebensbereiche sowie wirtschaft- isolierten Wohnungen sieht dies jedoch anders aus. 200 Personen aus den Bereichen Katastrophenschutz, liche Aktivitäten sind bereits in hohem Maße von der Im Winter müssen diese Wohnungen trotz relativ 20 21
Verkehr Schäden an Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsunterbrechungen Abb. 1 Hangrutschung durch Starkniederschlag in disponiertem Gelände im Mühlkreis. Hangrutschungen, Muren, Unterspülungen, Stra- tion des Landes betrugen die Schäden an der Infra- Abb. 2 ßenbelagsschäden durch Temperaturschwankungen struktur insgesamt rund 55 Millionen Euro, allein Absperrung des – meteorologische Ereignisse machen in Europa schon die Verkehrsinfrastruktur schlug dabei mit rund 37 Hochwassergebiets. heute bis zu 50 Prozent der Straßenerhaltungskos- Millionen Euro zu Buche. Im ganzen Land war zudem ten aus. Ein weiter wachsendes Straßenverkehrsnetz der Bahnverkehr zum Erliegen gekommen, da die wird die absoluten Schadenskosten spürbar erhöhen, Stromversorgung unterbrochen war. Auch die wichti- der Klimawandel sorgt v. a. durch vermehrte Star- ge Arlbergstrecke und damit die Bahnverbindung zwi- kregenereignisse für zusätzliche Aufwände. Da das schen Tirol und Vorarlberg wurde unterbrochen. Die Verkehrsnetz eine wesentliche Voraussetzung des Rheintalautobahn A14 war abschnittsweise gesperrt modernen Wirtschaftens darstellt, sind auch Unterbre- und ebenso zahlreiche Landesstraßen unpassierbar. chungen kostenintensiv. Die meisten Schäden wurden durch Überflutungen, Unterspülungen und Hangrutschungen ausgelöst. Der 24. August 2005 war der fünfte Tag in Folge, an dem es im Westen Österreichs in Strömen regne- Etliche Brückenpfeiler wurden durch sogenannte Kol- te. Zwar waren heftige Sommerniederschläge nichts ke (das sind Wasserstrudel, die am Grund stark erosiv Besonderes, aber der August 2005 stellte doch die wirken können) geschädigt und mussten aufwendig vergangenen Ereignisse in den Schatten. saniert werden. Am 22. August lagen die Tagesniederschläge in Zusätzlich zu diesen direkten Schäden kamen jedoch Vorarlberg zwischen 80 und 250 mm und über die weit teurere indirekte Folgekosten durch die Tatsa- gesamten fünf Tage war die Verkehrsinfrastruktur che, dass Menschen und Waren nicht von A nach B massiv geschädigt worden: Laut Ereignisdokumenta- gelangten. 22 23
Verkehr Blick in die Zukunft: Wie entwickelt sich das Ein Fazit dieser Entwicklung war, dass man aus 18 Millionen EUR. Bei Ereignissen wie den österreich- bei den verschiedenen Verkehrsträgern sowie für die Straßennetz? heutiger Sicht den öffentlichen Nah- und Fernverkehr weiten Augusthochwässern 2002 und 2005 reichen Binnenschifffahrt kürzere Vereisungsperioden bzw. stärker hätte ausbauen müssen, um den Ausbaudruck die Schadenskosten allerdings bis weit in dreistellige eisfreie Winter auf der Donau. Das Wettergeschehen Am Verkehrsministerium war man sich der Tatsache auf die Straßeninfrastruktur seitens des jährlich stetig Millionenbeträge. hat natürlich auch Einfluss auf die Verkehrssicherheit: bewusst, dass man in den letzten Jahrzehnten trotz wachsenden Individualverkehrs (von rund 122 Mrd. Beispiele dafür sind sowohl die negativen Winterbe- Einsparungen das Straßennetz doch kontinuierlich Personen-km 2010 auf jetzt – 2042 – rund 155 Mrd. Makroökonomisch profitiert von Reparatur und dingungen (Eis- und Schneeglätte) als auch die durch weiter ausgebaut hatte – um weitere gut 12.000 km in Personen-km) zu verringern. Das war nicht konse- Instandsetzung die Baubranche. Gesamtwirtschaftlich Klimamodelle nicht prognostizierbaren Nebelbedin- den letzten 30 Jahren auf nun fast 127.000 Strecken- quent geschehen und so wurden gerade großräumige muss jedoch das hier zusätzlich nötige Investment gungen oder Hagelniederschläge. kilometer. Dies hatte einerseits zur Folge, dass sich die Ereignisse, die auch die Umfahrungsstraßen und an anderen Stellen eingespart werden, die gesamt- Zahl der Ausweichrouten insgesamt erhöhte und die Ausweichrouten blockierten, zu echten Kostenfallen: wirtschaftlichen Auswirkungen sind allein dadurch Zeitverluste bei Streckenunterbrechungen und daraus Sowohl die direkten Kosten durch Instandsetzung schon negativ. Wenn man hierzu noch die Serviceun- Zur Abmilderung der Schäden jetzt und folgenden Umfahrungen sich bei punktuellen Einzeler- waren enorm als auch die indirekten Folgekosten aus terbrechungen nimmt, sprich die Unterbrechung von in der Zukunft eignissen meist in Grenzen hielten. Natürlich gab es Zeitverlust, Unterbrechung von Zuliefererketten etc. Personenmobilität und Frachttransport, dann können immer noch die bekannten „Arterienverbindungen“ die gesamtwirtschaftlichen Verluste noch viel stärker Besonders wesentlich sind aus heutiger Sicht ein (wie z. B. die Felbertauernstraße/LB108, die Pinzgauer Zudem hatte sich herausgestellt, dass die Starknieder- steigen – und zwar bei allen auslösenden Ereignis- klimaangepasstes Straßennetz und ein Ausbau Straße/LB311, die Murtal Straße/LB96 oder die Enn- schläge in allen Jahreszeiten zunahmen. Die Regen- sen mit der Dauer der Unterbrechungszeiten, weil öffentlicher Verkehrsmittel, um den Bau unnötiger stal Straße/B320), deren Unterbrechung regelmäßig fälle wurden zwar seltener, dafür aber intensiver. Die Menschen nichtzu ihren Arbeitsplätzen gelangen und zusätzlicher Straßenkilometer zu vermeiden. Hier enorme Zeitverluste mit sich brachte. Klimamodelle aus den 2010er-Jahren hatten deren Zulieferprodukte nicht rechtzeitig für die Produktion gehen Klimaschutz und Klimawandelanpassung Hand Frequenz, Stärke und Dauer weitgehend richtig vor- angeliefert werden (das betrifft insbesondere just-in- in Hand: Weniger, aber dafür klimasichere Straßen Andererseits musste man der Tatsache ins Auge sehen, ausgesagt. Der als „Kitt“ wirkende und im Zuge der time-Produktion und weniger die klassische Lagerhal- (sprich: die etwa nicht verschüttet oder geschädigt dass bei solch großräumigen Ereignissen wie einem Erwärmung sehr stark zurückgewichene Permafrost tung). werden durch Wetterereignisse) und weniger Individu- massiven und über viele Tage stationären Adriatief die ließ die Zahl der Felsstürze vor allem bei abrupt stei- alverkehrsabhängigkeit reduzieren gleichzeitig CO2- direkten Schäden an der ausgebauten Verkehrsinfra- genden Frühjahrstemperaturen im alpinen Raum stark Neben dem hier dargestellten Schwerpunkt einer Emissionen wie auch das Schandenspotenzial an dem struktur enorm waren. steigen. Außerdem wirkten sich die längeren som- Extremniederschlagsperiode gibt es weitere viel- Klimawandel ausgesetzten Straßeninfrastrukturen und merlichen Dürreperioden negativ auf die vor Erosion fältige meteorologische Auslöser für Verkehrsun- die Kosten durch Abnutzung. Verkehrsinfrastrukturen In den 2010er-Jahren hatte man intensiv darüber dis- schützende Vegetationsdecke aus, was Hangrutschun- terbrechungen: Hitzewellen bzw. abrupt steigende haben meistens eine Lebensdauer über 2050 hinaus kutiert, ob nicht ein gebremstes Kilometer-Wachstum gen und Vermurungen weiter Vorschub leistete. Frühjahrstemperaturen mit Schäden am Straßenbelag und ihre Gefährdung durch Extremereignisse ab der der Verkehrsnetze geboten gewesen wäre, um die (insbesondere Betonplattenabschnitte auf Autobahnen Jahrhundertmitte wird ohne Klimaschutzmaßnahmen Instandhaltungskosten zu senken. Das hätte allerdings waren in den letzten Jahren davon schon betroffen), in jedem Fall höher sein als mit konsequentem Klima- einige, auch unbequeme Entscheidungen nach sich Die Folgeeffekte zerstörter Straßen lokale Gewitter, die oft zu Sturmschäden v. a. durch schutz – hierzulande und weltweit. gezogen: Die Zugänglichkeit zu abgelegenen Orten Windwurf (umgestürzte Bäume) führen, sowie Nass- oder Tälern wäre eingeschränkt worden, da deren Wesentlich bei der Kostenabschätzung von Verkehrs- schneefall, Eisauflage und atlantische Sturmtiefs mit immer wieder durch Massenbewegungen und Unter- infrastrukturschäden ist deren Reparatur und Instand- ähnlichen Schadensbildern. Für letztere ist allerdings spülungen blockierte Zufahrtsstraßen zur Dispositi- setzung. Diese sind gerade bei Hangrutschungen, Un- kein klares Signal für die nächsten Jahrzehnte ables- on gestanden wären. Eine teilweise Absiedlung aus terspülungen oder Felsstürzen sehr kostenintensiv und bar. Mögliche positive Auswirkungen sind geringere einigen Hochtälern wäre die Folge gewesen. liegen nach COIN-Hochrechnungen bei jährlich rund winterliche Schneeräumungs- und Enteisungskosten 24 25
Handel Hitze reduziert die Produktivität von Arbeitskräften in Fertigung und Handel Abb. 1 Wenn es in den Mittagsstunden zu heiß ist, um draußen zu arbeiten, müs- sen neue Arbeitszeitmodelle erdacht werden. Schon heute weiß man, dass bedingt durch den Klima- Hitzewelle müsse in die Regelung des sogenannten Abb. 2 wandel in der Sparte „Fertigung und Handel“ in na- Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz ein- Bereits ein geringer Anstieg der her Zukunft die Produktivität der ArbeitnehmerInnen bezogen werden, übermittelte er 2003 an die zuständi- Höchsttemperaturen im Sommer reduziert die Arbeitsleistung der betroffen sein wird, was in Folge Produktionsverluste gen Ministerien. ArbeitnehmerInnen. Produktions- in Millionenhöhe verursachen könnte. Anpassungen einbußen sind die Folge. scheinen unausweichlich, Vorbilder hierfür gibt es Eine Konsequenz der Hitzeperiode 2003 waren neben heute schon in den südlichen Ländern Europas. der Gesundheitsgefährdung aber auch Produktions- einbußen. Denn das, was ÖGB-Vize Driemler als „zusätzliche Belastung“ formulierte, haben Wis- Weitreichende Folgen des Klimawandels für senschaftlerInnen im Projekt COIN nachgerechnet: ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen Berücksichtigt man Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung, so Der Aufschrei kam mitten in der Hitzewelle im Jahr kann man den Einfluss von Hitze auf die Produktivi- 2003 vom damaligen Vizepräsidenten des Österreichi- tät von Arbeitskräften mit Zahlen belegen. schen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und Bundesvorsit- zenden der Gewerkschaft Bau und Holz: „Die Wetter- Beispielsweise wurde für ArbeiterInnen in der holzver- verhältnisse stellen eine schwere zusätzliche Belastung arbeitenden Industrie auf diese Weise aufgezeigt, dass und Gesundheitsgefährdung dar“, so Johann Driemer, ein Anstieg von 27 °C auf 29 °C Außentemperatur die 1 | Lt. OGB, 20.8.2003 der die Politik aufforderte rasch die Arbeitsbedingun- Arbeitsleistung bereits auf die Hälfte reduzieren kann. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20030820_OTS0038/bauarbeiter-verlangen-ende-der-hitzeschlacht. gen für BauarbeiterInnen während Hitzeperioden zu Die Folge sind Produktionseinbußen und dadurch verbessern.1 Die Gesundheitsgefährdung durch die wirtschaftliche Schäden. 26 27
Handel Obwohl diese Verluste im Vergleich etwa zu hitze- hätte die Sparte bei einem moderaten Klimawandel Gesellschaftliche Veränderungen bedeuten. Ein sensibles politisches Thema, das schon und trockenheitsbedingten Schäden in anderen Spar- zusätzliche, jährliche Produktionsverluste von 12 Mil- in wenigen Jahren auf Österreich zukommen wird und ten – wie etwa in der Landwirtschaft – überschaubar lionen Euro zu beklagen. 56 Millionen Euro wären es Über diese errechneten Schäden hinaus könnten die nach Lösungen verlangt. sind, zeigen die Prognosen für die Zukunft eine Häu- bei einem starken Klimawandel. Forderungen des Gewerkschafters Driemer aus dem fung solcher und noch extremerer Situationen, was zu Jahr 2003 in den betrachteten Zukunftsszenarien Und das sind noch lange nicht alle Veränderungen, steigenden Schadenssummen sowie zu weit einschnei- Von den Folgen eines Temperaturanstiegs wäre nicht allerdings schon lange nicht mehr ausreichen. Zu die eine Temperaturerhöhung in der Sparte „Fertigung denden Veränderungen führen könnte. ganz Österreich im selben Maße betroffen. Es gibt erwarten sind klimabedingte grobe Einschnitte in die und Handel“ nach sich ziehen würde. Vor allem Büro- regionale Unterschiede. Die stärksten Produktivitäts- Arbeitszeiten und Arbeitsweisen in Österreich – am tätigkeiten könnten vorwiegend nur mehr in Räumen verluste sind in Wien, dem nördlichen und südlichen ehesten vergleichbar mit jenen, die in südlichen Län- möglich sein, die durch Klimaanlagen gekühlt werden. Weniger Produktivität in Zukunft? Wiener Umland sowie im Nord- und Mittelbur- dern derzeit gelten. Eine maximale Raumtemperatur ist im Arbeitsrecht genland zu erwarten. An Einzeltagen können die Dort ist eine verlängerte Mittagspause aufgrund der derzeit noch nicht verankert. Die sogenannte Arbeits- Ein Blick in die Zukunft: Der Kranfahrerin Karla K. Leistungseinbußen bei Außenarbeiten hier bis zu Hitze in den Sommermonaten fest in der Gesellschaft stättenrichtlinie sieht eine maximale Raumtemperatur bieten sich im Sommer 2047 schwere Arbeitsbedin- 80 Prozent erreichen. Die Regionen Sankt Pölten, verankert. Ein Zukunftsmodell, das bald auch für Ös- von 26 °C vor. Ein Wert, den man künftig in den gungen. Seit Wochen sinkt die Tagestemperatur nicht Linz-Wels, Außerfern, die Oststeiermark und Graz terreich gelten wird? Für viele ExpertInnen ist dieses Sommermonaten ohne zusätzliche Kühlung wahr- unter 30 °C. In der Kanzel ihres Kranes am Gelände erreichen im gleichen Szenario an einzelnen Tagen spanische Beispiel ein gangbares Szenario: In vielen scheinlich nur noch schwer unterschreiten kann. des Sägewerkes herrschen Temperaturen von 40 °C Produktivitätsverluste über 60 Prozent. Für die stark spanischen Unternehmen gibt es in den Sommermo- Um entsprechende Leistungen von MitarbeiterInnen und darüber. Aufgrund der Hitze benötigt Karla K. betroffenen Regionen würde das zugleich einen At- naten traditionell eine Sommerarbeitszeit, in der die abrufen zu können und sie keiner Gesundheitsgefähr- viel mehr Pausen als sonst. Dazu kommt, dass ihre traktivitätsverlust des Wirtschaftsstandortes bedeuten. Mittagspause jedoch ganz ausfällt. Da gleichzeitig die dung auszusetzen, müssen Büroräume entsprechend Konzentration unter der Hitze extrem leidet – die Und das ist noch nicht alles. Diese Ergebnisse zeigen Wochenarbeitszeit leicht reduziert wird (in etwa von gekühlt werden. Es wird also zu einem starken An- Gefahr von Fehlern steigt und somit auch das Risiko nicht das gesamte Bild. Betrachtet man nicht nur den 40 auf 35 Stunden), arbeitet man dann beispielswei- stieg der Benutzung von Klimaanlagen kommen. Das für Schäden. Wie Karla K. in der holzverarbeitenden Sektor „Fertigung und Handel“ alleine, sondern auch se von 8 bis 15 Uhr durchgehend und hat dann (in wiederum könnte durch vermehrte Spitzenlasten die Wirtschaft geht es tausenden ArbeiterInnen, die sich Folgeeffekte für andere Sektoren, so erhöht sich der Spanien) den gesamten Nachmittag frei, was natürlich Stabilität des Stromnetzes gefährden. Auch hier wer- im Freien aufhalten müssen, in diesem Sommer. mögliche Schaden für die heimische Volkswirtschaft auch wiederum für eine Siesta verwendet werden den wieder Wirkungsketten spürbar, die mit Bedacht wesentlich (er vervierfacht sich). Wie ein Zahnrad kann. berücksichtigt werden müssen und für die es klare Zu diesem Szenario gibt es auch aktuelle Kostenab- greifen die Auswirkungen von einer Sparte in die Regelungen seitens des Gesetzes braucht. schätzungen: Die COIN-WissenschaftlerInnen gehen andere. Wird nichts unternommen, so ist ein Schaden für den Zeitraum von 2016 bis 2045 von jährlich im Sektor „Fertigung und Handel“ auch in anderen Hitzebeständige Voraussetzungen müssen Vieles scheint unsicher in der Zukunft. Doch eines durchschnittlich zwei Millionen Euro an zusätzlichen Bereichen, wie etwa Gesundheit, Einzelhandel, Immo- geschaffen werden darf als gegeben betrachtet werden: Zu Veränderun- Produktionsverlusten in der Sparte „Fertigung und bilien oder dem öffentlichen Sektor, spürbar. gen, vor allem zu klimatischen, wird es kommen. Die Handel“ aus. Das alles unter der Annahme einer mo- Für die im Freien tätigen Wirtschaftszweige etwa wäre Politik wird aufgefordert sein zu handeln, um Verluste deraten Temperaturerhöhung. Errechnet wurden aber jedoch ein anderes Modell wahrscheinlicher: Während in Grenzen zu halten und die Gesundheit der Arbeiter- auch die Kosten bei einem starken Klimawandel. Und des Sommers wird der Beginn der Arbeitszeit um 4 Innen nicht zu gefährden. Die Auswirkungen werden diese fallen im gleichen Zeitraum mit durchschnitt- Uhr in der Früh angestrebt, gefolgt von einer Pause unsere Gesellschaft nachhaltig verändern und prägen. lich 14 Millionen Euro jährlich weit höher aus. Eine von 11 bis 16 Uhr und der Fortsetzung der Arbeit ähnliche Tendenz zeigen die Zahlen für den zweiten bis 20 Uhr. Das würde natürlich grobe Einschnitte in Berechnungszeitraum von 2036 bis 2065: Demnach die derzeitige gesetzliche Regelung der Arbeitszeiten 28 29
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