Die große BRAO-Reform kommt - ein gelungener Gesetzesentwurf! - Anwaltsblatt
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Aufsätze Anwaltsrecht II. Grundkonzeption, Gesetzesstruktur und harmonisierender Regelungsansatz Die große BRAO-Reform Der Reformentwurf hat sich zu Recht für eine große Lösung im Sinne einer vollständigen Neufassung der derzeitigen Re- kommt – ein gelungener gelung in §§ 59a ff. BRAO entschieden. Das geltende Recht ist nicht nur lückenhaft, sondern auch unsystematisch und in- Gesetzesentwurf! transparent. Einer Überregulierung der Rechtsanwalts-GmbH stehen erhebliche Regelungsdefizite bei anderen Rechtsfor- Was die große BRAO-Reform alles verbessern wird men gegenüber. Nur eine auf eine komplette Neuregelung ab- (plus neun kleinere Nachbesserungsvorschläge) zielende Reform kann hier sachgerecht Abhilfe schaffen.3 Der Gesetzesentwurf ist zudem zu Recht breit angelegt, indem er Prof. Dr. Martin Henssler, Köln auch die Berufsrechte der Patentanwälte und der Steuerbera- ter novelliert und insbesondere im Verhältnis zu den Steuer- beratern die bislang unzureichende Harmonisierung voran- Die große BRAO-Reform wird kommen: Der Referentenent- treibt, die für eine interprofessionelle Zusammenarbeit der wirtschaftsnahen Beratungsberufe unverzichtbar ist. AnwaltsWissen wurf aus dem Herbst ist von vielen gelobt worden. Der Autor spricht von einem „großen Wurf“. Denn auch beim genauen Der neue Kernbereich des Berufsrechts der anwaltlichen Blick bleibt es dabei: Grundkonzept, Aufbau, Systematik und Berufsausübungsgesellschaften sowie der Bürogemeinschaft der Kern der Reformvorschläge verdienen uneingeschränkte umfasst in §§ 59b–59q BRAO-E 16 Vorschriften und besticht Zustimmung. Das Bundesjustizministerium hat die Reform- durch eine durchdachte Struktur: ● § 59b Berufsausübungsgesellschaften debatten der vergangenen Jahre in einen stimmigen Entwurf ● § 59c Berufsausübungsgesellschaften mit Angehörigen an- gegossen. Beim gründlichen Check des Entwurfs identifiziert derer Berufe der Autor neun Punkte, an denen er für den Regierungsent- ● § 59d Berufspflichten bei beruflicher Zusammenarbeit wurf Verbesserungen vorschlägt. ● § 59e Berufspflichten der Berufsausübungsgesellschaft ● § 59f Zulassung ● § 59g Zulassungsverfahren; Anzeigepflicht I. Der vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes ● § 59h Erlöschen, Rücknahme und Widerruf der Zulassung, Abwickler zur Neuregelung des Berufsrechts von Berufsaus- ● § 59i Gesellschafter- und Kapitalstruktur von Berufsaus- übungsgesellschaften übungsgesellschaften ● § 59j Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ● § 59k Rechtsdienstleistungsbefugnis (BMJV) hat am 3. November 2020 (mit Bearbeitungsstand ● § 59l Vertretung vor Gerichten und Behörden 29. Oktober 2020) den umfangreichen Referentenentwurf ● § 59m Kanzlei eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwalt- ● § 59n Berufshaftpflichtversicherung lichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften ● § 59o Mindestversicherungssumme und Jahreshöchstleis- sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der tung rechtsberatenden Berufe vorgelegt. Mit Begründung umfasst ● § 59p Rechtsanwaltsgesellschaft der Entwurf 349 Seiten, ein Beleg für die große Sorgfalt, mit ● § 59q Bürogemeinschaft. der sich die zuständigen Referentinnen und Referenten die- Gewisse Vorbildfunktion kommt insoweit – ebenso wie bei sem seit langem erwarteten Gesetzesvorschlag gewidmet ha- dem im Entwurf Henssler/DAV gewählten Aufbau – der der- ben. zeitigen Regelung der Anwalts-GmbH in §§ 59c ff. BRAO zu, Man kann einleitend feststellen: Die lange Wartezeit hat die allerdings einerseits (zum Beispiel Mehrheitserforder- sich gelohnt. Der Reformvorschlag ist ein großer Wurf, der nisse) entschlackt und andererseits (eigene Berufspflichten, nicht nur hinsichtlich der Regelungstechnik und Gesetzes- Rechtsdienstleistungsbefugnis) um notwendige Vorschrif- systematik, sondern auch inhaltlich klare Verbesserungen ten ergänzt wird. Bemerkenswert ist, dass nicht nur die Re- bringt. Der Verfasser dieses Beitrags hat erfreut zur Kenntnis gelung in der PAO (§§ 52b–52p PAO-E) nahezu (Ausnahme: genommen, dass der Entwurf des BMJV Gedanken, Vorschlä- Zusammenfassung von Beratungs- und Vertretungsbefugnis ge und Empfehlungen des von ihm erarbeiteten Gesetzesent- in der Vorschrift des § 52k PAO-E) inhaltsgleich ist, sondern wurfs1 aus dem Jahre 2018 aufgreift, den der DAV 2019 mit dass auch das Steuerberatungsgesetz in §§ 49–55h StBerG-E nur geringfügigen Änderungen als seinen Diskussionsvor- mit nur geringen Abweichungen dem Ansatz der BRAO folgt. schlag übernommen und an das BMJV weitergeleitet hatte.2 Das schließt angesichts der Komplexität der Materie selbst- * Bei dem Beitrag handelt es sich um die erweiterte schriftliche und mit Fußnoten ver- verständlich nicht aus, dass es zahlreiche diskussionswürdige sehene Fassung eines Vortrags, den der Verfasser am 25. November 2020 im Rahmen Punkte und in Details auch kritikwürdige Vorschläge gibt. der vom Institut für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln mit Unterstützung des Anwaltsblatts veranstalteten Tagung zum Thema „Die Reformvorhaben im Anwaltsrecht Der umfangreiche Reformvorschlag kann in dem vorlie- – Was wird 2021 bringen?“ gehalten hat. Der Beitrag entspricht weitgehend der Stel- lungnahme, die der Autor für das Institut für Anwaltsrecht gegenüber dem BMJV zum genden Beitrag naturgemäß nur in seinen Grundlagen und Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen ausgewählten Details gewürdigt werden. Außerhalb der hier und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe abgegeben hat. getroffenen Selektion gibt es weitere diskussionswürdige As- 1 Henssler, AnwBl Online 2018, 564 ff. pekte. 2 DAV-Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019, 257 ff. Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler AnwBl Online 2021 69
Aufsätze Unterschiede gibt es im StBerG lediglich insoweit, als an die zur gemeinsamen Berufsausübung ausgeht.10 Der Sache nach Stelle der Zulassung die Anerkennung tritt. Außerdem ist die war allerdings klar, dass der Referentenentwurf ebenso wie Regelung der Berufshaftpflichtversicherung vereinfacht, so auch der Entwurf des Verfassers insoweit keine Einschrän- dass der parallele Abschnitt im StBerG insoweit mit einem kungen plante. Es ist gleichwohl zu begrüßen, dass vonseiten Paragrafen weniger auskommt. der Vertreterinnen und Vertreter des BMJV insoweit eine aus- drückliche Klarstellung angekündigt wurde. III. Übereinstimmungen mit dem Vorschlag Henssler 2. Das Gebot der aktiven Mitarbeit und das Verbot reiner Kapitalbeteiligung von nicht aktiven Gesellschaftern 1. Organisationsfreiheit für die Anwaltschaft a) Anforderungen an die aktive Mitarbeit Der Referentenentwurf greift in zahlreichen Kernvorschriften Hoch hält der Referentenentwurf weiterhin ganz zu Recht das Überlegungen der Wissenschaft auf, setzt diese aber durch- Gebot der aktiven Mitarbeit. Berufsausübungsgesellschaften aus eigenständig und mit gewissen Modifikationen um. Be- sollen den Weg für eine gemeinschaftliche Berufsausübung tont sei, dass er in vielen Detailfragen, insbesondere den ver- ebnen, dagegen nicht dazu dienen, als bloße Eigenkapital- fahrensrechtlichen Folgefragen viel detaillierter ist als der vom geber am Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit zu partizipieren. Verfasser vorgelegte, freilich ebenfalls schon sehr umfangrei- Hier liegt der wohl wichtigste Unterschied zum Entwurf der che Vorschlag. BRAK,11 der das Erfordernis der aktiven Mitarbeit vollständig Zentraler Regelungsansatz ist das Bekenntnis zur vom Ver- aufgeben wollte. Er würde es daher einem Arzt oder Apothe- fasser4 seit langem geforderten „Organisationsfreiheit für die ker, die nach der Rechtsprechung des BVerfG12 in jedem Fall Anwaltschaft“. Der Entwurf nimmt die notwendige Öffnung sozietätsfähig sein müssen und die auch die BRAK nach ihrer für alle nationalen und EU-Rechtsformen (rechtsformneut- aktuellen Stellungnahme13 als Gesellschafter zulassen möch- ral) vor und bezieht auch die Handelsgesellschaften und da- te, erlauben, ohne eigene Mitarbeit eine Mehrheitsbeteiligung mit insbesondere auch die GmbH & Co. KG sowie die UG von 95 Prozent an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft & Co. KG5 in den Kreis der verfügbaren Rechtsformen ein. zu halten. Auch der DAV, sonst dem Vorschlag des Verfassers Hinsichtlich der Öffnung für alle nationalen und EU-Rechts- folgend, möchte dieses Kriterium ungeachtet der aufgezeig- formen für eine rein inländische Tätigkeit setzt er die Vorga- ten Bedenken aufgeben.14 ben der Rechtsprechung des EuGH um und lehnt sich an die Die Beibehaltung dieses Gebots wirft natürlich sofort die bereits erfolgte Novellierung der WPO (§ 27 Abs. 1 WPO) an. Frage auf, ob nunmehr Seniorpartnern, die nicht mehr oder Die Einbeziehung der Handelsgesellschaften versteht sich vor nur noch ganz geringfügig in der Kanzlei tätig sind, eine wei- dem Hintergrund der Liberalisierung in der parallel geplanten tere Beteiligung verwehrt wird. Der Entwurf will diese Pro- Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG). blematik dadurch vermeiden, dass er nur ganz geringe An- Der Referentenentwurf des MoPeG möchte zwar die Perso- forderungen an die aktive Mitarbeit stellt.15 Sicherlich richtig nenhandelsgesellschaften bedauerlicherweise – und insoweit ist der Hinweis, dass die Gesellschafter nicht verpflichtet sind, sachlich verfehlt – nicht generell für alle Freien Berufe öffnen, eine bestimmte Breite von anwaltlichen Leistungen anzubie- erlaubt es aber in § 107 Abs. 1 S. 2 HGB-E den jeweiligen Be- ten.16 Der Referentenentwurf geht aber noch einen Schritt rufsrechten, diese Rechtsformen den Berufsangehörigen zur weiter und überlässt es vollständig den Gesellschaftern, wel- Verfügung zu stellen. Ähnlich wie schon in der Regelung der che Anforderungen sie an die aktive Mitarbeit stellen. Genügt PartG mbB (vgl. dort die für den Zugang zur PartG mbB er- es also, wenn der Senior einmal in der Woche in der Sozietät forderliche berufsrechtliche Regelung der Haftpflichtversi- erscheint, dort seinen Kaffee trinkt und dabei den Junganwäl- cherung6) ist damit auch bei den Handelsgesellschaften ein ten Anekdoten aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz Flickenteppich zu befürchten.7 erzählt? Offenbar ja, muss man angesichts der Gesetzesbe- Immerhin ist auch8 für Rechtsanwälte und Patentanwälte gründung antworten. Bei Seniorpartnern erscheint das akzep- nunmehr der Weg zu dieser – steuerrechtlich und haftungs- rechtlich attraktiven – Rechtsform geebnet. Möglich ist ins- besondere die sogenannte Einheitsgesellschaft, bei der die anwaltlichen und sonstigen freiberuflichen Partner an der KG als Kommanditisten beteiligt sind und gleichzeitig als Gesell- schafter die Komplementär-GmbH oder UG gegründet, an- 3 Der Regelungsvorschlag der BRAK hatte dagegen auf eine solche Neukonzeption ver- zichten wollen und hätte damit die Schwächen des geltenden Rechts fortgeschrieben. schließend aber ihre Geschäftsanteile an der Komplementä- 4 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 570; für alle Freien Berufe ders., Verhandlungen des rin als Sacheinlage in die KG eingebracht haben. § 172 Abs. 6 71. Deutschen Juristentages, Bd. II/1, 2016, O 71 ff. mwN. HGB verhindert lediglich, dass mit der Sacheinlage zugleich 5 § 28 Abs. 6 WPO verlangt dagegen, dass bei einer GmbH das Stammkapital mindes- tens 25.000,00 Euro betragen muss. die Hafteinlage als Kommanditist erfüllt wird, lässt aber im 6 Dazu kritisch Henssler, AnwBl 2014, 96 f. Übrigen solche Gestaltungen zu. Damit ist der Sache nach 7 Dazu Markworth, AnwBl Online 2021, 82 ff. die vollständig haftungsbeschränkte Personengesellschaft zur 8 Den Steuerberatern stand diese Rechtsform nach § 49 Abs. 2 StBerG bereits seit Verfügung gestellt.9 Rechtsdogmatisch wäre es freilich viel längerem offen, vgl. nur Henssler, NZG 2011, 1121 ff. 9 Henssler, FS K. Schmidt, 2019, S. 443 ff. überzeugender gewesen, wenn das MoPeG eine entsprechen- 10 Römermann, AnwBl Online 2020, 588, 593. de an die angelsächsische LLP angelehnte Rechtsform explizit 11 BRAK-Stellungnahme Nr. 5/2018. auf klarer gesetzlicher Grundlage eingeführt und der Praxis 12 BVerfGE 141, 82 = NJW 2016, 700 = AnwBl 2016, 261. den unnötigen Umweg über die Einheitsgesellschaft erspart 13 BRAK-Stellungnahme 2020/82, S. 6. hätte. 14 DAV-Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019, 257, 272; siehe auch jetzt DAV- Stellungnahme Nr. 87/2020, S. 21 f. Weiterhin zulässig bleibt die Einpersonen-Kapitalgesell- 15 Referentenentwurf, S. 190. schaft. Zwar wurden insoweit Zweifel angemeldet, weil das 16 So bereits Kilian/Koch, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2018, Rn. 1062, Henssler, in: Reformgesetz grundsätzlich von einem Zusammenschluss Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 59a Rn. 50. 70 AnwBl Online 2021 Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler
Aufsätze tabel, nicht aber bei Personen, die zu keiner Zeit tatsächlich aktiven Gesellschaftern) ist. Denn die Frage, wer überhaupt ihren Beruf in der Gesellschaft ausgeübt haben. Allzu leicht Gesellschafter der Berufsausübungsgesellschaft sein kann, könnte dann nämlich das Gebot der aktiven Mitarbeit unter- entscheidet sich nicht bei dieser Frage, sondern bei der Vor- laufen werden. Der Verfasser17 hält daher nach wie vor seinen frage, wer zum Kreis der sozietätsfähigen Berufe gehört und Vorschlag für vorzugswürdig, nach dem einerseits strenge An- damit in § 59c BRAO-E. Insoweit ist die vom Verfasser vor- forderungen an die aktive Mitarbeit in Form freiberuflicher geschlagene 25 Prozent-Regelung keine Erweiterung der Be- Berufsausübung gestellt, andererseits aber eine Kapitalbeteili- teiligungsmöglichkeit, sondern im Gegenteil eine angesichts gung von nicht aktiven Gesellschaftern bis zu einer Quote von der Erweiterung der sozietätsfähigen Personen unverzicht- 25 Prozent erlaubt werden sollte. Hier würde jedenfalls einer bare Einschränkung gegenüber den Vorschlägen von BRAK faktischen Mehrheit der Stimmrechte und Kapitalanteile bei und DAV. Beide Vorschläge setzen wohl unterbewusst voraus, reinen Kapitalgebern ein Riegel vorgeschoben. dass das Gebot der aktiven Mitarbeit für nicht-anwaltliche Ge- Da der Referentenentwurf diesen Schritt des Verfassers nicht sellschafter doch gelten und nur die Rechtsanwälte von ihm mitgeht, sollte meines Erachtens zumindest in der Begründung freigestellt bleiben sollen, ein gravierender Irrtum! klargestellt werden, dass bei ehemals aktiven Gesellschaftern, die sich aus Altersgründen von der aktiven Berufstätigkeit zu- 3. Die Öffnung des Gesellschafterkreises für alle rückgezogen haben, das Gebot der aktiven Mitarbeit nicht mehr Angehörigen eines Freien Berufs gilt. Die (unwürdige) gekünstelte Konstruktion einer aktiven Die Öffnung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe für alle AnwaltsWissen Mitarbeit wäre dann überflüssig, zumal der hinter dem Gebot Angehörigen der Freien Berufe entspricht einer Mindest- der aktiven Mitarbeit stehende Grundgedanke auch bei ehe- reformforderung des Verfassers.19 Sie ist grundsätzlich zu mals aktiven Gesellschaftern gewahrt bleibt. Von finanzkräfti- begrüßen, da jedenfalls insoweit nun Rechtssicherheit ge- gen Rechtsanwälten dominierte Anwaltsketten blieben damit schaffen wird. Der Verfasser könnte sich zwar gut eine noch weiterhin unzulässig. weitergehende Öffnung vorstellen, sie war aber aktuell poli- tisch nicht durchsetzbar, da es nicht nur bei der BRAK, son- b) Der Verzicht auf die begrenzte Zulassung einer dern auch innerhalb des DAV insoweit erhebliche Bedenken Beteiligung von nicht aktiven Rechtsanwälten und gab. Insofern ist die Regelung auch aus Sicht des Verfassers Angehörigen der Freien Berufe akzeptabel. Der Referentenentwurf verzichtet – offenbar aus politischen Das Abstellen auf den Begriff des Freien Berufes wirft aller- Gründen und angesichts der zu erwartenden Gegenwehr der dings einige Folgefragen auf, da es sich hierbei um eine so- anwaltlichen Berufsverbände – im Interesse eines Kompro- ziologische Wortschöpfung handelt. Der Begriff umfasst sehr misses auf derartige quotal beschränkte Kapitalbeteiligungen. heterogene Berufe und ist entwicklungsoffen.20 Der Katalog Begründet wird dies recht allgemein damit, dass die Besorgnis des § 1 Abs. 2 PartGG ist dementsprechend selbstverständlich einer Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit auch bei nicht abschließend, so dass sich in Grenzbereichen immer Minderheitsbeteiligungen nicht entfalle.18 Auch eine kapita- wieder offene Fragen stellen. listische Minderheitsbeteiligung könne in einer Gesellschaft Klargestellt werden sollte in der Gesetzesbegründung, dass einen erheblichen Einfluss vermitteln. Dies gelte insbesonde- – entsprechend der schon derzeit vom Verfasser vertretenen re in Gesellschaften mit vielen Gesellschaftern, bei denen das Ansicht21 – insoweit nicht die steuerrechtliche Beurteilung, Kapital stark verteilt ist. sondern die handels- und gesellschaftsrechtliche Bewertung Meines Erachtens werden hier zwei Probleme in unzu- maßgeblich ist. Zu beachten ist zudem, dass zum Berufsbild lässiger Weise miteinander vermengt. Für die anwaltliche vieler Freien Berufe auch untergeordnete gewerbliche Tätig- Unabhängigkeit macht es keinen Unterschied, ob der Mit- keiten zählen. Das gilt auch für Rechtsanwälte, wie das Bei- gesellschafter ein aktiv mitarbeitender Angehöriger eines spiel der gewerblichen Treuhandtätigkeit zeigt, die nach der sozietätsfähigen freien Berufes ist oder ein nur am Kapital Rechtsprechung des BGH22 seit jeher zum anwaltlichen Be- beteiligter nicht aktiv mitarbeitender Gesellschafter. Die an- rufsbild zählt. waltliche Unabhängigkeit muss in beiden Fällen dadurch ge- In der Begründung sollte deshalb klargestellt werden, dass sichert werden, dass die Gesellschafter keinen Einfluss auf untergeordnete gewerbliche Tätigkeiten auch in einer anwalt- die anwaltliche Berufsausübung des einzelnen Rechtsanwalts lichen Berufsausübungsgesellschaft ausgeübt werden dürfen. nehmen dürfen und zwar gleichgültig, ob dieser nun ange- Wichtig ist das etwa im Bereich neuer Legal-Tech-Dienstleis- stellter Rechtsanwalt ist oder Mitgesellschafter. Da die Be- tungen, bei denen ein unnötiger Streit, ob es sich noch um rufsausübung als angestellter Rechtsanwalt zugelassen wird, eine freiberufliche Tätigkeit handelt, vermieden werden soll- spielt auf der Ebene der Anforderungen an die Gesellschafter te.23 das Argument der beruflichen Unabhängigkeit letztlich keine Rolle. Die berufliche Unabhängigkeit ist mit anderen Worten zweifellos ein unbedingt zu schützendes Wesenselement des Anwaltsberufs, sie muss aber auf andere Weise als durch An- forderungen an den Gesellschafterkreis und deren aktive Mit- arbeit sichergestellt werden. Das gilt erst recht in interprofes- 17 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 570. sionellen Gesellschaften. 18 Referentenentwurf, S. 190. 19 Vgl. Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 578: „Überzeugend erscheint es vielmehr, alle Insgesamt sei, auch wenn der Verfasser inzwischen müde Angehörigen der Freien Berufe per se als sozietätsfähig einzustufen“. ist, dies immer wieder betonen zu müssen, noch einmal 20 Eingehend Henssler, Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Bd. II/1, 2016, O darauf hingewiesen, dass die von den Berufsverbänden ge- 64 ff; ders., PartGG, 3. Aufl. 2018, § 1 Rn. 54 ff; ders., in: Henssler/Prütting (Fn. 16), § 1 Rn. 15 ff. forderte Aufgabe des Gebots der aktiven Mitarbeit nichts an- 21 Henssler, PartGG (Fn. 20), § 1 Rn. 74 ff. deres als die vollständige Freigabe des sogenannten Fremd- 22 BGH NZG 2016, 398 Rn. 29 mwN. besitzes (= Beteiligung von nicht in der Gesellschaft beruflich 23 Dazu Henssler, FS Krieger, 2020, S. 353 ff. Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler AnwBl Online 2021 71
Aufsätze 4. Verzicht auf Mehrheitserfordernisse eine strengere Verschwiegenheitspflicht aus dem eigenen Be- Uneingeschränkt zu begrüßen ist der Verzicht auf Mehrheits- rufsrecht greifen. erfordernisse, die sich bei der gemeinsamen Berufsausübung Um Gefährdungslagen aufgrund der (interprofessionellen) von Rechtsanwälten und Steuerberatern als geradezu unsin- Zusammenarbeit auszuschließen, muss der Gesellschaftsver- nig erwiesen hatten. Auch insoweit zeigt sich nämlich, dass trag nach § 59d Abs. 5 BRAO-E den Ausschluss von Gesell- entsprechende Mehrheiten keinen zwingenden Einfluss auf schaftern vorsehen, die „in schwerwiegender Weise oder wie- derholt“ gegen anwaltliche Pflichten verstoßen. Der Verfasser die jeweilige berufliche Unabhängigkeit der Gesellschafter wollte solche Konstellationen durch die Kammermitglied- haben. Die berufliche Unabhängigkeit muss schließlich nicht schaft der sozietätsverbundenen Personen vermeiden, die nur für alle aktiv mitarbeitenden Mitgesellschafter, sondern eine Sanktionierung in der Form ermöglicht hätte, dass den in gleicher Weise für alle angestellten Berufsträger in der betreffenden Personen die Befugnis abgesprochen wird, Ge- Gesellschaft sichergestellt werden. Die Unabhängigkeit des sellschafter oder Mitglied der Geschäftsführung einer anwalt- angestellten Berufsträgers ist keine Unabhängigkeit zweiter lichen Berufsausübungsgesellschaft zu sein. Da der Entwurf Klasse, die von vornherein weniger schutzbedürftig wäre. auf die Kammermitgliedschaft – sicherlich vertretbar – ver- Schutzmaßnahmen müssen damit ganz unabhängig von zichtet, bedurfte es einer Lösung auf der Ebene des Gesell- Mehrheiten im Gesellschafterkreis greifen. schaftsvertrags. Insoweit erscheint es sachgerecht, nicht nur von der Möglichkeit eines Ausschlusses auszugehen, sondern 5. Klare Regelung der Rechtsdienstleistungsbefugnis und die Gesellschaft sogar zu verpflichten, derart berufsrechtswid- Postulationsfähigkeit rig handelnde Personen auszuschließen. Jeder Gesellschafter Ein klarer Fortschritt, wenn auch nur auf der Ebene der hat damit auch einen gegen seine Mitgesellschafter gerichte- Rechtsklarheit ist die eindeutige Regelung der rechtsformun- ten Anspruch auf Zustimmung zu einem entsprechenden Be- abhängigen Rechtsdienstleistungsbefugnis und Postulations- schluss. Alternativ droht die Verpflichtung des Rechtsanwalts, fähigkeit jeder nationalen anwaltlichen Berufsausübungs- selbst die berufliche Zusammenarbeit in der betreffenden Ge- gesellschaft. Bislang war das Berufsrecht nicht an das neue sellschaft aufzugeben.28 Regelungskonzept des RDG angepasst worden, obwohl dieses Überzeugend ist es auch, der Berufsausübungsgesellschaft Gesetz originäre Rechtsdienstleistungsbefugnisse nur noch in § 59e BRAO-E eigene Berufspflichten, nämlich die §§ 43 bis den registrierten Unternehmen verleiht, während sich die Be- 43b, 43d, 43e, 44, 48, 49a– 50, 53, 54, 56 Abs. 1 und 2 und fugnisse sonstiger Personen und damit auch diejenigen von die §§ 57–59a BRAO-E, aufzuerlegen. Das folgt bereits auf- Berufsausübungsgesellschaften aus dem jeweils einschlägi- grund des Umstands, dass allein die Berufsausübungsgesell- gen Berufsrecht ergeben müssen.24 Die Postulationsfähigkeit schaft Partei des Mandatsvertrags ist. Dass die zivilrechtlichen richtet sich nach den jeweiligen Verfahrensordnungen, sofern Vorschriften der §§ 44, 49b, 52 BRAO, die an den Abschluss nicht das Berufsrecht eine Spezialregelung enthält. Die Recht- des Mandatsvertrags anknüpfen, von Berufsausübungsge- sprechung25 musste daher gewisse Kunstgriffe anwenden, um sellschaften zu beachten sind, war daher schon bislang eine etwa die Rechtsdienstleistungsbefugnis und Postulationsfä- Selbstverständlichkeit. Der Referentenentwurf nimmt sie higkeit einer Sozietät in der Rechtsform einer GbR zu beja- wohl im Interesse der Rechtsklarheit mit in den Katalog auf. hen. Hier sorgt der Entwurf nun für Rechtsklarheit. Die Stellung als Berufsrechtssubjekt hat im Falle der nun grundsätzlich mit der Zulassung verbundenen Kammermit- 6. Berufspflichten der Berufsausübungsgesellschaft und ihrer gliedschaft der Gesellschaft zur Folge, dass gegen die Be- Gesellschafter rufsausübungsgesellschaft Sanktionen in Form von anwalts- gerichtlichen Maßnahmen verhängt werden können (§ 113 Der Gesetzesentwurf greift auch die Vorschläge des Verfas- Abs. 3 BRAO-E). Entsprechend dem Regelungsvorschlag des sers auf, die Berufspflichten bei gemeinschaftlicher Berufs- Verfassers soll aber nicht jede Berufspflichtverletzung eines ausübung gleich in doppelter Weise neu zu regeln: Zum einen Gesellschafters automatisch eine Sanktionierung nach sich werden (zum Vergleich § 59c BRAO des Vorschlags Henssler)26 ziehen. Auch der Verfasser hatte vorgeschlagen, dass Sank- erstmals die besonderen Berufspflichten der Gesellschafter bei tionen nur dann angemessen sind, wenn entweder eine Lei- gemeinschaftlicher Berufsausübung geregelt (§ 59d BRAO-E) tungsperson gegen Berufspflichten verstößt oder die Verstöße und zum anderen werden auch die Berufsausübungsgesell- der Gesellschaft wegen unzureichender Organisations- und schaften selbst (zum Vergleich § 59j BRAO des Vorschlags Aufsichtsmaßnahmen zurechenbar sind.29 Henssler)27 rechtsformunabhängig als Berufsrechtssubjekt be- handelt (§ 59e BRAO-E). Beide Änderungen sind zu begrüßen. Überfällig war insbesondere die Erstreckung der Tätigkeits- verbote aus § 43a Abs. 4 BRAO auf Gesellschafter, die Angehö- rige eines sozietätsfähigen Berufs sind. Zwingende Folge der Öffnung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe für alle An- gehörigen der Freien Berufe ist zudem, dass nunmehr auch diese Personen den anwaltlichen Berufspflichten unterwor- fen werden müssen. Der Gesetzesentwurf ist hier sehr streng und bezieht grundsätzlich alle Berufspflichten ein, auch wenn 24 Zum Ganzen Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 568. sie nicht durchgängig passen dürften. Eine zutreffende Ein- 25 Vgl. BGH NJW 2011, 2301 Rn. 6 ff. = AnwBl 2011, 220; BGHZ 193, 193 Rn. 15 = NJW 2012, 2435 = AnwBl 2012, 773. schränkung wird nur insoweit vorgenommen, als die Ver- 26 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 571. schwiegenheitspflicht auf solche Umstände beschränkt wird, 27 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 572. die im Zusammenhang mit einer anwaltlichen Beratung und 28 Vgl. hierzu Referentenentwurf, S. 200. Vertretung bekannt geworden sind. Ergänzend kann insoweit 29 Dazu Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 586 und 589. 72 AnwBl Online 2021 Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler
Aufsätze Den Vorschlag des Verfassers, nur die (nicht lediglich frei- Gesellschaft mit der Möglichkeit ihrer Sanktionierung mit willig) zugelassenen Gesellschaften, also nur Kapitalgesell- anwaltsgerichtlichen Maßnahmen. Sie will also wohlüberlegt schaften und interprofessionelle Gesellschaften, zu verpflich- sein. ten, einen Chief Compliance Officer für die Einhaltung des Berufsrechts zu benennen, greift der Referentenentwurf nicht 8. Eingeschränkte Zulässigkeit von Konzernstrukturen und auf. Ziel dieses Vorschlags war es, diffuse Verantwortlichkei- mehrstöckigen Gesellschaften ten in solchen Gesellschaften zu vermeiden, und zugleich a) Beteiligung nationaler Gesellschaften eine Sanktionierung der Gesellschaft bei Berufspflichtver- Zu den innovativen Reformelementen zählt die einge- stößen sicherzustellen. Der Entwurf verzichtet auf eine Rege- schränkte Zulassung von Konzernstrukturen und mehr- lung, weil „die Benennung eines Compliance Officers … gera- stöckigen Berufsausübungsgesellschaften. So können nach de in sehr kleinen Gesellschaften nicht immer zielführend“ § 59i BRAO-E neben natürlichen Personen auch zugelasse- sei.30 Zugleich hebt die Begründung aber zutreffend hervor: ne Berufsausübungsgesellschaften Gesellschafter einer Be- „Gerade bei großen Gesellschaften kann die Benennung eines rufsausübungsgesellschaft sein (ebenso § 59b Abs. 3 BRAO Compliance Officers jedoch sinnvoll sein.“ Richtig ist, dass die Entwurf Henssler/DAV).33 Voraussetzung ist, dass die Gesell- Benennung eines Compliance Officers nur eine Maßnahme schafter und die Geschäftsführung der beteiligten Berufs- neben weiteren sein kann, aus denen sich ein sachgerechtes ausübungsgesellschaft die Anforderungen erfüllen, welche und auf die konkrete Gesellschaft zugeschnittenes Complian- AnwaltsWissen die BRAO an die Gesellschafter und Geschäftsführer der Ge- ce Management System zusammensetzt. Insofern ist die Zu- sellschaft, an der die Beteiligung erfolgt, stellt (ähnlich § 59b rückhaltung des BMJV in diesem Punkt nachvollziehbar. Abs. 3 BRAO Entwurf Henssler/DAV). Dahinter steht der Ge- danke, dass Verbindungen zwischen Anwaltsgesellschaften 7. Gelungene Regelung der Zulassungspflicht dann keinen Bedenken begegnen, wenn an dem Verbund ins- Gut gelungen ist auch die Regelung der Zulassungspflicht gesamt nur aktiv mitarbeitende Angehörige der sozietätsfähi- unter Freistellung von monoprofessionellen und traditionel- gen Berufe beteiligt sind.34 len multiprofessionellen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unzulässig bleibt danach die Beteiligung einer reinen Steu- Patentanwälte) Personengesellschaften. Der Gesetzesentwurf erberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an einer unterstellt die anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft und zwar auch künftig grundsätzlich einer Zulassungspflicht, geht insoweit dann, wenn diese zusätzlich als Steuerberatungsgesellschaft also über das geltende Recht hinaus, das eine Zulassungspflicht oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anerkannt ist. Ohne nur für in- und ausländische Kapitalgesellschaften kennt und anwaltliche Gesellschafter ist sie nämlich keine Berufsaus- eine freiwillige Zulassung nicht vorsieht. Die grundsätzliche übungsgesellschaft im Sinne von § 59a BRAO-E. Der Entwurf rechtsformunabhängige Erstreckung der Zulassungspflicht verlangt – grundsätzlich vertretbar – die Zulassung der als Ge- ist aufgrund der Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe sellschafterin auftretenden Berufsausübungsgesellschaft. Für sachgerecht, da es insoweit einer strengeren Kontrolle und nationale Gesellschaften ist dies kein Ausschlusskriterium, Aufsicht bedarf. Ähnlich dem Vorschlag des Verfassers (vgl. da sie jederzeit freiwillig die Zulassung beantragen können. § 59d Abs. 4 BRAO Entwurf Henssler)31 vermeidet der Entwurf Auch die Gesellschaft, an der die Beteiligung erfolgt, muss – unnötige Bürokratie, in dem er alle monoprofessionellen Per- im Einklang mit dem Vorschlag des Verfassers – zugelassen sonengesellschaften ohne Haftungsbeschränkung von der Zu- sein, weil die Privilegierung nach § 59f Abs. 1 S. 2 BRAO-E nur lassungspflicht ausnimmt und außerdem die bislang schon solche Gesellschaften betrifft, an denen ausschließlich natür- erlaubten und nachweislich unbedenklichen interprofessio- liche Personen (Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, nellen Personengesellschaften freistellt. Der Verfasser wollte Wirtschaftsprüfer) beteiligt sind. noch einen Schritt weitergehend auch kleinere PartG mbB mit bis zu zehn Gesellschaftern ausnehmen; diesen Schritt geht b) Internationale Unternehmensverbindungen der Entwurf – im Grundsatz vertretbar – nicht mit, so dass Der Verfasser35 hatte seinen Regelungsvorschlag auch damit sich für die in der Praxis sehr beliebten PartG mbB nun ein begründet, dass es deutschen Anwaltsgesellschaften auf die- gewisser zusätzlicher bürokratischer Aufwand ergibt. se Weise ermöglicht werden solle, sich an internationalen Ziel des Regelungsvorschlags des Verfassers war es, gera- Anwaltsnetzwerken zu beteiligen. Für ausländische Anwalts- de die kleineren Berufsausübungsgesellschaften durch das gesellschaften, die eine Beteiligung anstreben, bedeutet die Reformgesetz nicht zusätzlich zu belasten, sondern eher zu Regelung in § 59i Abs. 1 BRAO allerdings, dass sie nunmehr entlasten, so etwa im Bereich der Mindestversicherungssum- in jedem Fall in Deutschland eine Niederlassung unterhal- me. Diese rechtspolitische Zielsetzung wird nun für kleinere ten müssten, ohne die sie keine Zulassung erhalten können. PartG mbB nur teilweise erfüllt. Zu begrüßen ist, dass jeden- Hinzu kommt, dass § 207a Abs. 2 BRAO-E den § 59i Abs. 1 falls die reguläre PartG trotz der Privilegierung der nicht per- BRAO-E von der Verweisungskette ausnimmt, so dass sich sönlich mit der Mandatsbearbeitung befassten Partner durch die Frage stellt, ob ausländische Gesellschaften überhaupt § 8 Abs. 2 PartGG nicht von der Zulassungspflicht erfasst wird. Ebenfalls positiv zu bewerten ist die vom Verfasser schon in der Begründung seines Entwurfs angedachte Freistellung der herkömmlichen interprofessionellen Sozietäten32. Die Mög- lichkeit einer freiwilligen Zulassung ist sachgerecht und prak- 30 Referentenentwurf, S. 202. tisch bedeutsam, da bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten 31 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 582. – etwa die Beteiligung an einer anderen Berufsausübungsge- 32 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 583. 33 Eingehend dazu Glindemann, Personengesellschaften zur Ausübung freier Berufe, sellschaft (§ 59i BRAO-E) – nur zugelassenen Gesellschaften 2019, S. 179 ff., 348 ff. gewährt werden. Bedenkenswerte Folge der freiwilligen Zu- 34 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 580. lassung ist u.a. die Kammermitgliedschaft der zugelassenen 35 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 580. Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler AnwBl Online 2021 73
Aufsätze Gesellschafter einer deutschen Berufsausübungsgesellschaft c) Doppelstöckige Gesellschaften sein können. Die Begründung geht hiervon ersichtlich aus.36 Ausdrücklich geregelt ist die schon bisher von der Recht- Bei richtigem Verständnis von Wortlaut und Systematik sprechung anerkannte Zulässigkeit des Haltens von Gesell- regeln den Gesellschafterkreis einer deutschen Berufsaus- schaftsanteilen durch Gesellschaften bürgerlichen Rechts.37 übungsgesellschaft allerdings abschließend die §§ 59b, 59c Sie ermöglicht bei Kapitalgesellschaften einen vereinfachten und 59i BRAO, während § 207a BRAO-E die Anforderungen – bei der GmbH etwa nicht nach § 15 Abs. 3 GmbHG notariell an den Gesellschafterkreis einer ausländischen Gesellschaft beurkundungspflichtigen – Wechsel im Gesellschafterkreis. bestimmt. Aus der Ausklammerung aus der Verweisungsket- Soweit die Regelung vorschreibt, dass in diesem Fall den Ge- te in § 207a Abs. 2 BRAO folgt also entgegen der Begründung sellschaftern der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Anteile nicht, dass sich eine dem deutschen Berufsrecht genügende an der Berufsausübungsgesellschaft im Verhältnis ihrer Be- und zulassungsfähige ausländische Gesellschaft nicht an ei- teiligung an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugerechnet ner Berufsausübungsgesellschaft beteiligen dürfe, zumal es werden, ist das auf den ersten Blick nicht leicht verständlich. hierfür auch keine sachliche Rechtfertigung gibt. Die Mög- Die Regelung entspricht § 50a Abs. 2 S. 1 StBerG und § 28 Abs. 4 S. 2 WPO. Ihre Kernaussage ist, dass weitere Anforde- lichkeit der Beteiligung einer Berufsausübungsgesellschaft rungen gerade nicht aufgestellt werden. Vielmehr sollen diese aus einem EU-Mitgliedstaat folgt schon aus dem europarecht- Strukturen ungeachtet der strengeren, für (echte) Konzern- lichen Diskriminierungsverbot. Es ist Aufgabe des § 207a konstellationen geltenden Voraussetzungen in § 59i Abs. 1 BRAO-E sicherzustellen, dass eine Beteiligung von sonstigen S. 1 und 2 BRAO-E weiterhin ohne zusätzliche Beschränkun- Auslandsgesellschaften keine Probleme verursacht, die sich gen zulässig sein. Vereinfacht formuliert werden die Gesell- bei einer deutschen oder europäischen Anwaltsgesellschaft schafter der Holding-GbR berufsrechtlich wie Gesellschafter nicht stellen. der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft behandelt. Darüber hinaus ist bei ausländischen Gesellschaften aber das Erfordernis einer deutschen Zulassung nicht sachgerecht, 9. Der Name der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft wenn man die Voraussetzungen einer solchen Zulassung Weniger gelungen erscheinen die Anforderungen an den Na- berücksichtigt. Zugelassen und Mitglied einer inländischen men einer zugelassenen anwaltlichen Berufsausübungsgesell- Rechtsanwaltskammer werden kann eine ausländische Ge- schaft. So muss nach § 59p Abs. 1 BRAO-E der Name der zuge- sellschaft nämlich nur dann, wenn sie in Deutschland eine lassenen Berufsausübungsgesellschaft nicht nur den Zusatz Zweigniederlassung unterhält, aus der heraus eine anwaltli- „zugelassene Berufsausübungsgesellschaft“ enthalten, son- che Tätigkeit entwickelt wird. Die Beteiligungsgesellschaft dern außerdem angeben, bei welcher Rechtsanwaltskammer müsste also über diese Zweigniederlassung ihrem deutschen die Berufsausübungsgesellschaft zugelassen ist. Das führt zu Netzwerkpartner auf dem deutschen Beratungsmarkt Kon- einer übermäßigen Aufblähung des Namens, der nunmehr kurrenz machen, ein ersichtlich unsinniges Ergebnis. Meines etwa „Maier & Müller bei der Rechtsanwaltskammer Köln Erachtens sollte bei ausländischen Gesellschaften auf das Zu- zugelassene Berufsausübungsgesellschaft“ lauten muss. Bei einer interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft von lassungserfordernis verzichtet werden. Es genügt, wenn die Rechtsanwälten, Patentanwälten und Steuerberatern entste- nationale, notwendig selbst zugelassene Gesellschaft, an der hen so „bandwurmartige“ Namen, die für den Marktauftritt die Beteiligung erfolgt, gegenüber der Kammer nachweisen ungeeignet sind. muss, dass die ausländische Gesellschaft berufsrechtskonform Es genügt vollständig, wenn Zulassung und zulassende besetzt ist, an ihr also nur aktiv mitarbeitende Gesellschafter Rechtsanwaltskammer – nicht nur versteckt – auf den Ge- beteiligt und Mitglieder der Aufsichts- und Vertretungsorgane schäftsbriefen und sonstigen Verlautbarungen der zuge- sind, die auch unmittelbar einer deutschen Berufsausübungs- lassenen Berufsausübungsgesellschaft angegeben werden gesellschaft angehören dürften. Alternative Business Structu- müssen. Weiterhin zulässig sollte es selbst bei zugelassenen res können sich damit an einer deutschen Berufsausübungs- Gesellschaft sein, sich etwa – neben dem individualisierenden gesellschaft weiterhin nicht beteiligen. Namenskern – als „anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft“ Hält man diese Kontrolle nicht für ausreichend, so könnte oder „Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten“ zu man – allerdings nur im Sinne einer „second-best-Lösung“ – bezeichnen. einer ausländischen Gesellschaft die Möglichkeit einer frei- Überzeugend ist dagegen die Regelung in § 59p Abs. 2 willigen Zulassung auch ohne Niederlassung bereits dann BRAO-E, nach der sich eine Berufsausübungsgesellschaft ent- eröffnen, wenn sie sich an einer deutschen Berufsausübungs- sprechend dem Vorschlag des Verfassers38 nur bei anwaltli- gesellschaft beteiligen möchte. Die notwendige einfache Er- cher Mehrheit als Rechtsanwaltsgesellschaft bezeichnen darf. reichbarkeit der ausländischen Gesellschaft könnte über die Hauptniederlassung der deutschen Berufsausübungsgesell- schaft sichergestellt sein. Bei Gesellschaften aus einem Mit- gliedstaat der EU dürfte das Erfordernis einer inländischen Niederlassung sogar europarechtlich problematisch sein, da es keine zwingenden Sachgründe gibt, für die – nationalen Gesellschaften offenstehende und damit grundsätzlich un- bedenkliche – Beteiligung eine Niederlassung in Deutschland 36 Referentenentwurf, S. 270: „Es soll jedoch nicht zulässig sein, dass ausländische Ge- zu verlangen. Für die Kontrolle ihres Gesellschafterkreises, sellschaften sich an Gesellschaften nach den §§ 59b und 59c BRAO-E beteiligen, § 59i um die es lediglich geht, da die Auslandsgesellschaft selbst in Abs. 1 BRAO-E ist daher von der Verweisung ausgenommen“. 37 BGH NJW 2002, 68. Deutschland gerade nicht tätig werden will, bedarf es jeden- 38 Die Entwurfsbegründung verweist insoweit auf Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 572, falls keiner ersichtlich sinnwidrigen Niederlassung. 584. 74 AnwBl Online 2021 Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler
Aufsätze 10. Neuregelung der Versicherungspflicht unter erleichterten 11. Die Neuregelung der Bürogemeinschaft Bedingungen für kleinere Gesellschaften Ein klarer Pluspunkt des Reformentwurfs ist die Regelung der Besonders positiv zu werten ist, dass der Referenten- Bürogemeinschaft, die gleich mehrere für die Praxis wichtige entwurf auch die überfällige Reform im Bereich der Neuerungen bringt. Zunächst enthält § 59q Abs. 1 BRAO-E Berufshaftpflichtversicherung in Angriff nimmt. Diese Neue- die überfällige Legaldefinition der Bürogemeinschaft. Sie wird rung ist den Verfassern/Verfasserinnen des Entwurfs derart umschrieben als Gesellschaft, „die der gemeinschaftlichen wichtig, dass sie ihr gleich zwei Vorschriften widmen. Zum Organisation der Berufstätigkeit der Gesellschafter unter ge- Ersten werden in § 59n BRAO-E entsprechend einer ausführ- meinschaftlicher Nutzung von Betriebsmitteln dient, jedoch lich begründeten Empfehlung des Verfassers39 alle Berufs- nicht selbst als Vertragspartner von rechtsanwaltlichen Man- ausübungsgesellschaften verpflichtet, eine Berufshaftpflicht- datsverträgen auftreten soll.“ Der Verfasser hatte nahezu versicherung abzuschließen und während der Dauer ihrer inhaltsgleich von einer Gesellschaft gesprochen, „die einer Betätigung aufrechtzuerhalten. Unterbleibt dies, sind die Fol- gemeinschaftlichen Organisation der Berufstätigkeit der Ge- gen einschneidend: Die Gesellschafter und die Mitglieder des sellschafter unter gemeinschaftlicher Nutzung von Räum- lichkeiten dienen, jedoch nicht selbst als Vertragspartner von Geschäftsführungsorgans haften persönlich in Höhe des feh- anwaltlichen Mandatsverträgen auftreten (Bürogemeinschaf- lenden Versicherungsschutzes (§ 59n Abs. 3 BRAO-E). Zum ten)“. Die engere Fassung (Räumlichkeiten statt Betriebsmit- Zweiten wird in § 59o BRAO-E eine gestaffelte Mindestversi- AnwaltsWissen tel) resultierte aus der (vorläufigen) Beibehaltung der in der cherungssumme mit folgenden Einzelheiten vorgegeben: Begründung allerdings kritisierten, derzeitigen Erstreckung ● Erstens: Als Grundsatz gilt eine Mindestversicherungssum- der für Berufsausübungsgesellschaften geltenden Anforde- me von 2.500.000 Euro für jeden Versicherungsfall für alle Be- rungen und Tätigkeitsverbote auf Bürogemeinschaften. So rufsausübungsgesellschaften mit einer rechtsformbedingten hatte der Verfasser darauf hingewiesen,40 dass ungeachtet der Haftungsbeschränkung im beruflichen Bereich (Kapitalgesell- näher ausgeführten, schon bei gemeinschaftlicher Nutzung schaften, PartG mbB, GmbH & Co. KG). von Räumlichkeiten bestehenden Bedenken die Erstreckung ● Zweitens: Für Berufsausübungsgesellschaften ohne rechts- der Tätigkeitsverbote aus §§ 43a Abs. 4, 45 BRAO verfassungs- formbedingte Haftungserleichterung beträgt die Mindestver- rechtlich jedenfalls dann unhaltbar sei, wenn aufgrund ge- sicherungssumme 500.000 Euro für jeden Versicherungsfall. trennter Räumlichkeiten selbst eine nur zufällige und un- ● Drittens: Für kleinere und neu gegründete Berufsaus- beabsichtigte Weitergabe von vertraulichen Informationen übungsgesellschaften gemäß erstens, also solche mit rechts- weitgehend ausgeschlossen ist. Die Erstreckung des Tätig- formbedingter Haftungsbeschränkung (der Gesetzesentwurf keitsverbots wäre in solchen Fällen als verfassungsrechtlich verweist hier aufgrund eines Redaktionsversehens auf Abs. 2 unzulässiges „Anscheinsverbot“ zu qualifizieren.41 statt auf Abs. 1), beträgt die Mindestversicherungssumme Durch den engen Begriff der Bürogemeinschaft sollte damit 1.000.000 Euro. Hinsichtlich der Voraussetzungen für diese zugleich der Anwendungsbereich der Tätigkeitsverbote einge- Privilegierung greift der Entwurf nahezu inhaltsgleich die schränkt werden. Zugleich hatte der Verfasser angeregt,42 die- Kriterien auf, die der Verfasser in dem von ihm vorgeschla- sen Aspekt in der anstehenden Diskussionsphase noch ein- genen § 59k Abs. 4 BRAO-E entwickelt hatte. Ziel ist es, klei- mal zu überdenken. Der Entwurf greift diese Anregung mutig neren Kanzleien und Existenzgründern die vernünftige Ent- auf und geht zu Recht noch einen Schritt weiter, indem er das scheidung insbesondere für die PartG mbB, aber auch für in § 59d Abs. 3 BRAO-E geregelte Tätigkeitsverbot bei Inter- die GmbH zu erleichtern. Sie scheitert, wie der Verfasser auf- essenkollisionen ausdrücklich von der Verweisung ausnimmt grund seiner eigenen langjährigen Erfahrung und aus Berich- und für § 45 BRAO ohnehin keine Erstreckung mehr vorsieht. ten von renommierten anwaltlichen Beratern weiß, die sich Damit blieb Raum für eine sachgerechte weite Fassung der auf die Beratung von Anwaltskanzleien spezialisiert haben, Legaldefinition, die allgemein auf die gemeinschaftliche Nut- nicht selten an den überhöhten Anforderungen an die Haft- zung von Betriebsmitteln abstellt. Es bleibt zu hoffen, dass pflichtversicherung in diesen Rechtsformen. Das gilt insbe- sich dieser Reformansatz gegen die vom Verfasser kritisierte, sondere dann, wenn die vernünftige Verwendung von – die von der Satzungsversammlung aber gerechtfertigte und im Gesellschaft begünstigenden – Haftungsbeschränkungen in Schrifttum vehement unterstützte43 Regelung in § 3 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 BORA durchsetzt. allgemeinen Mandatsbedingungen geplant ist, weil hier die Ausdrücklich zu begrüßen ist darüber hinaus die Öffnung Mindestversicherungssumme 10 Mio. Euro beträgt. Für die der Bürogemeinschaft für alle Berufe, die mit dem Anwalts- Ausgestaltung der Anforderungen an die Vergünstigung gibt beruf im Sinne von § 7 Nr. 8 BRAO vereinbar sind. Darf ein es im Grunde drei Wege, nämlich (1) das Anknüpfen an der Rechtsanwalt selbst einen bestimmten Zweitberuf ausüben, Gesellschafterzahl, wobei diejenigen Gesellschaften begüns- tigt werden, die mit einem hohen Leverage arbeiten, (2) eine Anknüpfung am Umsatz der Gesellschaft(er) oder (3) im Sin- ne einer strengen Lösung eine Verbindung beider Kriterien, die der Verfasser vorgeschlagen und nun auch der Referenten- entwurf aufgegriffen hat. Sie stellt einen angemessenen Man- 39 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 587 f. dantenschutz bei Schäden aus beruflichen Pflichtverletzun- 40 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 577. gen sicher, weil das Haftungsrisiko mit dem Umsatz steigt, 41 Dazu ausführlich Henssler, in: Henssler/Prütting (Fn. 16), § 3 BORA Rn. 15; Deckenbrock, vermeidet mit dem Zweijahreszeitraum mögliche Manipu- Strafrechtlicher Parteiverrat und berufsrechtliches Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, 2009, Rn. 505 ff., 522 ff., 621, 634; ders., NJW 2008, 3529, 3531 ff.; ders., lationen und wählt für die Berechnung des Jahresumsatzes AnwBl Online 2018, 209, 214 f. mit dem 30. Juni des auf die beiden Geschäftsjahre folgenden 42 Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 577. Jahres einen anwenderfreundlichen Stichtag, bis zu dem die 43 Vgl. zur Begründung SV-Mat. 12/2006, BRAK-Mitt. 2006, 213, 214; zustimmend etwa Träger, in: Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 3 BORA Rn. 13; Hartung, in: Hartung/ Ergebnisse des Vorjahres feststehen sollten. Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl. 2016, § 3 BORA Rn. 131. Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler AnwBl Online 2021 75
Aufsätze lässt sich nicht sachlich begründen, weshalb er keine bloße sellschaften hier noch keine Besserung vor, wohl aber der kurz Bürogemeinschaft mit einem solchen Berufsträger eingehen nach ihm veröffentlichte Regierungsentwurf zur Reform des sollte. Dem anwaltlichen Ansehen kann eine solche Zusam- notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschrif- menarbeit dann schwerlich schaden, eine Gefährdung der ten, der nun folgende Fassung des § 206 BRAO vorschlägt: anwaltlichen Unabhängigkeit ist nicht zu befürchten, da der „Personen, die in einem Mitgliedstaat der Welthandelsorga- Bürogemeinschaftspartner völlig außerhalb der Mandatsbe- nisation einen Beruf ausüben, der in der Ausbildung und den ziehung steht. Verstößen gegen die anwaltliche Verschwie- Befugnissen dem Beruf des Rechtsanwalts nach diesem Ge- genheitspflicht muss in der Bürogemeinschaft durch entspre- setz entspricht, sind berechtigt, sich in der Bundesrepublik chende Abschottungsmaßnahmen begegnet werden. Nach Deutschland unter der Berufsbezeichnung des Herkunfts- der Rechtsprechung muss der Rechtsanwalt schon derzeit staates zur Rechtsbesorgung auf den Gebieten des Rechts durch angemessene organisatorische, personelle und techni- des Herkunftsstaates und des Völkerrechts niederzulassen, sche Maßnahmen sicherstellen, dass er seine Berufspflichten wenn sie auf Antrag in die für den Ort ihrer Niederlassung einhalten kann.44 Der Referentenentwurf sichert die Einhal- zuständige Rechtsanwaltskammer aufgenommen sind.“ tung des Berufsrechts zusätzlich ab, indem er die nichtan- waltlichen Gesellschafter der Bürogemeinschaft unmittelbar Ergänzend bringt der neue § 207a BRAO-E die notwendige selbst zur Beachtung der für die Rechtsanwälte geltenden Be- umfassende Klärung der Rechtsdienstleistungsbefugnis und rufspflichten verpflichtet. Postulationsfähigkeit von Auslandgesellschaften und zwar Ebenfalls zutreffend verzichtet der Referentenentwurf auf sowohl für solche aus Staaten der WTO als auch für solche jegliche Beschränkungen für sonstige Kooperationsformen. aus Staaten, die kein WTO-Mitglied sind und für die zusätz- Die gleichen Erleichterungen gelten, das ist auch aus an- lich das sachgerechte48 Erfordernis der Gegenseitigkeit auf- waltlicher Sicht von Bedeutung, für Bürogemeinschaften von gestellt wird. Die Interessen des deutschen rechtsuchenden Steuerberatern. Damit sind Bürogemeinschaften von Rechts- Publikums und die der deutschen Rechtsanwaltschaft werden anwälten und Steuerberatern auch mit sonstigen Berufs- durch vier allgemeine (bei allen Beratungstätigkeiten) und trägern nunmehr möglich. Voraussetzung ist lediglich, dass drei besondere (bei Handlungen mit Bezug zum deutschen keine Unvereinbarkeit mit der Ausübung des Anwaltsberufs Recht) Kriterien gewahrt. So setzt die Rechtsdienstleistung der beziehungsweise des Berufs des Steuerberaters besteht. Gesellschaft im ausländischen Recht des Heimatstaates und Ein wesentlicher Unterschied zum Entwurf des Verfassers im Völkerrecht voraus, dass: bleibt. Der Vorschlag des Verfassers sah durch eine Verweisung ● ihr Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertre- ausdrücklich vor, dass auch Berufsausübungsgesellschaften tung in Rechtsangelegenheiten ist, sich mit Einzelpersonen oder anderen Berufsausübungsge- ● sie nach dem Recht des Mitgliedstaats ihres Sitzes zur Er- sellschaften in einer Bürogemeinschaft zusammenschließen bringung von Rechtsdienstleistungen befugt ist, können (vgl. § 59a Abs. 4 i.V.m. § 59b Abs. 3 BRAO Entwurf ● ihre Gesellschafter Rechtsanwälte oder Angehörige eines Henssler). Der Referentenentwurf geht in § 59q Abs. 1 BRAO der in § 59c Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAO-E genannten Berufe demgegenüber davon aus, dass sich nur „Rechtsanwälte“ mit sind und anderen Berufen zu einer Gesellschaft verbinden können. Ein ● sie durch die für den Ort ihrer Niederlassung zuständige Verweis auf eine entsprechende Anwendung des § 59i Abs. 1 Rechtsanwaltskammer zugelassen ist. S. 1 und 2 BRAO-E fehlt. Das sollte noch korrigiert werden, Unabhängig von ihrer Rechtsform bedarf die ausländische weil es sich insoweit um eine Verschlechterung gegenüber Gesellschaft damit bei einem Tätigwerden in Deutschland in dem geltenden Recht handelt. So hat der BGH bislang eine jedem Fall der Zulassung und hierfür einer Niederlassung. Bürogemeinschaft (GbR) zwischen einer Einzelanwältin und Sollen Rechtsdienstleistungen im deutschen Recht erbracht einer in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft geführ- oder ein Auftritt vor deutschen Gerichten erfolgen, müssen an ten Steuerberatungsgesellschaft nicht beanstandet.45 der Gesellschaft außerdem ● mindestens ein Rechtsanwalt als Gesellschafter beteiligt 12. Die Regelung der ausländischen (Nicht EU-) sein und Anwaltsgesellschaften ● dem Geschäftsführungsorgan Rechtsanwälte in vertre- Völliges Neuland gegenüber dem geltenden Recht betritt der tungsberechtigter Zahl angehören. Referentenentwurf mit der Regulierung der ausländischen ● Sie darf zudem nur durch Organe und Vertreter handeln, Anwaltsgesellschaften. Der für sie geltende Rechtsrahmen ge- die die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen ge- hört aktuell zu den großen Rätseln des anwaltlichen Berufs- setzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall er- rechts, was sich insbesondere angesichts des bevorstehenden füllen. Brexits als misslich erweist. Ende 2020 war immer wieder zu hören,46 dass einer UK-LLP ab dem 1. Januar 2021 im Falle eines „No-Deal-Brexits“ weder eine Rechtsdienstleistungsbe- fugnis noch eine Postulationsfähigkeit zustehe. Der Verfasser hat dies für die Rechtsdienstleistungsbefugnis bereits wider- legt. Die Postulationsfähigkeit einer Anwaltsgesellschaft aus einem nicht der EU angehörigen Staat lässt sich de lege lata 44 BGH NJW 2018, 1095 Rn. 38. aber in der Tat nicht begründen. Das geltende Recht schweigt 45 BGH NJW 2003, 3548, 3549. sich bislang zu den Befugnissen ausländischer Gesellschaften 46 Vgl. Pohl, KammerForum RAK Köln 3/2020, 65, 67 (inhaltsgleich auch in anderen Kam- mermitteilungen). Pohl ist der sehr renommierte und sachkundige Vorsitzende des Aus- vollständig aus. § 206 BRAO enthält nur eine Regelung des schusses Europa der BRAK, so dass seiner Aussage erhebliches Gewicht zukommt. ausländischen Einzelanwalts, die zudem bislang sprachlich 47 Aus der Entscheidung des BGH NJW 2003, 3706 ergibt sich allerdings, dass die Kam- mern bei deutscher Staatsangehörigkeit und Berufszulassung aus dem Nicht-EWR- verunglückt an der Staatsangehörigkeit anknüpft.47 Zwar sieht Raum schon bislang, auf unsicherer Rechtsgrundlage, eine Zulassung erteilen. der Referentenentwurf zur Reform der Berufsausübungsge- 48 So bereits der Vorschlag Henssler, AnwBl Online 2018, 564, 591. 76 AnwBl Online 2021 Die große BRAO-Reform kommt – ein gelungener Gesetzentwurf, Henssler
Sie können auch lesen