Die "Identitäre Bewegung" im Netz - Vielfalt-Mediathek
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Die "Identitäre Bewegung" im Netz Virales Online-Marketing für kaschierten Rechtsextremismus Stand: Dezember 2012 In Frankreich bereits seit 2002 aktiv, treten die "Identitären" die Beiträge vor allem gegen Muslime gerichteten Rassismus inzwischen auch in Deutschland in Erscheinung. Im Oktober und die Ideologie der "Neuen Rechten". 2012 erschienen mehrere Youtube-Videos der "Identitären" und wurden über rechtsextreme Webangebote verbreitet. Die Neue Rechte ist eine intellektuelle Strömung, die Vor allem der rapide Anstieg der Anzahl von Gruppen, seit den 1970er Jahren an Einfluss in der rechtsextre- Postings und Zustimmungen im Social Web zeigte schnell die men Szene gewann. Wichtiges ideologisches Element wachsende Bedeutung auch für junge User. ist das so genannte Konzept des "Ethnopluralismus". Dabei handelt es sich um einen ausgrenzenden Natio- Für Jugendliche besonders attraktiv: sloganartige Propagan- nalismus, der meist einhergeht mit Fremdenfeindlich- da, Spaßaktionen und gezielte Provokationen. Die vermeint- keit. Nationalsozialistisch geprägte Begriffe wie Rasse liche inhaltliche Offenheit verschleiert dabei den rechtsex- oder Lebensraum werden vermieden, stattdessen ist tremen Kontext. So erzielte die "Identitäre Bewegung die Rede von "Kultur" und "Ethnie". Völker können Deutschland" bereits nach acht Wochen mit ihrem Face- demnach ihre "kulturelle Identität" nur als ethnisch- book-Profil über 4.000 "Gefällt mir"-Klicks. Bilder und homogene Volksgemeinschaft und in ihren ange- Videos wurden auch auf rechtsextremen Profilen im Umfeld stammten Territorien bewahren. Menschen mit Migra- der Autonomen Nationalisten geteilt. tionshintergrund und andere "Heterogene" werden aus der Gesellschaft herausdefiniert und als abzuleh- nender "Fremdkörper" in Deutschland betrachtet. Eine solche Vorstellung widerspricht allgemeinen Men- schenrechten sowie demokratischen Grundsätzen. Bei ihren Aktionen vor Ort geben sich die "Identitären" jung, dynamisch und spontan. Erklärtes Anliegen ist es, eine "Marke" zu erschaffen – in ihren eigenen Worten: "Zielbestimmung: Bekannter als Coca Cola!". Viel genutzte Stilelemente sind Comicfiguren oder Bilder von jungen Menschen und Prominenten wie Brad Pitt. Mit Logo und Slogan der "Identitären" versehen, suggerieren die Fotos breite Akzeptanz und Unterstützung. Über 4.000 Likes für die "Identitären" bei Facebook "Identitäre" als Marke – jung, dynamisch Social Web – Virtuelle Aktionswelt der Spaß- und modern guerilla Wie viele rechtsextreme Bewegungen sind auch die "Identi- In eine Corporate Identity verpackt, setzen die "Identitären" tären" keine homogene Gruppierung: Beiträge im Netz sug- auf rebellisch anmutenden Aktionismus und Aktivitäten im gerieren zwar das Bild einer einheitlichen Gemeinschaft, das Stil der Spaßguerilla. Aktionen wie Flashmobs oder die ideologische Gerüst entstammt jedoch unterschiedlichen – Verbreitung ihres Logos über Aufkleber und Kreidebilder im auch rechtsextremen – Strömungen. Vorrangige Ziele sind öffentlichen Raum werden dokumentiert und umgehend ins der Kampf gegen "Multikulti" und der Erhalt einer angebli- Netz gestellt. Der Spaß an der rebellischen Geste steht dabei chen "ethnokulturellen Identität". Inhaltlich subtil, ver- im Vordergrund - die virtuelle Anhängerschaft honoriert das meintlich humorvoll und ästhetisch modern transportieren mit "Likes" und positiven Kommentaren.
Insbesondere auf Facebook und YouTube stellte jugend- Die Aktion wurde dokumentiert und der daraus entstandene schutz.net Angebote der "Identitären" fest. Die Videoclip bei YouTube mittlerweile über 20.000 Mal abgeru- Internetauftritte und Inhalte sind professionell gestaltet, die fen. In der Information zu dem Video ist erklärend zu lesen, Profile multimedial aufbereitet, jeder Beitrag mit Bild oder dass "Aktivisten der Identitären Bewegung (…) gegen Multi- Video versehen. Vereinheitlichendes Element ist das Logo kulti und Islamisierung" protestierten, verbunden mit dem der "Identitären": ein stilisiertes Lambda (elfter Buchstabe vermeintlichen Bedrohungsszenario "Eure Multikulti- des griechischen Alphabets) im Kreis, Farbkombination in Ideologie macht aus Deutschland ein Kalifat!" der Regel gelb-schwarz. Auch die erste deutschsprachige Version eines französischen Inhaltliche Positionierungen werden auf den Online- Videos mit dem Titel "Multikulti: 'Eine Kriegserklärung' von Angeboten durch Grafiken aufgelockert. Mit Slogans wie der französischen Jugend" erreichte innerhalb weniger Wo- "100 % Identität, 0 % Rassismus" verleugnet die "Identitäre chen über 10.000 Klicks. Darin greifen die "Identitären" Bewegung" ihr völkisches Weltbild (s.u.) und strebt nach gezielt alltagsrassistische Klischees auf, stellen Jugendliche breiter Zustimmungsfähigkeit. Materialien und Beiträge als Opfer der multikulturellen Gesellschaft dar und rufen sollen Mainstream-kompatibel sein und sprechen in ihrer zum Widerstand auf. Ästhetik besonders Jugendliche an. Konkret heißt es: "Wir sind die Generation, die man tötet, Die Strategie der Akteure, insbesondere auf das Verbrei- weil sie die falsche Person ansieht, weil man eine Zigarette tungs- und Mobilisierungspotenzial des Social Web zu set- verweigert oder dafür eine Meinung zu haben, die jeman- zen, ging auf: Innerhalb weniger Wochen war auf dem Profil dem nicht gefällt. Wir sind die Generation der ethnischen der "Identitären Bewegung Deutschland" die Gründung von Spaltung, des totalen Versagens von Koexistenz und der zeitweilig knapp 50 virtuellen Ortsgruppen zu erkennen, die erzwungenen Mischung von Rassen." eigene Facebookgruppen erstellt hatten. Verschleierter Rassismus – hohe Reichweite im Netz Ihre Aktionen inszenieren die "Identitären" online wie off- line als spaßige Events, um ihre rassistischen Botschaften zu verbreiten: Beispielsweise wurde die Eröffnungsveranstal- tung der "Interkulturellen Woche" in Frankfurt am Main von vier maskierten Jugendlichen gestört, die mit einem Ghet- toblaster den Veranstaltungssaal stürmten und durch laute Bass-Musik und mit "Identitäre"-Schildern auf sich auf- merksam machten. Einer der Slogans lautete provokant: "Multikulti wegbassen". Mobilisierung alltagsrassistischer Ängste via YouTube Ethnokulturelle Identität – Bezug auf völki- sche Ideologie Die "Identitären" behaupten, weder rassistisch noch rechts- extrem zu sein und grenzen sich gegen die verschiedenen Spektren der Neonaziszene ab, um als neuartige Bewegung zu erscheinen. In dieser bewussten Abgrenzung greifen sie auf Strategien zurück, die von der "Neuen Rechten" (s. Kas- ten S. 3) geprägt wurden. Slogans wie "identitäre Demokratie" oder "ethnokulturelle Identität" erscheinen weitgehend harmlos und interpretati- onsoffen. Gemeinhin positiv besetzte Begriffe wie Demokra- Flashmob der "Identitären": mit wenigen Teilnehmern über 20.000 tie, Kultur und Identität werden neu definiert oder umge- Zuschauer im Netz erreicht wertet. In einer Stellungnahme beschreiben die "Identitären" ihr Anliegen: "Identitär zu sein heißt für uns, mit vollem Einsatz Themenpapier Die "Identitäre Bewegung" im Netz, Dezember 2012, 2 / 3
für den Erhalt unserer ethnokulturellen Identität einzutre- Keine unzulässigen Inhalte – Sensibilisierung ten. Unsere Identität ist für uns das Zusammenspiel aus nötig unserer tradierten Kultur, unserem Bewusstsein, eine ho- mogene, verwandte Gemeinschaft zu sein sowie der ge- Die "Identitären" sind im deutschsprachigen Raum derzeit meinsamen Erinnerung an ihren Weg durch die Zeit." vor allem eine virtuelle Strömung. Der marginalen Aktivis- tenzahl im realen Leben stehen jedoch eine hohe Anhän- Folgt man diesem Gedankengang, wird mit der Betonung gerschaft im Internet und die große virtuelle Reichweite von Homogenität und Verwandtschaft eine Gemeinschaft gegenüber. Durch neue Symbole und Begriffe gelingt es der konstruiert, die nicht an gemeinsame Werte wie Demokratie Bewegung bisher, sich relativ erfolgreich als ein von neona- und Menschenrechte gebunden ist, sondern ein Abstam- zistischen Organisationsformen abweichendes Phänomen zu mungsprinzip zugrunde legt. Eine solche Gemeinschaft verkaufen. schließt zwangsläufig Menschen mit Migrationshintergrund, Juden oder Sinti und Roma unabhängig von ihrer Staatsan- Die Stilisierung von scheinbar belanglosen Aktivitäten zu gehörigkeit aus. Damit unterscheidet sich die "ethnokultu- einem Event sowie das rebellische, junge und dynamische relle Identität" nicht von der rassistischen, nationalsozialis- Auftreten bergen ein niedrigschwelliges Aktions- und Mobi- tisch geprägten Idee der Volksgemeinschaft. lisierungspotential. Verbunden mit einem stark ästhetisier- ten Auftreten und interpretationsoffenen Inhalten besteht die Gefahr, dass sich hier auch Jugendliche angesprochen fühlen, die nicht aus dem rechtsextremen Spektrum kom- men. Hinter der "Identitären Bewegung Deutschland" steht jedoch eine menschenverachtende Ideologie, die auf rassis- tische und demokratiefeindliche Positionen aufbaut. Keines der von jugendschutz.net gesichteten Angebote war unzulässig, so dass derzeit keine medienrechtliche Handha- be besteht. Das popkulturelle Auftreten, mit dem sich die Akteure zuvorderst an Jugendliche wenden, sowie der un- terschwellige Rassismus erfordern jedoch die Sensibilisie- rung, Dechiffrierung und Dekonstruktion der Zielgruppe im Rahmen medienpädagogischer Prävention. Die "Identitären" streben nach Anschlussfähigkeit durch Abgrenzung von Neonazis Gefördert durch: Themenpapier Die "Identitäre Bewegung" im Netz, Dezember 2012, 3 / 3
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