Die letzte Entscheidungsinstanz sollte der Mensch bleiben
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DAS FACHMAGAZIN FÜR PERSONALVERANTWORTLICHE AUSGABE 4.2020 / € 9,80 www.dgfp.de „Die letzte Entscheidungsinstanz sollte der Mensch bleiben“ IBM-Arbeitsdirektor Norbert Janzen über die Anwendungsfelder Künstlicher Intelligenz in HR Mehr als Effizienzsteigerung Themenschwerpunkt: Digital HR
2 INHALT AUSGABE 4/2020 12 Evidenz entscheidet Zu viel Technikgläubigkeit kann Personaler blind ma- chen. Damit die HR-Digitali- sierung tatsächlich funktio- niert, müssen Unternehmen mehr wissen über die Inter- aktionsbedürfnisse der Be- schäftigten – und einen da- tengetriebenen, wissen- schaftlich basierten Wertschöpfungsapparat aufbauen. 20 Treuer Begleiter Das HR-Portal Companion macht die Di- gitalisierung in der Commerzbank für die Mitarbeiter erlebbar, weil ein Großteil von ihnen ständig damit arbeitet. Wichtig ist das kontinuierliche Feedback der Zielgruppe. Digital HR Der Schwerpunkt im Überblick 10 AKTUELLES THEMENSCHWERPUNKT 04 EVIDENZ TO GO 12 CHANCEN UND RISIKEN Was ist gutes Feedback? Wolfgang Appel, Saarbrücken / Michael Wahler, München 06 KURZ GESAGT Geschlechtergerechtigkeit in Toppositionen, 20 NEUES HR-PORTAL Coronavirus trifft auch das Personalmanage- DER COMMERZBANK ment, DGFP und Haufe Akademie kooperie- Daniel Schmitt, Frankfurt/M. ren, DGFP // Hauptstadtdialog im Zeichen der Covid-19-Pandemie 28 PEOPLE ANALYTICS Martin Kersting, Gießen 36 CARL HILFT SIEMENS- BESCHÄFTIGTEN Sabine Rinser-Willuhn, München 42 DIGITAL HR Materialien für die Personalarbeit
3 28 Ethisch positionieren Noch hat die HR-Profession Gelegenheit, ihre digitale Zukunft aktiv zu gestalten – sofern sie es schafft, sich in der Debatte um People Analytics ethisch zu positionieren. HR ist und bleibt Arbeit „von Menschen für Menschen“. 36 Schlau dank Chatbot Mehr als 280 000 Siemens-Mitarbeitende in 20 Ländern nutzen die HR-Plattform CARL. Der integrierte Chatbot verzeichnet jeden Monat 60 000 Interaktionen zu 290 Themen. HERAUSGEBER-INTERVIEW FACHBEITRÄGE NETZWERK 44 DER MENSCH HAT 50 DIGITAL SCOUTS 76 HR PERSÖNLICH DAS LETZTE WORT Das Projekt „ManKom – Management Siegfried Russwurm, Markus Grolms, Künstliche Intelligenz sei immer nur so gut von Kompetenzverschiebungen“ des Sabine Maaßen, Claudia Hartwich, Markus wie das Datenmaterial, mit dem sie arbeite, Bildungswerks der Niedersächsischen Köhler, Margret Suckale, Anke Felder, betont Norbert Janzen, Geschäftsführer Per- Wirtschaft fördert den Erfahrungsaustausch Michael Glowatzki, Heinz K. Junker, sonal und Arbeitsdirektor von IBM Deutsch- zur Digitalisierung. Julia Kranenberg, Frank Aigner land: „Wenn ich einen Mehrwert erzielen Tobias Lohmann, Hannover möchte, ist es wichtig, viele Datenquellen zu 79 DGFP-MITGLIED IM PORTRÄT nutzen. Dann entfaltet die KI ihre ganze Stär- 56 LEITMOTIV AUGMENTATION Voith Group ke. Wichtig ist auch, dass KI immer nur eine Der digitale Reifegrad ist in vielen Unterneh- Empfehlung gibt. Die letzte Entscheidungsin- men noch gering. Eine empirische Studie der Universität St. Gallen und der DGFP zeigt, SERVICE stanz sollte der Mensch bleiben.“ Norma Schöwe, Frankfurt/M. / Werner Kipp, wie die Personalentwicklung wichtige Kom- 78 BILDNACHWEISE Berlin petenzen im Sinne einer Augmentationsstra- 64 BÜCHER Kurzrezensionen, tegie aufbauen kann. Autorengespräch: Ursula Wawrzinek Sabine Seufert / Josef Guggemos / 01 EDITORIAL Christoph Meier, St. Gallen / Kai H. Helfritz, 78 INSERENTEN Frankfurt/M. 68 RECHT Lohnsteuerrecht, Arbeitsrecht, Aktuelle Rechtsprechung 07 TERMINE 80 VORSCHAU / IMPRESSUM
12 SCHWERPUNKT D I G I T A L H R Chancen und Risiken der HR-Digitalisierung Das Ziel muss mehr als nur Effizienzsteigerung sein Die Digitalisierung von HR müsse für deren Kunden einen echten Mehrwert bringen, fordern Profes- sor Wolfgang Appel (htw saar) und der Berater Michael Wahler. Bei der Digitalisierung sei auf die Akzeptanz der Führungskräfte zu achten. Die hätten bei vergangenen Automatisierungen von Prozessen in HR nämlich nicht selten die Erfahrung gemacht, am Ende mehr Aufgaben bewältigen zu müssen. Appel und Wahler plädieren dafür, evidenzbasiert zu erkunden, was Bewerber und Mitar- beiter von digitalen HR-Prozessen erwarten und welche Rolle die persönliche Kommunikation noch spielen soll. Deren Qualität könnte am Ende den Ausschlag geben, für welches Unternehmen sich Beschäftigte langfristig entscheiden. PERSONALFÜHRUNG 4/2020
14 SCHWERPUNKT D I G I T A L H R S eitdem ich meine IT-Projekte, für die sich jahrelang keiner matisierung zumindest für Standard- interessiert hat, mit dem Label ‚Digitalisierung‘ versehe, profile in wenigen Jahren ohne die Be- hört mir der Personalvorstand wieder zu“, entfuhr es dem teiligung eines Personalers auskommen HR-IT-Leiter eines Großunternehmens im Rahmen unserer Un- könnte. Im Bereich der (Erst-)Qualifi- tersuchungen über den Status quo der HR-IT (Appel / Wahler zierung und Weiterbildung wird der 2018). Für den HR-Manager mag das eine tolle Chance sein, das Übergang zum „Social Learning“ und Zitat zeigt jedoch, dass unter dem schillernden Begriff Digitali- zum Lernen mit automatisierten Lern- sierung so manche – und sei sie auch seit noch so langer Zeit im empfehlungen und adaptiven Lernplatt- Einsatz – Technologie und Managementmode als zukunftswei- formen vollzogen (Spies 2019). DIE AUTOREN PROF. DR. WOLFGANG APPEL ▶ lehrt Personalmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar), Saarbrücken. ▶ wolfgang.appel@htwsaar.de MICHAEL WAHLER ▶ ist mit der Beratung WAHLER HR auf die Themen HR-Organisation, -Prozesse und -Digitalisierung spezialisiert, München. ▶ mwahler@wahler-hr.com sender (digitaler) Trend bezeichnet wird. In dem Die Idee des papierlosen Büros wird meist nur geträumt und begleitet von (unausgespro- folgenden Beitrag wollen chenen) Visionen eines mitarbeiterfreien Büros. wir ausgehend von einem umfassenden Begriffsverständnis den Status quo, die Vorausset- 3. Big Data in der digitalen Personalar- zungen sowie Wirkungen der Digitalisierung von HR beschrei- beit bedeutet eine gewaltige Zunah- ben – und Erwartungen an diese kritisch hinterfragen. me der Menge, Heterogenität, Ver- änderungsgeschwindigkeit und Kom- FÜNF DIMENSIONEN VON DIGITAL HR plexität von Daten und deren Bezie- hungen untereinander. So kann etwa Wir plädieren in der Diskussion über digitales Personalmanage- der Mailverkehr in Unternehmen da- ment für eine umfassende Sichtweise, die folgende fünf Dimen- hingehend ausgewertet werden, wer sionen umfasst (Appel / Wahler 2018) (Abb. 1). Diese stehen be- die informellen Know-how-Träger dingt durch technologische Innovationen auf der einen und die der Organisation sind. Bedürfnisse und Erwartungen der HR-Kunden auf der anderen 4. Die Strukturen der Personalarbeit wer- Seite unter ständigem Veränderungsdruck: den sich verändern. So wird etwa der 1. „Natürlich“ sind zunächst die Werkzeuge zu nennen: etwa Trend zum Outsourcing durch Pro- mobile Endgeräte, aber auch Sensoren, mit denen Leistung zessstandardisierung stark zunehmen. im gewerblichen Bereich messbar wird, sowie Software wie Verbunden mit der zunehmenden Cloudlösungen. Knappheit von Personalexperten im 2. Alle HR-Prozesse werden – in unterschiedlichem Ausmaß – mittleren Qualifikationssegment wird von der Digitalisierung betroffen sein. An erster Stelle wird dies zudem Offshoring stark begün- häufig der Rekrutierungsprozess genannt, der mittels Auto- stigen. PERSONALFÜHRUNG 4/2020
15 5. Digitalisierung wird eine umfassende fektivitätssteigerung der HR-IT gearbei- Human Digitalisation: Noch schwieriger Veränderung von Führung auslösen. tet, um die Unternehmensziele besser zu zu gestalten ist die Dimension Human Führungskräfte müssen sich noch stär- unterstützen. Hier können Themen wie Digitalisation. Hier experimentieren vie- ker als bisher mit der Führung fachlich Machine Learning und HR Analytics ge- le Unternehmen, etwa mit Chatbots im heterogener, dezentralisierter und „vir- nannt werden. Rekrutierungsprozess. In einer noch un- tueller“ Teams auseinandersetzen, eben- veröffentlichten Studie haben wir an der so mit individuellen Arbeitsweisen und An einem realen Beispiel möchten wir je- htw saar schriftliche Chatverläufe von Be- mit unterschiedlichen Arbeitszeiten. doch die Schwierigkeiten einer tatsächli- werbern einerseits mit Rekrutern und an- Flankiert werden muss diese Entwick- chen Effektivität neuer Technologien im dererseits mit Chatbots verglichen. Die lung durch Kulturarbeit zur Förde- rung der Offenheit gegenüber agilen Strukturen und Methoden. MEHRWERT SCHAFFEN Welcher Nutzen kann mit der HR-Digi- talisierung verbunden sein? Wir haben dazu eine Matrix mit den Dimensionen „HR- Digitalisierung“ und „Human Digitalisa- tion“ (Anderson / v. Rohrscheidt / Kraus 2016) erstellt. Unter HR-Digitalisierung ist die Automatisierung von HR-Prozessen und -Leistungen zu verstehen. Human Di- gitalisation meint, Menschen und neue Ar- beitswelten sowie -methoden in Einklang zu bringen, etwa durch den Aufbau digi- taler Kompetenzen und einer digitalen (Führungs-)Kultur. Werden die Gestal- tungsdimensionen mit den Zielen der Ef- Der Personaler der Zukunft muss keine Programmiersprache beherrschen. Was als notwendige IT-Kenntnisse von HR-Mitarbeitern bezeichnet wird, umfasst die Konfiguration von Systemen – fizienz („die Dinge richtig tun“) und Ef- manche sagen auch das „Setzen von Schiebereglern“ –, aber eben nicht Programmierung. fektivität („die richtigen Dinge tun“) ver- knüpft, ergeben sich vier relevante Cluster HR-Umfeld aufzeigen: Eine Großbank Testpersonen haben mit hoher Signifi- (Abb. 2). analysierte, welche Kompetenzen bei Ver- kanz richtig erkannt, welche Kommuni- triebsmitarbeitern im Privatkundengeschäft kation von Menschen und welche von HR-Digitalisierung: Klassisches HR-IT-Ge- zum Erfolg führten, um daraus Anforde- Maschinen stammten. Sie fanden überra- schäft – das klingt unattraktiv, ist aber rungen an Nachwuchskräfte und Hinwei- schenderweise die Antworten der Maschi- nach wie vor das „Brot- und Butter-Ge- se für die Rekrutierung zu erhalten. Ergeb- nen besser, weil die kürzer, treffender und schäft“ der HR-IT-Funktion. Aktuell bin- nis der Analyse war, dass diejenigen Ver- klarer waren. det die Einführung eines HR-Cloudsys- triebler am erfolgreichsten waren, die zu tems die meisten Ressourcen, dann folgen den Kunden eine regionale Verbundenheit ZUM STAND DER Projekte zur durchgängigen Digitalisierung besaßen. Wird dieses in der Vergangenheit DIGITALISIERUNG VON HR von Prozessen mittels rechtsverbindlicher erfolgreiche Kriterium in einer mobilen Be- digitaler Unterschriften sowie von außer- völkerung mit starken Wanderungsbewe- Häufig stellen wir eine Korrelation zwi- halb einer Firewall erreichbarer Mailan- gungen und einer immer geringeren Bin- schen Unternehmensgröße und Grad der wendungen für Bewerber und gewerbliche dung an die Region auch in Zukunft Er- Digitalisierung fest. Auch wenn es dazu Mitarbeiter. Die Idee des papierlosen Bü- folg versprechen? Beck / Prinz (2017) ver- prominente Ausnahmen geben mag, so ros wird weiterhin meist nur geträumt und weisen im Kontext von Big Data auf das sind doch insbesondere kleine und mittel- begleitet von (unausgesprochenen) Visio- oft unbeachtete Problem irreführender Kor- ständische Unternehmen vielfach noch mit nen eines sogar mitarbeiterfreien Büros. In relationen bei fehlenden theoretischen Zu- On-Premise-Systemen, Excel und Papier Piloten wird an Möglichkeiten einer Ef- sammenhängen. ausgestattet. Dies ist insbesondere dann der PERSONALFÜHRUNG 4/2020
16 SCHWERPUNKT D I G I T A L H R UMFASSENDES MODELL DER DIGITALISIERUNG VON HR Hardware Auswahl · Devices · Global · Sensoren · Durchgängig Software Hilfsmittel · Externe Systeme · Digitale Unterschrift · Einheitliche Oberflächen · Wissensdatenbanken · Cloud E PRO UG ZE KZE S R SE E W TECHNOLOGISCHE BEDÜRFNISSE UND INNOVATIONEN NUTZEN ERWARTUNGEN „technology-push“ Standards VON MITARBEITERN STRUKTU Compliance „market-pull“ Kultur Rollen NG Zeit und Kosten Strategie Kultur Kompetenzen HRU Leadership Organisation RE FÜ N DATE N Quantitativ, Qualitativ Datenschutz / Informationsschutz Zugang / Darstellung für MA, FK, Experten Quelle: Appel / Wahler Abb. 1 Fall, wenn der Fokus von HR auf admi- das Wissensmanagement sowie Auftrags- von Sprachanalyse in der Personalarbeit. Über nistrativen Themen liegt. Rücken strategi- managementsysteme zur Dokumentation die Qualität sprachanalytischer Verfahren sche HR-Themen – wie Recruiting, Ta- und Bearbeitung von Fragen und Aufga- speziell in der Eignungsdiagnostik wird ak- lent- und Performance Management – in ben der HR-Kunden in den Fokus. tuell kontrovers diskutiert (Kersting 2019). den Mittelpunkt, werden HR-Cloudsyste- Im Bereich der Personalbetreuung können me wie Workday, SuccessFactors, Perso- Als spezialisierte Lösungen in der Cloud sind Sprachsysteme in größerem Umfang Arbeits- nio oder andere eingeführt. Tools wie PeopleDoc, Neocase und Aconso leistung substituieren. In Verbindung mit zu nennen. Dies ist keine vollständige Liste der Funktionalität einer Wissensdatenbank Diese Cloudsysteme ermöglichen umfang- der Möglichkeiten, die die neuen Techno- werden noch in diesem Jahrzehnt Rechner- reiche Self Services für Mitarbeiter und Füh- logien der Personalabteilung bieten können. systeme in natürlicher Sprache mit Mitar- rungskräfte und in Verbindung mit digita- Der Markt ist sehr breit und nicht jede Lö- beitern kommunizieren und beispielsweise len Workflows eine signifikante Entlastung sung passt zu jedem Unternehmen. Die Un- Fragen zu Auszahlungszeitpunkten oder der HR-Funktion von datenerfassenden Tä- terstützung durch externe Experten kann hel- Mehrarbeitszuschlägen beantworten. tigkeiten. Aber auch die Erstellung, Freiga- fen, die richtige Auswahl zu treffen und Fehl- be und Signatur von Dokumenten mit investitionen und Misserfolge zu vermeiden. AKZEPTANZ Tools wie AdobeSign oder DocuSign und DER DIGITALISIERUNG die Ablage in einer elektronischen Akte ge- Zusätzlich halten immer mehr Themen der hören zu den aktuell häufig anzutreffenden Human Digitalisation Einzug in die Unter- „Warum muss ich als Führungskraft Daten Digitalisierungsprojekten. Zunehmend rü- nehmen (Petry / Jäger 2018). So arbeiten im System erfassen? Ist das nicht die Aufga- cken auch Themen wie Datenbanken für verschiedene Start-ups an der Anwendung be eines HR-Sachbearbeiters?“, fragen häu- PERSONALFÜHRUNG 4/2020
17 GESTALTUNGSDIMENSIONEN DES DIGITALEN PERSONALMANAGEMENTS der automatisiert durch die Anwendung füh- ren, weitgehend vermieden werden. GESTALTUNGSDIMENSIONEN Abbildung drei zeigt das Akzeptanzmodell HR-Digitalisierung Human Digitalisation der Digitalisierung für die Zielgruppen WIRKUNGSART Effektivität Erweiterungsfeld Neuland z. B. Predictive Analytics vom Digitalen her erklärte Mitarbeiter, Führungskräfte und Persona- Kultur- und Orgformen ler. „Verhalten“ meint dabei die Bereit- Effizienz Klassisches HR-IT-Geschäft Experimentierfeld schaft der Mitarbeiter und Führungskräf- z. B. Self Services z. B. Chatbots, Stimmerkennung und Workflows zur Persönlichkeitsanalyse te, mit den neuen Anwendungen zu arbei- ten, während „Verständnis“ auf die Ein- Quelle: Appel / Wahler Abb. 2 sicht in Vorteile und Notwendigkeiten zur Veränderung abzielt. Fähigkeiten zur rich- AKZEPTANZMODELL DER DIGITALISIERUNG tigen Nutzung der Anwendungen, die im nachfolgenden Abschnitt näher beschrie- ben werden, sowie Digital Leadership run- den den Handlungsrahmen ab. Fähigkeiten DIGITALE KOMPETENZEN – R DIGITAL LITERACY DE M Mitarbeiter Kommunikation OL AS EH SN Führungskräfte Training AK AH ST Der Personaler der Zukunft muss keine M Human Resources Organisationsentwicklung EN / N PO Programmiersprache beherrschen. Was in PE DIGITALISIERUNG RT UP FO der Diskussion als notwendige IT-Kennt- GR LI EL O ZI nisse von HR-Mitarbeitern bezeichnet wird, umfasst die Konfiguration von Systemen – Verständnis PHASEN Verhalten manche sagen auch das „Setzen von Schie- Analyse & Vorbereitung Projektumsetzung Livebetrieb bereglern“ –, aber eben nicht Programmie- rung. Personaler werden daneben als Ma- Quelle: Appel / Wahler Abb. 3 nager der Schnittstelle zu den IT-Fachein- heiten gefordert sein. Die dazu notwendi- fig Führungskräfte, wenn Self Services ein- ge zu ihrer Entgeltabrechnung einen per- gen Kompetenzen lassen sich in drei Be- geführt werden sollen. Bei bisherigen Auto- sönlichen Kontakt bevorzugen würden. reiche einteilen, aus deren Kombination matisierungsschüben von HR wurde stets die Voraussetzung für Effizienz und Effek- mit einer Entlastung der Führungskräfte ar- Angesichts der Sorge vor Überlastung und tivität digitaler Personalarbeit entsteht: gumentiert. Tatsächlich erlebten diese jedoch dem Wunsch nach persönlicher Kommuni- ▶ Technologische Fähigkeiten: Darunter eine Verdichtung ihrer Tätigkeit unter gleich- kation scheint die Digitalisierung von HR- sind Kenntnisse transformativer Techno- zeitigem Wegfall von Unterstützungsressour- Prozessen primär von HR gewünscht zu logien wie Blockchain oder userzentrier- cen in dienstleistenden Einheiten. So man- sein – und weniger von den Kunden der ter Entwicklung ebenso einzuordnen wie che Führungskraft begegnet den Digitalisie- HR-Funktion. Um die Akzeptanz der HR- Verfahren zur Analyse komplexer Daten rungskampagnen in HR daher misstrauisch. Digitalisierung zu erhöhen, müssen deren mittels Künstlicher Intelligenz (Kirchherr Vorteile daher für Mitarbeiter und Füh- et al. 2018). Es ist nicht notwendig, dass Daneben empfinden Mitarbeiter und Füh- rungskräfte eindeutig und gruppenspezifisch Personaler zukünftig solche Technolo- rungskräfte die persönliche Interaktion mit dargestellt werden. Es sollte ein umfassen- gien gestalten können, sie sollen aber de- HR weiterhin als die bessere und dem We- der Change-Ansatz zur Begleitung der Di- ren Potenzial abschätzen, Risiken, Kos- sen der Personalarbeit auch angemessene- gitalisierung angewandt werden. Darin müs- ten und möglichen Nutzen beschreiben re Kommunikationsform – und dies oft sen Mehrwerte herausgearbeitet und persön- sowie das alles vermitteln können. selbst bei rein administrativen Anliegen. lich vermittelt werden. Das klassische An- ▶ Digitale Schlüsselqualifikationen: Dazu Eine noch unveröffentlichte Studie der wendungstraining kann durch Zusatzpro- gehören Fähigkeiten des digitalen Ler- htw saar zeigt, dass Studierende mit Blick gramme, so genannte In-System-Guides wie nens, der Kollaboration in verteilten auf ihre Berufstätigkeit selbst für eine Fra- Walkme oder Userlane, welche die Anwen- Organisationen und Data Literacy. Die- PERSONALFÜHRUNG 4/2020
18 SCHWERPUNKT D I G I T A L H R Journey. In diesen Teams mischen sich fachliche Anforderer, also Prozess- und Pro- duktexperten aus zentralen und regionalen HR-Funktionen, und IT-Umsetzer. In der Phase ihrer Einführung werden die Orga- nisationsformen von den Mitarbeitern als sehr belastend empfunden. Neben diesen fundamentalen Änderungs- vorschlägen ist festzustellen, dass infolge der Digitalisierung innerhalb bestehender HR- Strukturen evolutionäre Fortentwicklungen stattfinden. In vielen Unternehmen entste- hen beispielsweise spezialisierte Einheiten für HR Data Scientists. Daneben bleibt die Grundstruktur des HR-Managements zur Ausgestaltung der Kundenanforderungen an der Schnittstelle zu internen wie externen Dienstleistern unverändert. Mitarbeiter und Führungskräfte empfinden die persönliche Interaktion mit HR als die bessere und dem Wesen der Personalarbeit auch angemessenere Kommunikationsform. GEDANKEN ZUR WEITEREN ser viel genutzte Begriff beschreibt grund- eine Adaption von Organisationsmodellen ENTWICKLUNG legende digitale Skills wie den sorg- der IT-Funktion vorgeschlagen. Die IT un- samen Umgang mit persönlichen Da- terscheidet zum einen zwischen Run- und Das Personalmanagement der Zukunft muss ten oder den Umgang mit gängiger Change-Einheiten: Die einen betreiben Sys- sich viel stärker als einen datengetriebenen, Software. Aus vielen Erfahrungen in teme, spielen Softwareaktualisierungen ein wissenschaftlich basierten Wertschöpfungs- der Lehre wissen wir, dass Digital Na- und sorgen für Datensicherheit. Die ande- apparat verstehen. Die Personaler gehen tives zwar Smartphones bedienen kön- ren entwickeln in Projekten die Anwendun- zwar davon aus, dass die Digital Natives un- nen, sie aber beispielsweise die Anlage gen fort. Als zweite Achse tritt die Unter- ter den Bewerbern und Mitarbeitern sich einer Verzeichnisstruktur in einem Da- scheidung in Front- und Backend hinzu. auch ein digitales Personalmanagement wün- teimanager überfordern kann. schen, und beginnen, die Employee Jour- ▶ Arbeitsweise: Viele IT-Funktionen erle- Übersetzt auf die HR-Welt bleibt aus dem ney entsprechend zu gestalten. Aus Sicht ben, dass ihre Auftraggeber aus HR bei- Dreisäulenmodell der HR-Partner, der er- von Wissenschaft und Beratung geben wir spielsweise nicht nach Scrum, sondern gänzt wird durch einen HR-Consultant. Die- aber zu bedenken, dass evidenzbasiert noch immer noch nach klassischen Wasserfall- se Aufteilung findet sich bereits in vielen Un- zu wenig über die Wirkungsweise unter- methoden arbeiten. Viele Auftraggeber ternehmen, da der rein strategische Business schiedlicher Interaktionskanäle bekannt ist. lassen sich ungern in aufwendige wöchent- Partner eine zu eng gefasste Rolle ist, die den Damit aus der Digitalisierung tatsächlich liche Abstimmungen mit den Product Bedarf von Führungskräften an Unterstüt- Effektivität entsteht, müssen wir mehr wis- Ownern hineinziehen. Die Gestaltung der zung nicht erfüllt. Im Backend findet sich sen über die Interaktionsbedürfnisse der Be- Schnittstelle zwischen hierarchisch sowie der HR-Experte, der sich in Shared Services schäftigten. Sonst wird die HR-Digitalisie- prozessorientiert organisierten Kunden bewährt hat und ergänzt wird um einen rung zum Instrument der Effizienzsteige- (den Personalern) und agilen, netzwerkar- Change-Experten für HR-Digitalisierung. rung und des Personalabbaus degenerieren. tigen Lieferanten (der IT) setzt seitens Leider wird dieses Modell in der aktuellen HR ein profundes Wissen über die von Fachdiskussion zu wenig aufgegriffen. Zu viel Technikgläubigkeit kann die Per- IT genutzten Methoden voraus. sonaler blind machen. So manche HR-Ana- Manche experimentierfreudige Organisa- lytics-Anwendung erinnert an eine Fitness- DIGITALE HR-ORGANISATION tion versucht sich an agilen und damit auch App, die dem Benutzer sagt, ob er in der virtuellen Strukturen. In einer Großbank Nacht einen erholsamen Schlaf hatte. Eine Jochmann / Asgarian (2017) haben zur Fort- etwa reihen sich multidisziplinär zusam- durch Erfahrungswissen mit geringem Auf- entwicklung des Dreisäulenmodells für HR mengestellte Teams entlang der Employee wand ermittelbare Erkenntnis wird wo- PERSONALFÜHRUNG 4/2020
Sie können auch lesen