Die politische Ökonomie des Bergbaus in der Demokratischen Republik Kongo - Vorwissenschaftliche Arbeit
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Vorwissenschaftliche Arbeit Die politische Ökonomie des Bergbaus in der Demokratischen Republik Kongo verfasst von: Kobermaier Ben 8AG Betreuer: Gerald Hödl Abgabe: 25.02.2021 1
Abstract Der kongolesische Bergbau ist ein Hotspot für den weltweiten Rohstoffhandel und auch für jahrzehntelanges Kriegsgeschehen in Zentralafrika. Durch einen historischen Rückblick, vom präkolonialen Kongo über die belgische Kolonialherrschaft und die erste Republik bis hin zu den in den letzten Jahrzehnten wütenden Kongokriege, wird die Relation zwischen dem Rohstoffreichtum des Kongogebiets und einem große Teile der Bevölkerung betreffenden Leid in beinahe jeder Epoche erkennbar. Mit dieser historischen Basis lassen sich Motive, Ziele und Vorgehensweisen der im Bergbau und Rohstoffgeschäft Tätigen sowie der mit den Bürgerkriegen in Verbindung stehenden Akteure nachvollziehen. Der kongolesische Staat wird von einer korrupten Elite geführt, multinationale Unternehmen sind in schwerste Menschenrechtsverletzungen verwickelt, ebenso wie Tod und Terror verbreitende Rebellengruppen. Und das Opfer von all dem ist die Zivilgesellschaft. Im Mittelpunkt der polit-ökonomischen Strukturen und Verhältnisse stehen wenige Mineralien als Finanzquelle aller Akteure. Man schürft sie unter unmenschlichen Bedingungen und wir kaufen sie letztendlich, denn viele dieser Rohstoffe stecken in unseren Elektronikprodukten. 2
Inhalt: 1. Einleitung S.4 2. Ein historischer Überblick. S.6 2.1. Präkolonialer Kongo S.6 2.2. Kongo-Freistaat (1878-1908) S.6 2.3. Belgische Kolonialherrschaft (1908-1960) S.7 2.4. Erste Republik (1960-1965) S.7 2.5. Zweite Republik (1965-1990) S.7 2.6. Dritte Republik (1990-1997) und Erster Kongokrieg (1996-1997) S.8 2.7. Zweiter Kongokrieg (1997-2003) S.9 2.8. Dritter Kongokrieg/Kivu-Krieg (seit 2004) S.9 3. Akteure im kongolesischen Bergbau S.11 3.1. Was macht die DR Kongo so attraktiv für globale Akteure? S.11 3.2. Konflikte zwischen Akteuren S.11 3.3. Staat versus privat S.12 3.4. Globale und internationale Akteure S.13 3.5. Rebellengruppierungen S.14 3.6. Die Zivilgesellschaft S.14 4. Zur aktuellen Situation des Bergbaus in der DR Kongo S.16 4.1. Welche Rohstoffe werden gefördert S.16 4.1.1. Kupfer und Cobalt 4.1.2. Diamanten 4.1.3. Gold 4.1.4. Coltan 4.1.5. Zinn 4.2. Industriestrukturen S.18 4.2.1. Abbau 4.2.2. Verarbeitungsphase 4.3. Handwerklicher Bergbau und industrieller Bergbau S.18 4.4. Rechtliches S.19 4.5. Infrastruktur S.19 4.6. Arbeitsverhältnisse S.20 4.7. Menschenrechtsverletzungen S.21 4.8. Umweltschäden S.21 5. Schlussfolgerung S.22 3
1. Einleitung Auch jetzt, wo nun die Haupt-Eskalation des dritten Kongokrieges nun schon über zehn Jahre her ist, gibt es noch immer Grenzgebiete in der Demokratischen Republik Kongo, die eigentlich als Kriegsgebiete eingestuft werden sollten, so aber nicht genannt werden. Daher ist es mir ein Anliegen, über die dortige Situation zu informieren. Im Übrigen muss verstanden werden, dass die Kongokriege massive Auswirkungen auf die Ressourcenwirtschaft der Erde hatten und noch haben, da viele für die Elektronikindustrie benötigten Materialien (z.B. Coltan, Cobalt, Gold) aus Minen und Tagebauen der DR Kongo stammen, in denen im höchsten Maße Völkerrecht und Menschenrechte verletzt werden und mit Mord, Zwangs- sowie Kinderarbeit und Vergewaltigung einhergehen. Ich habe Interesse am Thema, weil wir in den Industriestaaten genau jene sind, die elektronische Geräte kaufen, die mit Materialien angefertigt wurden, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen geschürft wurden. Fragen, die ich mir mit dem Thema dieser VWA gestellt habe und auch beantworte, sind folgende: Welche Auswirkungen haben die Kongokriege auf den Bergbau der DR Kongo? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Bergbau und Lebensqualität? Wie sehr wirken sich die Bürgerkriege auf Abbaumethoden und Arbeitsbedingungen aus? Welche Rolle spielen globale Akteure und wer sind diese? Wie unterscheiden sich die Handlungsweisen der kongolesischen Regierung und jene privater Akteure? Welche Methoden gäbe es, um die dortige Lage zu verbessern? Die politische Ökonomie des Bergbaus ist eine Querschnittsmaterie zwischen handelspolitischen, entwicklungspolitischen, sicherheitspolitschen und umweltpolitschen Feldern, die alle auf Rohstoffe zurückzuführen sind.1 Diese Abhandlung setzt ein Bewusstsein für die zentrale Rolle der Ressourcenindustrie im kapitalistischen Produktionsprozess voraus2 sowie für die auf Karl Marx zurückzuführende Sichtweise der Industrie als Mittel für die Kommodifizierung3, wobei es zu „privater Aneignung durch Enteignung und In-Wert-Setzung von Natur“4 kommt.5 Es sollte bedacht werden, dass die aus dem Bergbau hervorgehenden Produkte den Input für andere Wirtschaftsbereiche geben, auch wenn hier nicht näher auf jene Wirtschaftsbereiche eingegangen wird.6 Mithilfe einer Analyse und Veranschaulichung des Bergbaus in der Demokratischen Republik Kongo können wir besser verstehen, weswegen und wie sich Konflikte um Mineralien in den dortigen Gebieten bilden und in welcher Abhängigkeit der Bergbau zur politischen und ökonomischen Lage des Landes sowie deren Entwicklung steht.7 Historisch gesehen waren die Regionen um den Kongofluss aufgrund ihres Rohstoffreichtums schon seit Jahrhunderten von Konflikten geprägt. Dieser Reichtum trägt dort heute noch zur instabilen politischen und ökonomischen Lage der DR Kongo bei. Die um den dortigen Bergbau entstehenden Konflikte sind eingebettet in globale Zusammenhänge und haben institutionelle Folgen.8 Die DR Kongo ist im Weltsystem ein gescheiterter Staat, denn kann ein Staat mehrere seiner Funktionen nicht erfüllen, ermöglicht dies bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen, das 1 Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.149 2 Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.132 3 Unter Kommodifizierung versteht man die Verwandlung von Natur in ökonomische Werte. 4 Harvey, David (2005): The new imperialism. New York: Oxford University Press, zit. nach Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.11 5 Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.11 6 Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.132 7 Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.12 8 Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.171 4
Vakuum zu schließen. Solche Gruppen bringen für die heutige Weltwirtschaft essenzielle Rohstoffe auf den globalen Markt, indem sie Mineralien zu günstigen Preisen bei völliger Abwälzung des Risikos auf die lokale, vom Konflikt betroffene Bevölkerung verkaufen, um ihre Kriege zu finanzieren. Mit der Rolle gewisser Rohstoffe als Finanzierungsquelle von Konflikten steckt das Land in einer menschenrechtlichen Negativspirale.9 9 Ebda, S.183 5
2. Ein historischer Überblick Vergangenheit sowie Gegenwart des Kongogebietes wurden und werden von Fremdherrschaft, autoritären Machthabern und Bürgerkriegen geprägt. Sein Reichtum an Rohstoffen, darunter Coltan, Zinn, Kupfer, Uran, Erdöl, Gold und Diamanten, und der Umstand, dass das Land noch dazu mit äußerst fruchtbarem Boden und großer Artenvielfalt „gesegnet“ ist, werden und wurden seinen Einwohner*innen in der Geschichte immer wieder zum Verhängnis. Europäische, asiatische Länder, die Vereinigten Staaten ebenso wie afrikanische Nachbarstaaten haben mehrfach und erfolgreich versucht, die natürlichen Schätze und Reichtümer des Kongos auszubeuten, und führen das heute noch fort.10 2.1. Präkolonialer Kongo Der präkoloniale Kongo setzte sich aus verschiedenen Königreichen zusammen. Diese Königreiche verfügten bereits über komplexe monarchische Sozial- und Rechtsstrukturen sowie funktionierende Steuer- und Abgabesysteme. Auch war die Sklaverei bereits historisch in diesen Königreichen verankert. Der erste Kontakt Europas mit dem Königreich Kongo fand im 15. Jahrhundert mit portugiesischen Entdeckern statt. In den nächsten Jahrhunderten florierte der Sklavenhandel mit Amerika, was in einer politischen und wirtschaftlichen Schwächung auf kongolesischer Seite resultierte.11 2.2. Kongo-Freistaat (1878-1908) Unter Leopold II. begann die koloniale Expansion des erst kurz vorher unabhängig gewordenen Landes Belgien, für die es zunächst gar kein Interesse gezeigt hatte. Unter „Vorgaukelung“ internationalen Freihandels übernahm 187812 Leopold II. die Macht im Kongo in einem Gebiet von der 80fachen Größe des Mutterlandes13. Unter den Einwohnern entstand dabei der Spruch: „Bunduki sultani ya bara bara“ – „Das Gewehr ist der Sultan des Hinterlandes“, der ungemein viel über die Art der belgischen Kolonialherrschaft aussagt. Leopolds Kolonialpolitik führte zur Zerstörung funktionierender Sozialstrukturen und Handelsrouten. Die kongolesische Bevölkerung war chancenlos der übermächtigen Kolonialmacht ausgeliefert, ohne moderne Waffen und bestehend aus 200 verschiedenen ethnischen Gruppen, die insgesamt 400 verschiedene Sprachen und Dialekte sprachen. Die Folgen waren dramatisch. Zwischen 1880 und 1920 wurde die kongolesische Bevölkerungszahl halbiert,14 wobei Schätzungen entsprechend rund 10 Millionen Menschen an den Folgen des Arbeitszwangs der Belgier starben.15 Zunächst ging es Belgien ausschließlich um den Elfenbeinexport, bis dann die neu entstandene Gummiproduktion in Europa große Mengen an Kautschuk benötigte. Das belgische Modell des Kautschukgeschäfts bestand darin, „die Profite auszuschlachten, bevor die gepflanzten Kautschukplantagen anderer Kolonien Früchte trugen.“ 16 Um die Produktion möglichst günstig zu halten, kam die Versklavung der Bevölkerung sehr gelegen. Wer den Arbeitsdienst verweigerte, musste nicht nur selbst mit schwerwiegenden Folgen rechnen, sondern es waren oftmals ganze Dörfer, die dem Erdboden gleichgemacht und deren Einwohner*innen erschossen wurden. Die Praktiken der belgischen Kolonialpolizei wie tödliches Auspeitschen oder Abschneiden von Händen und Genitalien ähneln auffallend jenen heutiger Rebellengruppen in der DR Kongo. 10 Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat. o.O., 2020. https://www.liportal.de/kongo/geschichte-staat/, 22.10.2020 11 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo - Von Leopold, einem Leoparden, Rohstoffreichtümern und Bürgerkrieg. Potsdam, 2010. http://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2011/2920/pdf/N_15_Kongo_Von_Leopold_einem_Leoparden_Rohstoffreichtuemern_und_Buergerkri eg.pdf, 22.10.2020, S.2 12 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.3 13 Ebda. 14 Ebda, S.5 15 Ebda. 16 Ebda, S.4 6
2.3. Belgische Kolonialherrschaft (1908-1960) Unter der Kolonialherrschaft des belgischen Staates hörten zwar die Massaker auf, die Zwangsarbeit ging jedoch nur langsam zurück. Der belgische Staat sah seine Politik im Kongogebiet als wohlmeinend, mit dem Mindset, dass die Bevölkerung eine strikte Führung benötige und Loyalität, Gehorsam und harte Arbeit von ihr zu erwarten sei. 17 Die Kolonialverwaltung machte keine Anstalten, zukünftige kongolesische Ersatzkräfte für den ausschließlich aus Europäern bestehenden Verwaltungs- und Sicherheitsapparat auszubilden. Durch die sozialen Umgestaltungen, wie Urbanisierung und Proletarisierung in den Städten, die das Ende des 2. Weltkriegs mit sich brachte, entstand in den 1950iger Jahren eine Gruppe sozialer Führer und politisch aktiver Gruppen im Kongo, die für Konzepte wie Selbstbestimmung, Demokratie, Sozialismus sowie auch Nationalismus empfänglich waren, welche zur Grundlage für politische Parteien wurden.18 2.4. Erste Republik (1960-1965) Am 30.6.1960 wurde der Kongo von Belgien für unabhängig erklärt19 und dabei einer weitgehend wenig gebildeten Bevölkerung überlassen. Dabei hatten noch in den Jahren davor viele belgische, britische und amerikanische Firmen gewaltige Investitionen im Kupfer-, Cobalt-, Diamanten-, Gold- und Zinkbergbau getätigt.20 Die Infrastruktur war ausschließlich auf Rohstoffausbeutung ausgelegt. Zunächst wurde Patrice Lumumba, der erste Premierminister und Führer der kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung, demokratisch ins Amt gewählt und bereits im darauffolgenden Jahr ermordet. Schon ein Jahr nach erreichter Unabhängigkeit herrschten daher bürgerkriegsähnliche Zustände. Sein Nachfolger im Amt wurde daraufhin der bisherige Staatspräsident Joseph Kasavubu. Zusätzliche politische Unruhen folgten den Sezessionsbestrebungen der an Bodenschätzen überreichen Provinz Katanga im Süden des Landes. Politiker stritten um Macht, ethnische Gruppen nahmen ihre alten Fehden wieder auf.21 Nach Jahren der Unruhe gewann schließlich der pro-westliche Politiker und damalige Generalleutnant Joseph-Désiré Mobutu22, mit Unterstützung von UN- Einsatzkräften sowie den USA, die politische Kontrolle über das Land und übernahm am 24.11.1965 die Macht.23 In den kommenden Jahrzehnten erging es den Menschen nicht besser als unter Belgiens Herrschaft, mit dem wirtschaftlichen Niedergang in den 1980ern und dem kompletten Zusammenbruch der Wirtschaft und Infrastrukturen in den 1990er Jahren.24 2.5. Zweite Republik (1965-1990) Bereits 1966, 1967 und auch später dann, 1977, kam es im Land zu Rebellionen und Invasionen, deren Unterdrückung und Zurückschlagen nur mit ausländischer Hilfe oder der von Söldnern möglich war. 25 Der, ab 1971, offiziell als Diktator regierende Joseph-Désiré Mobutu trat ab dann nur noch unter dem Namen Mobutu Sésé Seko auf. Mit seiner Namensänderung und der von Republik Kongo in Republik Zaire ging eine Afrikanisierungswelle einher und das Land verfiel in den „Mobutismus“. Mobutu spielte die Identitäten zunehmend entstehender, ethnisch geprägter Rebellengruppen herunter, bestrebt, das Land unter einer kongolesischen Identität zu 17 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.5 18 Ebda, S.6 19 Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat... 20 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.6 21 Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat... 22 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.7-8 23 Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat... S.4 24 Ebda. 25 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.9-10 7
vereinigen. Gleichzeitig ließ seine Herrschaft nur Zugehörige bestimmter Gruppen in seinem politischen System aufsteigen, die er als „ungefährlich“ erachtete. 197326 wurden im Kongo tätige ausländische Unternehmen enteignet und wahllos an kongolesische Staatsbürger verteilt. Aufgrund geringer Erfahrung hatten diese Unternehmen jedoch keine Überlebenschance und wurden bald zahlungsunfähig, wobei alle angestellten Arbeiter*innen ihre Jobs verloren. Betriebskonzessionen und Geldgeschenke waren die Säulen, die Mobutu an der Macht erhielten. Zum Motto von Mobutus Innenpolitik wurde der Verfassungsartikel 15, „Vous êtes chez vous, débrouillez – vous!“ – „Das ist euer Zuhause, also helft euch selbst!“. Das vereinfachte die landesweite Korruption und galt als eine Art „Lizenz zum Plündern“ 27. Fatal und besonders ausschlaggebend für die heutige Lage im kongolesischen Bergbau war die Anfang der 1980er Jahre eingeführte Erlaubnis zum eigenhändigen Schürfen nach Rohstoffen.28 Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre wanderte der Schwerpunkt der ökonomischen Aktivitäten immer mehr weg von einem teilweise industrialisierten Gesellschaftsmodell zur reinen Extraktion ohne viele technologische Hilfsmittel.29 Das führte zum Entstehen korrupter mafiaartiger Netzwerke innerhalb der Armee. Durch seine strategisch wertvolle Position im Zentrum Afrikas und als Verbündeter gegen die sowjetische Expansion in Afrika erhielt Zaire Entwicklungsgelder aus dem Westen. Als jedoch die Ost-West-Spannungen 1989 endeten, wurde auch der Zufluss von Geldern an Zaire weitgehend eingestellt. Da man im Westen nicht mehr auf die Unterstützung des Kongos angewiesen war, erhoben sich dort Stimmen gegen Mobutu bezüglich Menschenrechtsverletzungen und Vetternwirtschaft. Mobutu fühlte sich dazu gezwungen, das System zu lockern und Reformen einzuleiten. Er trat als Parteichef zurück und setzte eine Übergangsregierung ein. Für 1991 wurden demokratische Wahlen angekündigt. Das gilt als Ende der 2. Republik.30 2.6. Dritte Republik (1990-1997) und Erster Kongokrieg (1996-1997) Die Übergangsregierung (Aug. 1991 - Dez. 1992) war ein Gemisch aus Parteien und der Zivilgesellschaft und sie blieb bis 1992 im Amt.31 Um sich nicht von seiner Macht trennen zu müssen, stellte Mobutu eine Gegenregierung auf. 1994 gelangten die Parteien zu einem Kompromiss32, Mobutu war wieder Staatsoberhaupt, mit Kengo wa Dondo, einem Würdenträger aus der Mobutu-Zeit, als Premierminister. Während dieser Zeit kam es zu Rebellionen aufgrund von regelmäßigen Plünderungen durch Soldaten.33 Das Land war im Laufe der 1990er Jahre in eine Bürgerkriegsökonomie gestürzt, da immer mehr gewaltbereite Gruppen auf die politische Bühne stürmten. Ab dem Zeitpunkt waren einfach zu extrahierende Rohstoffe essenziell für alle, die im Bürgerkrieg mitmischten. Die Akteure konnten sich technisch anspruchsvolles Wirtschaften nicht leisten, es ging darum, die Rohstoffe mit so geringem Aufwand wie möglich zu extrahieren und so an schnelles Geld zu gelangen, z.B. durch den Abbau von Diamanten (technisch extrem einfach zu fördern), um den Krieg zu finanzieren. Im März 1993 brach der Masisi-Krieg aus, der sich aus ethnischen Konflikten zwischen „alteingesessenen Gruppen“, den Hunde und Nande, und den zugewanderten Hutu und Tutsi entwickelte. Grund dafür waren Landkonflikte und der Versuch, die Zuwanderer vom Wahlrecht auszuschließen.34 26 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.9 27 Ebda. 28 Ebda. 29 Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.182-183 30 Ebda, S.8-10 31 Ebda, S.10 32 Ebda. 33 Ebda. 34 Ebda, S.11 8
1994 breitete sich der Bürgerkrieg von Rwanda nach Zaire aus.35 Bereits zu Beginn des Krieges waren Gesundheit, Lebenserwartung, Bildung und Einkommen in der Bevölkerung schlechter als noch 40 Jahre zuvor. 36 Rwandas Regierung entschloss sich, in Ost-Zaire einzumarschieren, um der möglichen Bedrohung, die von ruandischen Hutu-Milizen ausgehen konnte, vorzubeugen, aber vor allem die für die Massaker verantwortlichen, aus Rwanda geflüchteten Milizen zu fassen. Überdies schlossen sich Angola, Burundi sowie Uganda Rwanda an, denn auch sie waren von Rebellen auf zairischem Territorium bedroht worden.37 Mobutu wurde von der Rebellenkoalition L’Alliance des forces démocratiques pour la libération du Congo (AFDL) nach einem kurzen Krieg gestürzt. Mobutu floh 1997 nach Marokko, wo er im selben Jahr starb, und Präsident Laurent-Desiré Kabila übernahm die Macht.38 2.7. Zweiter Kongokrieg (1997-2003) 1998 verwies Laurent Kabila, aufgrund des anwachsenden Wiederstandes gegen ruandischen Einfluss von Seiten der Bevölkerung, alle bis dahin verbündeten sowie Ruanda nahestehenden Mitstreiter des Landes. Die kongolesische Regierung, unterstützt von angolanischen, simbabwischen und namibischen Einheiten, kämpfte gegen die Rebellengruppe RCD (Rassemblement Congolais pour la Démocratie), die wiederum an der Seite von ruandischen, ugandischen und burundischen Einheiten kämpfte. Die Konfliktparteien gingen rücksichtslos vor, um Rohstoffvorkommen auszubeuten, was mit schwersten Menschenrechtsverletzungen einherging. Die Zivilbevölkerung östlicher Landesteile litt unter regelmäßigen Massakern. Zusätzlich hatte der zweite Kongokrieg etwa 2 Millionen Flüchtlinge zur Folge. Damit ist der 2. Kongokrieg der opferreichste Konflikt seit dem 2. Weltkrieg und der erste "Weltkrieg" Afrikas.39 1999 unterschrieben alle Kriegsparteien ein Waffenstillstandsabkommen.40 Der Waffenstillstand wurde jedoch nicht eingehalten und Kabila von seinen Bodyguards ermordet. Nachfolger wurde sein Sohn, Joseph Kabila, der einen neuen Anlauf zu einem Friedensabkommen wagte, indem er das Parteienverbot aufhob, UN-Truppen stationieren ließ und den innerkongolesischen Dialog wieder aufnahm. Am 30. Juli 2003 wurde eine Übergangsregierung gebildet, die sich aus Regierung, Opposition und den involvierten Rebellengruppen zusammensetzte.41 Während der Gründung der Übergangsregierung blieben militärische Strukturen von angeblich "gezähmten" Warlords sowie unter anderen Kabilas spezielle Präsidentengarde bestehen. Es wurden die ersten freien Wahlen im Land durchgeführt, ohne dass die an die Regierung gerichteten Erwartungen erfüllt wurden.42 Auf Menschen- und Frauenrechte wurde weiterhin kein Wert gelegt, der Elite ging es nicht um den Wiederaufbau, um einen neuen Gesellschaftsvertrag, sondern darum, sich wieder persönlich zu bereichern. Ruandische Einheiten blieben in der Kivu-Region im Ost- Kongo und behielten damit dort ihren Einfluss bei. 43 Innerhalb von 6 Jahren, die der Krieg andauerte, stieg die Zahl seiner Opfer auf mehr als fünf Millionen.44 2.8. Dritter Kongokrieg/Kivu-Krieg (seit 2004) Der dritte Kongokrieg begann 2004 damit, dass Laurent Nkunda, ein Verbündeter der ruandischen Regierung und abtrünniger Kongo-Armee-General, versuchte, Unabhängigkeit für 35 Ebda. 36 Ebda. 37 Ebda. 38 Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat... 39 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.12 40 Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat... 41 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.12 42 Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat... 43 Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.11-12 44 Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“ S.183 9
beide Kivu-Provinzen von der DR Kongo zu erlangen. 2006 gründete er die Rebellenorganisation Congrès National pour la Défense du Peuple, kurz CNDP. 2008 stießen die Nkunda-Rebellen in den Süden vor, mussten sich jedoch nach brutalen Übergriffen und einer massiven Flüchtlingsbewegung wieder zurückziehen. Im Januar 2009 besetzten Kagame und Kabila die Nord-Kivu-Region mit der Absicht, die dortigen CNDP-Soldaten zu entmachten. Am 22. Januar wurde Nkunda dann in Rwanda festgenommen. Bis heute dauert der Konflikt um die beiden Kivu-Provinzen und der damit verbundene Ausbeutungszyklus an, im Vergleich zu den 2000er Jahren jedoch in abgeschwächter Form. In der Katanga-Region kann sogar von einem Wiederaufschwung des Bergbausektors die Rede sein, wenn auch dieser Wiederaufschwung auf chinesischem Kapital beruht.45 45 Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“ S.183 10
3. Akteure im kongolesischen Bergbau 3.1. Was macht die DR Kongo so attraktiv für globale Akteure? Im letzten Vierteljahrhundert wurde der „Glaube“ an eine rohstoffbasierte Entwicklung wiederbelebt, der zum letzten Mal in den „goldenen“ 50er und 60er Jahren sein Hoch hatte.46 Grund dafür war die stetig wachsende Nachfrage nach seltenen Mineralien wie Tantal, Cobalt usw. (siehe 4.1.) aus der expandierenden Elektronik-Industrie.47 Im Vergleich dazu gab es aber nur ein geringes Angebot.48 Daraus resultierte, dass seit 1995 die Zahl der weltweit rohstoffabhängigen Staaten49 um 40% auf insgesamt 81 anstieg.50 Einige Staaten, überwiegend Entwicklungsländer im globalen Süden, darunter die DR Kongo, versuchten mithilfe ihrer bereits existierenden ökonomischen Monostruktur diese Nachfrage dazu zu nutzen, ihre Einnahmen zu steigern.51 Jene Länder erhofften sich neue Entwicklungsperspektiven, gerade da in den 2000er Jahren historische Spitzenwerte bei den Rohstoffpreisen verzeichnet wurden.52 Die Metallpreise stiegen 1991-2008 um 274% an.53 Dann, nach der Weltwirtschaftskrise 2008, sanken die Preise wieder, ebenso nach einem kurzen Preisboom im Jahr 2011.54 Diese Preisverfälle hatten die ohnehin schon ungesicherte wirtschaftliche Lage der DR Kongo kritisch geschwächt.55 Der Rohstoffmarkt erholte sich erst dadurch, dass Spekulant*innen begannen, wieder mehr auf Rohstoffe zu setzen, die sie gerne „future markets“ nannten. Das war jedoch nur von kurzer Dauer. Auch die Nachfrage aus USA und China sank schon kurz nach dem ursprünglichen Anstieg, ohne einen nachhaltigen Einfluss auf die wirtschaftliche Stabilität der DRK zu haben.56 3.2. Konflikte zwischen Akteuren Es sollte angemerkt werden, dass es bisher nur wenige Versuche gibt, aktuelle Bergbaukonflikte zu systematisieren sowie länder- und regionenübergreifende Aussagen hinsichtlich der Frage zu treffen, wie sich der globale Rohstoffboom in konkretes Konflikthandeln übersetzt.57 In Rohstoffkonflikten stehen Rohstoffe zwar im Mittelpunkt, sind aber selten ihr einziger Auslöser.58 Konflikte um den Bergbau werden häufig durch die Erschließung neuer Abbaugebiete ausgelöst, indem der Zugang zu und die Nutzung von Land und Wasser von einer Gruppe monopolisiert werden, oder durch die daraus entstehenden ökologischen Folgen.59 Weitere Auslöser können auch die Verletzung von Menschenrechten sein (siehe 4.7.) oder wenn die Ausweitung des Bergbaus von lokalen Akteuren als Bedrohung ihrer Arbeitsgrundlage, ihrer territorialen und kulturellen Selbstbestimmungsrechte oder politischen Rechte interpretiert wird.60 46 Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141 47 Ebda. 48 Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.129 49 Die Rohstoffabhängigkeit bezieht sich hier auf Staaten, deren gesamte Ökonomie von Erträgen aus dem Rohstoffsektor getragen wird, ohne dem sie zusammenbrechen würde. 50 McKinsey Global Institute (2013): Reverse the curse. Maximising the potential of resource-driven economies. http://www.mckinsey.com/insights/energy_resources_materials/reverse_the_curse_maximising_the_potential_of_resource_driven_economie s, 24.02.2021 51 Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141 52 Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.7 53 Ebda, S.8 54 Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.128; Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.8 55 Küblböck, Karin. Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141 56 Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.9 57 Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und Lateinamerika.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.220 58 Ebda, S.222 59 Ebda, S.224 60 Dueholm Rasch, Elisabeth (2012): Transformations in Citizenship: Local Resistance against Mining Projects in Huehuetenango (Guatemala). In: Journal of Developing Societies 28/2: S.159 11
Unter Akteure fallen (multinationale) Unternehmen, staatliche Akteure, lokale Regierungen, ethnische und kleinbäuerliche Bewegungen, Gruppen, die handwerklichen Bergbau betreiben, national und international agierende NGOs, Regierungen anderer Länder und Rebellengruppierungen. All diese Akteure verfügen über unterschiedliche Mittel, um ihre Interessen durchzusetzen.61 Es kann von allen involvierten Akteuren ein gewisses Handlungsrepertoire erwartet werden.62 Möglichkeiten für Verhandlungsstrategien lokaler Akteure können von Lobbying und Public Relations, Referenden, Petitionen über Demonstrationen und Streiks bis zu Blockaden und Sabotagen reichen. Die Art der Verhandlungen genauso wie ihr Ausgang hängen vom politischen Kontext und der Machtposition der Akteure ab. Der Ort des Konflikts ist ebenfalls nicht beliebig, sondern hängt von Rohstoffvorkommen ab.63 Die Konfliktkonstellation ebenso wie der Ausgang des Konflikts hängt stark von Eigentumsverhältnissen ab. Konflikte hängen auch davon ab, wo der industrielle Bergbau stattfindet, und zwar passiert das nie in „leerem Raum“, sondern dieser kann ganz unterschiedlich genutzt sein. Das inkludiert Land- und Forstwirtschaft, Sammelwirtschaft, agrarindustrielle Produktion, Tierhaltung, Siedlungen, handwerklichen Bergbau sowie kulturell und spirituell genutzten Raum. Damit sind verschiedene (ökonomische, kulturelle und soziale) Bedeutungen verbunden, die alle die Konfliktkonstellation beeinflussen.64 3.3. Der Staat (versus privat) Da die Volkswirtschaft der DR Kongo nahezu ausschließlich von Rohstoffeinkommen abhängig ist, ist die Besteuerung von Rohstoffen ein essenzielles Einkommen für die kongolesische Regierung.65 Wie viele andere Staaten der Dritten Welt besitzt die DR Kongo ein im globalen Vergleich schwach entwickeltes staatliches Steuersystem. Generell gilt, je schwächer so ein Steuersystem ist, desto geringer fällt der Anteil der Regierung an privatwirtschaftlichen Aktivitäten aus. Schwäche zeigt die DR Kongo u.a. dadurch, dass ihr Steuersystem größtenteils von individuellen Verträgen lebt.66 Leider ist es unbekannt, wie viele Rohstoffunternehmen Steuern an den Staat abgeben, da Vertragsverhandlungen unter Geheimhaltung stattfinden.67 Mit einer hohen Besteuerung der Profite hat die Regierung zumeist keine Chance auf Verträge, da auf diese Weise das Land im internationalen Steuerwettbewerb an hinterer Stelle stehen würde und so keine Chancen auf Interessenten hätte. Da die Rohstoffindustrie die einzig große Einnahmequelle für den Staat darstellt und er damit von den fluktuierenden Rohstoffpreisen abhängig ist, wodurch das Risiko für Budgetausfälle steigt, ist er besonders in einem solchen Fall auf möglichst schnelle Steuereinnahmen angewiesen.68 Dagegen liegt es aber im Interesse der Unternehmen, erst dann zu zahlen, wenn Gewinne gemacht wurden. Es kommt den Unternehmen zugute, dass die meisten Verträge in der Planungsphase (siehe 4.3.) abgeschlossen werden, wo noch nicht feststeht, ob das Vorhaben überhaupt profitabel ausfällt oder nicht.69 Unternehmen nutzen das, um im Falle eines unerwarteten Preisanstiegs des Produkts am internationalen Rohstoffmarkt zu vermeiden, den zusätzlichen Gewinn mit der Regierung zu teilen. Ob Unternehmen damit durchkommen, hängt fast ausschließlich von der administrativen Kapazität der Regierung ab.70 Doch ist das Finanzministerium bzw. die 61 Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und Lateinamerika.“... S.224 62 Ebda, S.222 63 Ebda, S.221 64 Ebda. 65 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.156 66 Ebda, S.157 67 Ebda, S.159 68 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.157 69 Ebda. 70 Ebda. 12
Steuerverwaltung oftmals nicht in die Verhandlungen mit Rohstoffunternehmen eingebunden.71 Zudem ungünstig für die kongolesische Regierung ist ein Mangel an Finanzbeamt*innen.72 Letztendlich variiert die Aufteilung der Erträge zwischen Regierung und Bergbauunternehmen stark über den gesamten Produktionszyklus hinweg, von der Planung sowie Exploration über den Aufbau der Infrastruktur und der Extraktion bis hin zum „decommissioning“. Der staatliche Anteil an den Renten73 bewegt sich laut IWF zwischen 40 und 60%74, laut UNCTAD zwischen 25 und 60%75. 3.4. Globale und internationale Akteure Seit den 2000er Jahren ist die Demokratische Republik Kongo einer recht aggressiven Investitionspolitik von privaten sowie staatlichen Akteuren aus dem Ausland ausgesetzt.76 Während Akteure von außerhalb sich in ihren wirtschaftlichen Interessen überwiegend ähneln, nämlich an der gewinnbringend effektivsten Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im Kongogebiet, unterscheiden sie sich in ihren Handlungsstrategien und politischen Standpunkten sowie den damit einhergehenden Interessen.77 Es ist notwendig, sich bei diesem Thema eine internationale, wenn nicht globale Sichtweise zu verschaffen, um das letztendliche Ausmaß der polit-ökonomischen Verhältnisse um den kongolesischen Bergbau zu erfassen. Nur auf diese Weise lassen sich Machtkonzentrationen sowie Kapitalakkumulation am Rohstoffmarkt erkennen ebenso wie Warenketten verfolgen, um festzustellen, wer sie kontrolliert.78 Mit dem Ziel, den größtmöglichen Profit mit den gehandelten Mineralien zu machen, streben Rohstoffunternehmen es an, einer möglichst niedrigen Steuerbelastung durch den kongolesischen Staat ausgesetzt zu sein.79 Das bringt vor allem MNUs80 in Versuchung, sich am Abbau billiger Konfliktmineralien81 zu beteiligen, oftmals durch den Ankauf von Mineralien bei Rebellengruppen und Warlords. Um dem ein Ende zu bereiten, veröffentlichte die OECD 2011 Leitlinien, die Unternehmen helfen sollten, keine Rohstoffe aus Konfliktgebieten zu verwenden.82 Diese Leitlinien sollen als Basis für Zertifizierungsinitiativen von Unternehmensverbänden dienen. Mittlerweile ist die Teilnahme von internationalen Rohstoffunternehmen an Transparenzinitiativen wichtiger Bestandteil ihrer Politik, um die Zustimmung und Toleranz der lokalen und internationalen Zivilgesellschaft zu gewinnen, und gibt ihnen mehr Handlungsspielraum, sozusagen die „social licence to operate“.83 Eine weitere Methodik für Rohstoffunternehmen, an steuerfreie Mineralien zu gelangen, ist durch die vorübergehende Sicherung kleiner, ressourcenreicher Enklaven und den Zugriff auf Transportkanäle (wie Grenzübergänge)84, die es ermöglichen, Rohstoffe zum Raubgut zu machen. Exportstatistiken von Rwanda und Uganda zeigen Raubgüter aus dem Nachbarland 71 Eckardt, Ute/van Kommer, Victor (2014): Taxation of Extractive Industries. Summary of the ITC/EC/WBG International Conference 2014 (9.-11. September, Brüssel). Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH: Eschborn. S.28 72 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“ S.160 73 Als Rente werden die Erträge bezeichnet, die die Produktionskosten (inklusive einer Mindestkapitalrendite) übersteigen. 74 IWF (2012): Fiscal Regimes for Extractive Industries: Design and Implementation. https://www.imf.org/external/np/pp/eng/2012/081512.pdf, 05.01.2021, S.6 75 UNCTAD (2007): World Investment Report. Transnational Corporations, Extractive Industries and Development. New York and Geneva. United Nations Publication. S.xxiv 76 Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141 77 Ebda. 78 Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.131 79 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.163 80 multinationale Unternehmen 81 In diesem Kontext veranschaulichten der Begriff der „Konfliktmineralien“ Zusammenhänge zwischen von der Elektronikindustrie verarbeiteten Rohstoffen und der Bürgerkriegsfinanzierung in der Demokratischen Republik Kongo. 82 OECD (2013): Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas: Second Edition. Paris: OECD Publishing 83 Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.142 84 Nest, Michael (2011): Coltan. Cambridge/UK: Polity Press 13
DR Kongo.85 Ebenso sind aber Privatunternehmen aus Europa und den USA an diesem internationalen und interkontinentalen Netzwerk der Plünderung beteiligt.86 3.5. Rebellengruppierungen Die mitgliederstärkste und derzeit einflussreichste Rebellengruppe in der DR Kongo ist die FDLR. Die Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (FDLR) ist eine seit 2001 in den stark besiedelten Kivu-Provinzen agierende Rebellenarmee. Mitglieder der Armee gehören vorwiegend der ethnischen Gruppe der Hutu an.87 Früherer Kriegsgegner der FDLR war die CNDP (siehe 2.8.), die offiziell zum Schutz der ethnischen Minderheit der Tutsis agierte und 2009 als politische Partei anerkannt wurde. Gegner der FDLR heute sind die Mouvement du 23- Mars (M23), eine Neugruppierung der CNDP, die Forces de défense congolaise (FDC), eine Miliz gegründet, um vor allem die FDLR zu bekämpfen, und die Forces Armées de la République Démocratique du Congo (FARDC), die Streitkräfte der DR Kongo. Dabei wird vermutet, dass M23, die FDC sowie vor 2009 auch die CNDP vom ruandischen Staat Unterstützung erhalten.88 Trotz ihres stetigen Schrumpfens durch das UN- Demobilisierungsprogramm, das Truppen entwaffnet und nach Ruanda schickt, bleibt die FDLR höchst aktiv.89 All den Gruppierungen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Auch haben sie alle das Ziel, mehr politischen Einfluss zu erlangen, wobei Gewalt das am nächsten liegende Mittel zu sein scheint. Das nicht zuletzt deshalb, da die Rohstoffausbeutung als einzig tragfähige Finanzierungsquelle für ihre bewaffneten Konflikte dienen kann.90 Rohstoffe mit extrem niedrigen Erzeugungskosten sind dabei entscheidend, da so die Differenz zum Weltmarktpreis extrem groß ist, z.B. im lokalen, handwerklichen Bergbau, in dem wenig bis gar keine technologischen Hilfsmittel notwendig und keine bestimmten Qualifikationen erforderlich sind.91 3.6. Die Zivilgesellschaft Während eine kleine Elite, die unter anderem die Regierung bildet, vom Bergbau profitiert, zählt die Masse der Bevölkerung eindeutig zu den Verlierern. Die Elite ist durch Rohstoffrenten unabhängig von den Steuerzahlungen aus anderen Wirtschaftssektoren und somit vom Volk. Der Staat sieht es nicht mehr als notwendig an, auf die Bedürfnisse der Zivilgesellschaft einzugehen. Damit vergrößert sich die Schere zwischen dieser kleinen Elite und der Zivilgesellschaft beträchtlich.92 Dazu kommt, dass durch den Zustrom von Devisen eine Aufwertung der Währung erfolgt, die wiederum zu Arbeitslosigkeit im Exportsektor führt, der mit verstärkter öffentlicher Beschäftigung begegnet wird. Das führt unter den gegebenen Umständen schlussendlich zu schwächerer internationaler Wettbewerbsfähigkeit, was höhere Ausgaben bei geringeren Erträgen zur Folge hat.93 Generell gehören zum Handlungsrepertoire lokaler Akteure Gerichtsverfahren, Eingaben und Petitionen, Demonstrationen und Streiks genauso wie Besetzungen und Sabotagen.94 Schwache Repräsentation der kongolesischen Zivilgesellschaft in Massenorganisationen führt jedoch meist dazu, dass fast ausschließlich zu konfrontativen Mitteln gegriffen wird. Häufig sind lokale 85 Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.183 86 Taylor, Ian (2003): Conflict in Central Africa: Clandestine Networks and Regional/Global Configuration. In: Review of African Political Economy 30/95: S.45 87 Internet Archive: fdlr.org (03.03.2009). https://web.archive.org/web/20090303131752/http://www.fdlr.org/, 24.02.2021 88 Wikipedia: Forces Démocratiques de Libération du Rwanda. o.O., o. J., https://de.wikipedia.org/wiki/Forces_D%C3%A9mocratiques_de_Lib%C3%A9ration_du_Rwanda, 24.02.2021 89 BBC News: Will FDLR rebels ever leave Congo and return to Rwanda?, 11.02.2014 https://www.bbc.com/news/world-africa-26121995, 24.02.2021 90 Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.172 91 Ebda, S.176 92 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.154 93 Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.172 94 Anyidoho, Nana Akua/Crawford, Gordon (2014): Leveraging national and global links for local rights advocacy: WACAM’s challenge to the power of transnational gold mining in Ghana. In: Canadian Journal of Development Studies/Revue canadienne d’études du développement 35/4: S.483 14
Proteste nicht von Gewerkschaften oder anderen Nichtregierungsorganisationen angeführt und wenig organisiert. Solche Proteste gehen meist mit Sachschäden einher, beinhalten dennoch immer, unabhängig von der Handlungsweise der Protestierenden, immer konkrete Forderungen95, wie z.B. betreffend die demokratische Mitbestimmung, Entscheidungen der Land- und Rohstoffnutzung und Arbeitsbedingungen.96 95 Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und Lateinamerika.“... S.228 96 Ebda, S.221 15
4. Zur aktuellen Situation des Bergbaus in der DR Kongo 4.1. Welche Rohstoffe werden gefördert? Die Rohstoffwirtschaft macht heute 80-95% der kongolesischen Exporte aus und ist nach den jeweiligen Rohstoffen in Sektoren eingeteilt. Die wirtschaftlich relevantesten bilden Kupfer, Cobalt, Diamanten, Gold, Coltan und Zinn, deren geographische Verteilung in Abbildung 197 dargestellt ist. 98 Abbildung 1: Verteilung der Abbaugebiete nach Mineralien Die folgenden Rohstoffe machen den größten Teil des kongolesischen Bergbaus aus. 4.1.1. Kupfer und Cobalt Der Kupfer- und Cobaltabbau (die beiden Metalle sind häufig, aufgrund ihrer Entstehungsweise, gemeinsam aufzufinden und bilden daher einen Sektor99) lässt sich auf den sogenannten Kupfer-Gürtel (Copper Belt) in der Provinz Katanga, im Süden des Landes, einschränken. Zwar gibt es über das Land verteilt noch weitere Minen, die jedoch nicht mit 97 Lima Charlie: Cobalt mining, China, and the fight for Congo’s minerals. o.O., o. J., https://limacharlienews.com/africa/cobalt-mining- congo/, 27.12.2020 98 Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc-miners- on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020 99 A.E. Annels, J.R. Simmonds: Cobalt in the Zambian Copperbelt. o.O., 2003, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/0301926884900251, 27.12.2020 16
denen des Kupfer-Gürtels, der sich im Übrigen auch auf sambisches Territorium erstreckt, zu vergleichen sind. Das 70 Kilometer breite und 250 Kilometer lange Abbaugebiet bildet, mitsamt dem nord-sambischen Anteil, das zweitgrößte Kupfer-Abbaugebiet der Welt (nach Chile) und das weltweit größte Cobalt-Abbaugebiet. Tatsächlich dürften 70% des weltweiten Cobalts aus der DR Kongo stammen.100 Gécamines, Anvil Mining und Metorex sind hier die führenden Bergbauunternehmen.101 4.1.2. Diamanten Aufgrund ihrer Beschaffenheit ist es möglich, Diamanten ohne moderne technologische Hilfsmittel zu extrahieren. Daher fällt deren Abbau hauptsächlich unter den handwerklichen Bergbau, manchmal bis zu 15 Metern unter dem Erdboden.102 Es ist zu erwarten, dass die kongolesischen Diamanten-Vorkommen, die größtenteils in der Kasai-Region im Zentrum des Landes liegen, nur noch für ein paar Jahre reichen werden (Stand 2018).103 Insbesondere hat hier die MIBA als staatliches Unternehmen einen massiven Einfluss. Gleichzeitig ist der Diamantenabbau für Rebellengruppen eine Chance, an schnelles Geld zu kommen.104 4.1.3. Gold So wie Diamanten wird Gold zu einem großen Teil im handwerklichen Bergbau geschürft. Hauptsächlich kommt das kongolesische Gold aus den Regionen Kivu und Ituri und ist besonders durch den Grenzschmuggel nach Uganda, Burundi und Tanzania konfliktträchtig.105 4.1.4. Coltan Coltan ist ein natürlich vorkommendes Erzgemisch, aus dem vor allem das Schwermetall Tantal gewonnen wird, das wiederum in der Hightech-Industrie besonders begehrt ist.106 In der DR Kongo wird das Coltan zu etwa 80%107 im Kleinbergbau manuell, ohne maschinelle Hilfsmittel, geschürft, dabei werden die kleinen Coltan-Bröckchen aus dem Sand bzw. Schlamm gewaschen.108 Ganze 60% des Coltans in Mikroprozessoren kommen aus der DR Kongo, und das hauptsächlich aus der Kivu-Region.109 4.1.5. Zinn Der Zinnabbau in der DRK verteilt sich über die Provinzen Katanga, Maniema sowie Nord- und Süd-Kivu, wo durch das Metall Gewalt in großen Teilen des Landes gefördert wird.110 100 Human Rights Watch: DR Congo: Mine Workers at Risk During Covid-19, o.O., 2020 https://www.hrw.org/news/2020/06/11/dr-congo- mine-workers-risk-during-covid-19, 25.12.2020 101 Wikipedia: Copper mining in the Demcratic Republic of Congo. o.O., o. J., https://en.wikipedia.org/wiki/Copper_mining_in_the_Democratic_Republic_of_the_Congo, 27.12.2020 102 Baker, Aryn: Inside the Democratic Republic of Congo’s Diamond Mines. o.O., 2015, https://time.com/4011617/inside-the-democratic- republic-of-congos-diamond-mines/, 27.12.2020 103 Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc- miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020 104 Brockmann, Roland: „Mit deutscher Hilfe weg vom „Bluthandy”” (17.2.2016), https://www.welt.de/politik/ausland/article152347129/Mit-deutscher-Hilfe-weg-vom-Bluthandy.html, 27.12.2020 105 Enough Project: conflict Gold 101. o.O., o. J., https://enoughproject.org/files/ConflictGold101_ActivistBrief.pdf, 27.12.2020 106 Seroka, Perter: „Tantal, Niob und Coltan: Was ist Coltan“ (o. J.), https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Tantal%2C%20Niob%20und%20Coltan/Was%20ist%20Coltan%3F, 27.12.2020 107 Schlager, Edda: „Handarbeit ersetzt Maschinenkraft“ (25.4.2009), http://www.scinexx.de/dossier-detail-443-8.html, 27.12.2020 108 Ebda. 109 Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc- miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020 110 Freedman, Jim: Tackling the tin wars in DR Congo. Miner Econ 24, 45–53 (2011). https://doi.org/10.1007/s13563-011-0001-x, 28.12.2020 17
4.2. Industriestrukturen Die Rohstoffindustrie ist durch einen massiven Planungsaufwand geprägt (meist in Form von Jahresplänen), damit der größtmögliche Profit erzielt werden kann.111 „Der Bergbau und Metallsektor besteht aus 2 Typen von Aktivitäten.“112 • Abbau o das Aufspüren/Orten von neuen Reserven o die Entwicklungsphase o der Erzabbau • Verarbeitungsphase113 4.3.1. Abbau Erkundungsphase: Die Erkundung von neuen Rohstoffreserven überlassen MNU gerne Junior-Unternehmen bzw. ihren Junior-Sektoren (meist handelt es sich um Startups), um risikoreiche Investitionen zu vermeiden, da Eigentumsrechte durch Lizenznahme immer noch erworben werden können.114 Entwicklungsphase: Die Entwicklungsphase besteht darin, die eben entdeckten Reserven zu erschließen, und zwar so weit, dass mit dem Abbau begonnen werden kann. Praktisch gesehen unterscheidet sich diese Phase stark, je nach geologischen Faktoren (dichter Wald, Savanne, landwirtschaftlich genutzte Gegenden). Essenziell ist eine gewisse Infrastruktur zwecks des Transportes von technologischen Gerätschaften, Baumaterialien sowie der Arbeiter*innen und dann noch selbstverständlich des Abtransportes der Materialien wie Gestein und Sand sowie des abgebauten Minerals. Im Gegensatz zum industriellen Bergbau ist der handwerkliche Bergbau an eine weitaus weniger aufwendige Entwicklungsphase (z.B. Transporterleichterung) gebunden.115 Erzabbau: Die Art des Erzabbaus variiert stark nach dem zu schürfenden Erz, demnach entstehen Minen oder Tagebaue, wobei manche Erze mit Schaufel und Spaten, andere mit avancierteren technologischen Hilfsmitteln abgebaut werden.116 4.3.2. Verarbeitungsphase In der Verarbeitungsphase werden die Mineralien vom übrigen Gestein getrennt, eingeschmolzen, veredelt und bis zum Endprodukt weiterverarbeitet. Diese Phase, die den größten Teil der Warenkette einnimmt, wird ausschließlich von MNUs kontrolliert und findet hauptsächlich im Ausland statt.117 4.3. Handwerklicher Bergbau und industrieller Bergbau Ursprünglich wurden im handwerklichen Bergbau, oder Kleinbergbau, fast ausschließlich Gold und Edelsteine gefördert, da deren Gewinnung kaum technologische Hilfsmittel benötigt.118 In den letzten Jahrzehnten ist hier aber eine Trendwende zu erkennen. Beispielweise kommen mittlerweile ganze 30% des kongolesischen Cobalts aus dem handwerklichen Bergbau, wovon 111 Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc- miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020 112 UNCTAD (2012): Extractive Industries: Optimizing Value Retention in Host Countries. United Nations Conference on Trade and Development – UNCTAD, New York/Geneva: United Nations 113 Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.130 114 Ebda. 115 Ebda. 116 Ebda. 117 Ebda. 118 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.154 18
das meiste nach China geht.119 In der DR Kongo werden etwa eine Million Arbeitskräfte im handwerklichen Kleinbergbau vermutet.120 Im Gegensatz zum handwerklichen Bergbau, der oft ohne jegliche formalen Genehmigungen abläuft und an dem nur wenige Personen beteiligt sind (meist Familien), funktioniert der industrielle Bergbau mit hohem Einsatz von Kapital und Technologie und beschäftigt insgesamt weitaus mehr Arbeiter*innen.121 Konflikte zwischen industriellen Bergbauunternehmen und handwerklichen Bergbaubetrieben entstehen dadurch, dass Unternehmen sich oft Gebiete vornehmen, in denen sich handwerkliche Bergbaubetriebe angesiedelt und Erkundungsarbeit geleistet haben. Denn das bedeutet, Vorkommen sind vorhanden. Handwerkliche Bergbaubetriebe haben in diesen Fällen auch keinen Anspruch auf Konsultation oder Entschädigungen. Der industrielle Bergbau hat immer Vorrang, da mehr Gewinn bzw. höhere Renten zu erwarten sind als im handwerklichen Bergbau. Auch wird der industrielle Bergbau, oftmals durch Kriminalisierung des handwerklichen Bergbaus oder durch oder unklare Regelungen im Landrecht, gegenüber den weniger ertragsversprechenden, handwerklichen Kleinunternehmen bevorteilt.122 4.4. Rechtliches Weshalb ein so rohstoffreiches Land wie die DR Kongo die Rechte an Minen an ausländische Rohstoffunternehmen vergibt bzw. diese mit dem Abbau von Mineralien beauftragt, lässt sich mit fehlendem technischem Know-how sowie fehlendem Kapital für kostenintensive technologische Ausrüstung begründen.123 MNUs besitzen Anteile an lokalen Unternehmen, die für den tatsächlichen Abbau vor Ort zuständig sind.124 Jene lokalen Unternehmen müssen zum Abbau gewisse Förderlizenzen erwerben, wobei die Investitionsbedingungen meist über Bergbauverträge geregelt sind.125 Der illegale Bergbau macht einen großen Teil des Rohstoffmarkts auf kongolesischem Gebiet aus, wobei es sich bei illegalem Bergbau meist um handwerklichen Bergbau handelt. Gerade dort ist die Sterblichkeitsrate besonders hoch, ein Beispiel hierfür waren die Unfälle in Tenke Fangarame und Kamoto, wo eingebrochene Tunnel 43 Menschenleben forderten.126 4.5. Infrastruktur „Wo Minen entstehen oder entstehen sollen, werden bestehende Landnutzungen, -regime und Besitzverhältnisse verändert, Institutionen zur Regelung des Zugangs zu und der Verteilung von Wasser und Land transformiert, neue bauliche Infrastrukturen (Straßen, Häfen, Abraumhalden) errichtet, sozioökonomische Begehrlichkeiten und Hoffnungen geweckt, soziale Beziehungen (Arbeit, Geschlechter- und Klassenverhältnisse) und politische Machtverhältnisse im Raum neu geordnet.“127 119 Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc- miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020 120 Bundesanstalt für Geowissen: Studie zum Kleinbergbau in der DR Kongo in der Corona-Krise: Neue Risiken für nachhaltige Rohstofflieferketten durch fehlende Kontrollen und soziale Konflikte. Hannover, 07.07.2020. https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/BGR/bgr-2020-07-07_pm_studie-kleinbergbau-dr- kongo-corona-krise.html#:~:text=In%20dem%20zentralafrikanischen%20Land%20bietet,Mitteln%20von%20Hand%20abgebaut%20wird, 14.12.2020 121 Diez, Kristina; Engels, Betina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und Lateinamerika.“... S.225 122 Carstens, Johanna/Hilson, Gavin (2009): Mining, grievance and conflict in rural Tanzania. In: International Development Planning Review 31/3: S.301 123 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.154 124 IWF (2012): Fiscal Regimes for Extractive Industries: Design and Implementation. https://www.imf.org/external/np/pp/eng/2012/081512.pdf, 16.12.2020 125 Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.156 126 Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc- miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020 127 Peluso, Nancy Lee/Lund, Christian (2011): New frontiers of land control: Introduction. In: Journal of Peasant Studies 38/4: 667, zit. nach Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und Lateinamerika.“... S.220 19
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