Die politische Ökonomie des Bergbaus in der Demokratischen Republik Kongo - Vorwissenschaftliche Arbeit

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Die politische Ökonomie des Bergbaus in der Demokratischen Republik Kongo - Vorwissenschaftliche Arbeit
Vorwissenschaftliche Arbeit

Die politische Ökonomie des Bergbaus
in der Demokratischen Republik Kongo

                   verfasst von:
               Kobermaier Ben
                      8AG

             Betreuer: Gerald Hödl

                Abgabe: 25.02.2021

                        1
Abstract
Der kongolesische Bergbau ist ein Hotspot für den weltweiten Rohstoffhandel und auch für
jahrzehntelanges Kriegsgeschehen in Zentralafrika.
Durch einen historischen Rückblick, vom präkolonialen Kongo über die belgische
Kolonialherrschaft und die erste Republik bis hin zu den in den letzten Jahrzehnten wütenden
Kongokriege, wird die Relation zwischen dem Rohstoffreichtum des Kongogebiets und einem
große Teile der Bevölkerung betreffenden Leid in beinahe jeder Epoche erkennbar.
Mit dieser historischen Basis lassen sich Motive, Ziele und Vorgehensweisen der im Bergbau
und Rohstoffgeschäft Tätigen sowie der mit den Bürgerkriegen in Verbindung stehenden
Akteure nachvollziehen. Der kongolesische Staat wird von einer korrupten Elite geführt,
multinationale Unternehmen sind in schwerste Menschenrechtsverletzungen verwickelt,
ebenso wie Tod und Terror verbreitende Rebellengruppen. Und das Opfer von all dem ist die
Zivilgesellschaft.
Im Mittelpunkt der polit-ökonomischen Strukturen und Verhältnisse stehen wenige Mineralien
als Finanzquelle aller Akteure. Man schürft sie unter unmenschlichen Bedingungen und wir
kaufen sie letztendlich, denn viele dieser Rohstoffe stecken in unseren Elektronikprodukten.

                                              2
Inhalt:
1. Einleitung                                                          S.4
2. Ein historischer Überblick.                                         S.6
  2.1. Präkolonialer Kongo                                             S.6
  2.2. Kongo-Freistaat (1878-1908)                                     S.6
  2.3. Belgische Kolonialherrschaft (1908-1960)                        S.7
  2.4. Erste Republik (1960-1965)                                      S.7
  2.5. Zweite Republik (1965-1990)                                     S.7
  2.6. Dritte Republik (1990-1997) und Erster Kongokrieg (1996-1997)   S.8
  2.7. Zweiter Kongokrieg (1997-2003)                                  S.9
  2.8. Dritter Kongokrieg/Kivu-Krieg (seit 2004)                       S.9
3. Akteure im kongolesischen Bergbau                                   S.11
  3.1. Was macht die DR Kongo so attraktiv für globale Akteure?        S.11
  3.2. Konflikte zwischen Akteuren                                     S.11
  3.3. Staat versus privat                                             S.12
  3.4. Globale und internationale Akteure                              S.13
  3.5. Rebellengruppierungen                                           S.14
  3.6. Die Zivilgesellschaft                                           S.14
4. Zur aktuellen Situation des Bergbaus in der DR Kongo                S.16
  4.1. Welche Rohstoffe werden gefördert                               S.16
      4.1.1. Kupfer und Cobalt
      4.1.2. Diamanten
      4.1.3. Gold
      4.1.4. Coltan
      4.1.5. Zinn
  4.2. Industriestrukturen                                             S.18
      4.2.1. Abbau
      4.2.2. Verarbeitungsphase
  4.3. Handwerklicher Bergbau und industrieller Bergbau                S.18
  4.4. Rechtliches                                                     S.19
  4.5. Infrastruktur                                                   S.19
  4.6. Arbeitsverhältnisse                                             S.20
  4.7. Menschenrechtsverletzungen                                      S.21
  4.8. Umweltschäden                                                   S.21
5. Schlussfolgerung                                                    S.22

                                        3
1. Einleitung
Auch jetzt, wo nun die Haupt-Eskalation des dritten Kongokrieges nun schon über zehn Jahre
her ist, gibt es noch immer Grenzgebiete in der Demokratischen Republik Kongo, die eigentlich
als Kriegsgebiete eingestuft werden sollten, so aber nicht genannt werden. Daher ist es mir ein
Anliegen, über die dortige Situation zu informieren. Im Übrigen muss verstanden werden, dass
die Kongokriege massive Auswirkungen auf die Ressourcenwirtschaft der Erde hatten und noch
haben, da viele für die Elektronikindustrie benötigten Materialien (z.B. Coltan, Cobalt, Gold)
aus Minen und Tagebauen der DR Kongo stammen, in denen im höchsten Maße Völkerrecht
und Menschenrechte verletzt werden und mit Mord, Zwangs- sowie Kinderarbeit und
Vergewaltigung einhergehen.
Ich habe Interesse am Thema, weil wir in den Industriestaaten genau jene sind, die elektronische
Geräte kaufen, die mit Materialien angefertigt wurden, die unter menschenunwürdigen
Arbeitsbedingungen geschürft wurden.
Fragen, die ich mir mit dem Thema dieser VWA gestellt habe und auch beantworte, sind
folgende: Welche Auswirkungen haben die Kongokriege auf den Bergbau der DR Kongo?
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Bergbau und Lebensqualität? Wie sehr wirken sich
die Bürgerkriege auf Abbaumethoden und Arbeitsbedingungen aus? Welche Rolle spielen
globale Akteure und wer sind diese? Wie unterscheiden sich die Handlungsweisen der
kongolesischen Regierung und jene privater Akteure? Welche Methoden gäbe es, um die
dortige Lage zu verbessern?
Die politische Ökonomie des Bergbaus ist eine Querschnittsmaterie zwischen
handelspolitischen, entwicklungspolitischen, sicherheitspolitschen und umweltpolitschen
Feldern, die alle auf Rohstoffe zurückzuführen sind.1 Diese Abhandlung setzt ein Bewusstsein
für die zentrale Rolle der Ressourcenindustrie im kapitalistischen Produktionsprozess voraus2
sowie für die auf Karl Marx zurückzuführende Sichtweise der Industrie als Mittel für die
Kommodifizierung3, wobei es zu „privater Aneignung durch Enteignung und In-Wert-Setzung
von Natur“4 kommt.5 Es sollte bedacht werden, dass die aus dem Bergbau hervorgehenden
Produkte den Input für andere Wirtschaftsbereiche geben, auch wenn hier nicht näher auf jene
Wirtschaftsbereiche eingegangen wird.6
Mithilfe einer Analyse und Veranschaulichung des Bergbaus in der Demokratischen Republik
Kongo können wir besser verstehen, weswegen und wie sich Konflikte um Mineralien in den
dortigen Gebieten bilden und in welcher Abhängigkeit der Bergbau zur politischen und
ökonomischen Lage des Landes sowie deren Entwicklung steht.7
Historisch gesehen waren die Regionen um den Kongofluss aufgrund ihres Rohstoffreichtums
schon seit Jahrhunderten von Konflikten geprägt. Dieser Reichtum trägt dort heute noch zur
instabilen politischen und ökonomischen Lage der DR Kongo bei. Die um den dortigen Bergbau
entstehenden Konflikte sind eingebettet in globale Zusammenhänge und haben institutionelle
Folgen.8 Die DR Kongo ist im Weltsystem ein gescheiterter Staat, denn kann ein Staat mehrere
seiner Funktionen nicht erfüllen, ermöglicht dies bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen, das

1
  Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“ In: Rohstoffe und
Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic
Press, 2016. S.149
2
  Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt,
Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.132
3
  Unter Kommodifizierung versteht man die Verwandlung von Natur in ökonomische Werte.
4
  Harvey, David (2005): The new imperialism. New York: Oxford University Press, zit. nach Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt,
Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.11
5
  Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“ In: Rohstoffe und
Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic
Press, 2016. S.11
6
  Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.132
7
  Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.12
8
  Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer,
Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.171
                                                                   4
Vakuum zu schließen. Solche Gruppen bringen für die heutige Weltwirtschaft essenzielle
Rohstoffe auf den globalen Markt, indem sie Mineralien zu günstigen Preisen bei völliger
Abwälzung des Risikos auf die lokale, vom Konflikt betroffene Bevölkerung verkaufen, um
ihre Kriege zu finanzieren. Mit der Rolle gewisser Rohstoffe als Finanzierungsquelle von
Konflikten steckt das Land in einer menschenrechtlichen Negativspirale.9

9
    Ebda, S.183
                                           5
2. Ein historischer Überblick
Vergangenheit sowie Gegenwart des Kongogebietes wurden und werden von Fremdherrschaft,
autoritären Machthabern und Bürgerkriegen geprägt. Sein Reichtum an Rohstoffen, darunter
Coltan, Zinn, Kupfer, Uran, Erdöl, Gold und Diamanten, und der Umstand, dass das Land noch
dazu mit äußerst fruchtbarem Boden und großer Artenvielfalt „gesegnet“ ist, werden und
wurden seinen Einwohner*innen in der Geschichte immer wieder zum Verhängnis.
Europäische, asiatische Länder, die Vereinigten Staaten ebenso wie afrikanische
Nachbarstaaten haben mehrfach und erfolgreich versucht, die natürlichen Schätze und
Reichtümer des Kongos auszubeuten, und führen das heute noch fort.10

2.1. Präkolonialer Kongo
Der präkoloniale Kongo setzte sich aus verschiedenen Königreichen zusammen. Diese
Königreiche verfügten bereits über komplexe monarchische Sozial- und Rechtsstrukturen
sowie funktionierende Steuer- und Abgabesysteme. Auch war die Sklaverei bereits historisch
in diesen Königreichen verankert. Der erste Kontakt Europas mit dem Königreich Kongo fand
im 15. Jahrhundert mit portugiesischen Entdeckern statt. In den nächsten Jahrhunderten
florierte der Sklavenhandel mit Amerika, was in einer politischen und wirtschaftlichen
Schwächung auf kongolesischer Seite resultierte.11

2.2. Kongo-Freistaat (1878-1908)
Unter Leopold II. begann die koloniale Expansion des erst kurz vorher unabhängig gewordenen
Landes Belgien, für die es zunächst gar kein Interesse gezeigt hatte. Unter „Vorgaukelung“
internationalen Freihandels übernahm 187812 Leopold II. die Macht im Kongo in einem Gebiet
von der 80fachen Größe des Mutterlandes13. Unter den Einwohnern entstand dabei der Spruch:
„Bunduki sultani ya bara bara“ – „Das Gewehr ist der Sultan des Hinterlandes“, der ungemein
viel über die Art der belgischen Kolonialherrschaft aussagt. Leopolds Kolonialpolitik führte zur
Zerstörung funktionierender Sozialstrukturen und Handelsrouten. Die kongolesische
Bevölkerung war chancenlos der übermächtigen Kolonialmacht ausgeliefert, ohne moderne
Waffen und bestehend aus 200 verschiedenen ethnischen Gruppen, die insgesamt 400
verschiedene Sprachen und Dialekte sprachen. Die Folgen waren dramatisch. Zwischen 1880
und 1920 wurde die kongolesische Bevölkerungszahl halbiert,14 wobei Schätzungen
entsprechend rund 10 Millionen Menschen an den Folgen des Arbeitszwangs der Belgier
starben.15
Zunächst ging es Belgien ausschließlich um den Elfenbeinexport, bis dann die neu entstandene
Gummiproduktion in Europa große Mengen an Kautschuk benötigte. Das belgische Modell des
Kautschukgeschäfts bestand darin, „die Profite auszuschlachten, bevor die gepflanzten
Kautschukplantagen anderer Kolonien Früchte trugen.“ 16 Um die Produktion möglichst günstig
zu halten, kam die Versklavung der Bevölkerung sehr gelegen. Wer den Arbeitsdienst
verweigerte, musste nicht nur selbst mit schwerwiegenden Folgen rechnen, sondern es waren
oftmals ganze Dörfer, die dem Erdboden gleichgemacht und deren Einwohner*innen
erschossen wurden. Die Praktiken der belgischen Kolonialpolizei wie tödliches Auspeitschen
oder Abschneiden von Händen und Genitalien ähneln auffallend jenen heutiger
Rebellengruppen in der DR Kongo.
10
   Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat. o.O., 2020. https://www.liportal.de/kongo/geschichte-staat/, 22.10.2020
11
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo - Von Leopold, einem Leoparden, Rohstoffreichtümern und Bürgerkrieg. Potsdam, 2010.
http://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2011/2920/pdf/N_15_Kongo_Von_Leopold_einem_Leoparden_Rohstoffreichtuemern_und_Buergerkri
eg.pdf, 22.10.2020, S.2
12
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.3
13
   Ebda.
14
   Ebda, S.5
15
   Ebda.
16
   Ebda, S.4
                                                                 6
2.3. Belgische Kolonialherrschaft (1908-1960)
Unter der Kolonialherrschaft des belgischen Staates hörten zwar die Massaker auf, die
Zwangsarbeit ging jedoch nur langsam zurück. Der belgische Staat sah seine Politik im
Kongogebiet als wohlmeinend, mit dem Mindset, dass die Bevölkerung eine strikte Führung
benötige und Loyalität, Gehorsam und harte Arbeit von ihr zu erwarten sei. 17 Die
Kolonialverwaltung machte keine Anstalten, zukünftige kongolesische Ersatzkräfte für den
ausschließlich aus Europäern bestehenden Verwaltungs- und Sicherheitsapparat auszubilden.
Durch die sozialen Umgestaltungen, wie Urbanisierung und Proletarisierung in den Städten, die
das Ende des 2. Weltkriegs mit sich brachte, entstand in den 1950iger Jahren eine Gruppe
sozialer Führer und politisch aktiver Gruppen im Kongo, die für Konzepte wie
Selbstbestimmung, Demokratie, Sozialismus sowie auch Nationalismus empfänglich waren,
welche zur Grundlage für politische Parteien wurden.18

2.4. Erste Republik (1960-1965)
Am 30.6.1960 wurde der Kongo von Belgien für unabhängig erklärt19 und dabei einer
weitgehend wenig gebildeten Bevölkerung überlassen. Dabei hatten noch in den Jahren davor
viele belgische, britische und amerikanische Firmen gewaltige Investitionen im Kupfer-,
Cobalt-, Diamanten-, Gold- und Zinkbergbau getätigt.20 Die Infrastruktur war ausschließlich
auf Rohstoffausbeutung ausgelegt. Zunächst wurde Patrice Lumumba, der erste
Premierminister und Führer der kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung, demokratisch ins
Amt gewählt und bereits im darauffolgenden Jahr ermordet. Schon ein Jahr nach erreichter
Unabhängigkeit herrschten daher bürgerkriegsähnliche Zustände. Sein Nachfolger im Amt
wurde daraufhin der bisherige Staatspräsident Joseph Kasavubu. Zusätzliche politische
Unruhen folgten den Sezessionsbestrebungen der an Bodenschätzen überreichen Provinz
Katanga im Süden des Landes. Politiker stritten um Macht, ethnische Gruppen nahmen ihre
alten Fehden wieder auf.21 Nach Jahren der Unruhe gewann schließlich der pro-westliche
Politiker und damalige Generalleutnant Joseph-Désiré Mobutu22, mit Unterstützung von UN-
Einsatzkräften sowie den USA, die politische Kontrolle über das Land und übernahm am
24.11.1965 die Macht.23
In den kommenden Jahrzehnten erging es den Menschen nicht besser als unter Belgiens
Herrschaft, mit dem wirtschaftlichen Niedergang in den 1980ern und dem kompletten
Zusammenbruch der Wirtschaft und Infrastrukturen in den 1990er Jahren.24

2.5. Zweite Republik (1965-1990)
Bereits 1966, 1967 und auch später dann, 1977, kam es im Land zu Rebellionen und Invasionen,
deren Unterdrückung und Zurückschlagen nur mit ausländischer Hilfe oder der von Söldnern
möglich war. 25 Der, ab 1971, offiziell als Diktator regierende Joseph-Désiré Mobutu trat ab
dann nur noch unter dem Namen Mobutu Sésé Seko auf. Mit seiner Namensänderung und der
von Republik Kongo in Republik Zaire ging eine Afrikanisierungswelle einher und das Land
verfiel in den „Mobutismus“. Mobutu spielte die Identitäten zunehmend entstehender, ethnisch
geprägter Rebellengruppen herunter, bestrebt, das Land unter einer kongolesischen Identität zu

17
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.5
18
   Ebda, S.6
19
   Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat...
20
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.6
21
   Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat...
22
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.7-8
23
   Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat... S.4
24
   Ebda.
25
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.9-10
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vereinigen. Gleichzeitig ließ seine Herrschaft nur Zugehörige bestimmter Gruppen in seinem
politischen System aufsteigen, die er als „ungefährlich“ erachtete. 197326 wurden im Kongo
tätige ausländische Unternehmen enteignet und wahllos an kongolesische Staatsbürger verteilt.
Aufgrund geringer Erfahrung hatten diese Unternehmen jedoch keine Überlebenschance und
wurden bald zahlungsunfähig, wobei alle angestellten Arbeiter*innen ihre Jobs verloren.
Betriebskonzessionen und Geldgeschenke waren die Säulen, die Mobutu an der Macht
erhielten. Zum Motto von Mobutus Innenpolitik wurde der Verfassungsartikel 15, „Vous êtes
chez vous, débrouillez – vous!“ – „Das ist euer Zuhause, also helft euch selbst!“. Das
vereinfachte die landesweite Korruption und galt als eine Art „Lizenz zum Plündern“ 27.
Fatal und besonders ausschlaggebend für die heutige Lage im kongolesischen Bergbau war die
Anfang der 1980er Jahre eingeführte Erlaubnis zum eigenhändigen Schürfen nach
Rohstoffen.28 Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre wanderte der Schwerpunkt der
ökonomischen Aktivitäten immer mehr weg von einem teilweise industrialisierten
Gesellschaftsmodell zur reinen Extraktion ohne viele technologische Hilfsmittel.29 Das führte
zum Entstehen korrupter mafiaartiger Netzwerke innerhalb der Armee.
Durch seine strategisch wertvolle Position im Zentrum Afrikas und als Verbündeter gegen die
sowjetische Expansion in Afrika erhielt Zaire Entwicklungsgelder aus dem Westen. Als jedoch
die Ost-West-Spannungen 1989 endeten, wurde auch der Zufluss von Geldern an Zaire
weitgehend eingestellt. Da man im Westen nicht mehr auf die Unterstützung des Kongos
angewiesen war, erhoben sich dort Stimmen gegen Mobutu bezüglich
Menschenrechtsverletzungen und Vetternwirtschaft. Mobutu fühlte sich dazu gezwungen, das
System zu lockern und Reformen einzuleiten. Er trat als Parteichef zurück und setzte eine
Übergangsregierung ein. Für 1991 wurden demokratische Wahlen angekündigt. Das gilt als
Ende der 2. Republik.30

2.6. Dritte Republik (1990-1997) und Erster Kongokrieg (1996-1997)
Die Übergangsregierung (Aug. 1991 - Dez. 1992) war ein Gemisch aus Parteien und der
Zivilgesellschaft und sie blieb bis 1992 im Amt.31 Um sich nicht von seiner Macht trennen zu
müssen, stellte Mobutu eine Gegenregierung auf. 1994 gelangten die Parteien zu einem
Kompromiss32, Mobutu war wieder Staatsoberhaupt, mit Kengo wa Dondo, einem
Würdenträger aus der Mobutu-Zeit, als Premierminister. Während dieser Zeit kam es zu
Rebellionen aufgrund von regelmäßigen Plünderungen durch Soldaten.33
Das Land war im Laufe der 1990er Jahre in eine Bürgerkriegsökonomie gestürzt, da immer
mehr gewaltbereite Gruppen auf die politische Bühne stürmten. Ab dem Zeitpunkt waren
einfach zu extrahierende Rohstoffe essenziell für alle, die im Bürgerkrieg mitmischten. Die
Akteure konnten sich technisch anspruchsvolles Wirtschaften nicht leisten, es ging darum, die
Rohstoffe mit so geringem Aufwand wie möglich zu extrahieren und so an schnelles Geld zu
gelangen, z.B. durch den Abbau von Diamanten (technisch extrem einfach zu fördern), um den
Krieg zu finanzieren.
Im März 1993 brach der Masisi-Krieg aus, der sich aus ethnischen Konflikten zwischen
„alteingesessenen Gruppen“, den Hunde und Nande, und den zugewanderten Hutu und Tutsi
entwickelte. Grund dafür waren Landkonflikte und der Versuch, die Zuwanderer vom
Wahlrecht auszuschließen.34

26
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.9
27
   Ebda.
28
   Ebda.
29
   Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.182-183
30
   Ebda, S.8-10
31
   Ebda, S.10
32
   Ebda.
33
   Ebda.
34
   Ebda, S.11
                                                                   8
1994 breitete sich der Bürgerkrieg von Rwanda nach Zaire aus.35 Bereits zu Beginn des Krieges
waren Gesundheit, Lebenserwartung, Bildung und Einkommen in der Bevölkerung schlechter
als noch 40 Jahre zuvor. 36 Rwandas Regierung entschloss sich, in Ost-Zaire einzumarschieren,
um der möglichen Bedrohung, die von ruandischen Hutu-Milizen ausgehen konnte,
vorzubeugen, aber vor allem die für die Massaker verantwortlichen, aus Rwanda geflüchteten
Milizen zu fassen. Überdies schlossen sich Angola, Burundi sowie Uganda Rwanda an, denn
auch sie waren von Rebellen auf zairischem Territorium bedroht worden.37
Mobutu wurde von der Rebellenkoalition L’Alliance des forces démocratiques pour la
libération du Congo (AFDL) nach einem kurzen Krieg gestürzt. Mobutu floh 1997 nach
Marokko, wo er im selben Jahr starb, und Präsident Laurent-Desiré Kabila übernahm die
Macht.38

2.7. Zweiter Kongokrieg (1997-2003)
1998 verwies Laurent Kabila, aufgrund des anwachsenden Wiederstandes gegen ruandischen
Einfluss von Seiten der Bevölkerung, alle bis dahin verbündeten sowie Ruanda nahestehenden
Mitstreiter des Landes. Die kongolesische Regierung, unterstützt von angolanischen,
simbabwischen und namibischen Einheiten, kämpfte gegen die Rebellengruppe RCD
(Rassemblement Congolais pour la Démocratie), die wiederum an der Seite von ruandischen,
ugandischen und burundischen Einheiten kämpfte. Die Konfliktparteien gingen rücksichtslos
vor, um Rohstoffvorkommen auszubeuten, was mit schwersten Menschenrechtsverletzungen
einherging. Die Zivilbevölkerung östlicher Landesteile litt unter regelmäßigen Massakern.
Zusätzlich hatte der zweite Kongokrieg etwa 2 Millionen Flüchtlinge zur Folge. Damit ist der
2. Kongokrieg der opferreichste Konflikt seit dem 2. Weltkrieg und der erste "Weltkrieg"
Afrikas.39
1999 unterschrieben alle Kriegsparteien ein Waffenstillstandsabkommen.40 Der
Waffenstillstand wurde jedoch nicht eingehalten und Kabila von seinen Bodyguards ermordet.
Nachfolger wurde sein Sohn, Joseph Kabila, der einen neuen Anlauf zu einem
Friedensabkommen wagte, indem er das Parteienverbot aufhob, UN-Truppen stationieren ließ
und den innerkongolesischen Dialog wieder aufnahm.
 Am 30. Juli 2003 wurde eine Übergangsregierung gebildet, die sich aus Regierung, Opposition
und den involvierten Rebellengruppen zusammensetzte.41 Während der Gründung der
Übergangsregierung blieben militärische Strukturen von angeblich "gezähmten" Warlords
sowie unter anderen Kabilas spezielle Präsidentengarde bestehen. Es wurden die ersten freien
Wahlen im Land durchgeführt, ohne dass die an die Regierung gerichteten Erwartungen erfüllt
wurden.42 Auf Menschen- und Frauenrechte wurde weiterhin kein Wert gelegt, der Elite ging
es nicht um den Wiederaufbau, um einen neuen Gesellschaftsvertrag, sondern darum, sich
wieder persönlich zu bereichern. Ruandische Einheiten blieben in der Kivu-Region im Ost-
Kongo und behielten damit dort ihren Einfluss bei. 43 Innerhalb von 6 Jahren, die der Krieg
andauerte, stieg die Zahl seiner Opfer auf mehr als fünf Millionen.44

2.8. Dritter Kongokrieg/Kivu-Krieg (seit 2004)
Der dritte Kongokrieg begann 2004 damit, dass Laurent Nkunda, ein Verbündeter der
ruandischen Regierung und abtrünniger Kongo-Armee-General, versuchte, Unabhängigkeit für

35
   Ebda.
36
   Ebda.
37
   Ebda.
38
   Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat...
39
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.12
40
   Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat...
41
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.12
42
   Wirtz, Karl: Kongo, Geschichte&Staat...
43
   Freier, Feline: Demokratische Republik Kongo... S.11-12
44
   Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“ S.183
                                                                  9
beide Kivu-Provinzen von der DR Kongo zu erlangen. 2006 gründete er die
Rebellenorganisation Congrès National pour la Défense du Peuple, kurz CNDP. 2008 stießen
die Nkunda-Rebellen in den Süden vor, mussten sich jedoch nach brutalen Übergriffen und
einer massiven Flüchtlingsbewegung wieder zurückziehen. Im Januar 2009 besetzten Kagame
und Kabila die Nord-Kivu-Region mit der Absicht, die dortigen CNDP-Soldaten zu
entmachten. Am 22. Januar wurde Nkunda dann in Rwanda festgenommen. Bis heute dauert
der Konflikt um die beiden Kivu-Provinzen und der damit verbundene Ausbeutungszyklus an,
im Vergleich zu den 2000er Jahren jedoch in abgeschwächter Form. In der Katanga-Region
kann sogar von einem Wiederaufschwung des Bergbausektors die Rede sein, wenn auch dieser
Wiederaufschwung auf chinesischem Kapital beruht.45

45
     Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“ S.183
                                                                   10
3. Akteure im kongolesischen Bergbau
3.1. Was macht die DR Kongo so attraktiv für globale Akteure?
Im letzten Vierteljahrhundert wurde der „Glaube“ an eine rohstoffbasierte Entwicklung
wiederbelebt, der zum letzten Mal in den „goldenen“ 50er und 60er Jahren sein Hoch hatte.46
Grund dafür war die stetig wachsende Nachfrage nach seltenen Mineralien wie Tantal, Cobalt
usw. (siehe 4.1.) aus der expandierenden Elektronik-Industrie.47 Im Vergleich dazu gab es aber
nur ein geringes Angebot.48 Daraus resultierte, dass seit 1995 die Zahl der weltweit
rohstoffabhängigen Staaten49 um 40% auf insgesamt 81 anstieg.50 Einige Staaten, überwiegend
Entwicklungsländer im globalen Süden, darunter die DR Kongo, versuchten mithilfe ihrer
bereits existierenden ökonomischen Monostruktur diese Nachfrage dazu zu nutzen, ihre
Einnahmen zu steigern.51 Jene Länder erhofften sich neue Entwicklungsperspektiven, gerade
da in den 2000er Jahren historische Spitzenwerte bei den Rohstoffpreisen verzeichnet wurden.52
Die Metallpreise stiegen 1991-2008 um 274% an.53 Dann, nach der Weltwirtschaftskrise 2008,
sanken die Preise wieder, ebenso nach einem kurzen Preisboom im Jahr 2011.54 Diese
Preisverfälle hatten die ohnehin schon ungesicherte wirtschaftliche Lage der DR Kongo kritisch
geschwächt.55 Der Rohstoffmarkt erholte sich erst dadurch, dass Spekulant*innen begannen,
wieder mehr auf Rohstoffe zu setzen, die sie gerne „future markets“ nannten. Das war jedoch
nur von kurzer Dauer. Auch die Nachfrage aus USA und China sank schon kurz nach dem
ursprünglichen Anstieg, ohne einen nachhaltigen Einfluss auf die wirtschaftliche Stabilität der
DRK zu haben.56

3.2. Konflikte zwischen Akteuren
Es sollte angemerkt werden, dass es bisher nur wenige Versuche gibt, aktuelle Bergbaukonflikte
zu systematisieren sowie länder- und regionenübergreifende Aussagen hinsichtlich der Frage
zu treffen, wie sich der globale Rohstoffboom in konkretes Konflikthandeln übersetzt.57
In Rohstoffkonflikten stehen Rohstoffe zwar im Mittelpunkt, sind aber selten ihr einziger
Auslöser.58 Konflikte um den Bergbau werden häufig durch die Erschließung neuer
Abbaugebiete ausgelöst, indem der Zugang zu und die Nutzung von Land und Wasser von einer
Gruppe monopolisiert werden, oder durch die daraus entstehenden ökologischen Folgen.59
Weitere Auslöser können auch die Verletzung von Menschenrechten sein (siehe 4.7.) oder wenn
die Ausweitung des Bergbaus von lokalen Akteuren als Bedrohung ihrer Arbeitsgrundlage,
ihrer territorialen und kulturellen Selbstbestimmungsrechte oder politischen Rechte
interpretiert wird.60

46
   Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141
47
   Ebda.
48
   Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.129
49
   Die Rohstoffabhängigkeit bezieht sich hier auf Staaten, deren gesamte Ökonomie von Erträgen aus dem Rohstoffsektor getragen wird,
ohne dem sie zusammenbrechen würde.
50
   McKinsey Global Institute (2013): Reverse the curse. Maximising the potential of resource-driven economies.
http://www.mckinsey.com/insights/energy_resources_materials/reverse_the_curse_maximising_the_potential_of_resource_driven_economie
s, 24.02.2021
51
   Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141
52
   Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.7
53
   Ebda, S.8
54
   Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.128; Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte
Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.8
55
   Küblböck, Karin. Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141
56
   Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas. „Umkämpfte Rohstoffe und Entwicklung. Eine Einführung.“... S.9
57
   Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und
Lateinamerika.“ In: Rohstoffe und Entwicklung, von Fischer, Karin; Jäger, Johannes; Schmidt, Lukas (Hrsg.), Wien: Verein für Geschichte
und Sozialkunde, New Academic Press, 2016. S.220
58
   Ebda, S.222
59
   Ebda, S.224
60
   Dueholm Rasch, Elisabeth (2012): Transformations in Citizenship: Local Resistance against Mining Projects in Huehuetenango
(Guatemala). In: Journal of Developing Societies 28/2: S.159
                                                                 11
Unter Akteure fallen (multinationale) Unternehmen, staatliche Akteure, lokale Regierungen,
ethnische und kleinbäuerliche Bewegungen, Gruppen, die handwerklichen Bergbau betreiben,
national und international agierende NGOs, Regierungen anderer Länder und
Rebellengruppierungen. All diese Akteure verfügen über unterschiedliche Mittel, um ihre
Interessen durchzusetzen.61
Es kann von allen involvierten Akteuren ein gewisses Handlungsrepertoire erwartet werden.62
Möglichkeiten für Verhandlungsstrategien lokaler Akteure können von Lobbying und Public
Relations, Referenden, Petitionen über Demonstrationen und Streiks bis zu Blockaden und
Sabotagen reichen. Die Art der Verhandlungen genauso wie ihr Ausgang hängen vom
politischen Kontext und der Machtposition der Akteure ab. Der Ort des Konflikts ist ebenfalls
nicht beliebig, sondern hängt von Rohstoffvorkommen ab.63
Die Konfliktkonstellation ebenso wie der Ausgang des Konflikts hängt stark von
Eigentumsverhältnissen ab. Konflikte hängen auch davon ab, wo der industrielle Bergbau
stattfindet, und zwar passiert das nie in „leerem Raum“, sondern dieser kann ganz
unterschiedlich genutzt sein. Das inkludiert Land- und Forstwirtschaft, Sammelwirtschaft,
agrarindustrielle Produktion, Tierhaltung, Siedlungen, handwerklichen Bergbau sowie kulturell
und spirituell genutzten Raum. Damit sind verschiedene (ökonomische, kulturelle und soziale)
Bedeutungen verbunden, die alle die Konfliktkonstellation beeinflussen.64

3.3. Der Staat (versus privat)
Da die Volkswirtschaft der DR Kongo nahezu ausschließlich von Rohstoffeinkommen
abhängig ist, ist die Besteuerung von Rohstoffen ein essenzielles Einkommen für die
kongolesische Regierung.65 Wie viele andere Staaten der Dritten Welt besitzt die DR Kongo
ein im globalen Vergleich schwach entwickeltes staatliches Steuersystem. Generell gilt, je
schwächer so ein Steuersystem ist, desto geringer fällt der Anteil der Regierung an
privatwirtschaftlichen Aktivitäten aus. Schwäche zeigt die DR Kongo u.a. dadurch, dass ihr
Steuersystem größtenteils von individuellen Verträgen lebt.66 Leider ist es unbekannt, wie viele
Rohstoffunternehmen Steuern an den Staat abgeben, da Vertragsverhandlungen unter
Geheimhaltung stattfinden.67 Mit einer hohen Besteuerung der Profite hat die Regierung
zumeist keine Chance auf Verträge, da auf diese Weise das Land im internationalen
Steuerwettbewerb an hinterer Stelle stehen würde und so keine Chancen auf Interessenten hätte.
Da die Rohstoffindustrie die einzig große Einnahmequelle für den Staat darstellt und er damit
von den fluktuierenden Rohstoffpreisen abhängig ist, wodurch das Risiko für Budgetausfälle
steigt, ist er besonders in einem solchen Fall auf möglichst schnelle Steuereinnahmen
angewiesen.68 Dagegen liegt es aber im Interesse der Unternehmen, erst dann zu zahlen, wenn
Gewinne gemacht wurden.
Es kommt den Unternehmen zugute, dass die meisten Verträge in der Planungsphase (siehe
4.3.) abgeschlossen werden, wo noch nicht feststeht, ob das Vorhaben überhaupt profitabel
ausfällt oder nicht.69 Unternehmen nutzen das, um im Falle eines unerwarteten Preisanstiegs
des Produkts am internationalen Rohstoffmarkt zu vermeiden, den zusätzlichen Gewinn mit der
Regierung zu teilen. Ob Unternehmen damit durchkommen, hängt fast ausschließlich von der
administrativen Kapazität der Regierung ab.70 Doch ist das Finanzministerium bzw. die

61
   Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und
Lateinamerika.“... S.224
62
   Ebda, S.222
63
   Ebda, S.221
64
   Ebda.
65
   Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.156
66
   Ebda, S.157
67
   Ebda, S.159
68
   Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.157
69
   Ebda.
70
   Ebda.
                                                                 12
Steuerverwaltung oftmals nicht in die Verhandlungen mit Rohstoffunternehmen eingebunden.71
Zudem ungünstig für die kongolesische Regierung ist ein Mangel an Finanzbeamt*innen.72
Letztendlich variiert die Aufteilung der Erträge zwischen Regierung und Bergbauunternehmen
stark über den gesamten Produktionszyklus hinweg, von der Planung sowie Exploration über
den Aufbau der Infrastruktur und der Extraktion bis hin zum „decommissioning“. Der staatliche
Anteil an den Renten73 bewegt sich laut IWF zwischen 40 und 60%74, laut UNCTAD zwischen
25 und 60%75.

3.4. Globale und internationale Akteure
Seit den 2000er Jahren ist die Demokratische Republik Kongo einer recht aggressiven
Investitionspolitik von privaten sowie staatlichen Akteuren aus dem Ausland ausgesetzt.76
Während Akteure von außerhalb sich in ihren wirtschaftlichen Interessen überwiegend ähneln,
nämlich an der gewinnbringend effektivsten Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im
Kongogebiet, unterscheiden sie sich in ihren Handlungsstrategien und politischen
Standpunkten sowie den damit einhergehenden Interessen.77 Es ist notwendig, sich bei diesem
Thema eine internationale, wenn nicht globale Sichtweise zu verschaffen, um das letztendliche
Ausmaß der polit-ökonomischen Verhältnisse um den kongolesischen Bergbau zu erfassen. Nur
auf diese Weise lassen sich Machtkonzentrationen sowie Kapitalakkumulation am
Rohstoffmarkt erkennen ebenso wie Warenketten verfolgen, um festzustellen, wer sie
kontrolliert.78
Mit dem Ziel, den größtmöglichen Profit mit den gehandelten Mineralien zu machen, streben
Rohstoffunternehmen es an, einer möglichst niedrigen Steuerbelastung durch den
kongolesischen Staat ausgesetzt zu sein.79 Das bringt vor allem MNUs80 in Versuchung, sich
am Abbau billiger Konfliktmineralien81 zu beteiligen, oftmals durch den Ankauf von
Mineralien bei Rebellengruppen und Warlords. Um dem ein Ende zu bereiten, veröffentlichte
die OECD 2011 Leitlinien, die Unternehmen helfen sollten, keine Rohstoffe aus
Konfliktgebieten zu verwenden.82 Diese Leitlinien sollen als Basis für Zertifizierungsinitiativen
von Unternehmensverbänden dienen. Mittlerweile ist die Teilnahme von internationalen
Rohstoffunternehmen an Transparenzinitiativen wichtiger Bestandteil ihrer Politik, um die
Zustimmung und Toleranz der lokalen und internationalen Zivilgesellschaft zu gewinnen, und
gibt ihnen mehr Handlungsspielraum, sozusagen die „social licence to operate“.83
Eine weitere Methodik für Rohstoffunternehmen, an steuerfreie Mineralien zu gelangen, ist
durch die vorübergehende Sicherung kleiner, ressourcenreicher Enklaven und den Zugriff auf
Transportkanäle (wie Grenzübergänge)84, die es ermöglichen, Rohstoffe zum Raubgut zu
machen. Exportstatistiken von Rwanda und Uganda zeigen Raubgüter aus dem Nachbarland

71
   Eckardt, Ute/van Kommer, Victor (2014): Taxation of Extractive Industries. Summary of the ITC/EC/WBG International Conference 2014
(9.-11. September, Brüssel). Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH: Eschborn. S.28
72
   Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“ S.160
73
   Als Rente werden die Erträge bezeichnet, die die Produktionskosten (inklusive einer Mindestkapitalrendite) übersteigen.
74
   IWF (2012): Fiscal Regimes for Extractive Industries: Design and Implementation.
https://www.imf.org/external/np/pp/eng/2012/081512.pdf, 05.01.2021, S.6
75
   UNCTAD (2007): World Investment Report. Transnational Corporations, Extractive Industries and Development. New York and Geneva.
United Nations Publication. S.xxiv
76
   Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.141
77
   Ebda.
78
   Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.131
79
   Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.163
80
   multinationale Unternehmen
81
   In diesem Kontext veranschaulichten der Begriff der „Konfliktmineralien“ Zusammenhänge zwischen von der Elektronikindustrie
verarbeiteten Rohstoffen und der Bürgerkriegsfinanzierung in der Demokratischen Republik Kongo.
82
   OECD (2013): Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas: Second
Edition. Paris: OECD Publishing
83
   Küblböck, Karin. „Internationale Rohstoffpolitik im Wandel, Zwischen Zugangssicherung und lokaler Entwicklung.“... S.142
84
   Nest, Michael (2011): Coltan. Cambridge/UK: Polity Press
                                                                13
DR Kongo.85 Ebenso sind aber Privatunternehmen aus Europa und den USA an diesem
internationalen und interkontinentalen Netzwerk der Plünderung beteiligt.86

3.5. Rebellengruppierungen
Die mitgliederstärkste und derzeit einflussreichste Rebellengruppe in der DR Kongo ist die
FDLR. Die Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (FDLR) ist eine seit 2001 in den
stark besiedelten Kivu-Provinzen agierende Rebellenarmee. Mitglieder der Armee gehören
vorwiegend der ethnischen Gruppe der Hutu an.87 Früherer Kriegsgegner der FDLR war die
CNDP (siehe 2.8.), die offiziell zum Schutz der ethnischen Minderheit der Tutsis agierte und
2009 als politische Partei anerkannt wurde. Gegner der FDLR heute sind die Mouvement du 23-
Mars (M23), eine Neugruppierung der CNDP, die Forces de défense congolaise (FDC), eine
Miliz gegründet, um vor allem die FDLR zu bekämpfen, und die Forces Armées de la
République Démocratique du Congo (FARDC), die Streitkräfte der DR Kongo. Dabei wird
vermutet, dass M23, die FDC sowie vor 2009 auch die CNDP vom ruandischen Staat
Unterstützung erhalten.88 Trotz ihres stetigen Schrumpfens durch das UN-
Demobilisierungsprogramm, das Truppen entwaffnet und nach Ruanda schickt, bleibt die
FDLR höchst aktiv.89 All den Gruppierungen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit
vorgeworfen. Auch haben sie alle das Ziel, mehr politischen Einfluss zu erlangen, wobei Gewalt
das am nächsten liegende Mittel zu sein scheint. Das nicht zuletzt deshalb, da die
Rohstoffausbeutung als einzig tragfähige Finanzierungsquelle für ihre bewaffneten Konflikte
dienen kann.90 Rohstoffe mit extrem niedrigen Erzeugungskosten sind dabei entscheidend, da
so die Differenz zum Weltmarktpreis extrem groß ist, z.B. im lokalen, handwerklichen
Bergbau, in dem wenig bis gar keine technologischen Hilfsmittel notwendig und keine
bestimmten Qualifikationen erforderlich sind.91

3.6. Die Zivilgesellschaft
Während eine kleine Elite, die unter anderem die Regierung bildet, vom Bergbau profitiert,
zählt die Masse der Bevölkerung eindeutig zu den Verlierern. Die Elite ist durch Rohstoffrenten
unabhängig von den Steuerzahlungen aus anderen Wirtschaftssektoren und somit vom Volk.
Der Staat sieht es nicht mehr als notwendig an, auf die Bedürfnisse der Zivilgesellschaft
einzugehen. Damit vergrößert sich die Schere zwischen dieser kleinen Elite und der
Zivilgesellschaft beträchtlich.92 Dazu kommt, dass durch den Zustrom von Devisen eine
Aufwertung der Währung erfolgt, die wiederum zu Arbeitslosigkeit im Exportsektor führt, der
mit verstärkter öffentlicher Beschäftigung begegnet wird. Das führt unter den gegebenen
Umständen schlussendlich zu schwächerer internationaler Wettbewerbsfähigkeit, was höhere
Ausgaben bei geringeren Erträgen zur Folge hat.93
Generell gehören zum Handlungsrepertoire lokaler Akteure Gerichtsverfahren, Eingaben und
Petitionen, Demonstrationen und Streiks genauso wie Besetzungen und Sabotagen.94 Schwache
Repräsentation der kongolesischen Zivilgesellschaft in Massenorganisationen führt jedoch
meist dazu, dass fast ausschließlich zu konfrontativen Mitteln gegriffen wird. Häufig sind lokale

85
   Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.183
86
   Taylor, Ian (2003): Conflict in Central Africa: Clandestine Networks and Regional/Global Configuration. In: Review of African Political
Economy 30/95: S.45
87
   Internet Archive: fdlr.org (03.03.2009). https://web.archive.org/web/20090303131752/http://www.fdlr.org/, 24.02.2021
88
   Wikipedia: Forces Démocratiques de Libération du Rwanda. o.O., o. J.,
https://de.wikipedia.org/wiki/Forces_D%C3%A9mocratiques_de_Lib%C3%A9ration_du_Rwanda, 24.02.2021
89
   BBC News: Will FDLR rebels ever leave Congo and return to Rwanda?, 11.02.2014 https://www.bbc.com/news/world-africa-26121995,
24.02.2021
90
   Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.172
91
   Ebda, S.176
92
   Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: Über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.154
93
   Exenberger, Andreas. „Konflikte um Rohstoffe im Weltsystem – das Fallbeispiel Kongo.“... S.172
94
   Anyidoho, Nana Akua/Crawford, Gordon (2014): Leveraging national and global links for local rights advocacy: WACAM’s challenge to
the power of transnational gold mining in Ghana. In: Canadian Journal of Development Studies/Revue canadienne d’études du
développement 35/4: S.483
                                                                   14
Proteste nicht von Gewerkschaften oder anderen Nichtregierungsorganisationen angeführt und
wenig organisiert. Solche Proteste gehen meist mit Sachschäden einher, beinhalten dennoch
immer, unabhängig von der Handlungsweise der Protestierenden, immer konkrete
Forderungen95, wie z.B. betreffend die demokratische Mitbestimmung, Entscheidungen der
Land- und Rohstoffnutzung und Arbeitsbedingungen.96

95
   Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und
Lateinamerika.“... S.228
96
   Ebda, S.221
                                                                 15
4. Zur aktuellen Situation des Bergbaus in der DR Kongo
4.1. Welche Rohstoffe werden gefördert?
Die Rohstoffwirtschaft macht heute 80-95% der kongolesischen Exporte aus und ist nach den
jeweiligen Rohstoffen in Sektoren eingeteilt. Die wirtschaftlich relevantesten bilden Kupfer,
Cobalt, Diamanten, Gold, Coltan und Zinn, deren geographische Verteilung in Abbildung 197
dargestellt ist. 98

     Abbildung 1: Verteilung der Abbaugebiete nach Mineralien

Die folgenden Rohstoffe machen den größten Teil des kongolesischen Bergbaus aus.

4.1.1. Kupfer und Cobalt
Der Kupfer- und Cobaltabbau (die beiden Metalle sind häufig, aufgrund ihrer
Entstehungsweise, gemeinsam aufzufinden und bilden daher einen Sektor99) lässt sich auf den
sogenannten Kupfer-Gürtel (Copper Belt) in der Provinz Katanga, im Süden des Landes,
einschränken. Zwar gibt es über das Land verteilt noch weitere Minen, die jedoch nicht mit

97
   Lima Charlie: Cobalt mining, China, and the fight for Congo’s minerals. o.O., o. J., https://limacharlienews.com/africa/cobalt-mining-
congo/, 27.12.2020
98
   Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc-miners-
on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020
99
   A.E. Annels, J.R. Simmonds: Cobalt in the Zambian Copperbelt. o.O., 2003,
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/0301926884900251, 27.12.2020
                                                                  16
denen des Kupfer-Gürtels, der sich im Übrigen auch auf sambisches Territorium erstreckt, zu
vergleichen sind. Das 70 Kilometer breite und 250 Kilometer lange Abbaugebiet bildet, mitsamt
dem nord-sambischen Anteil, das zweitgrößte Kupfer-Abbaugebiet der Welt (nach Chile) und
das weltweit größte Cobalt-Abbaugebiet. Tatsächlich dürften 70% des weltweiten Cobalts aus
der DR Kongo stammen.100 Gécamines, Anvil Mining und Metorex sind hier die führenden
Bergbauunternehmen.101

4.1.2. Diamanten
Aufgrund ihrer Beschaffenheit ist es möglich, Diamanten ohne moderne technologische
Hilfsmittel zu extrahieren. Daher fällt deren Abbau hauptsächlich unter den handwerklichen
Bergbau, manchmal bis zu 15 Metern unter dem Erdboden.102 Es ist zu erwarten, dass die
kongolesischen Diamanten-Vorkommen, die größtenteils in der Kasai-Region im Zentrum des
Landes liegen, nur noch für ein paar Jahre reichen werden (Stand 2018).103 Insbesondere hat
hier die MIBA als staatliches Unternehmen einen massiven Einfluss. Gleichzeitig ist der
Diamantenabbau für Rebellengruppen eine Chance, an schnelles Geld zu kommen.104

4.1.3. Gold
So wie Diamanten wird Gold zu einem großen Teil im handwerklichen Bergbau geschürft.
Hauptsächlich kommt das kongolesische Gold aus den Regionen Kivu und Ituri und ist
besonders durch den Grenzschmuggel nach Uganda, Burundi und Tanzania konfliktträchtig.105

4.1.4. Coltan
Coltan ist ein natürlich vorkommendes Erzgemisch, aus dem vor allem das Schwermetall Tantal
gewonnen wird, das wiederum in der Hightech-Industrie besonders begehrt ist.106 In der DR
Kongo wird das Coltan zu etwa 80%107 im Kleinbergbau manuell, ohne maschinelle Hilfsmittel,
geschürft, dabei werden die kleinen Coltan-Bröckchen aus dem Sand bzw. Schlamm
gewaschen.108 Ganze 60% des Coltans in Mikroprozessoren kommen aus der DR Kongo, und
das hauptsächlich aus der Kivu-Region.109

4.1.5. Zinn
Der Zinnabbau in der DRK verteilt sich über die Provinzen Katanga, Maniema sowie Nord-
und Süd-Kivu, wo durch das Metall Gewalt in großen Teilen des Landes gefördert wird.110

100
    Human Rights Watch: DR Congo: Mine Workers at Risk During Covid-19, o.O., 2020 https://www.hrw.org/news/2020/06/11/dr-congo-
mine-workers-risk-during-covid-19, 25.12.2020
101
    Wikipedia: Copper mining in the Demcratic Republic of Congo. o.O., o. J.,
https://en.wikipedia.org/wiki/Copper_mining_in_the_Democratic_Republic_of_the_Congo, 27.12.2020
102
    Baker, Aryn: Inside the Democratic Republic of Congo’s Diamond Mines. o.O., 2015, https://time.com/4011617/inside-the-democratic-
republic-of-congos-diamond-mines/, 27.12.2020
103
    Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc-
miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020
104
    Brockmann, Roland: „Mit deutscher Hilfe weg vom „Bluthandy”” (17.2.2016),
https://www.welt.de/politik/ausland/article152347129/Mit-deutscher-Hilfe-weg-vom-Bluthandy.html, 27.12.2020
105
    Enough Project: conflict Gold 101. o.O., o. J., https://enoughproject.org/files/ConflictGold101_ActivistBrief.pdf, 27.12.2020
106
    Seroka, Perter: „Tantal, Niob und Coltan: Was ist Coltan“ (o. J.),
https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Tantal%2C%20Niob%20und%20Coltan/Was%20ist%20Coltan%3F,
27.12.2020
107
    Schlager, Edda: „Handarbeit ersetzt Maschinenkraft“ (25.4.2009), http://www.scinexx.de/dossier-detail-443-8.html, 27.12.2020
108
    Ebda.
109
    Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc-
miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020
110
    Freedman, Jim: Tackling the tin wars in DR Congo. Miner Econ 24, 45–53 (2011). https://doi.org/10.1007/s13563-011-0001-x,
28.12.2020
                                                                 17
4.2. Industriestrukturen
Die Rohstoffindustrie ist durch einen massiven Planungsaufwand geprägt (meist in Form von
Jahresplänen), damit der größtmögliche Profit erzielt werden kann.111 „Der Bergbau und
Metallsektor besteht aus 2 Typen von Aktivitäten.“112
    • Abbau
           o das Aufspüren/Orten von neuen Reserven
           o die Entwicklungsphase
           o der Erzabbau
    • Verarbeitungsphase113

4.3.1. Abbau
Erkundungsphase:
Die Erkundung von neuen Rohstoffreserven überlassen MNU gerne Junior-Unternehmen bzw.
ihren Junior-Sektoren (meist handelt es sich um Startups), um risikoreiche Investitionen zu
vermeiden, da Eigentumsrechte durch Lizenznahme immer noch erworben werden können.114

Entwicklungsphase:
Die Entwicklungsphase besteht darin, die eben entdeckten Reserven zu erschließen, und zwar
so weit, dass mit dem Abbau begonnen werden kann. Praktisch gesehen unterscheidet sich diese
Phase stark, je nach geologischen Faktoren (dichter Wald, Savanne, landwirtschaftlich genutzte
Gegenden). Essenziell ist eine gewisse Infrastruktur zwecks des Transportes von
technologischen Gerätschaften, Baumaterialien sowie der Arbeiter*innen und dann noch
selbstverständlich des Abtransportes der Materialien wie Gestein und Sand sowie des
abgebauten Minerals. Im Gegensatz zum industriellen Bergbau ist der handwerkliche Bergbau
an eine weitaus weniger aufwendige Entwicklungsphase (z.B. Transporterleichterung)
gebunden.115

Erzabbau:
Die Art des Erzabbaus variiert stark nach dem zu schürfenden Erz, demnach entstehen Minen
oder Tagebaue, wobei manche Erze mit Schaufel und Spaten, andere mit avancierteren
technologischen Hilfsmitteln abgebaut werden.116

4.3.2. Verarbeitungsphase
In der Verarbeitungsphase werden die Mineralien vom übrigen Gestein getrennt,
eingeschmolzen, veredelt und bis zum Endprodukt weiterverarbeitet. Diese Phase, die den
größten Teil der Warenkette einnimmt, wird ausschließlich von MNUs kontrolliert und findet
hauptsächlich im Ausland statt.117

4.3. Handwerklicher Bergbau und industrieller Bergbau
Ursprünglich wurden im handwerklichen Bergbau, oder Kleinbergbau, fast ausschließlich Gold
und Edelsteine gefördert, da deren Gewinnung kaum technologische Hilfsmittel benötigt.118 In
den letzten Jahrzehnten ist hier aber eine Trendwende zu erkennen. Beispielweise kommen
mittlerweile ganze 30% des kongolesischen Cobalts aus dem handwerklichen Bergbau, wovon

111
    Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc-
miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020
112
    UNCTAD (2012): Extractive Industries: Optimizing Value Retention in Host Countries. United Nations Conference on Trade and
Development – UNCTAD, New York/Geneva: United Nations
113
    Smet, Koen. „Rohstoffunternehmen und Finanzialisierung.“... S.130
114
    Ebda.
115
    Ebda.
116
    Ebda.
117
    Ebda.
118
    Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.154
                                                                  18
das meiste nach China geht.119 In der DR Kongo werden etwa eine Million Arbeitskräfte im
handwerklichen Kleinbergbau vermutet.120
Im Gegensatz zum handwerklichen Bergbau, der oft ohne jegliche formalen Genehmigungen
abläuft und an dem nur wenige Personen beteiligt sind (meist Familien), funktioniert der
industrielle Bergbau mit hohem Einsatz von Kapital und Technologie und beschäftigt insgesamt
weitaus mehr Arbeiter*innen.121
Konflikte zwischen industriellen Bergbauunternehmen und handwerklichen Bergbaubetrieben
entstehen dadurch, dass Unternehmen sich oft Gebiete vornehmen, in denen sich handwerkliche
Bergbaubetriebe angesiedelt und Erkundungsarbeit geleistet haben. Denn das bedeutet,
Vorkommen sind vorhanden. Handwerkliche Bergbaubetriebe haben in diesen Fällen auch
keinen Anspruch auf Konsultation oder Entschädigungen. Der industrielle Bergbau hat immer
Vorrang, da mehr Gewinn bzw. höhere Renten zu erwarten sind als im handwerklichen
Bergbau. Auch wird der industrielle Bergbau, oftmals durch Kriminalisierung des
handwerklichen Bergbaus oder durch oder unklare Regelungen im Landrecht, gegenüber den
weniger ertragsversprechenden, handwerklichen Kleinunternehmen bevorteilt.122

4.4. Rechtliches
Weshalb ein so rohstoffreiches Land wie die DR Kongo die Rechte an Minen an ausländische
Rohstoffunternehmen vergibt bzw. diese mit dem Abbau von Mineralien beauftragt, lässt sich
mit fehlendem technischem Know-how sowie fehlendem Kapital für kostenintensive
technologische Ausrüstung begründen.123 MNUs besitzen Anteile an lokalen Unternehmen, die
für den tatsächlichen Abbau vor Ort zuständig sind.124 Jene lokalen Unternehmen müssen zum
Abbau gewisse Förderlizenzen erwerben, wobei die Investitionsbedingungen meist über
Bergbauverträge geregelt sind.125
Der illegale Bergbau macht einen großen Teil des Rohstoffmarkts auf kongolesischem Gebiet
aus, wobei es sich bei illegalem Bergbau meist um handwerklichen Bergbau handelt. Gerade
dort ist die Sterblichkeitsrate besonders hoch, ein Beispiel hierfür waren die Unfälle in Tenke
Fangarame und Kamoto, wo eingebrochene Tunnel 43 Menschenleben forderten.126

4.5. Infrastruktur
„Wo Minen entstehen oder entstehen sollen, werden bestehende Landnutzungen,         -regime
und Besitzverhältnisse verändert, Institutionen zur Regelung des Zugangs zu und der
Verteilung von Wasser und Land transformiert, neue bauliche Infrastrukturen (Straßen, Häfen,
Abraumhalden) errichtet, sozioökonomische Begehrlichkeiten und Hoffnungen geweckt,
soziale Beziehungen (Arbeit, Geschlechter- und Klassenverhältnisse) und politische
Machtverhältnisse im Raum neu geordnet.“127

119
    Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc-
miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020
120
    Bundesanstalt für Geowissen: Studie zum Kleinbergbau in der DR Kongo in der Corona-Krise: Neue Risiken für nachhaltige
Rohstofflieferketten durch fehlende Kontrollen und soziale Konflikte. Hannover, 07.07.2020.
https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/BGR/bgr-2020-07-07_pm_studie-kleinbergbau-dr-
kongo-corona-krise.html#:~:text=In%20dem%20zentralafrikanischen%20Land%20bietet,Mitteln%20von%20Hand%20abgebaut%20wird,
14.12.2020
121
    Diez, Kristina; Engels, Betina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und
Lateinamerika.“... S.225
122
    Carstens, Johanna/Hilson, Gavin (2009): Mining, grievance and conflict in rural Tanzania. In: International Development Planning
Review 31/3: S.301
123
    Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.154
124
    IWF (2012): Fiscal Regimes for Extractive Industries: Design and Implementation.
https://www.imf.org/external/np/pp/eng/2012/081512.pdf, 16.12.2020
125
    Neuwirth, Martina. „,Tax matters‘: über Steuervermeidung und Gegenstrategien im Rohstoffsektor.“... S.156
126
    Christophe Le Blanc: DRC: Miners on hold while government stalls. o.O., 02.08.2020. https://www.theafricareport.com/15892/drc-
miners-on-hold-while-government-stalls/, 16.12.2020
127
    Peluso, Nancy Lee/Lund, Christian (2011): New frontiers of land control: Introduction. In: Journal of Peasant Studies 38/4: 667, zit. nach
Diez, Kristina; Engels, Bettina. „Umkämpfter Rohstoffboom, Akteure und Strategien in Konflikten um Bergbau in Subsahara-Afrika und
Lateinamerika.“... S.220

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