Die Vermessung der Wohngefühle - Survey Research ...
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Kapitel 5 Zukunftsfühler Die Vermessung der Wohngefühle Wohlbefinden beim Wohnen wird bislang mehr behauptet als nachgewiesen. Die junge Housing- Well-being-Forschung tritt mit der Intention an, Wohngefühle in nachhaltig errichteten Gebäuden wissenschaftlich zu quantifizieren. Und den Planern Gewissheiten für eine zukunftsfähige Foto: VELUX Wohnarchitektur an die Hand zu geben. Monitoring in Aktion. Zwei Jahre lang wurde das Hamburger VELUX-Projekt „Model Home 2020“ neben anderen Experten auch von Sozialwissenschaftlern systematisch begleitet. Wohnstil, Wohnverhalten oder Einrichtungsvorlieben sind längst bestens untersucht – hier geht es darum, wie sich nachhaltiges Wohnen auf das Wohlbefinden einer Familie auswirkt, welche Einstellungen sie dazu entwickelt. 286 masterplan haus 2050 www.haus-2050.de 287
Kapitel 5 Zukunftsfühler Prof. em. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegener (Jahrgang 1944) war von 1994 bis 2013 Leiter des Lehrbereichs für empirische « Die Architektur legt einfach fest, was Sozialforschung an der Humboldt-Universität Berlin. Seit seinem Ruhestand ist er dort als Senior Professor tätig. für Nutzer behaglich ist. Diese normative Zuvor arbeitete er unter anderem am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg, am Max-Planck-Institut für Voreingenommenheit schlägt sich dann in Bildungsforschung, Berlin, und am Zentrum für Umfragen, Baurichtlinien nieder. Das hat etwas von selbsterfüllender Prophezeiung. » Methoden und Analysen in Mannheim. Gastprofessuren Foto: Bettina Keller führten ihn an die University of Wisconsin-Madison und an die Harvard University. Prof. Wegener engagiert sich im Beirat des AktivPlus e. V. Prof. Bernd Wegener Prof. Wegener, ist Wohlbefinden die verkünden: Bei Punkt x beginnt der Wohl- dem Hintergrund einer Theorie erfolgen, Könnten Sie sich vorstellen, dass es Anspruchsvoller wäre der Versuch, überge- entscheidende Kategorie für die fühlbereich. Woher wissen die das? Die nicht nur induktiv. Beschreibungen sind am einen Ende der Skala fundamenta- ordnete Denkstile im Sinne der Cultural Vermessung der Wohngefühle? Architektur legt fest, was für die Nutzer be- letztlich beliebig. Wir bedienen uns eines lere, tiefer sitzende Wohlgefühle gibt Theory zu definieren, zu operationalisieren Prof. Bernd Wegener: Well-being sagen wir haglich ist. Basta. Diese normative Vorein zweifachen theoretischen Schemas: dem und am anderen Ende oberflächliche? und daraus die vorgefundene Housing- Soziologen – als Sammelkategorie für Zu- genommenheit schlägt sich dann beispiels- Dreikomponentenmodell von affektiven, Ich halte es für möglich, dass es sowohl dau Well-being-Struktur abzuleiten. friedenheit. Nicht, dass Sie denken, uns sei weise in EU-Richtlinien für Tempe ratur, kognitiven, konativen Einstellungen und erhafte primäre Einstellungen gibt als auch Eine kulturtheoretische Perspektive, die kein deutsches Wort dafür eingefallen. Licht, Luftqualität nieder. Das hat was von der anthropologischen Cultural Theory. Die stärker sekundäre, die sich mit den jeweili- sich besonders gut auch für internationale Well-being ist der etablierte Fachbegriff. selbsterfüllender Prophezeiung. Architek- operiert mit vier Denkstilen – Individualis- gen Randbedingungen ändern. Vergleich- Vergleiche empfehlen würde. Die Well-being-Forschung orientiert sich ten werden mit solchen Postulaten groß, sie mus, Egalitarismus, Hierarchismus und Fa- bar der Gerechtigkeitswahrnehmung, wie stark an der Wohlfahrtsforschung. Die Mes- kommen an der Stelle gar nicht auf die Idee talismus. Die kommen in allen Kulturen wir sie aus der Ideologienforschung kennen. Wenn Sie den Blick mal auf den vor sung der Wohlfahrtsfunktionen lässt sich zu fragen. vor, sind aber spezifisch ausgeprägt. Ihnen liegenden Weg richten, dann … bis ins 18. Jahrhundert zu Jeremy Bentham, Gibt es einen Kanon fürs Wohn- … würde mich nicht nur die einzelne Woh- dem Vordenker des modernen Wohlfahrts- Aber Sie? Wohlgefühle sind Gefühle, das Gegen- Wohlgefühl? Wohnen im Grünen, nung, das einzelne Haus interessieren, son- staats, zurückverfolgen. Ja, das ist die notwendig neue Blickrichtung teil von materiell Fassbarem. sozial eingebettetes Wohnen … dern das Quartier. Dass Leute künftig im Ihr Bestreben: kollektive Präferenzen abbil- – die Betroffenenperspektive. Was denken, Die Wohnumwelt, in der wir leben, existiert Das untersuchen wir weniger, das ist eher Quartier beispielsweise die von ihren Häu- den, um den Wohlfahrtsstaat danach auszu- wie empfinden eigentlich die Nutzer? nur als subjektiv wahrgenommenes Be etwas für die Housing-Preferences-For- sern erzeugte Energie teilen, ist ein Aspekt richten. Das historische Problem dabei ist, wusstseinsabbild. Welche Empfindungen schung: nach welchen Kriterien die Leute sozialen Austauschs. Sehr spannend. dass sich Nutzen nicht intersubjektiv ver- Welchen Stellenwert hat gutes von der physikalischen Realität ausgelöst sich ihre Wohnungen oder Häuser aussu- gleichen lässt. In der praktischen Einstel- Wohnen in einer Wohlfühlmatrix? werden, bezogen auf die Reizintensitäten chen, wie man marketingmäßig eine Kor Sie engagieren sich im Beirat des lungsforschung gibt es inzwischen Metho- In Untersuchungen zur Zufriedenheitsfor- verschiedener Modalitäten wie Licht, Akus- respondenz zwischen Gebäude- und Käu- AktivPlus-Vereins. Soziologen sind in den, das Problem empirisch mittels latenter schung stehen Gesundheit, Familie, Ein- tik, Temperatur und Ähnliches untersucht fertypen herstellt. Uns interessiert nicht, solchen Gremien eher eine seltene Konstrukte zu überwinden, sodass man kommen, Arbeit, Frei zeit obenan. Diese die Psychophysik. Diese Disziplin wurde im welche Wahl Leute treffen, sondern die Re Spezies. trotzdem Aggregationen bilden und Ver- Ermittlungen sind methodisch nicht beson- 19. Jahrhundert von Gustav Fechner in flexion, wie sie sich dann in ihrer Wohnwelt Ich finde imponierend, wie enthusiastisch gleiche anstellen kann. ders ausgefeilt, es gibt geringe Varianzen, es Deutschland begründet. Für f, die Transfor- fühlen. vor allem junge Experten in diesem Aktiv Mit unserem eigenen Versuch – der sozial- fehlt jede theoretische Betrachtung. Die mationsfunktion, gibt es klare Gesetzmä- Plus-Verein nach ganzheitlichen Lösungen wissenschaftlichen Begleitung des VELUX- Wohnverhältnisse nehmen in dieser Indi ßigkeiten in der Beziehung R = f(S). R steht Theoretisch müssten in Südeuropa für nachhaltiges Bauen suchen. Wie sie Projekts „Model Home 2020“ in Hamburg katorenforschung neuerdings den ersten dabei für die subjektive Repräsentation, S andere Wohlfühlraster gelten als in Grenzen zwischen praktischem Bauen und – stehen wir ganz am Anfang der Forschung. Platz ein. Ostdeutschlands Werte haben für die äußere Stimulation. Die Reizstärken der norddeutschen Tiefebene. Wissenschaft interdisziplinär auflösen. Über die Fallstudienphase sind wir noch sich mittlerweile den westdeutschen ange- werden, wie man heute weiß, nach einer Ist das so? Das müsste man empirisch un- Nachhaltigkeit wird dort nicht auf Energie- nicht hinausgekommen. Wie sich nachhal- passt. Ein Wohlstandsphänomen. Je höher Potenzfunktion R = aSb abgebildet, wobei b tersuchen. effizienz beschränkt. Deshalb sind auch wir tiges Wohnen auf das Wohlbefinden der der Wohlstand, umso wichtiger wird das für jede Sinnesmodalität verschieden ist. Soziologen eingeladen mitzuwirken. Bewohner auswirkt, welche Einstellungen Wohnen. Weil man aus solcher komfortab- Man muss also mit der Psychophysik des Hat das Wohlgefühl denn Strukturen, Endlich. sie dazu entwickeln, wurde bislang über- len Situation heraus erst tatsächlich unter Wohnens beginnen, mit der Umsetzung der Regeln? haupt nicht untersucht. Auch international den Möglichkeiten wählen kann. physischen Realität ins Bewusstsein, um Die Rekonstruktion der Mehrdimensiona- Und alle erwarten gespannt Ihre herrscht da gähnende Leere. Wohnbefindlichkeitsmaße zu erarbeiten. lität ist die Struktur. Eine andere Frage ist, Rückmeldungen an die Architektur? Was ist Wohlgefühl für einen Soziolo- ob sich für das Housing-Well-being Regel- Ein Messinstrument für Housing-Well- Ist der Kenntnisstand wirklich so gen eigentlich? mäßigkeiten aus empirischen Generalisie- being zu entwickeln, das dauert schrecklich jungfräulich? Man weiß doch bei Ein Mix von Einstellungen, latente Kon- rungen formulieren lassen. Dafür sind zwei lange. Die Diskrepanz zwischen den unge- spielsweise, dass ein 21° temperierter strukte. Die Zusammensetzung ist eine em- Varianten denkbar. Man kann Housing- duldigen Erwartungen der Praktiker einer- Raum allgemein als behaglich emp- pirische Frage, abhängig von der Selektion, Well-being als abhängige Variable einerseits seits, wissenschaftlicher Gründlichkeit und funden wird. und Gegenstand vergleichender Forschung. bezüglich soziodemografischer Merkmale Redlichkeit andererseits ist programmiert. Womit wir mitten im Dilemma stecken. Ich Methodisch läuft das so, dass man zunächst – Bildung, Berufsstatus, Einkommen, Kin- wundere mich bei Konferenzen regelmäßig, Dimensionen definiert, die für eine Opera- derzahl et cetera – und andererseits für Ge- wenn Leute vom Baufach Grafiken zu Tem- tionalisierung tauglich scheinen. Sie wer- bäudeeigenschaften betrachten. peraturverläufen präsentieren und forsch den immer wieder validiert. Das sollte vor 288 masterplan haus 2050 www.haus-2050.de 289
Kapitel 5 Zukunftsfühler Die Feldstudie Dimensionen und Indikatoren von Wohn-Wohlbefinden Das bisher nicht Mögliche STIMULI (LichtAktiv Haus) möglich machen: Diese Dimen sionen und Indikatoren hat das Soziologenteam aus diversen EINSTELLUNG Vorbefragungen herausgefiltert. „Wohn-Wohlbefinden“ Solide Basics, um subjektives Wohlbefinden erfassen zu können. In einem zweijährigen Monitoring hat das Berliner affektiv kognitiv konativ Soziologenteam um Prof. Wegener untersucht: Wie gut tut das (Fühlen) (Denken) (Handeln) nachhaltig sanierte Hamburger VELUX-„Model Home 2020“ Wahrnehmung (Sinne): Bewertung: Techniksteuerung: seinen Bewohnern? Antwortgeber waren nicht Planer, nicht thermische hygienische Sinneseindrücke Ästhetik Monitor Fensteröffnung akustische Funktionalität Verschattung involvierte Wissenschaftler, sondern: die Testfamilie selbst. visuelle Architektur Für die Architektur ein Perspektivwechsel. Assoziationen Einstellungen zu Umwelt Verbrauchsverhalten und Energieverbrauch Raum-/Gartennutzung Sicherheitsempfinden Kostenbewertung Interaktion: Stress-/Entspannungsgefühle Familie Wohnpräferenzen Nachbarschaft Freunde Identifikation Technik- anpassung Wohn-Wohlbefinden als Kommunikation Preis- dynamischer Prozess entwicklung Moritz L. Fedkenheuer (Mitte) bei der Gewöhnung / Lebensphasen Die Einstellungen, was als Lerneffekt Arbeit. Zwei Jahre lang hat er das VELUX- STIMULI Projekt „Model Home 2020” in Hamburg Wohlgefühl empfunden wird, (LichtAktiv-Haus) sozialwissenschaftlich begleitet. verändern sich. Wodurch? Foto: VELUX Sonstiges Jahreszeiten Hier bei einem der regelmäßigen Gruppen Die Systematisierung ist der (z. B. Elektroauto) interviews mit der Familie Oldendorf. Anfang von allem. EINSTELLUNG „Wohn-Wohlbefinden“ Das Forschungsprojekt Für den Testzeitraum von zwei Jahren zog „Model Home 2020“ ist ein europaweites eine Familie ein, Irina und Christian Ol- Großprojekt der VELUX-Gruppe, neues dendorf mit ihren beiden Söhnen Lasse (8) Denken für zukunftsfähiges Bauen zu und Finn (5), die dort ganz normal lebte, affektiv kognitiv konativ etablieren: höchste Energieeffizienz, aber sich aber natürlich eifrig an diversen Daten- (Fühlen) (Denken) (Handeln) ohne Kompromisse bei der Wohnqualität. sammlungen für die Monitoren beteiligte. Idealtypisch gilt deshalb beispielsweise in Für das wissenschaftlich begleitete Wohn Grafiken: Moritz L. Fedkenheuer & Percy Scheller, Y. Thron Wahrnehmung (Sinne): Bewertung: Techniksteuerung: den Konzepthäusern – auch im wohlver- experiment hatte VELUX auch das Berliner thermische Sinneseindrücke Monitor standenen Interesse des weltweit größten Soziologenteam um Prof. Wegener zur Mit- hygienische Ästhetik Fensteröffnung akustische Funktionalität Verschattung Herstellers moderner Dachfenstersysteme arbeit eingeladen. Das legte mittlerweile visuelle Architektur – Naturlicht vor Kunstlicht, natürliche Lüf- eine Studienbeschreibung und erste Ergeb- Verbrauchsverhalten tung vor technischer Lüftungsanlage. nisse vor. „Die Interaktion Wohnraum – Assoziationen Einstellungen zu Umwelt Das Hamburger „Model Home 2020“ ist Mensch liegt in einem Bermudadreieck und Energieverbrauch kein Neubau, sondern ein umfänglich mo- zwischen den drei Disziplinen Architektur, Raum-/Gartennutzung Sicherheitsempfinden dernisiertes Siedlungshaus aus den 60er- Psychologie und Soziologie“, macht Sozio- Kostenbewertung Jahren. loge Moritz Fedkenheuer das mehrdimen- Interaktion: sionale Problem eines solchen sozialwissen- Stress-/Entspannungsgefühle Wohnpräferenzen Familie Nachbarschaft schaftlichen Monitorings deutlich. Freunde Identifikation 290 masterplan haus 2050 www.haus-2050.de 291
Kapitel 5 Zukunftsfühler « Die Interaktion Wohnraum – Mensch liegt in einem Bermudadreieck zwischen den drei Disziplinen Archi tektur, Psychologie und Soziologie. » Moritz Fedkenheuer Nachhaltigkeit aus Zehn Dimensionen des Untersuchung war interessant, wie sich die nik hinreichend, sie fühlen sich ihr nicht Ich spekuliere jetzt mal: Für eine Familie mit Soziologensicht Wohlbefindens Standardfloskel von lichtdurchfluteten ausgeliefert.“ Kleinkindern könnte Nachbarschaft bei- Räumen in jeder beliebigen Wohnungsan- spielsweise wesentlicher sein, als wenn die Moritz Fedkenheuer: „Für uns bedeutet Die zehn Dimensionen sind ein vorläufiges zeige auflöste in das manifestierte Erlebnis Faktor 7: Energieverbrauch (Kosten) Kinder aus dem Haus sind. Für ältere Leute nachhaltig: Jemand wohnt gern in einem Ergebnis, was bedeutet: Sie werden bei der Familie: „Licht tut uns gut. Wir würden Der sparsame Energieverbrauch des Hauses könnte das Thema Licht nebensächlicher Haus, weil es seiner Gesundheit, seinem nächsten Forschungsvorhaben überprüft nicht mehr darauf verzichten wollen.“ Die beglückte die Bewohner sehr. Und spornte werden. Daneben gibt es intervenierende Wohlbefinden, seiner Zufriedenheit för und validiert. Wichtig: Ihre Reihenfolge ist Hausbesitzerin in einem der Interviews mit sie zu immer besseren Energiebilanzen an. Aspekte fürs Wohlbefinden. Die Jahreszei- derlich ist. Der Umwelt muss es natürlich kein Ranking. den Soziologen: „Von uns war, anders als Die Soziologen konstatierten: kein Rebound ten: Im Frühjahr ist jeder Sonnenstrahl ein auch gut tun, aber wir sollten aufhören, alle früher, anderthalb Jahre lang keiner richtig effekt. Der Sparerfolg verleitet nicht dazu, Ereignis, im Sommer verändert sich die Anstrengungen bei Sanierung oder Neubau Faktor 1: emotionale Verbundenheit krank.“ die ökologische Sorgsamkeit an irgendeiner thermisch-visuelle Wahrnehmung, da em auf Energieeffizienz zu beschränken und Passt meine Wohnung zu mir? Kann ich Stelle wieder aufzuweichen. Christian Ol- pfindet man Sonne auf den Fensterscheiben so etwas Essenzielles wie Wohlgefühl zu mich mit ihr identifizieren? Moritz Fedken- Faktor 5: Nachbarschaft dendorf: „Es ist ein Traum zu wissen, dass plötzlich als heiß und stickig.“ ignorieren.“ heuer: „Das lässt sich schwer an etwas Kon- Dieses „Model Home 2020“ steht in einer das Haus alles selbst trägt!“ kretem festmachen, es ist eher eine vage, architektonisch unaufregenden Siedlung. Die nächsten Forscher- intuitive Gefühlslage. Die Hamburger Test- Alles solide, hier sieht es aus, wie es schon Faktor 8: Feuchtigkeit Die Verfahrensweise schritte familie mochte das Haus nach den zwei immer ausgesehen hat. Und dann diese Wer in einem Mietshaus wohnt, hat bei den Die zwei wesentlichen Ziele der soziologi- Jahren so sehr, dass sie nicht mehr auszie- Ausreißersanierung mit quer gestelltem üblichen Dämmsünden unweigerlich das Die Untersuchung eines einzelnen Hauses schen Begleituntersuchung: das sozialpsy- hen wollte – und es kaufte.“ Glasanbau und einem fensterdurchlöcher- Thema Schimmelbefall im Hinterkopf. reicht für generalisierende Verallgemeine- chologische Monitoring des Hauses und die tem Dach. Moritz Fedkenheuer: „Für die Oldendorfs rungen natürlich nicht aus. Entwicklung eines Messinstruments für Faktor 2: Größe Moritz Fedkenheuer: „Die Nachbarschaft hatten sich mit ihrem Umzug in das sanier- Nach dem qualitativen Monitoring des Housing-Well-being. So wie physikalische Da die Testfamilie ihre vorherige Dreizim- schaute anfänglich skeptisch, Familie Ol- te Siedlungshaus mit der automatisierten Hamburger VELUX-Projekts „Model Ho- Kennzahlen von Gebäuden verfügbar sind, merwohnung als ziemlich beengt empfand, dendorf fühlte sich, nun ja, verunsichert. Sie Lüftung sämtliche Befürchtungen ultimativ me 2020“ steht nun ein standardisierter etwa zur Energieeffizienz, sollen auch Koef- antwortete sie auf die Soziologenfrage, kurbelte ihre Interaktion mit den Nachbarn erledigt.“ Fragebogen für repräsentative Umfragen fizienten für Well-being-Faktoren für die worauf sie sich im neuen Haus besonders an, lud sie ein, feierte mit ihnen – und auf der To-do-Liste der Soziologen, um Planer obligat werden. freue, erwartungsgemäß: auf den Platz und schöpfte auch aus der zunehmenden Ak- Faktor 9: Schlafbedingungen Wohnbefindlichkeitsparameter quantifi- Moritz Fedkenheuer: „Bei einem derart den Garten. zeptanz für ihr Haus selbst neues Wohlge- Christian Oldendorf: „Ich habe das Gefühl, zieren zu können. neuen Thema ist es üblich, mit einer Ex- fühl.“ ich brauche zwei, drei Stunden weniger Mit der TU Darmstadt ist geplant, das plorationsstudie zu starten. In einem ersten Faktor 3: Modernität Schlaf. Wir brauchen alle viel weniger CUBITY, das innovative Haus-in-Haus- Schritt wurden also alle Aspekte, Umstände, Im Fokus steht hier nicht die Ästhetik, son- Faktor 6: Temperaturregulierung Schlaf.“ Modell studentischen Wohnens (siehe Sei- Assoziationen, die für das Wohngefühl in dern die Gebäudetechnik, der Zustand von Wie gut und schnell funktioniert die Hei- ten 294–307), ebenfalls in einem Monito- diesem Haus belangvoll sein könnten, ge- Fenstern, Dach et cetera. zung? Moritz Fedkenheuer: „Irina und Faktor 10: Ventilation (Belüftungs ring sozialwissenschaftlich zu begleiten. meinsam mit der Familie zusammengetra- Christian Oldendorf näherten sich der möglichkeiten) Der Vorschlag der Berliner Soziologen stieß gen. Unterm Strich eine Liste mit 270 Aus- Faktor 4: Helligkeit Haustechnik mit leichter Scheu, wir waren Christian Oldendorf: „Wenn wir wieder zu- in Vorgesprächen auf begeisterte Reso- sagen. Die legten wir in einer Vorstudie Moritz Fedkenheuer: „Während anfänglich dann aber erstaunt, wie schnell sie die Tech- rückgehen müssten in unsere alte Woh- nanz: Das unkonventionelle Raumpro- 50 Testpersonen vor, die sie auf einer Wer- die großzügigen 140 Quadratmeter der Fa- nik adaptierten. Beispiel: Die Familie kann nung, würde ich vermissen, was wir hier am gramm mit dem zentralen, üppig dimensio- tigkeitsskala von 1 bis 7 beantworteten. Mit- milie ganz bedeutsam für ihr gutes Wohn gut damit leben, dass beim morgendlichen meisten genießen: diese Helligkeit und nierten „Marktplatz“ für die Mitbewohner, tels multivariater Analyseverfahren redu- gefühl schienen, rückte zu ihrer eigenen Aufstehen die Frischluft das Haus leicht diese Frischluft.“ um den sich private Wohnboxen von gerade zierten wir das Frageportfolio dann auf Überraschung schon nach wenigen Wo- herunterkühlt – der Frischekick fürs Wach- Die Annahmen der Soziologen, der Zuge- einmal 7,5 Quadratmetern gruppieren, lädt 30 Items. Aus diesen 30 Fragen haben wir chen das üppige Tageslichtangebot auf ihre werden. Abends stellt sie die Automatik winn an Licht, Luft und Platz würde bei der geradezu ein, Bewegungsprofile der Bewoh- wiederum 10 verschiedene Dimensionen Präferenzliste.“ öfter mal ab. Dass das CO2-Level den Soll- Familie in ihrem Wohlfühlranking ganz ner zu erstellen, aus denen man Rück extrahiert, die zentral sind für das Erfassen Eine Allerweltsentdeckung, weil der posi wert über schreiten könnte und müde oben rangieren, bestätigte sich. schlüsse auf das Alltags- und Sozialverhal subjektiver Wohnzufriedenheit.“ tive Einfluss von Tageslicht auf körperliche macht? Egal. Man will ja eh ins Bett und Moritz Fedkenheuer: „Der Einfluss der ten ziehen kann. Energie, Gesundheit, soziales Miteinander wünscht es lieber kuschlig warm auf dem zehn Faktoren ist nicht bei jedem gleich, sie Im Zeitalter von Smartphone und Apps kein Allerweltswissen ist? Für die soziologische Sofa als sauerstoffreich kühl. Fazit: Die sind generell dynamisch, abhängig vom Problem, da lassen sich Wege bis zu 20 Zen- Oldendorfs beherrschen die Gebäudetech- Alter, von Lebenserfahrungen, vom Ge- timeter exakt aufzeichnen. schlecht. Doris Neumann 292 masterplan haus 2050 www.haus-2050.de 293
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