DIE WOLLEN DOCH NUR SPIELEN! - Aber wenn Kinder gamen, sollten Eltern die Spielregeln festlegen - # 1 _ 2019 - scout-Magazin
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DIE WOLLEN DOCH NUR SPIELEN! Aber wenn Kinder gamen, sollten Eltern die Spielregeln festlegen. # 1 _ 2019 01
DIE WOLLEN DOCH NUR SPIELEN! SPIEL STARTEN! 03 Infos und Fakten Infos und Fakten für Eltern Los gehts! EDITORIAL Wissenswertes rund ums Spielen. 04-05 Einstieg Was Schiller und scout über Der deutsche Markt für 40 das Spielen denken. Computerspiele boomt. Insgesamt geben die 06-09 Reportage deutschen Gamer für % Was beschäftigt Eltern, wenn den Kauf von Spielen, ihre Kinder spielen? 17,3 Millionen: In-Game-Käufe und PC Spiele-Abonnements pro 10-11 Durchblick Person und Monat Was Sie schon immer über Jugendschutz-Labels 21,52 Euro aus. Vor wissen wollten. 18,2 Millionen: 16 Millionen: allem In-Game-Käufe für virtuelle Güter und In Deutschland spielen Smartphone Konsole 12-14 Hört uns mal zu! 34 Millionen Menschen Zusatzinhalte treiben Drei Kinder erzählen, was, wie digitale Spiele – das sind die Umsätze an. Jederzeit und überall: Am meisten wird und warum sie spielen. Und was rund 40 Prozent über das Smartphone gespielt. sie selbst problematisch finden. der Bevölkerung. Experteninterviews . Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Eltern, r deutsche n Gamer liegt bei 36 Jahren Das Durchschnittsalter de 15 Verbraucherschutz Schon kleine Kinder werden „appgezockt“, erzählt auf dem Titel haben Sie es schon gelesen, das Wort „gamen“. Der Duden Verbraucherschützerin übersetzt es mit „ein Computerspiel spielen“ – und fügt hinzu: „schwa- Katrin Rieger. ches Verb“. In der Tat ist mit „gamen“ nur schwach beschrieben, was in Bereits jedes zweite 70 Prozent 99 Prozent der Familien stattfindet, wenn die Kinder digitale Spielewelten für sich sehr junge Kind im Alter von aller Sechs- bei Kindern beliebten Spiele- 16-17 Spielepädagogik ein bis zwei Jahren darf mit Apps sind hinsichtlich entdecken. scout informiert mit diesem Heft darüber, was „Computer- bis 13-Jährigen Wer spielt, sehnt sich oft nach spielen“ aus Sicht von Kindern, Eltern und Experten alles bedeutet dem Smartphone der Eltern spielen regel- ihres Umgangs mit Anerkennung, sagt Medien- „herumspielen“. mäßig (mindestens Kinder-, Daten- pädagoge Horst Pohlmann. und wie Familien damit umgehen (sollten). einmal in der und Verbraucher- 18-19 Computerspiel-Sucht Woche) neben schutz kritisch zu Eltern haben hier eine besondere Verantwortung: sinnvolle Grenzen Computer- oder beurteilen. Nicht jeder, der viel spielt, hat setzen, nicht unbesehen alles erlauben. Das ist nun mal ihr Part im ein Suchtproblem, weiß Konsolen- auch großen, ganz realen Familienspiel – und nur möglich, wenn auch sie Handyspiele. Suchtberaterin Anke Korfhage. sich zumindest ein bisschen in der digitalen Spielewelt auskennen. Auch dabei möchte scout helfen. Herzlich, Ihr Let’s play: Kennen Sie sich aus? Anerkanntes Thomas Fuchs 1. Das allererste Computerspiel war … Kulturgut Seit 2008 sin Direktor Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) 2. Der Gameboy kam im Jahr … auf den Markt. d Computers Deutschen Ku piele vom lturrat als K post@scout-magazin.de 3. Das meistverkaufte Computerspiel heißt … anerkannt – ne ulturgut ben Literatu darstellender r, Musik, 4. Die meisten Downloads aller Zeiten erreichte die Spiele-App … Kunst, Schaus MEDIENKOMPETENZ VERNETZT! Architektur piel, Tanz, 5. Die berühmteste Videospielfigur der Welt ist … Die Begründu und Film. PS: Zur besseren Lesbarkeit verwendet scout in diesem Heft meist ng: Es seien vie Alles über Akteure und Projekte der wie zum Beisp le Künstler – 6. Der bekannteste Tanz aus „Fortnite“ heißt … iel Grafiker, Ko Medienkompetenzförderung in Hamburg den Begriff „Computerspiele“. Gemeint sind damit alle Formen oder Drehbu mponisten und Schleswig-Holstein auf chautoren – an von digitalen Spielen, zum Beispiel Konsolenspiele, Videospiele oder Spieleproduk den tionen beteili LÖSUNGEN: 1. OXO, 2. 1989, 3. TETRIS, 4. CANDY CRUSH SAGA, 5. SUPER MARIO, 6. FLOSS www.mediennetz-hamburg.de und Mobile Games. gt. www.medienkompetenz-sh.de Quellen: game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. | Iconkids & Youth für Mediaplus Strategic Insights 2018 | Interessengemeinschaft Spieleverlage e. V. | jugendschutz.net | KIM-Studie 2016 | Kinder-Medien-Studie 2018 02 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 03
DIGITALE SPIELE EINSTIEG WÜRDE werden. Der „härtere“ und kostenlose Online-Spielmo- dus „Battle Royale“ hat je- doch keine Altersfreigabe, SCHILLER was wenig bekannt ist. Die USK sagt von sich selbst, sie W sei bei Online-Spielen in „FORTNITE“ as Schiller meinte: Men- Sachen Altersfreigaben nicht schen sind erst dann frei, zuständig. Denn bei Online- wenn sie ohne Zwang Spielen vergibt die USK kei- und ohne alleinige Steuerung durch ne Altersfreigaben, sondern SPIELEN? den Verstand leben. Und genau lediglich Altersempfehlun- beim Spielen sei der Mensch frei, gen nach dem internationa- „in der glücklichen Mitte zwischen len IARC-Verfahren*. Hier Gesetz und Bedürfnis“. Über Sinn besteht ein Regelungs-Vaku- und Zweck des Spiels haben, wie der um. große Dichter, schon viele kluge „Der Mensch (…) ist nur Erleben wir nun aktuell, da ganz Mensch, wo er spielt.“ Menschen nachgedacht. So wurde wie viel beschworen, die das zweckfreie Kinderspiel mal ge- massenhafte Aufgabe elterli- lobt, dann wieder als „nutzlose Kin- Friedrich Schiller schrieb cher Medienerziehung (weil derei“ kritisiert. Spiele selbst waren immer auch ein Spiegel der Gesell- diesen Satz 1795 in den viele Eltern vor „Fortnite“ und Co. kapitulieren) und schaft. Briefen „über die die Auflösung des rechtli- Mehr als 200 Jahre nach Schiller steht das Spiel wieder im kritischen ästhetische Erziehung“. chen Jugendmedienschutzes (weil der sich bei On- Fokus. Es geht dabei um digitale War Schiller etwa ein line-Spielen nicht zuständig Spiele, die seit 2008 in Deutschland „Gamer“? fühlt)? Möglicherweise wie- offiziell zum Kulturgut zählen. Und derholt sich derzeit bei Com- in letzter Zeit vor allem um ein puterspielen aber nur das Spiel: „Fortnite“. Das 2017 erschienene Game wurde im ver- Phänomen, dass Eltern und Jugendschützer auf erfolgrei- gangenen Jahr in Rekordzeit zur Nummer eins bei Jugendli- che neue Medien erst einmal ablehnend und verständnislos chen. Es bricht seither beständig weitere Rekorde. Weltweit reagieren. sind mehr als 125 Millionen Menschen für diesen „Survi- Sicher ist: Digitale wie analoge Spiele machen Spaß, ent- val-Shooter“ online. Es ist also nicht überraschend, dass spannen und unterhalten. Diese positiven Seiten verkehren „Fortnite“ seit Monaten ein viel diskutiertes Thema auf El- sich aber ins Gegenteil, wenn es nicht gelingt, auch kritisch ternabenden in Schulen und sogar schon in Kitas ist. mit problematischen Nebenwirkungen solcher Spielpro- Noch vor einigen Jahren wäre die Frage nach den Wir- dukte umzugehen. kungen der Gewaltdarstellungen zentral gewesen. Heute Wir brauchen, da hat Schiller recht, das Spiel. Aber bitte leiden Eltern vor allem unter der Spieldauer ihrer Kinder. in Grenzen − und dafür sind in den Familien noch immer Die Eltern fragen sich: Wie kann ich die endlosen Spiel- die Eltern zuständig! Auch mal „nein“ zu sagen und dabei zu schleifen meines Kindes in den Griff bekommen? Es gibt bleiben ist nicht schlimm, sondern elterliche Aufgabe. doch auch noch Schulaufgaben, Fußball und Abendessen! Offen sind die Fragen, wie sie Computerspielen familien- * Mehr zu den Labels der USK und zum IARC-Verfahren auf freundlich gestalten und Spielsucht verhindern können. den Seiten 10 und 11. Der rechtliche Jugendmedienschutz in Deutschland gilt als streng und vorbildlich. Doch bei Online-Games können Eltern sich nicht darauf verlassen. Der ursprüngliche „Fort- nite“-Modus „Rette die Welt“ hat eine USK*-Freigabe ab zwölf Jahren − das Spiel darf also an Zwölfjährige verkauft 04 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 05
DIGITALE SPIELE REPORTAGE WIE ELTERN ÜBER COMPUTERSPIELE DENKEN „ES IST EINE WELT, IN DIE ICH NICHT GEBOREN WURDE“ Was ihre Kinder mit Headset auf dem Kopf und Steuerung in der Hand treiben, ist vielen Eltern zutiefst fremd. scout hat sich bei einem Computerspiel-Infoabend umgehört, um zu erfahren, was sie am meisten bewegt. 06 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 07
DIGITALE SPIELE REPORTAGE scout- TIPP SPIELENDES VERSTÄNDNIS Der „GameTreff“ wird vom Offenen Kanal Schleswig- D Holstein angeboten. Im Rahmen der kostenpflichti- as Gymnasium Heide-Ost hat sich in Nebel und Nie- geht ein Licht auf: „Das könnte auch mein Sohn gen Veranstaltung können selregen gehüllt. Es liegt an diesem Winterabend da Eltern, Lehrkräfte und sein?“ Sie schaut in die Runde, viele müssen la- wie ein gestrandetes Raumschiff. Drinnen brennt Erzieher aktuelle Computer- chen angesichts dieser Erkenntnis. „GameTreff7“ Licht im Foyer und auf den langen Gängen, aber es ist nie- spiele erleben, um das stirbt, der Vorspieler fragt: „Noch eine Runde?“ mand zu sehen. Aus dem nördlichen Trakt sind Geräusche Spielinteresse ihrer Kinder „Ja!“, rufen mehrere Eltern zurück. Und: „Wann zu hören, gedämpft durch die Holztür der Aula, je näher zu verstehen. Der GameTreff tanzen wir endlich?“ Schließlich ist „Fortnite“ man kommt, umso schrecklicher klingen sie: Schüsse, hilft, Wirkungen der Games wegen der Siegertänze bekannt geworden, die Schreie, Getöse. Im Raum spielt sich ein Gemetzel ab, eine einzuschätzen: man angesichts eines dahingestreckten Gegners Schlacht mit Äxten, Messern, Schwertern und Schnell- www.gametreff-sh.de aufführt. Die Frage zeigt aber, dass Eltern keinen schussgewehren. Allerdings nur auf der Beamer-Leinwand. angesprochen, weil unser Sohn unter der Schimmer haben. Die Lizenz zum Tanzen muss Dem projizierten Kampfgemenge folgen rund 30 Augen- Woche nicht spielen soll – es bestünde die Ein ähnliches Angebot gibt man sich durch erfolgreiches Kämpfen erarbei- paare von Erwachsenen, Eltern von Schülern der 5. bis 9. Gefahr, dass er zum Außenseiter werde.“ es auch in Hamburg, in der ten, mühsam und langwierig. Der schnellere Klasse des Gymnasiums. Sie schauen sich die animierten Eine weitere Mutter fasst die geballte Ratlo- „Computerspielschule Weg: sie im Store des Herstellers kaufen, für die Gewaltexzesse einer Runde „Fortnite“ an. Vorgestellt wird sigkeit im Saal zusammen: „Das ist eine Hamburg“ der Initiative In-Game-Währung namens „V-Bucks“. Oder für das bei Kindern und Jugendlichen momentan sehr populä- Welt, in die ich nicht geboren wurde und „Creative Gaming“: echte Euro. So werden auf eBay Spieleridentitä- re Online-Computerspiel vom „GameTreff“-Team des Offe- die ich nicht verstehe.“ Die meisten eint www.csh.creative- ten für gutes Geld versteigert, samt der soge- nen Kanals Schleswig-Holstein (OKSH). Der GameTreff also, dass sie eher Unbehagen und Ratlosig- gaming.eu nannten „Skins“, wie individuell zusammenge- wurde erfunden, um Eltern Einblick in die Welt der Compu- keit als freundliches Interesse hierherge- stellte Figuren-Outfits heißen. tergames zu geben, in die sich ihrer – der Eltern – Meinung bracht haben. Henning Fietze betrachtet „Verstehe ich nicht“, sagt eine Mutter. „Natur- nach zu viele Kinder verlieren: Die Kinder sitzen zu Hause, diese Reaktionen hingegen erst einmal sehr gesetz!“, sagt Henning Fietze: „Eltern wissen im elterlichen Heim, und doch in einer fremden Welt. Die positiv: „Ich sehe Eltern, die sich kümmern. Sie erkennen nicht, was angesagt ist.“ Auf dem Schulhof würden tolle heißt dann „League of Legends“, „Minecraft“, „Counter Stri- ein Problem. Das bedeutet: Ihre Kinder sind Ihnen nicht Skins heute genauso bewundert „wie in den 1980er-Jahren ke“, „Clash Royale“ oder eben „Fortnite“. Bunt, schillernd, egal!“ Er will den Eltern binnen drei Stunden per Crash- ein Stirnband“. Nicht gerade nützlich, dafür extrem cool. spannend, zeitraubend. Kurs vermitteln, welche Spiele beliebt sind (und vor allem: Drei Stunden lang haben die Heider Eltern zugeschaut „Und was treibt Sie hierher?“, ruft Henning Fietze vom warum) und wie sie funktionieren. Angereichert mit Fakten und zugehört. Haben selbst Virtual-Reality-Brillen aufge- OKSH, der den Abend moderiert, in die Stuhlreihen hinein. zu In-Game-Währungen, dem Sinn von Altersbegrenzun- setzt, mit „Minecraft“ Städte gebaut und als schwer bewaff- Eine Mutter sagt: „Ich möchte einfach mal wissen, was das gen und vielem weiteren Wissenswerten mehr. Der Kieler nete Elitekräfte versucht, Geiseln aus Terroristenhand zu für Spiele sind, in die mein Kind abtaucht.“ Eine weitere Medienpädagoge bietet den Eltern Einblicke in die fremde befreien. Dabei sind sie miteinander ins Gespräch gekom- sucht klare Ansagen: „Wie viel Zeit in welchem Alter ist Welt ihrer Kinder: „Damit Sie am Ende des Abends fundiert men. Ein Vater erzählt, ihn interessiere besonders, wie an- okay?“ Sorgen werden vorgebracht: „Welche Spuren hinter- den Kopf schütteln – oder eben auch nicken können!“ dere Eltern es mit der Medienerziehung halten, er selbst sei lässt das?“ Eine Mutter berichtet: „Wenn meine Jungs spie- Vorgestellt und mitgespielt werden an diesem Abend di- eher streng und klar in den Regeln: „Ich habe den Eindruck, len, können sie nachher keine Vokabeln mehr üben. Die verse Games, im Zentrum aber steht der derzeitige Dauer- die meisten anderen hier sind da nicht so strikt.“ Eine Mut- sind dann megaschlecht gelaunt, fix und fertig, denn das brenner „Fortnite“, bei dem im sogenannten „Battle Roya- ter lacht und sagt: „Genau deshalb wollten meine Jungs Spielen strengt sie richtig an.“ Mehr als einmal wird das Be- le-Modus“ jeweils 100 Spieler gleichzeitig, von einem auch nicht, dass ich hierherkomme – sie haben Angst, dass denken geäußert, „das Soziale könnte leiden“. Oder es gäbe magischen fliegenden Bus abspringend, mit dem Fall- ich ihnen das Spielen stärker einschränke.“ vielleicht „muskuläre Probleme vom vielen Sitzen“. Die schirm in einer Landschaft landen, deren Fläche sich kreis- Was nehmen die Eltern mit nach Hause? Eines wird an größte Sorge aber ist: dass die Kinder „irgendwie süchtig rund immer weiter verengt, während sich die Spieler ge- diesem Abend in Heide klar: Eltern wünschen sich von gan- werden könnten“. Eine Mutter trägt ein ganz anderes Prob- genseitig im Waffenkampf ausschalten. Wer landet, muss zem Herzen eine einfache Erziehungsformel mit konkreten lem vor: „Wir wurden in der Schule von einem Mitarbeiter sich schnell mit passenden Waffen und diversen Vorteilen Anweisungen für alle Altersklassen, um dem Faszinations- ausstatten. Ein Gimmick: Wer Holz hackt, kann das im sog der Games etwas entgegensetzen zu können: „eine Kampf zu Abwehr-Barrikaden aufhäufen und so sein Über- Marschrichtung“, „etwas, worauf wir uns berufen können“. leben absichern. Die Eltern haben es in ihrem ureigenen Das aber funktioniert je früher, desto besser, weiß Henning Kampf um Zeit und Aufmerksamkeit mit einem mächtigen Fietze: „Mein Tipp ist: Schon von Anfang etablieren, dass der Gegner zu tun, das wird beim Spiel von „Fortnite“ schnell Wecker irgendwann klingelt.“ klar: Die Dramatik ist mitreißend, das Spiel wendungsreich „ein Naturgesetz: Eltern wissen und sehr spannend, es geht rasant auf den großen Show- nicht, was angesagt ist.“ down zu. Der GameTreff-Vorspieler ist nun Teil einer Grup- pe von vier Kämpfern, der er sich in der „Lobby“ des Spiels HENNING FIETZE angeschlossen hat, dem virtuellen Treffpunkt des Spiels, in dem Kämpfergruppen zufällig zusammengewürfelt wer- den. Über den „Team Speak“ – den Echtzeit-Funk der Kom- battanten – muss er sich nun Spott für seine fehlenden Tö- tungs-Skills anhören: „Der trifft nicht“, sagt die Stimme eines Jungen, vielleicht elf bis zwölf Jahre alt. Einer Mutter 08 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 09
DIGITALE SPIELE DURCHBLICK 12- bis 15-Jährigen wird die Fähigkeit zu distanzierter Wahrnehmung und zur Unterscheidung zwischen www Welches Spiel für Die fünf USK-Alters- Spielwelt und Wirklichkeit zugetraut. Die Spielszenari- en sind oftmals in einem historischen, futuristischen oder Achtung: O n kennzeichen orientieren Labels werline- märchenhaft-mystischen Kontext angesiedelt. Das bietet den welches Alter? Spielern ausreichend Distanzierungsmöglichkeiten. Die Kinder und Jugendliche sollten altersgeeignete sich an der kindlichen Aufgaben sind komplex und erfordern abstraktes und logisches anders ver den Spiele spielen! Eine erste Orientierung sind die Entwicklung: Denken: Für reine O geben! Alterskennzeichen der „Unterhaltungssoftware * Echtzeit-Strategiespiele: Warcraft 3, Dungeon Keeper nline-Spiele un USK die Alt d Apps verg Selbstkontrolle“ (USK). Bei Spielen auf Träger- * Rollenspiele: Dragon Quest XI, Der Herr der Ringe/ erskennzei ibt die internationa chen innerh medien (Blu-Ray-Disc, DVD) sind die Labels Das dritte Zeitalter len IARC-S alb des nal Age Ra ystems (Int rechtlich bindend. Kinder und Jugendliche ting Coalit ernatio- Verfahren ion). Mehr dürfen also nur Spiele erwerben, die für ihre Vorschulkinder (4 bis 6 Jahre) können erste Erfahrun- erzählt Mar zu diesem 16- bis 17-Jährige verkraften länger anhaltende USK auf ww ek Brunner Altersgruppe freigegeben sind. Zu finden sind gen mit Computerspielen machen. Sie verstehen w.scout-m von der Spannung sowie höheren Handlungsdruck bei der agazin.de. die Alterskennzeichen auf der Verpackung und schon bestimmte Handlungsabläufe, brauchen aber Erfüllung der Spielaufgaben. Zwar enthalten die Spiele auf dem Datenträger. für die Einordnung des Erlebten Unterstützung. Darunter fallen auch kampfbetonte und gewalthaltige Inhalte, die Auseinan- Die Alterskennzeichen der USK legen für ein Spiel Spiele ohne Gewaltdarstellungen, mit ruhigem Spielaufbau dersetzungen und Kämpfe sind aber für diese Altersgruppe als das Mindestalter fest: Sie besagen, dass das und einfachen Aufgaben: Spiel erkennbar. Der Spielerfolg erfordert maßgeblich strategi- Spiel aus Jugendschutzsicht ab dieser Alters- sches und taktisches Denken sowie Teamplay: stufe unbedenklich ist. Die Alterskennzeichen * Geschicklichkeits- und Gesellschaftsspiele: Super Monkey geben aber keine Auskunft, ob das Spiel für Ball/Step & Roll, Sing Star Kinder schon beherrschbar oder verständlich ist: * Sportspiele: Wii Fit * Jump ’n Runs: Donkey Kong Country, Findet Nemo * Action Adventures: Shadow of the Tomb Raider, Splinter Cell/ Double Agent Geeignete Spiele Sie sind daher keine pädagogischen Empfehlun- gen! * Militärische Strategiespiele: Company of Heroes * Shooter: Star Wars Battlefront II, Counter Strike/Source für Kinder Kinder von 6 bis 11 Jahren sind in der Lage, dosiert Es gibt auch Preise und Auszeichnungen für Spannungsmomente und durch Pausen gemilderten Diese Spiele thematisieren ausschließlich gewalthalti- pädagogisch wertvolle Spiele – inklusive verlässli- Handlungsdruck zu verkraften. Die Spiele sind ge Spielkonzepte und erzeugen häufig eine düstere cher Bewertungen. In die Juryentscheidung fließen rasanter und wettkampfbetonter. Die Aufgaben sind bereits und bedrohliche Atmosphäre. Die Glaubwürdigkeit des auch die Beurteilungen von Kindern ein! komplexer: Spielgeschehens lässt eine Distanzierung zum Spiel nur schwer DIGITALE * Rennspiele („Racer“): Cars 3, Forza Horizon 4 * Simulationen: Die Sims 4 zu. Ein Grad an sozialer Reife und Distanz ist gefordert, der auch bei 16- bis 17-Jährigen noch nicht generell vorausgesetzt werden kann: www.kindersoftwarepreis.de oder www.pädagogischer-medienpreis.de SPIELE: * Klassische Adventures: Minecraft/Story Mode, Deponia Doomsday * Ego-Shooter: Call of Duty, Far Cry 5 Eine Einschätzung, welche geistigen und motorischen Fähigkeiten ein Spiel fordert und fördert DAS SOLLTEN und wie viel Zeit es abverlangt, ist hilfreich. Hier finden Sie die passenden Infos: Wo wird gespielt? ELTERN www.internet-abc.de/eltern/spieletipps-lernsoftware Hier www.spieleratgeber-nrw.de www.spielbar.de Geräte und Plattformen fürs Gaming gibt es viele. Wichtig ist, dass spielen WISSEN Sie vor Anschaffung und Nutzung die Vor- und Nachteile abwägen. Am besten testen Sie selbst! Egal, für was Sie sich entscheiden: Nutzen Sie die Jugendschutz- die Die Gaming-Welt ist extrem Einstellungen! Denn der Online-Zugang ist bei den meisten Geräten Standard. Sperren anderen Übrigens: Spiele-Apps auf Smartphone oder Tablet werden bei den Kids immer beliebter. Das Sie haben Ihrem Kind ver- Deutsche Jugendinstitut hat über 500 Apps in vielfältig und dynamisch – Sie zum Beispiel altersungeeignete Inhalte, Einkaufs-Optionen oder boten, bestimmte Spiele zu seine Datenbank „Apps für Kinder“ auf seiner wer behält da schon den Kommunikationsfunktionen. spielen – es kennt sich aber trotzdem Homepage www.dji.de aufgenommen. Im Fokus bestens aus?! „Let´s plays“ auf stehen Apps für Grundschulkinder. Sie werden Überblick? Kinder wissen, was Wichtig: Wählen Sie den Standort von Spielekonsole oder Computer sorgfältig YouTube oder dem Live-Strea- bewertet nach Spielspaß, pädagogischer abgeht – und sind oftmals aus und haben Sie gerade jüngere ming-Portal Twitch könnten der Empfehlung, Sicherheit und Kosten sowie Bedienung und Technik. Grund sein. Hier filmen sich Gamer Modellbauer: Max (9), Carl (10), Louis (8) Kinder beim Spielen im Blick. wahre Experten. Aber auch beim Spielen und kommentieren Eltern sollten sich auskennen: das Spiel. Achtung: Auch Spiele ab 16 oder 18 Jahren sind dabei! von rechtlich verbindlichen Alterskennzeichen bis hin zu geeigneten Spieleplatt- formen. scout hilft dabei! 10 12 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 13 11
CHARLOTTE, 12 HÖRT UNS MAL „COMPUTER- ZU! SPIELE KÖNNEN GROSSE KRAFT ÜBER EINEN LASSE K., 10 HABEN“ „WENN ELTERN ETWAS IMMER VERBIETEN, Z urzeit spiele ich am liebsten KRIEGT MAN NOCH „Matchington Mansion“, weil mir das wirklich viel Spaß macht. Ich MEHR LUST DRAUF“ finde, das Spiel macht schon ein bisschen, na ja – süchtig, irgendwie. Bei dem Spiel muss man Häuser einrichten, das liebe ich! Erst musst du Steine in die richtige Reihenfolge bringen, dann bekommst du dafür Sterne. Die Sterne investierst du zum Leder kannst du dann Rüstungen machen. Beispiel in eine Badewanne oder ein neues I Das find ich ziemlich nett. Wohnzimmer. Deshalb brauchst du ganz m Moment spiel ich meistens Viele Computerspiele sind ja Suchtspiele, viele Sterne. Und deshalb musst du spielen, „Minecraft“ am Computer von meinem und die Eltern nervt es, dass die Kinder spielen, spielen … Vater oder meiner Mutter. Oder bei immer fragen: „Darf ich spielen? Darf ich Irgendwann ist mir aber aufgefallen: Oh, einem Freund. Manchmal spiele ich auch spielen?“ Ich war lange Zeit richtig süchtig das wird zu viel! Wenn wir mit meiner Lasse K. spielt gerne auf unserer Wii ein ganz altes „Super nach „Minecraft“, aber dann ist unser Familie bei Freunden waren, musste ich die „Minecraft“. Games, bei denen es darum Mario“-Spiel oder „Subway Surfer“ auf dem Computer abgestürzt, da war erst mal Ende ganze Zeit an das Spiel denken. Deshalb und am Ende erschien dann auch plötzlich HÖRT geht, andere abzu- Handy von meinem Vater. Da kommt auch Gelände. Zuerst war ich schon ein bisschen hab ich es von der Startseite auf meinem die Nachricht: „Ihre Karte ist leer.“ UNS MAL schießen, findet Werbung vor, aber die überspringe ich wütend. Aber eigentlich hat mir das Handy auf ein Fenster ganz nach hinten Da hab ich so einen Schreck bekommen er „nicht so toll“. immer oder lege das Handy solange weg. ziemlich gutgetan. verschoben, sodass ich es nicht immer und erst mal geheult. Wie sollte ich das ZU! Ballerspiele wie „GTA“ oder „Fortnite“ sind Ich finde, Eltern sollten nicht gleich in Zorn gleich als Erstes sehe, wenn ich das Handy meinen Eltern sagen? Sie hatten mir diese nicht so meine Sache. Bei „Fortnite“ geht es ausbrechen, wenn ihre Kinder oft anmache. Karte gerade erst aufgeladen und ich habe ja darum, andere Leute abzuknallen – das Computerspiele spielen. Sie sollten eine Meine Eltern geben mir viel Freiheit am an einem Tag 15 Euro komplett aufge- ist nicht so schön. Regelung mit ihren Kindern verabreden, Handy, weil sie wissen, ich würde mir braucht – ohne zu fragen. Manche Kinder spielen ja auch Spiele wie und sie sollten auch mal „Ja“ sagen, wenn keinen Quatsch runterladen. Das ist mir Meine Eltern waren zwar nicht sauer, aber „Fortnite“, obwohl sie dafür eigentlich noch die Kinder fragen, ob sie spielen dürfen. nur ein einziges Mal passiert, und da muss ich glaub, sie haben gedacht: „Charlotte Charlotte ist einmal zu jung sind. Die denken, dass sie dadurch Denn wenn sie es immer verbieten, ich heute noch dran denken: Ich war neun, kommt doch wegen allem zu uns, warum auf ein Abzocke-Spiel so cool werden wie die älteren Jugendli- bekommt man noch mehr Lust darauf! lag krank im Bett und durfte deshalb am hat sie es bei dieser Sache nicht gemacht?“ reingefallen, musste chen. Die Eltern sollten die Spiele auch kennen, Handy spielen. Da hab ich mir ein Man geht ja wegen jedem Schrott zu seinen erst vor Schrecken heulen und hat sich „Minecraft“ mag ich gerne, weil man da die die Kinder spielen. Kinder lesen sich ja kostenloses Spiel runtergeladen, bei dem Eltern, aber dieses eine Mal hab ich es nicht dann schrecklich nicht schießen muss und weil man da auch nicht immer durch, was hinten auf einem man aber Felder kaufen muss, und zwar gemacht – und genau dann passiert das. geärgert. kreativ spielen kann. Man kann sich Spiel draufsteht. Oder auf der Hülle steht mit echtem Geld. Ich hatte so eine Ein Computerspiel kann eine große Kraft Häuser bauen und muss niemanden „Micky Maus“ – und dann ist da eine falsche Apple-Gutscheinkarte mit 15 Euro drauf über einen Menschen haben, das hab ich angreifen. Es geht darum, dass du in der CD drin, zum Beispiel von „GTA“. Die Eltern und habe mir gedacht, dann probier ich selbst erlebt. Von dieser Kraft merkst du Wildnis überleben kannst: Du wirst irgend- sollten das prüfen und fragen, worum es in das mal. Wenn ich jetzt darüber nachden- selber gar nicht so viel, weil du deinen Kopf wohin teleportiert, dann musst du dem Spiel geht. Bei Ballerspielen kommt es ke: Dieses Spiel war eigentlich komplette beim Spielen abschaltest. Und wenn du versuchen zu überleben. Du kannst Hunde aber auch drauf an, wie hart das Spiel ist. Abzocke: Wenn man das Geld nicht deinen Kopf wieder anschaltest, dann und Pferde zähmen. Und du musst Kühe „GTA“ tut kleineren Kindern nicht so gut, ausgegeben hätte, dann hätte man gar merkst du plötzlich: Dieses Spiel hat grade töten, damit du Leder bekommst, mit dem glaube ich. nicht mehr weiterspielen können! Na ja, eine größere Macht als mein Kopf. 12 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 13
DIGITALE SPIELE EXPERTEN-INTERVIEW: VERBRAUCHERSCHUTZ HÖRT VERBR AUCHERSCHUTZ UNS MAL ZU! VON „APPZOCKE“ UND „CLICKJACKING“ I ch spiele normalerweise so ein bis zwei Stunden am Tag „League of Legends“. Das ist eine große MOBA, also „Multi Katrin Rieger, Referentin für Verbraucherbildung bei der Player Online Battle Arena“, bei der man in Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein in Kiel, über die Teams gegeneinander kämpft. Am hohen Haltungskosten von Katzen in Spiele-Apps für Kinder. Wochenende spiele ich aber auch mal dreieinhalb Stunden am Stück. Der Reiz an „League of Legends“ ist, dass ich mit der Zeit immer besser und irgendwann in eine höhere Liga eingestuft werde. Momentan bin ich noch „Eisen“. Das ist die schlechteste Liga – da versuche ich schon, „Gold“ oder „Diamant“ zu werden. Das Spiel ist ziemlich strategielas- tig, man muss mit allen Teamkameraden gut zusammenspielen. Das ist ja auch das Coole an Computerspielen, dass man mit sehr vielen Leuten zusammenspielen kann. Im November hab ich die E-Sport-Welt- meisterschaft geguckt. Nachts um eins lief das Halbfinale und Finale von „League of Legends“. Das ist schon spektakulär, weil die teilweise größere Stadien füllen als Was ist, aus Ihrer Sicht, problematisch an Computerspielen? 100 Euro für die In-App-Käufe zusammen. Wenn ich „Nutzer“ beim Fußball! Suchtgefahr und Datenabzocke machen Probleme. Die meisten sage, sind es Kinder von fünf bis sieben Jahren, die solche Sum- Meine Eltern kennen zwar „League of Klagen hören wir aber von Eltern, deren Kinder beim Nutzen von men nicht einschätzen können. Der Impuls, Diamanten zu kau- Legends“, aber selber gespielt haben sie Spiele-Apps auf dem Handy horrende Rechnungen erzeugt ha- fen, wird mitten im Spiel gesetzt: „Super-Rabatt! 70 %! Nur jetzt!“ das noch nie, obwohl ich ihnen das schon LASSE P., 13 ben. Wir nennen das „Appzocke“: Bei manchen Werbeeinblen- Dazu tickt eine Uhr – so etwas ist nicht zulässig. Auch bei „Fort- öfter vorgeschlagen hab. Ich glaub, das dungen in Spielen sind Schaltflächen anders hinterlegt, als es nite“ gibt es im „Battle Royal“-Modus eine eigene Währung, die ist ein bisschen zu kompliziert für die. Streit gab es noch nie bei uns wegen „ICH HABE ES scheint. Beim Klick auf ein aufpoppendes Werbebanner, das man schließen möchte, erscheint dann der Hinweis auf ein abge- V-Bucks. Mit ihnen kann ich mir für viel Geld coole Ausrüstung oder besondere Fähigkeiten kaufen. Wir kennen Fälle von Kin- VORGESCHLAGEN, ABER meiner Computerspiele. Außer schlossenes Montats-Abo. „Clickjacking“ ist für Kinder schwerer dern, die dafür ihr Essensgeld aufgespart und in der Schulpause dass ich manchmal schlecht zu erkennen als für Erwachsene! Abgebucht werden die Summen gehungert haben! gelaunt bin, wenn ich eine nicht so meist über die Handyrechnung oder die Kreditkarten der Eltern. gute Runde hatte. Wenn man schon zehnmal gestorben ist und selbst noch keinen einzigen „Kill“ MEINE ELTERN WOLLTEN Wie kann das passieren? Weil Eltern auf ihrem oder dem Handy der Kinder Kreditkartenda- Ihr Tipp an Eltern? Eltern denken: Das Spiel wurde gekauft, da treten keine weiteren Kosten auf. Das ist aber oft nur ein frommer Wunsch, auch bei hatte – das frustriert einen schon. Im Spiel gibt es auch einen Chat, in NICHT MITSPIELEN“ ten hinterlegt haben. Kinder spähen auch manchmal die Kenn- wörter für einen Zahlungsvorgang über die Schultern der Eltern „Free-to-play“-Spielen: Grundsätzliche Funktionen sind kosten- los, aber jedes Extra muss hinzugekauft werden. Eltern raten wir: dem Leute manchmal Beleidigungen aus … Das Geld vom Anbieter zurückzubekommen, ist nicht ein- Informieren Sie sich über solche möglichen Kostenfallen. oder Flüche oder so schreiben. Das nervt fach: Bei In-App-Käufen besteht zum Beispiel die große Schwierig- auch. Meistens merkt man dabei, aus keit darin zu beweisen, dass das Kind – und nicht die Eltern – die welcher Region die Leute so kommen. In Käufe getätigt hat. Und dass die Eltern nicht fahrlässig mit Kenn- scout- asiatischen und amerikanischen Ländern wörtern umgegangen sind. Eltern sollten sich in solchen Fällen Rat TIPP wird nicht so viel „geflamet“, also beleidigt. Aggressionen abbauen. Lasse P. kann verstehen, bei den Verbraucherzentralen einholen! Auf den europäischen Servern beleidigen Ich kann verstehen, dass Computerspiele dass andere Leute Unter www.app-geprüft.net bewertet Games für Zeitver- jugendschutz.net bei Kindern besonders die sich viel mehr. für manche wie Zeitverschwendung schwendung halten. Für Was finden Sie am bedenklichsten? beliebte Apps und informiert über Risiken Stumpfes Draufgeballer, bei dem man aussehen können. Aber vielleicht haben ihn ist Spielen aber Schlimm ist der Kaufdruck schon auf kleine Kinder hinsichtlich Umgang mit Werbung, nicht strategisch vorgehen muss, ist mir zu diese Leute auch nur einmal ein schlechtes „einfach ein Hobby“. wie zum Beispiel bei „Meine Talking Angela“, einer In-App-Käufen und Datenschutz. langweilig. Aber ich glaub, dass Ballerspie- Spiel gespielt und dann ihre Meinung auf Spiele-App, in der die Spieler ein Katzenbaby auf- le einen Reiz für Leute haben können, die alle anderen Spiele übertragen? Für mich ziehen. Durch Bezahlung mit der In-Game-Wäh- einen schlechten Tag hatten oder bei denen ist Computerspielen einfach ein Hobby. rung – den „Diamanten“ – können die Nutzer das Die „Appzocke“ von Kindern kritisiert Katrin es im Umfeld grad nicht so gut läuft. Die Wer Spaß daran hat, der soll es halt Kätzchen schneller wachsen lassen oder mit Ac- Rieger besonders. können sich dann einfach ausballern und machen, finde ich. cessoires ausrüsten. Da kommen oft Summen bis 14 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 15
DIGITALE SPIELE EXPERTEN-INTERVIEW: SPIELEPÄDAGOGIK „Aus welchem Grund sollte ich keine Was macht die Faszination von digitalen Spielen aus? Das ist doch alles „gar nicht echt“? Games spielen?“ Autorennen zu fahren, ohne einen Führerschein zu HORST POHLMANN haben: Das ist vielleicht nicht echt, aber trotzdem sehr reizvoll! Viele Computerspiele basieren auf Szenarien, die wir in der Realität nicht umsetzen können. Natür- ben. Auf die Frage an Vielspieler, warum sie spielen, lich fasziniert uns das. Spiele unterhalten uns, ich sto- haben quasi alle geantwortet: „Es geht uns um Aner- ße im Spiel auf ständig neue Herausforderungen, er- kennung und um soziale Kontakte.“ Mir als Pädagogen klimme neue Level. Ich spüre Spannung, erhalte sagt das: Wenn ich bei jungen Leuten, die viel zu viel Anerkennung. Die Belohnungen in Games sind sehr spielen, etwas erreichen will, muss ich der Anerken- wirkmächtig, weil sie unmittelbar erfolgen. Jetzt neh- nung und der Gemeinschaft im Spiel etwas Gleichwer- men Sie dieses ganze Bündel und fragen sich: Aus wel- tiges in der analogen Welt entgegensetzen. chem Grund sollte ich keine Games spielen? Welche Rolle nehmen die Computerspiele in der Eltern sorgen sich – gerade weil es so verlockend ist! Persönlichkeitsentwicklung ein? Ganz grundsätzlich sollten sich Eltern entspannen: Bei Computerspiele fördern Jugendliche in vielen Aspek- den meisten, die über eine längere Zeitspanne exzessiv ten. Bei Rollenspielen müssen sie mit anderen intera- S P I E L E PÄ D A G O G I K spielen, ist es eine Phase. Die vorbeigeht, wenn etwas gieren. Sie können ausprobieren: Was passiert, wenn Neues im Leben passiert: Ein neuer Freund, eine neue ich meine Identität wechsle, mein Geschlecht, mein DAS GROSSE SPIEL Freundin sind auf einmal viel spannender. Bei unserer Alter? Das ist in der Pubertät sehr spannend. Arbeit haben wir es oft mit jungen Erwachsenen zu tun, die zu Beginn ihres Studiums im Spiel versinken, Es heißt immer, Eltern sollten sich für den Medien- UM ANERKENNUNG weil das kontrollierende Umfeld nicht mehr da ist, sie sich fremd fühlen. Da wird das Gamen zur logischen Folge – bis eine Prüfung ansteht oder man neue Freun- konsum der Kinder interessieren. Findet der Nach- wuchs das nicht eher aufdringlich? Wir haben Eltern hier, die sich bitter über das Compu- Horst Pohlmann, Dozent für de gefunden hat. Natürlich: Es gibt auch noch diesen terspiel ihrer Kinder beklagen. Wenn ich aber mehr Medienpädagogik an der Akademie kleinen Prozentsatz derjenigen, die sich in eine regel- darüber erfahren will, bekomme ich nichts aus ihnen der Kulturellen Bildung in Remscheid, rechte Sucht hineinverloren haben. heraus: Sie wissen gar nicht, was ihre Kinder so trei- ben. Sie kennen ihre Kinder gar nicht, das finde ich er- über das große Bündel Was finden Kinder und Jugendliche im Spiel – und schütternd. Eltern sollten wissen, was ihre Kinder von Gründen, das Computerspiele Eltern nicht? spielen. Das Interesse muss aber echt sein. Kinder spü- so attraktiv macht. Wer im Spiel gut ist, wird dadurch aufgewertet. Kinder ren schnell, ob sich da einer nur einschleimen oder he- und Jugendliche können als Spielfiguren so viel Macht rumspionieren will. Wichtig ist, das Gamen nicht von und Einfluss wie ein General im echten Leben haben! vornherein abzuwerten: „Was daddelst du da die ganze Es gibt in jedem Spiel so viele verschiedene Kompeten- Zeit?“ Eltern sollten gemeinsame Erlebnisse suchen, zen, die man erlernen muss, um gut zu sein. Eltern se- Alternativen schaffen: zusammen etwas spielen, heute hen das meist nicht, erkennen das nicht an. ein Computerspiel, morgen ein Brettspiel. Wenn Fami- lien regelmäßig mit Spaß Dinge gemeinsam machen, Es geht im Spiel um Anerkennung? profitieren alle noch viele Jahre davon! Ja, genau, die Anerkennung ist beim Gaming ein zentraler Anreiz. Das hat die Studie „Kompetenzen und exzessive Nut- zung bei Computerspielern“ der Medienanstalt LfM in NRW erge- www „E-Sport“ ist ein spannender Trend – aber nicht Horst Pohlmann erschrickt ohne Probleme in Sachen Jugendschutz: manchmal darüber, wie wenig www.scout-magazin.de Eltern ihre Kinder kennen. Was macht Spielen so faszinierend? Das scout-Interview mit der Spielepädagogin Susanne Endres unter: www.scout-magazin.de 16 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 17
DIGITALE SPIELE EXPERTEN-INTERVIEW: SUCHTGEFAHR S U C H T B E R AT U N G ken können. Der Wandel ist schwierig: Wir feiern Fortschritte, akzeptieren aber auch Rückschläge. Die gehören dazu. „WIR BEERDIGEN Was machen die Spiele, dass sie uns so stark binden? AVATARE“ Die Faszination ist in der Arbeit mit den Jugendlichen ein großes Thema. Ich muss anerkennen, dass Spiele sie total begeistern. Dass es das ist, was sie innig lieben. Nur so kann ich Kontakt auf- bauen. Viele Eltern wissen gar nicht, welches Ansehen sich ihre „Wenn ich die Faszination der Games nicht Kinder in der Spielwelt erworben haben: Da gehört der Sohn verstehe, komme ich auch nicht an die Kinder und heimlich zu den Top 100 „World-of-Warcraft“-Kämpfern des Lan- Jugendlichen ran“, sagt Anke Korfhage von der des, und sie haben keinen Schimmer davon. Natürlich kann er Hamburger Jugend- und Suchthilfe Kö *schanze, damit nicht einfach aufhören, nur weil das Mittagessen kalt wird! die dort auch mit exzessiven Gamern arbeitet. Helfen Gespräche noch bei einer richtig starken Spielsucht? Wer seit drei Monaten massiv durchspielt, kann mit einer ambu- lanten Therapie dagegen angehen. Wer aber seit Jahren acht Ist wirklich jeder, der mehrere Stunden pro Tag spielt, von sei- Stunden und mehr am Tag spielt, muss in eine stationäre Thera- nen Computerspielen abhängig, also im Sinne einer Sucht? pie. Das geht nicht mehr an dem Ort, an dem man lebt. Wenn jemand sehr viel spielt, aber noch nicht sehr lange, und ne- benbei alle anderen Formen des sozialen Lebens noch pflegt – wie Was können speziell die Eltern tun? Sport treiben und Freunde treffen –, dann klingeln bei mir nicht Das Handy aus der Hand zu reißen ist ein No-Go! Stattdessen muss die Alarmglocken. Für den Moment müssen sich die Eltern keine ich Klarheit zeigen, Präsenz. Und: Ich muss Vorbild sein. Also nicht Sorgen machen – das aber im Auge behalten. sagen: „Leg dein Handy weg!“ Und dann gleich hinterher selbst zum Handy greifen. Oft höre ich von Eltern: „Wir haben doch schon Warum kommen Jugendliche zur Beratung? so vieles ausprobiert, und nichts hat geklappt!“ In diesen Fällen ist Wer freiwillig kommt, leidet. Manche sagen: Mich macht den Kindern schlichtweg nicht mehr klar, welche Haltung die El- nur noch das Spiel aus! Wenn ich mich total auf die tern vertreten. Wichtig ist nämlich, dass diese Haltung konsequent Spiele fokussiere, gehe ich keinen anderen Interes- vertreten wird – dann darf sie auch entspannt sein. sen mehr nach – ich habe schlicht keine Zeit mehr, auch nicht für Hygiene oder Schlaf. Wir treffen Wie sind die „Heilungschancen“? hier Leute, die bis zu 20 Stunden pro Tag spielen! Anke Korfhage sagt: „Nimm Was sind häufige Ursachen? Die sind gut, wo Leidensdruck herrscht und wo man sich ändern niemandem etwas, wenn du Und manche Kids gehen mit zwölf Jahren nicht nichts anderes anbieten Ich treffe oft sehr unsichere junge Menschen, die im Spielen will. Ein wichtiger Grundsatz ist: Nimm niemandem etwas weg, mehr zur Schule, weil sie es vor lauter Spielen ein- kannst. Das gilt auch fürs eine Form von Sicherheit finden. Schülerinnen und Schüler mit wenn du ihm nichts anderes anbieten kannst! Wer aufhört zu fach nicht mehr schaffen. Computerspiel.“ Lernschwierigkeiten oder solche, die schon mit anderen sozia- spielen, muss alte Hobbys ausgraben oder neue, andere Interes- len Störungen aufgefallen sind. Andersherum entstehen aus sen finden. Gibt es alte Träume, die weitergesponnen werden Es gibt Computerspielsucht also wirklich? der Abhängigkeit neue Störungen und Konflikte. Sicherlich gibt können? Wo ist ein „gesunder Rausch“ zu finden? Das versuchen Wir haben seit Neuestem eine Diagnose-Richtlinie der Welt- es häufiger unterliegende Krankheitsbilder wie Depressionen, wir herauszuarbeiten. Gemeinsam übrigens mit den Eltern. Man- gesundheitsorganisation zur „Gaming Disorder“, um eine Sucht die wir aber nicht behandeln. Uns geht es vor allem darum, che wollen die Kinder hier nur „abgeben“, aber so funktioniert von einer starken, aber unproblematischen Nutzung abzugrenzen. Sehen Sie einen Anstieg der Fälle von „Gaming Disorder“? Wege und Strategien zu finden, den Spielkonsum in den Griff zu das nicht: Eltern sind Teil der Beratung, des Gesprächs, der Suche Die Computersucht nimmt in unserer Statistik seit Jahren zu. Sie bekommen. nach neuen spannenden Themen im Leben ihrer Kinder. Wer kommt zu Ihnen? kommt – nach Cannabis und Alkohol – auf Platz drei, vor Party- Es kommen Kinder ab neun Jahren und junge Erwachsene bis 21 drogen wie Ecstasy oder Kokain. In der täglichen Beratung macht Und wie bekommen ihre Klienten das dann hin? scout- Jahren, um unser anonymes und kostenloses Beratungsangebot es aber keinen Unterschied, ob ich jemanden vor mir sitzen habe, Wir beerdigen die Avatare, um uns symbolisch vom Spiel abzu- TIPP zu Suchtgefährdungen oder unsere Erziehungsberatung zu der computerspielsüchtig oder von Cannabis abhängig ist – sie grenzen. Besonders wichtig ist es zu lernen, regulierter zu spie- nutzen. Wir sprechen aber auch oft mit Angehörigen: Eltern, leiden fast alle unter sozialem Rückzug. Dass die Zahlen bei uns len. Ganz aufhören, das ist bei digitalen Medien im Gegensatz zu Stellen Sie schon früh klare Regeln über Medienzeiten auf! Großeltern oder Freunde, die sich Sorgen machen. Manchmal steigen, liegt vielleicht daran, dass wir einen Schwerpunkt für echten Drogen nicht realistisch, weil sie uns ständig umgeben. Ein gemeinsamer Vertrag hilft: www.mediennutzungsvertrag.de kommen Jugendliche auch selbst vorbei, weil sie sich besorgt Computersucht aufgebaut haben und sich das herumspricht. Es fragen: Bin ich krank? Daneben werden Jugendliche auch vom sind konkret etwa 80 bis 90 Fälle pro Jahr. Die meisten widmen Wie sieht so eine Beratung bei Ihnen aus? Jugendamt, von der Schule oder einer Erziehungsberatung sich einer Form von Computer-Rollenspiel. Nur etwa jede siebte Wir treffen uns in der Regel wöchentlich, wobei die Dauer von BERATUNGSSTELLEN IN HAMBURG UND geschickt. Die Eltern sehen das Problem nicht immer selbst, ver- Beratung ist mit einem Mädchen. ein Mal bis 30 Mal reichen kann, je nach „Schwere“ des Falls. Ein SCHLESWIG-HOLSTEIN: harmlosen es oft. Mit der neuen Diagnose ist uns in solchen roter Faden ist, die Motivation zur Veränderung aufrecht zu * SUCHT.HAMBURG: Landesweite Fachstelle für Suchtfragen: Fällen sehr geholfen. Dann lasse ich die Jugendlichen einen Test erhalten. Ich frage: „Was wäre in drei Jahren, wenn du so weiter- www.sucht-hamburg.de machen, so wird die Störung „offiziell“. Es ist der „CIUS“-Test, der machen würdest?“ Wir suchen gemeinsam nach sinnvollen * stadt.mission.mensch: Suchtberatungs- und leichte von schwereren Störungen zu unterscheiden hilft. alternativen Aktivitäten, nach Personen, die unterstützend wir- Behandlungsstelle Kiel: www.stadtmission-mensch.de 18 SCOUT - DAS MAGAZIN FÜR MEDIENERZIEHUNG 19
IMPRESSUM Herausgeber: Medienanstalt Hamburg / Lektorat: Egbert Scheunemann Schleswig-Holstein (MA HSH), Art Direction: Neubau Editorial Design Thomas Fuchs (Direktor), Fotos: Achim Multhaupt, privat Rathausallee 72-76, 22846 Norderstedt, Illustrationen: Thies Schwarz 040 / 369 005-0, www.ma-hsh.de Litho: Martina Drignat Projektleitung, Redaktion und Autorenteam: Druck: Albersdruck, Düsseldorf Leslie Middelmann (V. i. S. d. P.), Dr. Thomas Voß, Erscheinungsdatum: März 2019 Simone Bielfeld, Nina Soppa Beratender Redakteur und Autor: Information: Zur besseren Lesbarkeit verwendet Jetzt für den scout-Newsletter Andreas Beerlage scout in der Regel nur eine Geschlechterform. anmelden auf Weitere Autorin für diese Ausgabe: www.scout-magazin.de Andrea Sievers Rechte: Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der MA HSH. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder übernimmt die Redaktion keine Haftung. scout verweist auf Webseiten Dritter. Die MA HSH haftet nicht für den Inhalt dieser externen Seiten. Dafür sind allein deren Betreiber verantwortlich.
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