Übergänge in der Bildung und Betreuung von Kindern erleichtern - Neun Praxisbeispiele aus der institutionellen Kinderbetreuung in der Schweiz ...
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Übergänge in der Bildung und Betreuung von Kindern erleichtern Neun Praxisbeispiele aus der institutionellen Kinderbetreuung in der Schweiz
Impressum Projektteam: kibesuisse: Nadine Hoch, Geschäftsleitung Liridona Kamberi, Assistentin Geschäftsleitung Nicole Kaiser, Fachverantwortliche Kindertagesstätten bis Juni 2018 pro enfance: Bénédicte Savary, Sachbearbeiterin «Übergänge» Marianne Zogmal, Vize-Präsidentin Fachexpertinnen und Fachexperten: Esther Hartmann, Kursleiterin bei kibesuisse Veronika Neruda, Fachbereichsleitung Familie und Gesellschaft, SODK (Konferenz der Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren) Tania Ogay, Professorin Universität Fribourg Sascha Neumann, ehem. Professor Universität Fribourg, seit 2017 Professor an der Universität Luxemburg Herausgeber: kibesuisse Verband Kinderbetreuung Schweiz in Kooperation mit pro enfance – Westschweizer Plattform für Kinderbetreuung Erschienen: September 2018, 1. Auflage Sprachen: Deutsch und Französisch Druck: Niedermann Druck, St. Gallen Gestaltung/Layout: Sehstoff GmbH, Baden Lektorat: Silja Munz, Ebbe & Flut, St. Gallen Übersetzung: Tobias Wehrli, Genf
In|halt Einführung 4 Prolog 5 Horizontale und vertikale Übergänge 6 Übergänge in der Schweiz 7 Zusammenfassung Praxisbeispiele 8 Seebezirk: Eine Institution, mehrere Betreuungsformen, eine Betreuungsperson 10 Mendrisiotto: Von der Selbsthilfe zum professionellen Anbieter 12 Zürich: Bedürfnisorientierte Betreuung unter einem Dach 14 Tessin: Gemeinsame Weiterbildungen aller Akteure im Frühbereich 16 Cham: Einheitliches Betreuungsgutschein-Modell vom Baby bis zum Schulkind 18 Carouge: Ein gemeinsames Buch erleichtert die Übergänge 20 Neuenburg: Gemeinsame politische Leitung für Schule und Betreuung 22 Nyon: Kurze Wege und enge Zusammenarbeit dank gemeinsamer Räume 24 Thurgau: Kantonales Netzwerk «Guter Start ins Kinderleben» Schlusswort 26 Kohärenz und Kontinuität trotz Vielfalt der Ansätze 27 Danksagung Inhaltsverzeichnis | 3
September en Lily Mami Papi Omi .. Ben in Kita Kita 7:30 Meeting! 4 Montag Kindergarten Geburtstag � \·:\ Kuchen für Omi 8:00 76! -- . Ben in Kita Кita 5 5 Dienstag Kindergarten ·- '4;\ '� 14:30 Yoga mit Omi zum Arzt Zuhause mit Mami 9:30 Arzt � � 6 Mittwoch Ben � � 0 0 .. 14:00 Babyschwimmen Sarah zu Besuch Kinderschwimmen 8:00 zu Susi Ben zu Susi � 7 Donnerstag 9:30 Kindergarten Omi Kindergarten Ben zu Omi 9:00 Zahnarzt! Ben + I 8 Freitag .. Omi zu Omi Lily Fussball 14:00 ganzer Tag! Ausflug ins Tessin! vf \�� 9 Samstag -- . 5 '· 10 Sonntag Sabine und Kurt mit Kindern treffen nächste Woche ... Fussball Pro|log Eine Woche mit Lily und Ben Lily ist vier Jahre alt. Seit kurzem besucht sie den Kin- Sein Papi bringt ihn morgens auf dem Weg zur Arbeit dergarten. Sie hat sich sehr darauf gefreut und ge- dorthin. Ben mag seine Nachbarin nicht so. Er wäre hofft, dort viele neue «Gspänli» zu finden. Obwohl sie lieber in der Kita oder bei Omi. Darum freut sich Ben die Kindergartenlehrerin und die Klassenkameraden immer sehr auf den Freitag, den er ganztags bei Omi nett findet, vermisst sie ihr gewohntes Umfeld aus geniessen darf. der Kita. Ihre zwei besten Freundinnen sind ebenfalls im Kindergarten, nur leider nicht im gleichen wie sie. Diese Woche ist alles anders. Das bringt Unruhe in Auch Omi fehlt Lily im Moment ein wenig. Bis vor kur- die sonst so durchorganisierte Wochenplanung der zem verbrachte sie jeden Freitagvormittag mit ihrem Familie. Bei Ben ist das Schwimmen kurzfristig aus- Bruder bei ihr. Jetzt sieht sie Omi am Freitag nur noch gefallen. Also fährt er mit Mami am Mittwoch zum kurz über den Mittag zum Essen, bevor sie weiter ins Wocheneinkauf in den Supermarkt. Das Alternativ- Fussballtraining geht. programm ist nicht im Sinne von Ben – einkaufen Auch für Ben, Lilys Bruder, bringt die Woche einige findet er doof. Auch für Lily läuft die Woche anders Wechsel mit sich. Der Zweijährige ist Montag und als geplant. Sie liegt seit Montag mit einer Grippe Dienstag in der Kita, seine Eltern sind beide berufs- im Bett und muss die ganze Woche zuhause bleiben. tätig. Den Mittwoch verbringt Ben mit Mami da- Weil Mami und Papi bei der Arbeit nicht fehlen kön- heim, am Nachmittag geht er für zwei Stunden zum nen, organisieren sie für die Woche eine ausserplan- Schwimmen. Auf das Schwimmen freut sich Wasser- mässige Lösung. In solchen Fällen springen meistens ratte Ben immer riesig. Obwohl kein Kind vom Kurs die Grosseltern ein. mit ihm in die Kita geht, hat Ben dort viele Spielka- Wie Lily und Ben bewältigen Kinder in ihrem Betreu- meraden gefunden. Den Donnerstag mag Ben am ungsalltag viele Schnittstellen und Übergänge. Was wenigsten. Dann ist er jeweils bei der Nachbarin. bedeutet dies für sie tagtäglich und auf längere Zeit? 4 | Einführung
Ho|ri|zon|ta|le und ver|ti|ka|le Übergänge Lilys und Bens Geschichte ist fiktiv. Dennoch steht In einem zweijährigen Projekt haben sich kibesuisse sie sinnbildlich für die Situation vieler Familien in und pro enfance intensiv mit den Rahmenbedingun- der Schweiz. Wie für Lily und Ben gibt es im Bildungs- gen und strukturellen Gegebenheiten vertikaler und und Betreuungswelten vieler Kinder Schnittstellen horizontaler Übergänge auseinandergesetzt. Dabei und Übergänge: Bei jedem Wechsel von einem Be- wurde die aktuelle Situation in der Übergangsthema- treuungsort zum nächsten, beim Eintritt in den Kin- tik verschiedener Betreuungs- und Bildungssettings dergarten oder beim Übertritt in eine neue Schul- innerhalb der Schweiz recherchiert und mit Hilfe an- stufe. erkannter Experten analysiert. «Es kann sein, dass ein Kind an einem Tag zu einer Tagesfamilie geht, am anderen von ! der Nachbarin betreut wird und am nächs- ten Tag zuhause bei seiner Mutter ist. » Horizontal? Vertikal? Eine Definition Der Experte unterscheidet beim Begriff «Übergang» zwischen horizontal und ver- Esther Hartmann, tikal: Ein Wechsel zwischen verschiedenen Kursleiterin bei kibesuisse Einrichtungen, Institutionen oder Betreu- ungspersonen innerhalb dieser Institutio- nen wird als horizontaler Übergang bezeich- Viele dieser Schnittstellen und Übergänge verstecken net. Bei altersbedingten Eintritten in eine sich im Alltag. Oft sind sich die verantwortlichen Per- nächsthöhere Stufe, wie zum Beispiel der sonen nicht oder zu wenig bewusst, was aus der Sicht Wechsel von der Kita in den Kindergarten des Kindes geschieht: Es wechselt den Ort, muss sich oder vom Kindergarten in die Schule, hat stets auf neue Situationen einstellen, kommt dabei das Kind einen vertikalen Übergang zu be- mit den unterschiedlichsten Betreuungspersonen in wältigen. Kontakt, begegnet immer wieder anderen Kindern und orientiert sich dabei ständig neu. Diese tägliche Bewältigung solcher Situationen bringt viele positive Aspekte mit sich, birgt aber auch Herausforderungen. « Es geht bei vertikalen Übergängen für das Kind auch um einen Statusaufstieg, das Die Verbände kibesuisse und pro enfance engagieren sich für die Verbesserung der familien- und schuler- Bewusstmachen ‘Ich gehöre jetzt zu einer gänzenden Kinderbetreuung, bieten Hilfestellung für anderen Altersgruppe. Ich bin gross!’. » Eltern in der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbs- Sascha Neumann, tätigkeit und fördern den qualitativen und quanti- Professor an der Universität Luxem- tativen Ausbau von schul- und familienergänzenden burg, ehemals Professor an der Uni- versität Fribourg Betreuungsangeboten. Einführung | 5
Über|gänge in der Schweiz Die Schweizer Bildungs- und Betreuungslandschaft «Übergänge sind immer bedingt durch für Kinder im Vorschul- und Schulalter ist sehr he- die Ordnung des Bildungs- und Betreuungs- terogen. Viele Kinder bewegen sich in den verschie- systems. Es geht also um strukturelle densten Betreuungs- und Bildungswelten. Dies, weil Effekte. Das bedingt derzeit eine starke Schulbetriebe noch immer voraussetzen, dass Kinder Fragmentierung, das heisst: Von 0–4 habe während der schulfreien Zeit durch einen verfügbaren ich jene Angebote, von 5–6 jene und Elternteil oder in einem familienergänzenden Ange- von 7–12 ist es wieder anders. Damit erge- bot betreut werden. Diese Situation stellt für viele Eltern organisatorisch eine grosse Herausforderung ben sich Übergänge, die eigentlich dar. Auf diese Weise fällt den Betreuungsanbietern gar nicht notwendig sind. » nicht selten die Aufgabe zu, Betreuungslücken zu fül- Sascha Neumann, len, die nicht durch die Schule oder Eltern abgedeckt Professor an der Universität Luxem- werden können. burg, ehemals Professor an der Uni- versität Fribourg «Der Föderalismus ermöglicht regionale Erziehungsdirektionen angesiedelt, während die Umsetzungsfreiheiten und unterschiedliche Betreuungsangebote für Vorschulkinder in den Zu- Handhabungen. Er bringt aber auch Heraus- ständigkeitsbereich der Sozialdepartemente fallen. forderungen mit sich, da fehlende einheit- Auf interkantonaler Ebene äussert sich das durch die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Erziehungs- liche Rahmenbedingungen und Mindest- direktoren- (EDK) und Sozialdirektorenkonferenz standards Inkohärenzen verursachen und zu echten Ungleichheiten führen können. » (SODK). Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten und die starke Fragmentierung der Angebote für die jeweiligen Altersklassen haben in den letzten Jahren Tania Ogay, zusätzliche Schnittstellen und Übergänge geschaf- Professorin Universität Fribourg fen. Es fehlen gesamtschweizerische Rahmenbedin- gungen und Mindeststandards. Die regional unter- schiedlichen Handhabungen verursachen vielerorts Besonders der für die Schweiz typische Föderalis- Mehrkosten und schaffen Ungleichheiten zu Lasten mus prägt die familien- und schulergänzende Kin- der Eltern oder der Kinder. derbetreuung stark. Schulergänzende Betreuungs- angebote, wie auch die Schulen, sind in der Regel bei den kantonalen Bildungsdepartementen und
Zu|sam|men|fass|ung Die familienergänzende Kinderbetreuung in der setzung für das Betreuungspersonal und die Qualität der Schweiz ist geprägt von vielen Schnittstellen und pädagogischen Arbeit. Behörden, Betreuungsinstitutio- Übergängen zwischen den beteiligten Institutionen nen und Fachstellen haben die Herausforderungen und und den Behörden. Schnittstellen und Übergänge die Wichtigkeit der Übergangsthematik erkannt und nun aber als grundsätzlich problematisch anzusehen, interne Umgangsweisen und Handhabungen entwickelt wäre eine defizitorientierte Sichtweise. Um die Kinder und initialisiert. Kibesuisse, Verband Kinderbetreuung nicht zu überfordern, müssen die nötigen Ressourcen Schweiz, und pro enfance, Westschweizer Plattform zur Verfügung stehen, und zwar mit bildungs-, entwi- für Kinderbetreuung, möchten noch stärker auf die cklungs- und lernförderlichen Hilfen während allen Übergangsthematik im Bildungs- und Betreuungsalltag Bildungsstufen und -bereichen. der Kinder aufmerksam machen und konkrete Lösungs- ansätze bieten. Die vorliegende Publikation informiert «Übergänge werden als Wandlungsprozesse verstan- über die aktuellen Erkenntnisse zum Thema und liefert den, in denen Lebenszusammenhänge des Kindes ent- praktische und lösungsorientierte Musterbeispiele aus scheidende Umstrukturierungen erfahren.»1 Bei jedem der Schweiz. Sie richtet sich an pädagogische Fachper- Übergang müssen alte Beziehungen mit neuen in Ein- sonen, Behörden, Entscheidungsträger und die breite klang gebracht und neu definiert werden. Somit bieten Öffentlichkeit. Ein Informationsvideo unterstützt die Übergänge für die Kinder auch wichtige Lern- und Ent- Ausführungen dieser Publikation. wicklungsfelder und positive Herausforderungen. Damit diese für die Kinder und Familien harmonisch verlaufen, braucht es eine aktive Zusammenarbeit und die nötige « Schnittstellen und Übergänge betreffen Aufmerksamkeit aller Personen, die das Kind im Alltag mehrere Akteure und Institutionen begleiten. Diese Faktoren haben einen wichtigen Ein- und müssen daher gemeinsam gedacht, an- fluss auf das Wohlbefinden der Kinder und sind Voraus- gegangen und bearbeitet werden. » Veronika Neruda, Fachbereichsleitung Familie und Gesellschaft, SODK Pra|xis|bei|spie|le Dieses Kooperationsprojekt von kibesuisse und pro senstransfer leisten, zum gegenseitigen Dialog mo- enfance hat zum Ziel, die wichtige Thematik von tivieren und Zusammenarbeiten ebnen. Das Projekt- Schnittstellen und Übergängen gesamtschweize- team betont, dass mit den nachfolgenden Beispielen risch aufzugreifen und konkrete Lösungsansätze zu nicht die gesamte Schweiz beleuchtet ist. Dennoch präsentieren. Die neun nachfolgenden Praxisbeispie- liefert die Publikation spannende Erkenntnisse rund le zeigen, wie verschiedene Akteure die Thematik der um die Thematik und zeigt einen Einblick in die Viel- Schnittstellen und Übergänge im Bildungs- und Be- falt und Diversität der Angebote und Lösungen inner- treuungsalltag von Kindern angehen. Dabei setzen halb der Schweiz. sie an unterschiedlichen Punkten an: Während einige die Vernetzung der Behörden fördern, fokussieren «Der Austausch zu guten Lösungen sich andere auf das Gesamtsystem der Bildung und und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen Betreuung, nehmen sich dem Aufbau eines bedarfs ist sehr wichtig, damit nicht jeder das gerechten Angebotes in ländlichen Gebieten an oder Rad neu erfinden muss. » definieren die pädagogische Bedeutung von Über- gängen als zentrales Element. Jedes Praxisbeispiel Tania Ogay wird mit Verantwortlichkeiten und Kontaktangaben Professorin Universität Fribourg ergänzt. Auf diese Weise soll die Publikation den Wis- 1 Simoni und Wustmann (2016). Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz. Einführung | 7
Eine Institution, mehrere Betreuungs- formen, eine Be|treu|ungs|per|son Seebezirk Eckdaten Im Auftrag der Gemeinden, und mit Hilfe einer dafür ins Leben gerufenen Kommission, eröffnete der Ver- Zeitraum Umsetzung ein Kibelac, Kinderbetreuung See, im Januar 2014 in • September bis Dezember 2013 Misery-Courtion und Villarepos eine familienergän- zende Kinderbetreuung in schulischen Tagesstruktu- • Eröffnung Tagesstrukturen 6. Januar 2014 ren, ergänzt mit Tagesfamilienbetreuung. Der Bedarf, Koordination der nicht durch die Öffnungszeiten der Tagesstruktur • Susanne Aebischer abgedeckt werden kann, wird durch Betreuende in Tagesfamilien übernommen, die gleichzeitig als As- Projektbeteiligte sistenzpersonal in der Tagesstruktur angestellt sind. • Gemeinden Misery-Courtion und Somit wird das Kind am Morgen früh und am Abend Villarepos (heute Courtepin) nach der Schliessung der Struktur durch dieselbe Be- • Verein Kibelac zugsperson betreut, die es zeitweise auch in der Ta- gesstruktur antrifft. Kosten • CHF 12’000 Die Gemeinden Misery-Courtion und Villarepos können ein umfangreiches Betreuungsangebot gewährleisten, Finanzierung obwohl die Nachfrage nach Betreuung für Kindergar- • Gemeinden Misery-Courtion und Villarepos tenkinder vor und nach der Schule oder an schulfreien Kontakt Vormittagen aufgrund des kleinen Schulkreises nicht • Susanne Aebischer genügend gross ist, um die Tagesstruktur zu öffnen. Präsidentin Kibelac Für die organisatorischen und vertraglichen Arbeiten susanne.aebischer@kibelac.org und die Vermittlung ist die der Familie zugeteilte An- www.accueildejour.ch/de/see sprechperson von Kibelac zuständig. Dank dieser Syn- ergien in der Vermittlung, aber auch beim Inkasso und in der Personalführung können die Fixkosten gesenkt 8 | Praxisbeispiele
werden. Ein Vertrag mit entsprechenden Leistungsver- noch die Umsetzung der gesetzlichen Auflagen und einbarungen bildet die Grundlage der Zusammenarbeit die Reglementierungen der Bewilligungsbehörden zwischen den Gemeinden und Kibelac. hinzu. Aufgrund fehlender Räumlichkeiten mussten die an die Schule angrenzenden Räume der Kirchge- Organisation meinde zwischenzeitlich mit anderen Nutzern geteilt Kibelac – Kinderbetreuung See – ist eine private und werden. Seit Sommer 2016 besitzt die Tagesstruktur gemeinnützige Organisation mit Sitz in Murten, die eigene Räumlichkeiten und die Kinder haben ausrei- 1990 als Tagesfamilienverein gegründet wurde. Der chend Platz und Räume zum Spielen, Lernen, Essen Verein bietet in den Gemeinden des Seebezirks fami- und soziale Kontakte knüpfen. lienergänzende Kinderbetreuung durch Tagesfamilien und Tagesstrukturen. Das Wohl des Kindes und des- Bedarfsgerechtes Angebot für kleinere Gemeinden sen Eltern steht dabei im Zentrum. Mit diversen Neu- Das Betreuungsmodell eignet sich speziell für kleinere, besetzungen im Vorstand des Vereins im Jahre 2012 ländliche Gemeinden und Regionen mit verzettelten wurde die Gelegenheit genutzt, einen strategischen Strukturen. Kibelac bietet mit seinen Dienstleistun- Entwicklungsprozess anzustossen. Dem Vorstand war gen ein durchgehendes und effizientes Angebot. Vor es dabei wichtig, sich an den Bedürfnissen der Familien kurzem hat Kibelac die Ausschreibung der Gemeinde zu orientieren und herauszufinden, was diese für ihre Courtepin für den Aufbau der schulischen Tagesstruk- Kinder benötigen, wenn sie berufstätig sind. Der neue turen gewonnen. Die Organisation wird ihre Angebote Vorstand bezeichnete diesen Vorgang als eigentlicher weiter professionalisieren und den Ausbau schulischer Perspektivenwechsel. Dieser ermöglichte das Entwi- Tagesstrukturen in weiteren Gemeinden vorantreiben. ckeln und Anbieten des dargestellten Angebotes. Chancen Die Anstellung in der Tagesstruktur bietet für die Mit- Kurzgefasst arbeitenden der Tagesfamilienbetreuung Abwechs- lung in ihrer beruflichen Tätigkeit und die Möglich- • Gleiche Betreuungsperson bietet dem keit, in einem Team zu arbeiten. Auch eröffnen sich Kind Kontinuität und Stabilität durch diese Doppelfunktion neue berufliche Perspek- • Harmonische Übergangsituation für tiven. So zum Beispiel für eine Person, die anfangs in das Kind dank nur einer (ortsgebunde- einer Tagesfamilie arbeitete und seit Gründung der nen) Schnittstelle Tagesstruktur gleichzeitig für die Tagesstruktur als Assistenzperson tätig ist. Die Person zeigt grosses • Ganztägige Betreuungsform schafft Interesse und Engagement für beide Tätigkeiten. Ak- Entlastung für Eltern tuell absolviert sie eine kantonale Weiterbildung für Mitarbeitende in Tagesstrukturen. • Ganzheitliche Betreuungslösung aus einer Hand über mehrere Betreuungs Herausforderungen formen ermöglicht eine bessere Verein- Bei der Umsetzung galt es, im Zeitraum zwischen barkeit von Familie und Erwerbstätigkeit der Zusage der Gemeinden im August 2013 und der • Abwechslungsreicher Berufsalltag für Eröffnung im Januar 2014 eine Leitung und geeigne- Betreuungspersonen durch Ausweitung tes Personal für die neu gegründeten, schulischen des Tätigkeitsprofils Tagesstrukturen zu finden. Auch die bereits ange- stellten Betreuungspersonen in Tagesfamilien be- durften einer entsprechenden Weiterbildung, da die Betreuung von Kindern in einem Team oder im eigenen Haushalt nicht dieselben Fach- und Hand- lungskompetenzen verlangte. Zu guter Letzt kamen Praxisbeispiele | 9
Von der Selbsthilfe zum pro|fes|si|o|nell|en Anbieter Eckdaten to und bauten über Jahre hinweg ehrenamtlich ein Mendrisiotto Angebot rund um die Tagesfamilienbetreuung auf. Zeitraum Umsetzung Neben der Vermittlung von Tagesfamilien lancierte • ab 1991 laufend der Verein schulische Tagesstrukturen, Betreuung über den Mittag, Kindertagesstätten und Schulfe- Koordination rienbetreuung. 2001 wurde die schulergänzende Kin- • Geschäftsleitung Verein Tagesfamilien derbetreuung in das Angebot integriert. Fünf Jahre Mendrisiotto später bot das neue kantonale Gesetz schliesslich Projektbeteiligte die Basis zur finanziellen Sicherung der Angebote. • Mitglieder Verein Tagesfamilien Ab diesem Zeitpunkt war der Kanton für die Mit- Mendrisiotto finanzierung der Kinderbetreuung zuständig und auch einige Gemeinden beteiligten sich finanziell. Finanzierung Mittlerweile ist der Verein zu einer Institution mit • Laufendes Budget 120 Mitarbeitenden gewachsen und betreut jedes Jahr rund 1500 Kinder. Kontakt • afdm@bluewin.ch Chancen www.famigliediurne.ch Die wachsende Nachfrage verlangte einen kontinuier- lichen Ausbau des Betreuungsangebots. Die Verant- wortlichen nutzten die Gelegenheit und verknüpfen das Wachstum und den Ausbau mit der stetigen Ver- Der regionale Verein Tagesfamilien Mendrisiotto engagiert sich für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und bietet Eltern verschiedene Be- treuungsformen unter einem Dach an. Die Bedürf- nisse und das Wohl des Kindes stehen dabei im Fo- kus. Neben der Vermittlung von Tagesfamilien sind im Laufe der Jahre auch schulische Tagesstrukturen, Betreuung über den Mittag, Kindertagesstätten und Betreuungsangebote während den Schulferien aufgebaut worden. Zusammen mit den Eltern erarbeiten die Vermitt- lungspersonen der Trägerschaft eine auf das Kind abgestimmte, individuelle Betreuungslösung. Da- bei werden die Bedürfnisse der Familien analysiert und gemeinsam entschieden, welche Betreuungs- form die geeignete ist. Auch Betreuungskombina- tionen stehen zur Auswahl. Die Kinder bleiben in der Regel bis zum Primarschulaustritt am gleichen Betreuungsort. Damit ist die Beständigkeit der Be- zugspersonen gewährleistet und die horizontalen Übergänge im Alltag der Kinder werden minimiert. Organisation Aus einer persönlichen Not heraus gründeten 1991 vier Frauen den Verein Tagesfamilien Mendrisiot- 10 | Praxisbeispiele
besserung der Angebote. Hinter der Erfolgsgeschichte Weiterentwicklungsprozess. Die Anerkennung von des Vereins stehen Schlüsselpersonen, die viel persön- Betreuungspersonen in Tagesfamilien soll erhöht, liches Engagement geleistet haben und sich auch wei- die Professionalisierung vorangetrieben und damit terhin unaufhörlich dafür einsetzen, bessere Rahmen- auch das Selbstbewusstsein des Personals gestärkt bedingungen für die Kinder im Südtessin zu schaffen. werden. Dabei steht immer der Grundgedanke im Fokus, Eltern und Kindern ein umfassendes Betreu- Herausforderungen ungsangebot zu bieten. Zudem widmen sich aktuelle Aktuell engagiert sich der Verein stark in der Säug- Projekte auch dem qualitativen Ausbau der Angebo- lingsbetreuung. Das Angebot ist zu klein, denn es te in der Säuglingsbetreuung. können nicht genügend ausgebildete Betreuungs- personen in Tagesfamilien gefunden und rekrutiert werden. Des Weiteren ist die gesamte Ausbildung Kurzgefasst der Tagesfamilien noch nicht optimal gelöst, da die Anbindung an die Deutschschweiz aus sprachlichen • Individuelle, auf das Kind und die Familie Gründen schwierig ist. Der Verein hat deshalb ein zugeschnittene Betreuungslösung eigenes Ausbildungsangebot geschaffen. Zu guter Letzt bleibt die finanziell angespannte Lage des Ver- • Gleicher Betreuungsort bis Schuleintritt eins eine permanente Herausforderung. schafft Stabilität und minimiert die horizontalen Übergänge für das Kind Qualität und Quantität im Angebot • Feste Bezugspersonen gewährleisten Der Verein befindet sich in einem kontinuierlichen Kontinuität und Beständigkeit im Alltag des Kindes • Professionelles Netzwerk und starke regionale Verankerung dank hohem persönlichem Engagement schaffen hohe Qualitätsstandards bei den Angeboten • Betreuungsvielfalt vereint unter einem Dach sorgt für Entlastung in der Verein- barkeit von Familie und Erwerbstätigkeit Praxisbeispiele | 11
Bedürfnisorientierte Betreuung un|ter ei|nem Dach Eckdaten Die Stiftung GFZ der Stadt Zürich (ehemals Gemein- Zürich nütziger Frauenverein Zürich) bietet ein vielfältiges Zeitraum Umsetzung Kinderbetreuungsangebot unter einem Dach. Unter • seit 2009 laufend dem Aspekt der Familie als Gesamtsystem steht die Beratung, Betreuung und Begleitung der ganzen Fa- Koordination milie im Zentrum. Das Erstgespräch bildet das Kern- • Geschäftsleitung Stiftung GFZ stück der zukünftigen Kooperation. Gemeinsam mit Projektbeteiligte den Eltern werden die familiäre Lebenssituation und • Stiftung GFZ der Alltag des Kindes angeschaut. Die enge Zusam- menarbeit zwischen allen Beteiligten schafft eine Finanzierung harmonische Übergangsgestaltung mit der für die • laufendes Budget Kinder bestmöglichen Betreuungsform. Mit dieser Beratung und der Wahlmöglichkeit zwischen den Kontakt unterschiedlichen Betreuungsformen sind Eltern in • Raffaela Vedova der Lage, die Übergänge ihres Kindes zu beeinflus- Geschäftsleitung GFZ sen und aktiv mitzugestalten. raffaela.vedova@gfz-zh.ch www.gfz-zh.ch
Organisation Kurzgefasst Seit 1885 bietet die Stiftung GFZ Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten an. Mit der Übernah- • Beratung, Betreuung und Begleitung me des Tagesfamilienvereins Zürich erweiterte die stützt das «Gesamtsystem Familie» Stiftung 2009 ihr Angebot. Seit diesem Zeitpunkt und schafft individuelle Betreuungs profitieren Eltern nebst Plätzen in einer der GFZ Kin- lösungen dertagesstätten auch von Betreuungsangeboten in • Bedarfsgerechte Angebote und Tagesfamilien. Mit dem Ausbau rückten die Übergän- individuelle Wahl der Betreuungsform ge zwischen den einzelnen Betreuungsformen ver- für Kinder bis Schulaustritt mehrt in den Fokus. Die Bildung von drei Familien- zentren erweiterte das GFZ Angebot erneut. Aktuell • Erstgespräch und fundierte Analyse als betreut die Stiftung über 1600 Kinder in 14 Kinder- Kernstück, Entscheidungsgrundlage tagesstätten und 90 Tagesfamilien und betreibt drei und Basis der langfristigen Kooperation eigene städtische Familienzentren. mit Familie, Eltern und Kindern Chancen • Eine Bezugsperson vereinfacht horizont Die Übergänge für die betreuten Kinder und deren ale und vertikale Übergangsituationen Familien aufmerksam zu begleiten, etablierte sich und gewährleistet Konstanz und Stabili- für die Stiftung zur gelebten Organisationskultur. tät im Kinderalltag Mit den schulischen Tagesstrukturen besteht eine • Innovatives Führungsmodell motiviert enge Kooperation. Die vertikalen Übergänge von der Mitarbeitende und bietet individuelle Kindertagesstätte in die Tagesstrukturen werden im Entwicklungspotenziale pädagogischen Alltag immer aufs Neue thematisiert und reflektiert. Auch innerhalb der Familienzentren werden Synergien genutzt, Übergänge bestmöglich gewährleistet und die Anliegen und Bedürfnisse der Eltern abgeholt. Herausforderungen Für die kompetente und professionelle Beratung und Begleitung werden die Mitarbeitenden speziell geschult und im Bereich Beratungskompetenz aus- gebildet. Die hohen Qualitätsstandards und die auf- merksame und zeitintensive Begleitung der Familien in Übergangssituationen machen kompetentes und engagiertes Fachpersonal unabdingbar und sind zu- dem kostenintensiv. Mitarbeitende stärken für gelingende Übergänge Neben der laufenden Weiterentwicklung der Orga- nisation werden neue Projekte vorangetrieben. Die geplante Aufhebung der Gruppenleitungsfunktionen und Hierarchien soll die Fachlichkeit und die Eigenver- antwortlichkeit der Mitarbeitenden stärken und sich positiv auf die Gestaltung der Übergänge auswirken. Praxisbeispiele | 13
Ge|mein|sa|me Wei|ter|bil|dung|en aller Akteure im Frühbereich Eckdaten Dank des Orientierungsrahmens2 kam es zu einer An- Tessin näherung zwischen Betreuungsangeboten im Früh- Zeitraum Umsetzung bereich, wie zum Beispiel Kindertagesstätten und • 2016 bis 2020 schulergänzenden Betreuungseinrichtungen sowie Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Koordination Departemente des Kantons Tessin (Sozial-, Gesund- • Plattform «Tipi» heits- und Bildungswesen). Diese Akteure haben die • Fachhochschule der italienischen Plattform «Tipi» gebildet, um die Zusammenarbeit Schweiz (SUPSI), Fachbereich durch die gemeinsame Weiterbildung des Fachper- Soziale Arbeit sonals zu stärken. Mit der Fachhochschule der italie- nischen Schweiz (SUPSI) wurde ein umfangreiches • Amt zur Unterstützung von Institutio- Angebot an Weiterbildungskursen und öffentlichen nen und Aktivitäten für Familien und Vorträgen für Fachpersonen in der familien- und Jugendliche, Departement für Gesund- schulergänzenden Betreuung, Lehrpersonen und heit und Soziales des Kantons Tessin Eltern ins Leben gerufen. Das Thema der Zusam- menarbeit zwischen involvierten Akteuren wird in Projektbeteiligte verschiedenen Schulungen, neuen Weiterbildungen, • Paola Milani, Universität Padua öffentlichen Vorträgen oder bereits bestehenden • Schweizerische UNESCO Kommission Grundausbildungen behandelt. In den Weiterbil- sowie diverse Verbände, Institutionen, dungsveranstaltungen führen Leitungspersonen Dienste und Strukturen aus den verschie- von Betreuungseinrichtungen das Fachpersonal zu- denen Bereichen der Kinderbetreuung sammen oder es werden gemeinsame Veranstaltun- gen mit den Betreuungsteams mehrerer Einrichtun- Finanzierung • Jacobs Foundation • Programm zur Bekämpfung von Armut, Bundesamt für Sozialversicherungen • Stiftung Mercator • Die beiden zuständigen Departemente des Kantons Tessin • SUPSI • Verschiedene im Bereich Kinder betreuung tätige Verbände und Dienste Kontakt • Paola Solcà Forscherin und Dozentin, SUPSI paola.solca@supsi.ch www.supsi.ch 2 Simoni und Wustmann (2016). Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz. 14 | Praxisbeispiele
gen durchgeführt. Die erste gemeinsame Schulung Chancen und Herausforderungen brachte Fachleute aus dem Vorschulbereich und der Das Projekt stiess von Anfang an auf eine breite Un- Betreuung im Frühbereich zusammen. terstützung aller Beteiligten. Die gemeinsamen Aus- bildungen fördern das gegenseitige Verständnis und Organisation die Anerkennung des Fachpersonals in den verschie- Die Fachhochschule der italienischen Schweiz (SUP- denen beruflichen Feldern. Die Hindernisse waren SI) bietet mit der Fachrichtung Soziale Arbeit für und sind einerseits noch praktischer Natur, anderer- Fachpersonen in der familien- und schulergänzen- seits erfordern gewisse Veränderungen in der Praxis den Betreuung bereits ein breites Angebot an Schu- eine Einstellungsveränderung gegenüber den Fami- lungen und Weiterbildungen. Mit dem erweiterten lien. Der unterschiedliche Kenntnisstand der ver- Angebot legt sie den Grundstein für eine partner- schiedenen Partner muss ausbalanciert werden, um schaftliche Zusammenarbeit aller involvierten Ak- eine gegenseitige pädagogische Mitverantwortung teure der Betreuung im Frühbereich. aufzubauen. Es ist wichtig, dass die Standpunkte von Familien, insbesondere von unterstützungsbe- Alle in der Plattform «Tipi» zusammengeschlossenen dürftigen Eltern, in die Netzwerktreffen integriert Akteure waren sich in einem Punkt einig: Zu selten werden. Die behandelten Themen sind Gegenstand kommen Betreuungsfachkräfte und Lehrpersonen zu- von Publikationen und werden längerfristig über die sammen oder tauschen Informationen aus. Dies ist für Projektdauer hinaus weiterentwickelt. alle Familien, vor allem aber für unterstützungsbedürf- tige Familien, problematisch. Alle Akteure stuften ihre Bemühungen in der Zusammenarbeit mit den Familien, insbesondere beim Übertritt von der Betreuungsein- richtung in die Schule, als noch ungenügend ein. Kurzgefasst • Annäherung und Stärkung des Gemein- schaftsgefühls aller Beteiligten im Frühbereich dank gemeinsamer Schulung und gleicher Lernziele • Die Plattform «Tipi» fördert gegenseiti- ges Verständnis und schafft Vertrauen und Bereitschaft zur berufsübergreifen- den Zusammenarbeit • Erhöhung der Zusammenarbeit aller invol- vierten Akteure und Vereinheitlichung der Qualitätsstandards und Anforderungen an die Angebote • Bildung eines Netzwerkes im Frühbereich mit allen wichtigen Akteuren, insbesonde- re für (unterstützungsbedürftige) Familien • Grundsteinlegung für eine langfristige Vereinfachung der horizontalen und vertikalen Übergänge für die Kinder im Kanton Tessin Praxisbeispiele | 15
Einheitliches Be|treu|ungs|gut|schein- Mo|dell vom Baby bis zum Schulkind Eckdaten Cham Zeitraum Umsetzung • Start Planungsphase: September 2014 • Einführung Betreuungsgutschein- Modell: Januar 2016 Koordination • Thomas Bonati, Abteilungsleiter Soziales und Gesundheit Cham Projektbeteiligte • Departemente Soziales und Gesundheit • Bildungsdepartement Gemeinde Cham Finanzierung • Über interne Ressourcen Kontakt • Thomas Bonati Abteilungsleiter Soziales und Gesundheit Cham thomas.bonati@cham.ch www.cham.ch Mit einkommensabhängigen Betreuungsgutschei- ne vom steuerbaren Einkommen abhängig war, ana- nen unterstützt die Gemeinde Cham Eltern bei der lysierte die Gemeinde die Steuerzahlen der Chamer Bezahlung von Betreuungs- und Bildungsleistungen Familien. Mit den gewonnenen Erkenntnissen wur- in Kindertagesstätten, Tagesfamilien, Spielgruppen, de eine Einkommensobergrenze festgelegt, um den schulergänzenden Angeboten und in der Ferienbe- Mittelstand angemessen zu entlasten. treuung. Alle Familien haben somit gleichberechtig- ten Zugang zu zahlbarer Kinderbetreuung. Da sämt- Chancen liche Angebote demselben Finanzierungsmodell Die Gemeinde entrichtet ihre Betreuungsbeiträge angeschlossen sind, erfahren die Familien eine or- nicht mehr an die Bildungs- und Betreuungseinrich- ganisatorische Erleichterung bei der Beanspruchung tungen in Form von subventionierten Plätzen für der unterschiedlichen Betreuungs- und Bildungsan- Familien mit ökonomisch eingeschränkten Möglich- gebote. keiten. Stattdessen erhalten bezugsberechtigte El- tern einen sogenannten einkommensabhängigen Be- Die zunehmend unbefriedigende Ausgangslage bei treuungsgutschein, mit dem sie das für sie und ihre den bestehenden Kindertagesstätten sprach für Kinder passende Betreuungsangebot auswählen. die Lancierung eines Projekts mit dem Ziel, das Sys- Dadurch sind die organisatorischen Abläufe schlan- tem zu prüfen und zu optimieren. Bevor das Projekt ker, die Betreuungskosten reduziert und die Eltern lanciert und umgesetzt werden konnte, musste es haben mehr Wahlmöglichkeiten bei den Betreuungs- zuerst in der Gemeinde zur Abstimmung gebracht formen. So steht ihnen zum Beispiel offen zu ent- werden. Da die Höhe der neuen Betreuungsgutschei- scheiden, ob das Kind während des Kindergartens 16 | Praxisbeispiele
Unterlagen mussten neu und je nach Angebot leicht modifiziert werden. Hinzu kam die Anpassung sämt- licher interner Prozesse. Zugänglichkeit für alle Familien erleichtern Mit dem Systemwechsel konnte die Gemeinde ge- nerelle Qualitätskriterien für die Kinderbetreuung festlegen, die über das gesetzliche Minimum hinaus- gehen. Diese werden in einer Vereinbarung mit den Kindertagesstätten aufgeführt. Bei allen Kinderta- gesstätten, die diese Vereinbarung unterschrieben haben, können Betreuungsgutscheine eingelöst werden. Um die Bedürfnisse der Kinder laufend bes- ser integrieren zu können, wurde das Subventions- system bereits 2017 erstmals leicht überarbeitet. Kurzgefasst • Individuelle und bedarfsorientierte Be- treuungslösungen dank freier Wahlmög- lichkeit der Betreuungsform • Einkommensabhängige und einheitliche Verrechnung bietet Chancengleichheit und Fairness für alle Familien weiter in der Kindertagesstätte oder bereits in den • Optimierung der Abläufe dank einheitli- schulischen Tagesstrukturen betreut werden soll. chem Finanzierungsmodell • Die Vereinfachung der organisatorischen Herausforderungen Abläufe schafft Erleichterung und bessere Die Einigung auf ein gemeinsames Tarifsystem über Vereinbarkeit für Familie und Erwerbstä- zwei Departemente hinweg (Bildung und Soziales) tigkeit war anspruchsvoll und herausfordernd. Da keine voll- ständigen Zahlen und Daten vorhanden waren, ge- • Einfachere Bewältigung der horizontalen staltete sich auch die definitive Kosteneinschätzung und vertikalen Übergänge im Alltag der für die Gemeinde als schwierig. Die zentrale Frage, Kinder bis zu welchem Einkommen maximal mit welchen Bei- trägen subventioniert werden soll, damit die Betreu- ungsgutscheine ihre Wirkung entfalten und die Ver- einbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit wirklich unterstützt wird, bedurfte eines entsprechenden Ta- rifsystems. Die Ausweitung der Betreuungsgutschei- ne auf die Spielgruppen stellte die Verantwortlichen der Spielgruppen ebenfalls vor Herausforderungen. Auch galt es, die administrativen Arbeiten im Hin- tergrund zu organisieren. Sämtliche Formulare und Praxisbeispiele | 17
Ein ge|mein|sam|es Buch erleichtert die Übergänge Eckdaten Organisation Carouge Einmal jährlich trifft sich die verantwortliche Arbeits- Zeitraum Umsetzung gruppe und schlägt dabei Brücken zwischen den Be- • Seit 2013 treuungseinrichtungen und den Schulen. Zum Gremium gehören die Leitungen der Schulen und Betreuungsein- Koordination richtungen sowie die Verantwortliche der Abteilung für • Abteilung für Soziales der Gemeinde Soziales der Stadt, die durch die Vorsteherin der Abtei- Carouge lung frühe Kindheit vertreten wird. Sie nimmt eine Art Vermittlerrolle wahr. Das schafft Vertrauen und stärkt Projektbeteiligte die Zusammenarbeit. Die jährliche Sitzung, an der das • Schulgemeinde und Kinderbetreuungs Buch ausgewählt wird, nutzen die Lehrpersonen und einrichtungen Carouge Betreuungsfachkräfte auch dazu, sich über aktuelle Finanzierung Herausforderungen auszutauschen und gemeinsam • über ordentliches Gemeindebudget Lösungen zu finden. Die Fragen, die im Laufe solcher Evaluationssitzungen auftreten, stützen die Weiter- Kontakt entwicklung des Projekts. Der Aufwand der Mitglieder • Julie Schnydrig Kettenacker für die Arbeitsgruppe ist sehr niedrig, da sich diese nur Vorsteherin der Abteilung ein einziges Mal pro Jahr trifft und die Sitzung als Wei- für frühe Kindheit terbildungszeit gilt. Die Kosten für die rund zwanzig j.schnydrig@carouge.ch Buchexemplare übernimmt die Gemeinde. www.carouge.ch Sind Schnittstellen und Übergänge in ein pädagogi- sches Konzept eingebettet und durchdacht, können die betroffenen Kinder an ihnen wachsen. Diesen Leitsatz hat die Stadt Carouge als Ansatz gewählt und in Zusammenarbeit mit den Schulen und den Betreuungseinrichtungen im Frühbereich ein Über- gangsprojekt entwickelt. Die Projektidee rückt den pädagogischen Aspekt beim Eintritt in die Primar- schule in den Mittelpunkt. Dabei wird jährlich ein Buch für die Kinder ausgewählt, um Carouger Kin- dern den Übergang von der Vorschulbetreuung in die Schule zu erleichtern. Sie lesen das Buch im Juni ge- meinsam mit den Teams in ihrer Betreuungseinrich- tung, bevor sie es zu Beginn des Schuljahres in ihrer neuen Klasse im Kindergarten erneut lesen. Das nach pädagogischen Kriterien ausgewählte Buch handelt von einer Geschichte, die die positiven Aspekte von Veränderungen aufzeigt. Eltern, deren Kinder keine Betreuungsstruktur besuchen, können das Buch in der Stadtbibliothek ausleihen und mit ihren Kindern lesen, so dass auch diese auf den Schuleintritt vor- bereitet sind. 18 | Praxisbeispiele
Chancen und Herausforderungen Durch die auf der Grundlage einer konkreten Aktivi- buch» haben, erweitert werden kann. Weitere wich- tät – dem gemeinsamen Lesen eines Buches – ent- tige Themen werden zu einem späteren Zeitpunkt standene Zusammenarbeit haben sich Schulen und behandelt, so beispielsweise die Evaluierung der er- Betreuungseinrichtungen angenähert. Mit dem nie- zielten Fortschritte, wie auch die Verbindung sämt- derschwelligen, konkreten und leicht durchführba- licher familien- und schulergänzender Kinderbetreu- ren Projekt wird der Fokus auf die Gemeinsamkeiten ungsformen. statt Unterschiede gelenkt. Das Projekt erfordert den Dialog aller Akteure und die Bereitschaft, ihre persönlichen Anschauungen zu teilen und über den Kurzgefasst eigenen Tellerrand hinauszublicken. Dabei sind der Wille und die Teilnahmebereitschaft aller Beteiligten • «Übergangsbuch» schlägt eine Brücke ausschlaggebend. zwischen Schule und Betreuung Hohes Potenzial für Weiterentwicklung • Positive Geschichte fördert das Ver- Jedes Jahr wird der Schwerpunkt auf neue Aspek- ständnis und bietet Kindern praktische te innerhalb der Übergangsthematik gelegt. So ist Hilfestellung im Übergang auch geplant, Vertretungen der Bibliotheken zu den • Austausch schafft Annäherung und Treffen einzuladen, um darüber nachzudenken, wie Kooperationen zwischen Schule und der Kreis der Kinder, die Zugang zum «Übergangs- Betreuung und fördert den Einsatz für die gemeinsame Sache • Stabilität und Kontinuität im Alltag der Kinder dank Vereinfachung der vertikalen Übergänge • Einfache, pragmatische und kosten günstige Lösung mit Potenzial – alle profitieren Praxisbeispiele | 19
Gemeinsame po|lit|isch|e Lei|tung für Schule und Betreuung Eckdaten Neuenburg Zeitraum Umsetzung • Start 2013 • Dauer unbefristet Koordination • Stadt Neuenburg, Departement für Bildung, Gesundheit und Soziales Beteiligte Akteure • Abteilung für Kinderbetreuung der Stadt Neuenburg • Schulwesen Region Neuenburg Finanzierung • über ordentliches Gemeindebudget Kontakt • Anne-Françoise Loup Stadträtin Neuenburg anne-francoise.loup@ne.ch • Charlotte Nilsson Organisation Leiterin Abteilung für Mehrere konkrete Neuerungen wurden umgesetzt: Kinderbetreuung Um die Wegzeiten zwischen Schule und Betreuungs- charlotte.nilsson@ne.ch einrichtung zu verkürzen, hat sich die Stadt Neuen- www.neuchatelville.ch burg zum Ziel gesetzt, sämtliche schulergänzenden Betreuungseinrichtungen in der Nähe von Schulen, wenn möglich direkt auf dem Schulgelände oder im Schulgebäude, anzusiedeln. Ausserdem soll in allen Schulen das Betreuungsangebot durch einen Mit- tagstisch erweitert werden. Für diesen ist jeweils 2013 schuf die Stadt Neuenburg im Departement für das gleiche Betreuungsteam zuständig, das auch die Bildung, Gesundheit und Soziales, in dem auch das Kinder im schulergänzenden Angebot betreut. Diese Schulwesen angesiedelt ist, eine Abteilung für die vor- Kontinuität in der Betreuung vereinfacht die Bezie- schulische Kinderbetreuung. Im Organigramm befin- hungen zwischen den Kindern, Eltern, Lehrpersonen den sich Schule und Betreuung auf der gleichen Hierar- und sämtlichen Akteuren des Netzwerks. chieebene und unter der Leitung derselben Stadträtin. Die Tatsache, dass beide Bereiche der gleichen Person Chancen unterstehen, schafft grosse Erleichterung in den or- Dass die Schule und die Kinderbetreuung dem glei- ganisatorischen Abläufen und neues Potenzial für chen Departement unterstehen, hat sich in vielerlei zukunftsweisende Übergangsmassnahmen zwischen Hinsicht positiv ausgewirkt: Kinderbetreuungsein- (vor)schulischen und schulergänzenden Aktivitäten. richtungen gelten heute als eigenständige pädago- Ausserdem können Synergien genutzt, das gemein- gische Einheiten und nicht bloss als Orte, an denen schaftliche Nebeneinander gefördert und die partner- Kinder beaufsichtigt werden. Die Betreuungsteams, schaftliche Zusammenarbeit ausgebaut werden. Schulleitungen und Lehrpersonen arbeiten zusam- 20 | Praxisbeispiele
Formalisierung bestehender Praktiken Die positive Dynamik hat die Lancierung weiterer Projekte angeregt. Zu diesem Zweck trifft sich seit 2017 regelmässig eine Arbeitsgruppe, bestehend aus den Verantwortlichen der vorschulischen und der schulergänzenden Betreuungsstrukturen. Die Ar- beitsgruppe hat zum Ziel, Möglichkeiten zu finden, wie die Kinder beim Übergang zwischen den beiden Strukturen noch optimaler unterstützt werden kön- nen. Einige bereits erfolgreich umgesetzte Ansätze werden so weiterentwickelt, andere neu geschaf- fen. Daraus soll sich langfristig ein «Übergangsritu- al» etablieren, das die Kinder bestmöglich auf den Schuleintritt vorbereitet und Eltern bestmöglich unterstützt. Kurzgefasst • Gemeinsame Leitung schafft Nähe zwischen den Bereichen Schule und Betreuung men und von den Eltern kommen viele positive Rück- • Kurze Entscheidungswege und schnelle meldungen. Um zu zeigen, dass alle pädagogischen Problemlösung dank engem Kontakt Fachkräfte am gleichen Strick ziehen, nehmen Ver- und guter Zusammenarbeit zwischen tretungen der schulergänzenden Betreuungseinrich- Betreuungsteams und Schulleitung tungen am jährlichen Informationsabend für Eltern der künftigen Schulkinder teil. So wird die Bedeutung • Zusammenrücken fördert Initiativen der Zusammenarbeit zwischen Betreuungsteams und in der Harmonisierung schulischer und Lehrkräften betont. Zusätzlich finden regelmässige schulergänzender Übergangsmass Treffen zwischen den Schulleitungen und den Ver- nahmen antwortlichen der Betreuungseinrichtungen statt, • Kontinuität und Stabilität in der die das Bewusstsein für die verschiedenen Heraus- Betreuung vereinfachen den Kindern forderungen fördern, den Informationsaustausch die Übergangsituationen verbessern und die Zusammenarbeit stärken. • Schulergänzende Betreuungsangebote Herausforderungen vor Ort erhöhen die Sicherheit der Kinder Bei diesem Harmonisierungsprozess wird darauf ge- und sparen die Kosten für das Begleitper- achtet, dass das gemeinschaftliche Nebeneinander sonal zwischen Schule und Betreuungs- in den Schulgebäuden im Detail durchdacht und die einrichtung jeweiligen Rollen genau definiert sind. Denn auch • Teile der Infrastruktur (Aussenbereiche wenn die Lehrpersonen und die Betreuungsfachkräf- oder sanitäre Anlagen) können gemein- te in täglichem Kontakt stehen, können Projekte nur sam mit der Schule genutzt werden vorangetrieben werden, wenn ein politischer Wille vorhanden ist und entsprechende Impulse «von oben» gegeben werden. Praxisbeispiele | 21
Kurze Wege und enge Zusammenarbeit dank ge|mein|sam|er Räu|me Eckdaten – Schule und Betreuung – unterstehen dem Amt für Nyon Kinder, Wohnen und sozialer Zusammenhalt (SELOC) Zeitraum Umsetzung der Stadt Nyon. SELOC ist für die Verwaltung des städ- • Start 2011, Dauer unbefristet tischen Kinderbetreuungsangebots zuständig und stellt dem Kanton Schulinfrastrukturen (Gebäude) Koordination und Dienstleistungen (Hausaufgabenbetreuung, Bib- • Jugendamt Nyon, Abteilung Frühe Kindheit liothek, Mittagstisch usw.) zur Verfügung. Die dafür verantwortlichen Personen teilen sich die Büros. • Bildungsdepartement Nyon Beteiligte Akteure Chancen • Stellvertretende Leitung des Ganz allgemein fördert das System den Kontakt Jugendamts und den gegenseitigen Informationsaustausch. An- lässlich der monatlichen Treffen zwischen den Ver- • Leitung Bildungswesen antwortlichen der Betreuungseinrichtungen und • Leitende Betreuungseinrichtungen den Schulleitungen wurde im Laufe der Jahre ver- und Primarschulen tieft über die Komplementarität der beiden Berei- che nachgedacht. Die Treffen wurden auch zu einer Finanzierung Plattform für den Gedankenaustausch darüber, wie • Keine Mehraufwände: Koordinations die Übergänge zwischen den beiden Bereichen er- aufgaben gelten als Arbeitszeit leichtert werden können. So besuchen die Kinder der Betreuungseinrichtungen vor dem Eintritt in Kontakt den Kindergarten das Schulgebäude, um sich mit • Deborah Gervaix dem Ort der nächsten Etappe ihres Lebens vertraut Leiterin Bildungswesen zu machen. Die verantwortliche Person für das Be- deborah.gervaix@nyon.ch treuungsnetzwerk nimmt jeweils an den Informa- www.nyon.ch tionsabenden für die Eltern teil. Auch in organisato- rischer Hinsicht bringt die Nähe der beiden Bereiche Vorteile, wie zum Beispiel die Mithilfe beim Umzug einer Betreuungseinrichtung. Die Begegnungen zu Nyon hat mit dem Bau von zwei neuen Schulhäusern solchen Gelegenheiten fördern das gegenseitige die Primarschulen, Kindergarten und die schulergän- Vertrauen und die Zusammenarbeit, was sich auch zenden Betreuungseinrichtungen unter einem Dach positiv auf die Umsetzung von Projekten, wie etwa zusammengeführt. Ein jahrelanger und gemein- den Umzug in ein neues Schulgebäude, auswirkt. Je schaftlicher Dialog zwischen Schule und Betreuung mehr Möglichkeiten Lehrpersonen und pädagogi- machte die Realisierung dieses Grossprojekts 2011 sche Fachkräfte haben, miteinander in Kontakt zu möglich. Die neuen Räume wurden so geplant und ein- treten, desto eher anerkennen sie die gegenseitige gerichtet, dass die Lehrpersonen und pädagogischen Arbeit und Bemühungen, auch wenn sie dabei unter- Fachkräfte näher zusammenrücken und zusammen- schiedliche Standpunkte vertreten. arbeiten können. Mit der institutionellen Zusammen- führung der beiden Bereiche im gleichen Gebäude ver- Herausforderungen kürzen sich auch die Wege der Kinder beim Wechsel Die Bemühungen rund um die Zusammenführung zwischen zwei funktional getrennten Bereichen. der beiden Bereiche sind zwar zeitintensiv, doch die «verlorenen» Stunden werden weitgehend zurückge- Organisation wonnen, wenn ein Problem auftritt, weil viel rascher Das Projekt zeugt vom starken Willen der Schulbehör- Lösungen gefunden werden. Die Arbeit zugunsten den und der verschiedenen Betreuungseinrichtungen, der Übergänge erfordert letztlich keine zusätzlichen Hand in Hand zusammenzuarbeiten. Beide Bereiche Ressourcen. Ein besonderes Augenmerk gilt der De- 22 | Praxisbeispiele
finition der Verantwortlichkeiten. Das System darf Kurzgefasst nicht vom Willen einzelner Personen abhängig sein, sondern muss unabhängig davon, welche Person die • Vereinfachung der horizontalen und zuständige Rolle innehat, funktionieren. vertikalen Übergänge für die Kinder dank Betreuung und Unterricht unter Institutionelle Nähe fördert gegenseitigen Dialog einem Dach Diese seit 2011 geltende Organisation (zuvor unter- • Kürzere Wege ermöglichen Fach- und stand das Schulwesen dem Amt für Sportinfrastruk- Lehrpersonen raschen Informationsaus- tur und Kirchen) hat klar zu einer positiven Dynamik tausch und schnelle Problemlösungen geführt. Mit dem Bau eines dritten Schulhauses kommt das Modellkonzept erneut zur Anwendung. • Zusammenarbeit von Schule und Langfristig sollen sämtliche schulergänzenden Be- Betreuungseinrichtung im Alltag treuungseinrichtungen direkt neben den Räumlich- fördert gegenseitiges Vertrauen und keiten der Kindergärten angesiedelt werden. Um wirkt sich positiv auf die Umsetzung den verschiedenen Fachkräften die Koordination zu von Projekten aus erleichtern und die pädagogische Kohärenz in der schulergänzenden Betreuung zu erhöhen, werden die • Harmonisierungsprojekt fördert privaten Betreuungseinrichtungen in naher Zukunft dynamische Weiterentwicklung neuer in öffentliche Einrichtungen umgewandelt. Lösungen in der Übergangsthematik
Kan|to|nal|es Netz|werk «Guter Start ins Kinderleben» Eckdaten tive Familien von Babys und Kleinkindern in Kontakt Thurgau treten oder mit diesen arbeiten. Die übergeordneten Zeitraum Umsetzung Ziele sind die gelingende Entwicklung in der frühen • Projektphase: 2010 bis 2013, Kindheit und eine wirksame Prävention von Vernach- Umsetzung: 2013 bis heute lässigung und Gefährdung von Kindern. Um diese zu erreichen, sichert «Guter Start ins Kinderleben» die Koordination systematische Vernetzung und Zusammenarbeit aller • Fachstelle «Perspektive Thurgau» im Akteure,schafft Verbindlichkeiten und zeigt praxis- Auftrag vom Departement für Finanzen bezogene Lösungswege auf. und Soziales (Amt für Gesundheit, Gesundheitsförderung, Prävention Organisation und Sucht) und Departement für Erzie- Das Projekt wird von den zwei Departementen Er- hung und Kultur (Fachstelle für Kinder-, ziehung und Kultur sowie Finanzen und Soziales Jugend- und Familienfragen) getragen. Die breite Verankerung im Bildungs-, Ge- Projektbeteiligte sundheits- und Sozialsystem sichert das Projekt • Organisationen und Fachpersonen aus nachhaltig und langfristig. Das Mitwirken der betei- dem Frühbereich (0 bis 3 Jahre) aus ligten Fachorganisationen und Fachpersonen, aber Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen auch die Unterstützung durch die Politik, fördern das gegenseitige Verständnis und sorgen für einen Kosten hohen Praxisbezug. • CHF 180‘000 In der Projektphase wurden runde Tische, interdis- Finanzierung ziplinäre Arbeitsgruppen und Weiterbildungen für • Departement für Finanzen und Soziales die verantwortlichen Fachpersonen durchgeführt. und Departement für Erziehung und In sämtlichen Projektschritten wurden Expertinnen Kultur, Kanton Thurgau und Experten der «frühen Kindheit» und des Daten- Kontakt und Kinderschutzes miteinbezogen, so auch bei der • Judith Hübscher Stettler Erstellung des Konzepts oder der Erarbeitung der In- Kantonale Beauftragte für Gesundheits strumente. förderung, Prävention und Sucht judith.huebscher@tg.ch Chancen www.tg.ch Kernstück des kantonalen Netzwerks ist die Broschü- www.guter-start-ins-kinderleben.tg.ch re «Guter Start ins Kinderleben: Zusammenarbeit und Vernetzung bei Frühen Hilfen und im Kinderschutz – eine Broschüre für Fachpersonen». Sie zeigt als Orien- tierungshilfe das praktische Vorgehen auf und stellt konkrete Hilfsmittel zur Verfügung. Mit einheitlichen Das Netzwerk «Guter Start ins Kinderleben» wurde Einschätzungskriterien, systematisierten Abläufen durch das Amt für Gesundheit und die Fachstelle für und einer koordinierten Zusammenarbeit soll mög- Kinder-, Jugend- und Familienfragen initiiert und zielt lichst allen Kindern ein guter Start ins Kinderleben auf die horizontalen und vertikalen Übergänge von ermöglicht werden. Letztlich tragen die Hilfsmittel Kindern in den ersten Lebensjahren. Die Fachstelle auch dazu bei, die Qualität der Arbeit der Fachperso- «Perspektive Thurgau» hat das Netzwerk von 2010 nen weiter zu verbessern. bis 2013 aufgebaut, koordiniert es seither und ent- wickelt es laufend weiter. Herausforderungen Die Adressaten des Netzwerkes sind Fachpersonen, Die Stärke des Vernetzungsprojekts – der Einbezug die in irgendeiner Form mit werdenden Eltern respek- und die Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Ak- 24 | Praxisbeispiele
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