DIE ZUKUNFT DER ARBEIT - Das Bucerius Lab Magazin - Was machen wir morgen? Seite 4 - ZEIT-Stiftung
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DIE ZUKUNFT DER ARBEIT Das Bucerius Lab Magazin Was machen wir morgen? Seite 4 Wie denken junge Menschen über die Zukunft ihrer Traumberufe im digitalen Zeitalter? Seite 10 Alles zur Sonderausstellung „Out of Office“ im Museum der Arbeit in Hamburg Seite 18
Seite 2 Seite 3 Menschen Liebe Leserin, lieber Leser, machen vier große Faktoren nehmen derzeit Einfluss auf unsere Gesellschaft: politische Machtverschiebungen, der demografische Wandel, ökologische Krisen und der technologische Fortschritt. Die Digitalisierung ist dabei, all unsere Lebensbereiche zu verändern. Besonders einschneidend wird sich diese Veränderung in unserer Arbeitswelt widerspiegeln, wo moderne Roboter und künstliche Intelligenz (KI) immer mehr Tätigkeiten übernehmen werden – manuelle ebenso wie geistige. Wie wollen wir mit diesem Umbruch umgehen, wie ihn gestalten? Darüber Prof. Dr. müssen wir einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs führen, in dem Chancen Michael Göring Hans Manz Menschen machen Maschinen. und Risiken der digitalen Automatisierung offen verhandelt werden. Dieses Magazin ist Vorsitzender Worte kann man drehen vermittelt Ihnen einen aktuellen und fundierten Überblick zur Debatte. des Vorstands Beltz & Gelberg Weinheim/Basel 1974 Mehr Menschen machen mehr Maschinen. Wir möchten Sie darüber hinaus einladen, sich aktiv an der Auseinandersetzung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Cover: Getty Images / Corbis RM Stills; Grafik: atelier freilinger & feldmann, Paris / Hamburg, Interpretation: TEMPUS CORPORATE GmbH (Seite 2); Foto: David Ausserhofer (Seite 3) zu beteiligen. Das Bucerius Lab der ZEIT-Stiftung und das Museum der Arbeit Bucerius und Die Wahl Weniger Menschen machen mehr Maschinen. in Hamburg zeigen aus diesem Anlass eine große Sonderausstellung: „Out of Office – Wenn Roboter und KI für uns arbeiten“. Damit wollen wir gemeinsam mit dem war bis 2018 Vor- standsvorsitzender des Bundesver- Weniger Menschen machen mehr Maschinen, Museum der Arbeit ein Forum für den digitalen Wandel unserer Arbeit bieten. Die bands Deutscher Stiftungen. Ausstellung ist vom 7. November 2018 bis 19. Mai 2019 am Wiesendamm in Hamburg um mehr Mensch zu sein. zu sehen. Wir danken dem Museum der Arbeit für die inspirierende Zusammenarbeit. Zu Beginn der Ausstellung werden Sie auf ein Gedicht des Lyrikers Hans Manz Mehr und mehr Menschen machen Maschinen, (siehe auch hier links) treffen. Er schrieb es bereits 1974, und doch nimmt Manz Interview zur mit diesem einfachen Sprachspiel all jene brandaktuellen Themen vorweg, die wir in Sonderausstellung um weniger und weniger Mensch zu sein. der Ausstellung behandeln werden. Das Gedicht trägt den passenden Titel: Seite 18 „Die Wahl“. Und diese Wahl, wie wir künftig mit Maschinen umgehen – sie liegt bei Mehr und mehr Menschen machen Maschinen, uns, den Menschen. Wir sollten sie nutzen. um mehr und mehr Maschine Eröffnungsfestival Ihr zur Ausstellung und weniger Mensch zu sein. am 10. November, ganztägig im Museum der Weniger Menschen machen Maschinen, Arbeit, Hamburg Prof. Dr. Michael Göring siehe Rückseite um mehr Mensch und weniger Maschine zu sein. Maschinen.
Seite 5 der 91 fahrbaren Containertransporter, die an unsichtbaren Fäden Güter und Bewegung, Jobs weltweit überflüssig machen. Und das Global Institute von McKinsey Waren über den Terminal bewegen, computergesteuert, überwacht von Präzision, sagt, bis zu einem Drittel der deutschen Berufstätigen müsse bald eine neue 19.000 Transpondern im Boden. Alles, Kraft – ein Beschäftigung finden. Zu einem noch mechanisches was Menschen brauchen, wird hier radikaleren Ergebnis kam ein viel umgeschlagen. Aber es braucht keine gelesener Wirtschaftstheoretiker: Karl Menschen mehr für den Umschlag. Ballett, Marx. Im „Maschinenfragment“ sagte der Vater des Kommunismus voraus, ARBEIT OHNE MENSCHEN Der Terminal Altenwerder ist einer der 24 Stunden die unausweichliche Automation werde alle menschliche Arbeitskraft modernsten der Welt, das heißt: Kein am Tag. ersetzen – und damit zum Zusammen- Arbeiter muss sich hier mehr schinden, bruch des Kapitalismus führen. kein Rücken wird mehr krumm. Von o Niemand weiß, welche Prognose dem Moment an, wenn die Container zutrifft. Bislang hat die Digitalisierung mit den Gütern von den Lkw gehievt werden, läuft alles maschinell: Voll- automatische Kräne stapeln die Metall- 800 mit Netzwerkeffekten und expo- nentieller Beschleunigung noch alle Gewissheiten aufgelöst. Das führt kisten, wuchten sie auf die rollenden Plattformen, andere Ungetüme aus Millionen zu Unruhe, zu Sorgen und Skepsis, die bis ins Politische reicht. rotem und blauem Stahl greifen die Jobs werden Der Umbruch aber läuft. Unter- Container erneut, schwenken sie durch laut Jack Ma, nehmen stecken Riesensummen die Luft, setzen sie an der Kaimauer Gründer des in Automatisierung und künstliche Was blau, Sonnenglitzern auf dem Wasser, da setzt sich die Zukunft in Bewegung. ab, in Sichtweite des Schiffs, auf das sie geladen werden sollen. Bewegung, Prä- E-Commerce- Konzerns Intelligenz (KI). Nicht nur im Hamburger Hafen. Sondern etwa Foto: plainpicture / Blend Images / Donald Iain Smith; *Quelle: Jack Ma auf dem Weltwirftschaftsforum in Davos (Seite 5) Ein Automated Guided Vehicle, zision, Kraft – ein mechanisches Ballett, auch im Herzen der deutschen Volks- machen wir AGV 87, fährt ruckelnd an, ein rollendes Tablett auf mannshohen Rädern, 34 Tonnen. Das Ding sieht aus wie ein 24 Stunden am Tag, bei Hitze, Sturm, Schnee. Betreten für Menschen ver- boten. Verirrt sich doch jemand in das Alibaba, weltweit überflüssig. * wirtschaft, der Automobilindustrie. ROBOTER MONTIEREN morgen? Lastwagen ohne Fahrerhaus. Und ohne Fahrer. In einer sanften Kurve zieht der ferngesteuerte Untersatz über umzäunte Sperrgebiet, groß wie 30 Fuß- ballfelder, wird das System abgeschaltet. Arbeit ohne Menschen – eine o ROBOTER-AUTOS Wer in Stuttgart-Sindelfingen am Mer- cedes-Werk vorbeifährt, sieht eine der den Asphalt und nähert sich einem Vorstellung, die viele erschreckt. Und größten Baustellen des Landes. Kräne Wenn durch künstliche Intelligenz Arbeitsplätze vernichtet silbergrauen Blechkasten, der Lade- niemand kann sagen, was auf uns drehen sich, Lastwagenkolonnen rum- werden, steht Deutschland vor einer Herausforderung. station. AGV 87 bremst, steht. Eine zukommt und wie schnell. Es gibt peln über die riesige Fläche, Gerüste Zerbricht die Gesellschaft daran? Oder gibt es wieder Zeit Klappe öffnet sich am Blechkasten, und Dutzende großer Studien zur Frage, ob wachsen empor und erste Betonwände. für die wichtigen Dinge? ein Ladearm, dick wie ein Zaunpfahl, Roboter, Automaten und intelligente „Wir nennen sie Hier wird fast so viel Stahl verbaut, schiebt sich tief in die elektrischen Computerprogramme menschliche wie im Eiffelturm steckt. Hier errichtet die ,fear factory‘. Eingeweide des Rollwagens, dann fließt Arbeit überflüssig machen. Ständig er- der Daimler-Konzern die „Factory 56“, Von Uwe Jean Heuser, Caterina Lobenstein, Kolja Rudzio, Heinrich Wefing Energie. Die Batterie des Wagens wird aufgeladen, 90 Minuten lang. scheinen neue. Unternehmer überbieten einander in düsteren Prophezeiungen. Die Fabrik die modernste Autofabrik der Welt. In dem neuen Werk werden Robo- Mitten in Hamburg auf dem Ohne Tankwart, wie von Geisterhand. Jack Ma, Chef des chinesischen E-Com- der Angst.“ ter so selbstständig wie nie zuvor Autos Containerterminal lässt sich die Dann setzt sich AGV 87 wieder in merce-Konzerns Alibaba, erwartet, dass Ein Daimler-Arbeiter bauen: Jedes Stückchen Blech, das sich Zukunft der Arbeit besichtigen. Bewegung, energiegeladen für 18 Stun- Computermaschinen in den nächsten einer greift, ist mit einem Funkchip Ein Aprilmorgen, der Himmel milchig den, reiht sich ein ins Hin und Her drei Jahrzehnten bis zu 800 Millionen o ausgestattet und wird vollautomatisch
Seite 6 Seite 7 durch die Hallen transportiert. Die Auszug des Artikels aus der ZEIT Nr. Maschinen kommunizieren miteinan- 18/2018, die komplette Fassung finden der, planen und verteilen selbsttätig die Arbeit, fast ohne menschliches Zutun. Sie unter www.zeit.de/zukunft-arbeit Digitale Grundrechte für eine humane Arbeitswelt der Zukunft! 12 Mio. Das Konzept von Factory 56: Ein bestelltes Fahrzeug sucht sich seine Produktionsstätte und Maschine selbst. Kommentar Die Ironie aber liegt in dem, was die Beschäftigte – Roboter da zusammensetzen: In der also bis zu einem Factory 56 sollen auch vollautomatische Drittel aller Der Prozess der Digitalisierung folgt keiner autonomen Logik. Er orientiert Autos entstehen, womöglich ohne Lenkrad und Gaspedal. Roboter mon- Arbeitskräfte – sich in großem Umfang an gesellschaftlichen Traditionen und Werthaltungen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Prof. Dr. tieren Roboter-Autos. müssten sich laut neuen Technologien nutzen wollen und welche Regeln ihren Einsatz bestimmen Jeanette Hofmann ist Politikwissen- Der Daimler-Vorstand ist stolz. dem McKinsey sollen. Ist die Nutzung von Robotik am Operationstisch, in der Kriegsführung schaftlerin, Gründungsdirek- Doch nicht alle teilen den Enthusias- Global Institute oder im öffentlichen Nahverkehr sinnvoll? Profitieren wir vom Einsatz der torin des Alexan- mus. „Die neue Fabrik hat schon einen Spitznamen“, sagt ein Daimler-Arbeiter, neue Fähigkeiten künstlichen Intelligenz in komplexen Entscheidungszusammenhängen, oder scheitern diese Systeme an den Unabwägbarkeiten des Einzelfalls? Nicht der von Humboldt Instituts für Inter- der direkt neben der Baustelle seinen aneignen oder alles, was technisch möglich erscheint, muss auch praktisch umgesetzt werden. net und Gesell- schaft, Berlin, sowie Arbeitsplatz hat: „Wir nennen sie eine Stelle in Daher brauchen wir klare Prinzipien und Regeln, an denen sich die Gesetz- Mitautorin der die ,fear factory‘.“ Die Fabrik der Angst. einer anderen gebung und Gesellschaft orientieren kann. Charta der Digitalen Grundrechte Niemand wisse, wie viele Arbeiter in der neuen Fabrik noch gebraucht Branche suchen. * Deshalb haben wir den Entwurf einer Digital-Charta verfasst. Sie legt Vorschläge dazu dar, wie die EU-Grundrechtecharta so weiterentwickelt werden der Europäischen Union. würden. Und was Menschen dort noch o könnte, dass sie unsere verbrieften Grundrechte auch in Zukunft wirksam zu tun hätten. „Bekommt man da eine schützen kann. Die Charta stellt klar, dass der technische Fortschritt immer im Datenbrille aufgesetzt?“, fragt der Dienste der Menschheit stehen muss und der digitale Strukturwandel der Facharbeiter. „Und dann sagt mir die politischen Gestaltung bedarf. Mit Bezug auf die Arbeitswelt formuliert die Der nostalgische Tante- Brille, welche Schraube ich nehmen soll Emma-Laden stirbt aus? Charta, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik in grundrechts- und wo ich die einbauen muss? Dann Nicht unbedingt. Das Fraun- relevanten Bereichen vom Gesetzgeber reguliert werden muss. Dazu gehört Fotos: Getty Images / John Chillingworth (Seite 6), PR (Seite 7); *Quelle: McKinsey Global Institute (Seite 6) hofer-Institut schickt einen Info: wird man ja selbst Teil der Maschine.“ Lkw als mobilen Tante-Emma- ein effektiver Arbeitsschutz zur Minimierung von Gesundheitsrisiken, aber auch Die Digital-Charta Sieht so die Zukunft aus? Weniger Laden in ländliche Regionen – die Koalitionsfreiheit, die eine gewerkschaftliche Organisation gewährleistet. können Sie unter samt Sensortechnik und KI für www.digitalcharta. Jobs? Und wenn Arbeit, dann schlechte? Wichtig ist zudem der Grundsatz: Die Verwendung automatisierter Verfahren eu kennenlernen Kundenwünsche. Sicher ist nur: Der Umbruch wird ge- muss sicherstellen, dass die Menschen nicht von der gesellschaftlichen Teilhabe und kommentieren. waltig. Bleibt die Frage, was die Gesell- o ausgeschlossen werden. Ein Recht auf Arbeit ist zentraler Bestandteil dieser schaft daraus macht. Nutzt sie die Teilhabe. Insgesamt plädiert die Charta-Initiative dafür, dass sich die Gesell- Möglichkeiten, oder wird sie Opfer schaft ihre Entscheidungshoheit über den kommenden digitalen Strukturwandel des Wandels? Leiden die Menschen bewusst macht und diesen aktiv gestaltet. unter mangelnder und mieser Arbeit? Führt Ungleichheit zu politischem Tumult? Oder sehen wir herrlichen Die Maschinen kommunizieren miteinander, planen und Die Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, auch: Zeiten der Muße entgegen? Digital-Charta, ist eine Initiative von Netzaktivisten, Politikern, Wissenschaftlern, Die ZEIT-Redaktion hat sich mit Fragen verteilen selbsttätig die Arbeit, fast Schriftstellern, Journalisten und Bürgerrechtlern unter dem Dach der ZEIT-Stiftung. Sie fordert eine allgemeine und rechtlich verbindliche schriftliche zur Zukunft der Arbeit beschäftigt und mögliche Antworten zusammen- ohne menschliches Zutun. Übereinkunft von Grundrechten für die Besonderheiten in der digitalen Welt. getragen. Der vorliegende Text ist ein o
Seite 8 Seite 9 Daniel Opper: „Disrupt Yourself!“ – Der Claim Was raten Sie Betroffenen? Ihres neuen Buchs ist ein Appell, der den Spirit des Silicon Ich empfehle, sich rechtzeitig mit der Thematik auseinander- Valley atmet. Sie selbst haben 2013 dort in Palo Alto zusetzen und dadurch vor der Welle zu surfen. Viele Tätig- gearbeitet und gelebt. Was macht diesen Spirit aus? keiten werden von künstlicher Intelligenz oder Robotern Christoph Keese: Im Valley herrscht ein revolutionärer abgelöst werden, doch für Menschen bleibt immer noch eine Grundgeist, der darauf abzielt, überkommene Strukturen zu Menge zu tun. Insbesondere da, wo Menschen miteinander Magazin-Gespräch überwinden, indem man sie erschüttert, abschafft, niederwalzt kommunizieren. Menschen wollen mit Menschen inter- und durch neue ersetzt. Den Menschen dort geht es vor agieren! Die Digitalisierung macht uns nicht alle arbeitslos. allem darum, zu überlegen: „Könnte man dies und das nicht Der „Rust Belt“ ist die größte Industrieregion im Menschen wollen eigentlich auch ganz anders und besser lösen?“ Solche Menschen sind „Disruptoren“, also Leute, die unter unsagbarer Nordosten der USA und erlebte ab den siebziger Jahren einen steten Niedergang. Bei den vergangenen mit Menschen Ungeduld leiden und gar nicht abwarten können, bis ihre neuen Ideen Wirklichkeit werden. Präsidentschaftswahlen gaben hier zahlreiche Menschen Donald Trump ihre Stimme. Sehen Sie einen interagieren! Die Im Deutschen gibt es die Redewendung „Schuster, bleib bei Zusammenhang zwischen technologischer Disruption Digitalisierung „Schuster, deinen Leisten“. Im negativen Sinne steht sie für Verhar- rung und Verkrustung; im positiven Sinne für Vertiefung von Arbeitsmärkten und politischer Polarisierung? Ja. Die USA haben vor allem durch verfehlte Sozial-, Bildungs- macht uns nicht und Perfektionierung. Passt diese Haltung noch zur digi- und Steuerpolitik, aber auch durch Automatisierung die alle arbeitslos. Die mach dich talen disruptiven Ökonomie? Beides ergänzt sich. Das Sprichwort galt für das Zeitalter des Mittelklasse niedergebrannt. Die Reichen sind reicher, die Ärmeren ärmer geworden. Das führte zu jenen tiefen digitale Revolution auf die Handwerks, es lässt sich aber auch auf die Industrialisierung Enttäuschungen, die bei den Wahlen als Kreuze für Trump übertragen. Nun wird diese Kultur der Perfektionierung ergänzt durch eine andere Form des Wirtschaftens. Bei ihr einschlugen. In Deutschland haben wir diese Entwicklung – zumindest in dieser Radikalität – heute noch nicht, und wir ist ein Positiv- summenspiel.“ Sohlen!“ geht es darum, Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen müssen alles daran setzen, das auch so zu bewahren. über Grenzen hinweg und nicht unbedingt hierarchisch Was müsste die Politik tun, um zu verhindern, dass zusammenzubringen. Dadurch entsteht etwas Neues. Die Strömungen, die die Schuld dem System geben o Digitalisierung befördert genau diese horizontale Vernetzung. und die extreme Parteien als Ventil bevorzugen, nicht Warum wir uns für die Arbeitswelt von morgen Plötzlich muss es heißen: „Schuster, mach dich auf die Sohlen! noch mehr Zulauf bekommen? neu erfinden müssen – ein Gespräch mit dem Erschließ neue Felder, versteh neue Branchen, damit du im Die USA haben 40 Jahre lang weggehört, als ihre Mittelschicht Geschäft bleiben kannst.“ ächzte. Man muss also zuhören, bevor die Wut überkocht. Marktführer angreifen und sich selber an die Spitze setzen. Digitalisierungsexperten Christoph Keese über Nicht jeder ist ein Unternehmer. Was denkt ein Und den Menschen im Alltag erst einmal ermöglichen, an Die Commerzbank und der neuartige Finanzdienstleister die Wucht der Disruption. U-Bahn-Fahrer, wenn er beim Anblick der der digitalen Revolution teilzuhaben. Wenn ein Lastwagen- Wirecard sind hierfür das beste Beispiel. Die Commerzbank, selbstfahrenden U-Bahn auf dem Nachbargleis bemerkt, fahrer 40 bis 50 Stunden in der Woche auf der Autobahn ist, die zu Beginn des Jahrtausends einen Kurs von 225 Euro Von Daniel Opper dass sein Beruf möglicherweise überflüssig ist? hat er einfach keine Zeit, sich mit Digitalisierung und der hatte, schien schier unantastbar. Heute hat sie einen Kurs von In Nürnberg ist das bereits Realität. Zukunft seines Jobs zu beschäftigen. Aufgabe der Politik 8 Euro, und Wirecard ist statt ihrer in den Dax aufgestiegen. Diese Erfahrung ist schmerzhaft, aber nicht neu. Dass wäre es, gemeinsam mit Arbeitgebern Schulungen für solche Ohne die digitale Disruption hätte Wirecard hierzu niemals manuelle Arbeit Schritt für Schritt ersetzt wird, ist ein Prozess, Menschen zu vereinbaren, damit sie entscheiden können, die Chance gehabt. Welchem Geschäftsmodell gehört die Christoph Keese der bereits während der Industrialisierung begonnen hat. ob sie Lastwagenfahrer bleiben möchten. Oder ob sie die Zukunft? In dieser Frage liegt die Chance der Zukunft. ist einer der bekanntesten deutschen Bei der „Disruption“ geht es aber um noch etwas anderes. Möglichkeit wahrnehmen möchten, sich von ihrem Beruf zu Gewinnen in diesem Spiel nicht nur Einzelne? Ist Experten für digitale Transformation in Deutschland. 2014 erschien sein Buch Um beim Bild des U-Bahn-Fahrers zu bleiben: Digitale verabschieden, bevor er sich von ihnen verabschiedet. die Digitalisierung nicht ein großes Nullsummenspiel, „Silicon Valley. Was aus dem mäch- Disruption würde bedeuten, dass gar keine U-Bahn mehr Für viele wird das furchteinflößend klingen. Die Grund- in dem der hippe, agile Disruptor gewinnt und der Lkw- Foto: picture alliance / Frank May tigsten Tal der Welt auf uns zukommt“. gebraucht wird, weil es ein neues Verkehrsmittel gibt, these Ihres Buchs aber lautet: Am Ende steht eine Fahrer oder Commerzbank-Mitarbeiter leer ausgeht? Sein aktuelles Buch heißt„Disrupt Yourself. Vom Abenteuer, sich in der mit dem sich die Menschen noch besser fortbewegen können. große Chance. Wir können alle zu Digitalisierungsgewin- Nein, die digitale Revolution ist eindeutig ein Positivsummen- digitalen Welt neu erfinden zu müssen“. Der U-Bahn-Fahrer verliert also seinen Job nicht dadurch, nern werden. Wie kann man diese Chance begreifen? spiel, weil die digitale Wirtschaft effizienter ist und damit bei Keese gehört außerdem zu den Initiatoren der Charta der Digitalen dass eine Maschine ihn ersetzt, sondern dadurch, dass die Disruption bringt Marktverhältnisse in Unordnung. Man gleichem Mittelverbrauch mehr Wohlstand ermöglicht. Es Grundrechte der Europäischen Union. U-Bahn als solche verschwindet. kann durch sie und mit digitalen Innovationen bestehende muss nicht einer verlieren, damit ein anderer gewinnen kann.
Seite 10 Seite 11 Was wird aus meinem Fällen braucht man nämlich nur einen Entscheidungsbaum, um zu sehen, fehlt an anderer Stelle: Für meine Arbeit brauche ich gerade Geduld und Be- „Die emotionale Beziehung ist Traumberuf, wenn ob sich eine Klage lohnt. Eine Maschine harrlichkeit – manchmal dauert es eine erstellt ihn in Sekundenbruchteilen halbe Stunde, um jemanden davon zu – und der Anwalt könnte sich dem Be- überzeugen, seine Medizin zu nehmen.“ nicht ersetzbar.“ KI und Roboter ihn gründen und Argumentieren widmen.“ o übernehmen können? „Ich wäre froh, wenn Künstliche Intelligenz und eine KI eintönige Roboter können Jobs zerstören oder Aufgaben im Alltag auch von lästigen Tätigkeiten übernehmen würde.“ befreien. Fünf Hamburger o wagen einen Blick in die Zukunft. Sina Fischer, 27, hat Deutsch und Englisch studiert und unterrichtet heute als Von Marie Ludewig Lehrerin an einem Gymnasium. „Ich wünsche mir, dass die Technik uns Lehrerinnen und Lehrern hilft, den Unterricht an die Interessen und Neigun- Angelika Kalinowski, 41 Die Bäckerin ist seit fast 20 Jahren bei gen jedes einzelnen Schülers anzupassen Inas Nureldin, 37 einer Hamburger Biobäckerei angestellt. und sie in ihren Talenten zu bestärken. Gründer und Geschäftsführer von Tomor- Schule an sich wird sich stark verändern: row, einer App für nachhaltiges Banking. In einem digitalen Klassenraum könnten Franziska Mathee, 25 Die Juristin arbeitet als wissenschaftliche „Wir produzieren Schüler über Ländergrenzen hinweg „KI ist nicht Abhilfe für alles – dennoch Mitarbeiterin in einer Kanzlei und möchte Anwältin werden. Sie ist Alumna der Bucerius Law School. keine Massenware.“ zusammenarbeiten – etwa in einer Gruppe, die sich mit dem Klimawandel müssen wir Menschen schauen, wo wir in Zukunft noch unsere Stärken aus- Fotos: Lisa Notzke; *Quelle: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW, Seite 10) beschäftigt. So würde auch die inter- spielen können. Das sehe ich vor allem „Als Anwältin verbringt man einen „Wir arbeiten in unserer Bäckerei mit kulturelle Kompetenz gestärkt. Außerdem in allen Bereichen der kreativen Schöp- Fabian Gressmann, 29, Großteil seiner Arbeitszeit mit der ist Gesundheits- und Krankenpfleger Maschinen, die uns die Arbeit erleichtern, könnten Sprachroboter helfen, Sprachen fung – das kann uns kein Algorithmus Dokumentation von Fällen. Man mietet in einer psychiatrischen Notaufnahme. etwa einer Waage und einer Knetmaschine. zu lernen, und Virtual-Reality-Brillen abnehmen! Ich wünsche mir, dass die ganze Keller an, weil man alle Akten Ich arbeite gern so viel wie möglich mit könnten literarische Welten erlebbar Digitalisierung uns mehr Freiraum für aufbewahren muss, jede E-Mail wird „Ich verbringe eine Stunde täglich den Händen – so fühle ich, ob der Teig machen. Angst um meinen Job habe ich die wichtigen Dinge ermöglicht, etwa dafür ausgedruckt – und wenn man mit dem Ausfüllen von Checklisten oder bereit für den Ofen ist. Ich denke, auch nicht. Die emotionale Beziehung kann weil wir stupide und langwierige Auf- 42 % aller Jobs in später eine konkrete Information sucht, dauert das sehr lange. Ich wäre froh, wenn eine KI diese eintönigen Aufgaben Infobögen für die Patientenakte. Toll wäre, wenn eine KI das bald automatisch per Spracherkennung übernehmen in 20 Jahren gibt es Leute, die Selbstge- machtes wertschätzen. Wir produzieren keine Massenware – das heißt aber auch, nicht ersetzt werden – etwa, wenn mich Schülerinnen bei Liebeskummer um Rat bitten.“ gaben wie Behördenkram nicht mehr selbst erledigen müssen. Mein Ziel ist es, mit der gewonnenen Zeit Banking mas- Deutschland im Alltag übernehmen würde. Für könnte und ich es nur mündlich formu- dass wir Bäcker besser sein müssen als o sentauglich zu machen, das positiven das kreative Beraten und Gestalten lieren müsste. So hätte ich mehr Zeit die Maschinen. Sonst zahlen die Kunden ökologischen und sozialen Wandel sind von wäre dann mehr Raum. Ich hoffe, dass für Gespräche mit den Patienten. In den den Preisunterschied nicht.“ finanziert.“ Automatisierung die anwaltliche Beratung niedrigschwel- vergangenen Jahren hat der Papierkram bedroht. * liger und günstiger wird. In vielen durch die Bürokratie zugenommen. Das o o
Seite 12 Seite 13 Die kassenlose ziehen und Wechselgeld rauszugeben. rads. Der Mensch, der sich in solch fahren, wie wir leben, wie wir Risiken Niemand muss dieser Tätigkeit nach- ein Robocar setzt, ist ein Beifahrer der abwägen: Menschen oder Maschinen? trauern. Und vermutlich entstehen Maschine, der Wagen fährt gleichsam Jeder für sich, der Staat für alle? Oder Gesellschaft ein paar zusätzliche Arbeitsplätze für Softwaredesigner und Videokamera- Spezialisten. Dennoch stellt sich die auf Autopilot. Was immer passiert, der Mensch hat die Kontrolle verloren. Psychologie ist das eine. Auch die großen Konzerne? Für Menschen gilt das Straf- und Zivilrecht. Weil Computerprogramme Frage, welche Art von Jobs für gering das autonome Fahren wirft viele Fragen letztlich von Menschen geschrieben Autos ohne Fahrer, Werke ohne Arbeiter, qualifizierte Menschen noch bleiben, auf. Erstens wieder für den Arbeits- werden, gilt das Recht eben auch für Kassen ohne Kassierer: Wer profitiert, wenn auch die Dienstleistungsbranche markt: Die Zukunft von Busfahrern, diese Programmiertätigkeit. Doch viele und wer bleibt bei der Digitalisierung auf in den Sog der Automatisierung gerät. Lkw-Fahrern und Taxifahrern sieht Experten sind sich einig, dass das beste- Werden diese Menschen umgeschult alles andere als rosig aus. Und wenn hende Recht nicht ausreicht, um die der Strecke? werden? Für welche Jobs? Und wer zahlt die Robocars weitgehend unfallfrei Konstruktion intelligenter Maschinen die Umschulung? Amazon? fahren – was das wichtigste Versprechen zu regulieren. Das Recht muss der tech- Von Marc Brost, Götz Hamann und Heinrich Wefing Alles, was digitalisiert werden kann, des automatisierten Fahrens ist –, wer nischen Entwicklung angepasst werden. wird digitalisiert werden. Das ist das braucht dann noch Rettungssanitäter? Und die Zeit drängt. Denn erstens er- erste Grundgesetz der neuen Zeit. Und ADAC-Pannenhelfer? Verkehrsrichter? laubt die rapide Vermehrung der Rechen- heißt: Alle Informationen, die sich Da ist aber auch, zweitens, eine kapazitäten schnelle Fortschritte der elektronisch speichern und verarbeiten ungeklärte ethische Frage. Angenom- künstlichen Intelligenz (KI) und Robotik. lassen, werden auch elektronisch ge- men, ein selbstfahrendes Auto kann trotz Und zweitens erlaubt sie die Verarbei- speichert und verarbeitet. Das zweite aller Assistenzsysteme nicht rechtzeitig tung von Daten in bislang ungeahntem Grundgesetz lautet: Alles, was automati- bremsen und es geht nur noch um die Umfang. Die Politik muss sich beeilen. siert werden kann, wird automatisiert Entscheidung, ob das Auto geradeaus in werden. Heißt: Alle Handgriffe, Opera- die Mauer rast (Fahrer tot) oder in VIEL ZU TUN FÜR DIE POLITIK tionen, Prozesse, die Maschinen ma- die danebenstehende Menschengruppe Zugegeben, es gehört zu den Schwierig- chen können, werden früher oder später (alle tot): Wer entscheidet das? Der Com- keiten der Debatte um die Digitalisie- Maschinen machen. (Das ist schon seit puter oder der Fahrer? Und wenn es der rung, dass sie sich nicht auf einen Begriff Beginn des Maschinenzeitalters so.) Computer entscheidet: Wer hat diese bringen lässt. Keine Metapher funktio- Die Machtfrage Entscheidung programmiert – und nach niert so richtig, kaum eine historische Wann immer man in diesen Tagen mit Politikern spricht – gleich, welcher stellt sich neu. Amazon schickt die Rechnung aufs Handy. Fertig. Nie wieder Schlange WAHNWITZIGE INNOVATIONEN WERDEN MÖGLICH welchen Kriterien? Das ist mehr als nur ein ethisches oder juristisches Problem. Parallele stimmt. Die einzige, die eine Ahnung davon gibt, wie grundstürzend Partei –, dann sagen sie: Eigentlich müssten wir uns mal um die großen o stehen an der Kasse. Man kann das unheimlich finden, Das ist, zunächst einmal, ein Universum von Chancen. Die Zukunft ist so offen Es ist, kurz gesagt, die Machtfrage, neu gestellt. Wer soll bestimmen, wie wir die Veränderungen womöglich werden könnten, ist der Vergleich mit der Indus- Sachfragen kümmern. Und als Erstes bequem oder innovativ, aber man und gestaltbar wie nie. Wahnwitzige und Größtes fällt dann immer ein um eine Ahnung von dem Umbruch zu muss nicht sonderlich fantasiebegabt Innovationen werden möglich, neue Wort: „Digitalisierung“. Was das aber bekommen, der längst begonnen hat. sein, um ins Grübeln zu kommen. Geschäfte, wundersame Technik. ist, diese Digitalisierung, das wissen Zum Beispiel mit zwei Meldungen der Ist das die Zukunft aller Supermärkte? Zweite Meldung. Der US-Autoher- die wenigsten Politiker zu sagen. vergangenen Tage. Der Innenstädte weltweit? Werden steller GM hat angekündigt, im kom- Und es geht nicht nur ihnen so. Meldung eins. In Seattle im diese automatisierten Läden irgendwann menden Jahr in den Vereinigten Staaten Wer soll bestimmen, wie wir fahren, wie wir leben, Auch Wissenschaftlern, Ökonomen US-Bundesstaat Washington eröffnet von autonom fahrenden Lastern mit erste Fahrzeuge ohne Lenkrad auszu- und Ingenieuren fällt es schwer, auf Amazon den ersten Supermarkt, der Waren beliefert, von Robotern bestückt, liefern (in Deutschland wäre das einst- Foto: Getty Images / Pacific Press den Begriff zu bringen, was sie mit „Digitalisierung“ meinen. Sicher ist nur, komplett ohne Kassen auskommt. Wer hineingeht, meldet sich per App an, nimmt von Putzautomaten gesäubert? Vor allem aber: Was wird mit den weilen nicht zulässig). Die Autos auf der Basis des Elektrofahrzeugs Chevro- wie wir Risiken abwägen? dass es ein vielschichtiger Prozess ist, unübersichtlich und groß. So groß, aus den Regalen, was er braucht, und geht wieder raus. Sensoren und Video- Verkäuferinnen und Verkäufern? Sicher, es ist eine brutal monotone Arbeit, den let Bolt kommen auch ohne Pedale und Handbremse aus – aber symbolisch Menschen oder Maschinen? dass man im Kleinen beginnen muss, kameras registrieren den Einkauf, ganzen Tag Waren über den Scanner zu entscheidend ist das Fehlen des Lenk- o
Seite 14 Seite 15 trialisierung. Was in den Jahren zwischen 1815 und 1930 geschehen ist, zeigt, wie „Die Digitalisierung damit, dass genau jene Ministerien am meisten mit digitalen Themen zu tun Dass es auf alle diese Fragen bislang keine Antworten gibt, dass sich noch bleiben, und die Menschen, die diese Systeme schaffen, müssen zur Rechen- ren; die Erfahrung aus früheren technischen Revolutionen lehrt, tief greifend die Folgen einer techno- muss nicht zur hätten. Tatsächlich aber, das gaben die nicht einmal sagen lässt, ob die Fragen schaft gezogen werden können“, dass alte Berufe in neuen Berufen logischen Revolution sein können. Die Beteiligten hinter vorgehaltener Hand richtig gestellt sind: Das löst Unruhe nach klaren Gesetzen, überwacht von aufgehen können, aus Mechani- Industrialisierung bedeutete, unter an- Arbeitsmarktkata- zu, wollte jeder der drei Koalitionspart- aus, schon heute, subkutan, am Rande demokratisch gewählten Regierungen. kern werden Mechatroniker. derem: Mechanisierung der Landwirt- schaft, Bau von Eisenbahnen, Textil- strophe führen. Es ner CDU, CSU und SPD einen eigenen Digitalminister haben. Statt zusammen- des öffentlichen Bewusstseins. Eine Verunsicherung, die sich noch nicht „Das ist unerlässlich in der Welt, in der wir leben wollen.“ Es kann sogar mehr Arbeit entstehen, nur eben andere – aller- fabriken und Stahlwerken, massenhafte Landflucht und explosives Wachstum kann sogar mehr zuarbeiten, trieb jeder Minister vor allem die eigenen Initiativen voran. formulieren lässt, die aber politisch bereits wirksam wird. In diffusen Sorgen. Nur: Gilt das dann auch in China? Elon Musk von Tesla, einer der dings bräuchte man dazu auch eine neue, andere Arbeitsmarktpolitik. der Städte, die Anhäufung gigantischen Arbeit entstehen – In der Furcht vor dem Zusammenbruch Großen im Silicon Valley, nennt künst- Die Chancen eines Arbeitnehmers, Reichtums, die Entstehung eines Prole- VERGLEICH MIT DER von Sicherheiten. liche Intelligenz die größte Bedrohung den Sprung in die digitale Berufswelt tariats, Kinderarbeit und Massenarmut, allerdings bräuchte INDUSTRIALISIERUNG Eine Studie des Zentrums für Euro- der menschlichen Zivilisation. Die zu schaffen, hängen weniger damit als Gegenbewegungen dazu die Grün- dung von Gewerkschaften und die An- man dazu auch eine Der Vergleich mit der Industrialisierung hilft zu begreifen, dass vermutlich kein päische Wirtschaftsforschung prognos- tiziert, dass 42 Prozent aller deutschen avancierten Computerprogramme, die sich selbst perfektionieren, erfüllen zusammen, was er heute tut, als mit seiner Fähigkeit zur Anpassung. Hier fänge der Sozialgesetzgebung, kulturelle Umbrüche, politische Erschütterungen neue Arbeitsmarkt- Lebensbereich unberührt bleiben wird von der Digitalisierung: Jede Industrie Jobs mehr oder weniger durch die Auto- matisierung bedroht sind. Es träfe also den gelernten Physiker mit tiefer Sorge. Damit würden „Dämonen heraufbe- müsste eine neue Form der Arbeits- marktpolitik mit einem Schwerpunkt bis hin zu Aufständen und Krieg. politik.“ ist betroffen, die Sozialsysteme, das Ge- rund 16 Millionen Arbeitnehmer. Allein schworen“, sagte Musk am Massachusetts Digitalisierung ansetzen. Und das wäre sundheitswesen, die Medien, der Krieg. in Deutschland. Institute of Technology. Der Staat nur eines der vielen Felder, auf denen MANCHMAL IST DIE POLITIK Wie Menschen wohnen, wie sie Sex Da liegt es nahe, dass sich viele müsse unverzüglich Regeln setzen, ehe die Politik endlich tätig werden muss. SCHLICHT ZU LANGSAM haben, wie sie kommunizieren. Kunst Menschen zu fragen beginnen, welche die Dinge außer Kontrolle gerieten. 2013 nahmen sich Union und SPD und Dichtung. Die Art, wie Geschichten Arbeitsplätze denn noch sicher sind Schwer zu sagen, wie ernst die Die ZEIT-Redaktion hat sich mit Fragen beispielsweise gemeinsam vor, das Land erzählt werden und wovon sie handeln. und welche Ausbildung man den Konzernbosse derlei Reden meinen, ob zur Zukunft der Arbeit beschäftigt und bis 2018 flächendeckend mit schnellem es gibt auch hausgemachte Probleme. Letztlich: wie wir Menschen denken. eigenen Kindern empfehlen soll. sie sich wirklich von der Regierung mögliche Antworten zusammengetra- Internet zu versorgen. Tatsächlich dürf- Im Koalitionsvertrag 2013 kündigten Sofern wir überhaupt noch selbst denken Es liegt nahe, dass die Unsicherheit dirigieren lassen wollen. Aber die Politik gen. Der vorliegende Text ist ein Auszug te Ende des Jahres fast jeder Haushalt Union und SPD „ein bürgerfreundliches, und das nicht Neuroimplantate über- wächst, wie eine Gesellschaft funk- müsste da aufhorchen. des Artikels aus der ZEIT Nr. 06/2018, eine 50-Megabit-Anbindung haben. Bloß: digitales Deutschland“ an. Dazu sollte nehmen, gesteuert von künstlicher Intel- tionieren kann, deren Belohnungs- Die Digitalisierung muss nicht die komplette Fassung finden Sie unter Was 2013 noch als schnelles Internet „die flächendeckende Digitalisierung ligenz. und Sicherungssysteme sämtlich auf zur Arbeitsmarktkatastrophe füh- www.zeit.de/kassenlose-gesellschaft galt, ist heute, fünf Jahre später, schon der Verwaltung auf den Weg gebracht“ Die Machtfrage stellt sich neu, zwi- Beschäftigung hin ausgerichtet sind, nicht mehr schnell genug – inzwischen werden. Die Bürger sollten endlich alle schen Nutzern und Konzernen, zwischen der aber die Arbeit ausgeht. Dass geht auch die Regierung davon aus, bald Formulare digital einreichen können, so digitalen Arbeitern und digitalen Ka- darüber gegrübelt wird, ob es eine Gigabit-Leitungen zu brauchen. So groß wie bei vielen Unternehmen. Die Mit- pitalisten. Zwischen dem Staat und den massive Umverteilung und damit sind die Datenmengen, die demnächst arbeiter in den Behörden sollten Formu- großen Unternehmen. auch eine drastische Reduzierung von Die Registrierkasse transportiert werden könnten. Und so lare nicht mehr ausdrucken und in Der Reichtum wird umverteilt, Freiheit braucht, um Massenarmut wurde 1879 von verstopft sind die Datenleitungen schon dicken Ordnern abheften müssen. Und und damit stellt sich auch die Gerech- und Prekarisierung zu verhindern. einem Lokalbesitzer in Ohio erfunden, heute. Für Gigabit-Anschlüsse aber be- die Computersysteme der unterschied- tigkeitsfrage radikal neu: Angenommen, Kurioserweise sind es zunehmend der mit ihrer Hilfe nötigt man Glasfaserkabel, und da sieht lichen Behörden sollten aufeinander ab- demnächst übernehmen Roboter Unternehmer, die nach staatlicher Regu- Diebstähle durchs es in Deutschland dürftig aus: Gerade gestimmt werden. Das Irre ist: In vielen und smarte Maschinen die Jobs vieler lierung rufen. Der Präsident von Micro- Personal verhindern wollte. 140 Jahre einmal 6,6 Prozent aller Haushalte haben anderen westlichen Ländern ist das Menschen – wem kämen die riesigen soft etwa, Brad Smith, hat gerade seine später eröffnet in Zugang zu einem schnellen Glasfaser- längst Standard. Geschehen aber ist: Produktivitätsgewinne zugute? Würde Forderung nach einem Verhaltenskodex Seattle der erste kassenlose Super- anschluss, auf dem Land sind es nur fast nichts. von diesen Gewinnen die Gesellschaft für Programmierer erneuert, ähnlich markt. Foto: picture alliance / Jan Haas 1,4 Prozent. Alle Haushalte zu erreichen Drei verschiedene Ministerien profitieren – oder landeten sie in dem hippokratischen Eid der Ärzte. wird noch mehr als ein Jahrzehnt dauern. sollten sich in der vergangenen Großen den Taschen einiger weniger Investoren „Die Leute fürchten oft, dass wir irgend- Die Digitalwelt verändert sich viel Koalition ums Digitale kümmern – und Manager? Im besten Fall, auch das wann die Kontrolle über die Computer schneller, als die Politik mit ihren lang- Wirtschaft, Verkehr und Inneres. Offi- ist denkbar, würde der ökonomische verlieren“, sagt Smith. Deshalb müssten samen Prozeduren folgen kann. Aber ziell begründeten Union und SPD das Zwang zur Arbeit entfallen. Computer „für Menschen berechenbar
Seite 16 Seite 17 Und was kannst du? Roboter werden immer leistungsfähiger und intelligenter. Diese sechs Vorbilder aus Science-Fiction-Filmen sind bisher unerreicht – vielleicht nicht mehr lange. Von Katharina Heckendorf Auszug aus ZEIT Campus 03 / 2015, Illustration: Connor Willumsen MASCHINEN-MARIA R2D2 ROBOZ T-800 TARS BAYMAX aus „Metropolis“, 1927 aus „Star Wars“, 1977 aus „Trio mit vier Fäusten“, 1983 aus „Terminator“, 1984 aus „Interstellar“, 2014 aus „Baymax“, 2015 Die Roboterfrau in Fritz Langs Der kluge Multifunktionsroboter Roboz serviert mit Greiferhänden Längst wird mit Maschinen Krieg Rein äußerlich hat Tars Wenn er das Wort „Aua!“ hört, Science-Fiction-Stummfilm ist mit Haut in „Star Wars“ hat Kreissäge, Wasser und Cola, versteht Fragen und geführt. Noch sind das ferngesteuerte nichts Menschliches – aber was er sagt, steigt der Gesundheitsroboter Baymax überzogen und sieht aus wie Schweißbrenner und Feuerlöscher antwortet auf seinem Display. Flugzeuge („Drohnen“), ist lustig, manchmal sarkastisch. aus seiner Kiste, scannt und ein Mensch. Im echten Leben haben eingebaut – und löst fast Serviceroboter werden in Japan in nicht humanoide Killerroboter wie in Künstlicher Intelligenz, wie es sie heute pflegt den Patienten. Schon heute einige Roboter Silikonhaut. Die jedes Problem. Solche selbstständigen, Banken und Hotels eingesetzt. „Terminator“. Rüstungsfirmen gibt, ist Humor fremd. werden in einigen OP-Sälen Roboter sieht ziemlich echt aus – aber nicht zu vielfältig einsetzbaren Roboter So zuvorkommend und intelligent wie forschen aber an Laufrobotern, die Computer, die Witze erfinden eingesetzt – die haben ruhigere 100 Prozent menschlich. gibt es bisher leider nur im Film. Roboz sind sie aber noch nicht. selbstständig zielen und töten. sollen, scheitern kläglich. Hände als Menschen.
Seite 18 Seite 19 „Das müssen wir als einer künstlichen Intelligenz geschriebenes Gedicht sowie Musik, die von KI komponiert wurde, oder das Selbstporträt eines Roboters. Sie merken: Bei uns steht nicht „Kreativität Bucerius Lab – ein Ort engagierter Gesellschaft ausfechten“ Debatten rund um die ist …“ oder „Empathie ist …“. Wir möchten in der Ausstellung digitale Zukunft. die Dimension der Veränderung in elf Stationen erkunden und dadurch die Diskussion eröffnen. Das kann bis zu der Frage reichen: Was ist gute Arbeit? Was ist denn gute Arbeit? Opper: Ich würde es gerne umgekehrt in Anlehnung an den polnischen Philosophen Stanisław Lem beant- worten: Jede Arbeit, die dem Menschen unwürdig ist, sollte von einer Maschine übernommen werden. Interview Bäumer: Dieses Zitat ist umstritten. Ist etwa die Arbeit einer Supermarktkassiererin unwürdige Arbeit? Opper: Genau solche Fragen müssen wir als Gesellschaft ausfechten. Dazu soll die Ausstellung anregen. Bucerius Lab der Welche Ansätze gibt es dafür? ZEIT-Stiftung Fotos: Marie Ludewig (Seite 18), Frederika Hofmann (Seite 19); Grafik: atelier freilinger & feldmann, Paris / Hamburg, Interpretation: TEMPUS CORPORATE GmbH (Seite 18) Bäumer: Wenn es zu der Automatisierungswelle kommt, Der Wandel der Arbeitswelt betrifft jeden, Das 2015 gegründete Bucerius Lab der ZEIT-Stiftung müssen wir uns fragen, ob die soziale Sicherung, die seit 150 beschäftigt sich mit den Chancen, Folgen und Gestal- wird aber häufig nur von Experten diskutiert. Jahren an die Erwerbsarbeit gekoppelt ist, weiterhin Bestand tungsmöglichkeiten des digitalen Wandels für unsere Das möchten Mario Bäumer, Kurator im haben kann. Die Ausstellung zeigt hierzu 16 Alternativen, Gesellschaft. Mit Kongressen, Fellow-Projekten und darunter das bedingungslose Grundeinkommen, die Verkür- Museum der Arbeit, und Daniel Opper, Leiter zung der Arbeitszeit oder eine Robotersteuer. Die Besucher eigenen Schwerpunktthemen möchte das Lab Dis- kurse über die Digitalisierung abbilden und anstoßen. des Bucerius Lab, ändern. können über diese Alternativen mit einem sechsstelligen Code Neben dem Ausstellungsprojekt „Out of Office“ im abstimmen, den sie zusammen mit der Eintrittskarte erhalten. Museum der Arbeit gehört die Initiative für eine Von Marie Ludewig Eine Ausstellung zum Mitmachen. Wie stellen Sie sich EU-Charta der digitalen Grundrechte zu den Schwer- persönlich die künftige Arbeitswelt vor? punkten des Lab (Seite 7): 2015 von Giovanni di Opper: Es gilt, den Zuwachs an Produktivität, den künstliche Lorenzo, Kuratoriumsmitglied der ZEIT-Stiftung, an- Intelligenz und Roboter leisten werden, gerecht zu ver- geregt, soll durch die Charta eine bessere Sicherung Im November eröffnet Ihre erste gemeinsame Ausstellung Mario Bäumer: Als Beispiele für den Diskurs Mensch versus teilen, sonst wird die Digitalisierung unsere Gesellschaft der Grundrechte im digitalen Raum auf europäischer „Out of Office – Wenn Roboter und KI für uns Robotik zeigen wir Cover von Magazinen, die eher mit spalten. Dafür brauchen wir einen neuen Gesellschafts- und Ebene erreicht werden. arbeiten“. Wieso bringen Sie solch ein abstraktes Thema dem Schreckensszenario spielen, genauso wie solche, die eine Sozialvertrag. Mehr zum Programm des Lab: www.buceriuslab.de ins Museum? sehr optimistische Sicht verbreiten. Bäumer: Ich denke, wir brauchen eine Neubewertung von Und zur Ausstellung: www.outofoffice.hamburg Daniel Opper: Wir wollen zeigen, dass künstliche Intelligenz Opper: Diese beiden Extreme helfen uns dabei, über gesell- Arbeit, sodass auch Arbeit außerhalb der Erwerbsarbeit einen und Robotik massive Auswirkungen auf alle Jobs haben. schaftliche Herausforderungen, die sich durch die Technik neuen Stellenwert bekommt. o Nicht nur körperliche Tätigkeiten, sondern auch Büro- und ergeben, prinzipiell zu diskutieren. Eine Prognose geht etwa Wissensarbeit können durch künstliche Intelligenz zuneh- davon aus, dass wir auf eine Zukunft der Massenarbeits- mend automatisiert werden. Das ist eine neue Dimension in losigkeit zusteuern, in der Maschinen alles produzieren und der Geschichte der Arbeit, und diesen Wandel wollen wir leisten. Das könnte man aber auch als Chance begreifen: IMPRESSUM durch eine Ausstellung erfahrbar machen. Kann sich der Mensch künftig davon befreien, dass er für das Herausgeber: Grafisches Konzept und Produktion: Druck: „Out of Office“ Aktuell pendelt die mediale Debatte zwischen Überleben arbeiten muss? ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius TEMPUS CORPORATE GmbH Krögers Buch- und ist ein Ausstellungsprojekt Paradiesvorstellungen à la „Nie wieder arbeiten!“ Wenn künftig alles von Maschinen erledigt werden kann, (Stiftung bürgerlichen Rechts) Geschäftsführung: Jan Hawerkamp, Verlagsdruckerei GmbH des Museums der Arbeit, und Horrorszenarien wie „Maschinen bestimmen was bleibt dem Menschen noch? Prof. Dr. Michael Göring (V.i.S.d.P.) Dr. Mark Schiffhauer Industriestraße 21 Hamburg und des Bucerius Feldbrunnenstraße 56 Buceriusstraße, Eingang Speersort 1 22880 Wedel Lab der ZEIT-Stiftung. über den Menschen“. Wie gehen Sie in der Ausstellung Bäumer: Das Fühlen, der Körper, Empathie und Kreativität – 20148 Hamburg 20095 Hamburg damit um? so meint man. Wir zeigen in der Ausstellung aber ein von www.zeit-stiftung.de www.tempuscorporate.zeitverlag.de © 2018
FFICE Grafik: atelier freilinger & feldmann, Paris/Hamburg, Interpretation: TEMPUS CORPORATE GmbH AUSSTELLUNG ERÖFFNUNGSFESTIVAL „Out of Office – Wenn Roboter Samstag, 10.11.2018, 11–20 Uhr und KI für uns arbeiten“ Eintritt frei im Museum der Arbeit, Hamburg Mit Robotern, Vorträgen, Workshops, 7.11.2018 – 19.05.2019 Spielen, Virtual Reality, Filmen und mehr www.outofoffice.hamburg #oooyeahmuseum
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