Vorwort zur Reise nach Kernei 2018 - HOG Kernei

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Vorwort zur Reise nach Kernei 2018 - HOG Kernei
Vorwort zur Reise nach Kernei 2018

Die ersten Kerneifahrten von 1970 -1990 wurden von Hans Gauder,
Leni Gauder und Hans Schmidt geplant und durchgeführt. Es nahmen
durchschnittlich 55 Personen an der Reise teil. Von 1990 - 2010 hat
Hans Schmidt die Reisen alleine geplant. Es nahmen durchschnittlich
45 Personen teil. Von 2012 - 2018 fanden die Reisen im Abstand von
drei Jahren statt. Helmut Schmidt übernahm in dieser Zeit die Planung
und Durchführung. Es nahmen im Durchschnitt pro Reise 49 Personen
teil. Die Reise 2018 nach Kernei war somit die 18. Fahrt in den Ort un-
serer Vorfahren. (KHB Nr. 49/Ostern 2008)          Bild untern TV Novi Sad

Ziel der Reise war es, einerseits den Lebensort und die dortigen Le-
bensbedingungen der Vorfahren zu entdecken, andererseits ein Ken-
nenlernen der jetzt in Kljajićevo lebenden Menschen zu ermöglichen.
Die ausgesuchten Ziele: Kerneier Kirche, Friedhof, Denkmäler unserer
Lageropfer, der Franzenskanal sowie der Pilgerort Doroszló sollten das
Wahrnehmungsspektrum der Vorgeschichte und der bedeutsamen Orte
der früheren Kerneier Bevölkerung anschaulich machen. Auch ent-
sprach die Reise dem Wunsch des Gemeinderats Kernei/Kljajićevo,
dass die ehemaligen Einwohner von Kernei das Dorf der Vorfahren
doch häufiger besuchen mögen. Jeder Teilnehmer der Reisegruppe ver-
band mit der Reise ganz individuelle Wünsche und Erwartungen und
verfügte auch über sein ganz persönliches Vorwissen über das Leben in

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der Gemeinde Kernei bis 1945. Dabei waren Mitreisende, die Flucht
und Vertreibung, Internierung und Enteignung hautnah hatten erleben
müssen. Es waren aber auch Kerneier Kindeskinder dabei, die von
ihren Großeltern/Eltern mehr oder weniger umfangreiche Informatio-
nen über die frühere Heimat ihrer Vorfahren und deren Lebenswelt er-
halten hatten.
Über die Jahre hinweg hat es sich zu einer bewährten Gepflogenheit ent-
wickelt, nämlich dass die Kerneier, die in Serbien geblieben sind, bei un-
seren Besuchen unter uns waren. 2018 waren zum gemeinsamen Mit-
tagessen Familie Geißinger, Anton Beditsch, Josef Beditsch, Herr Ko-
watsch, Herr Janos (Janni) Papp und Helena Rill eingeladen. In Kernei/
Kljajićevo schlossen sich der Reisegruppe zudem noch Nikolaus Mül-
ler, Josef und Anton Elter an.
Reise nach Kernei 2018
Mittwoch, den 23. Mai 2018
Ganz früh am Morgen begann für viele Reisende die Reise nach Kernei
in Winnenden. An den Haltestellen Stuttgarter Hauptbahnhof, Ulm-
Ost, Mosacher Bahnhof in München und am Flughafen Schwechat
Wien stiegen weitere Ker-
neier zu. Wie geplant ka-
men wir ohne große Hin-
dernisse zur ersten Über-
nachtung im Hotel Raba
an. Beim wohlschmeck-
enden Abendessen konn-
ten wir uns etwas von der
langen Fahrt erholen und
uns besser kennenlernen.
Donnerstag, den 24. Mai 2018
Als morgens alle Koffer wieder in Bus verstaut waren, fuhren wir wei-
ter über die Autobahn an Budapest vorbei nach Kalocsa. Als wir vor
dem Domplatz standen, stellten wir fest, dass der Dom für die Besichti-
gung geöffnet war. Diese Möglichkeit nutzten wir gleich für einen
spontanen Besuch. Der Dom ist in den Jahren 1735 bis 1754 erbaut wor-
den. Das Innere des Domes fasziniert durch den prunkvollen Altar, die
Orgel, auf der Franz Liszt des Öfteren spielte und die vergoldete Kan-
zel. Viele Unterlagen aus Kernei, vor allem der Schriftverkehr mit dem
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Erzbistum in Kalocsa (pfarr-
amtliche Meldungen, kanо-
nisсhе Visitationen, Schema-
tismus Kalocsa, kirchliche
Matrikelbücher) lagern im
kirchlichen Archiv rechts
vom Dom in einem prächti-
gen Gebäude. Früher hatte
die Hofkammer das Recht,
den jeweiligen Pfarrer vorzu-
schlagen, der dann vom Erz-
bischof der Diözese Kalocsa
zum Pfarrer ernannt wurde.
Die vom Erzbistum berufen-
en Pfarrer, welche in Kernei
in ihr Amt eingesetzt wurden,
sind im KHB Jahrgang 25, Os-
tern 1982 S.10 aufgeführt.
Nach der Dombesichtigung
fuhren wir zum Mittagessen
und dann ging es auf zur ser-
bischen Grenze bei Herczegszántó, weiter nach Sombor, wo uns schon
Herr Anton Beck erwartete. Herr Beck leitete den Bus zu den entspre-
chenden Halteplätzen, wo wir dann schnell unsere Hotels fanden (Ho-
tels Andric, Piccolina und Cvrcak). Auf dem Abendprogramm stand
nun ein Besuch auf dem Dida Hornjakov Salaš, der schon Richtung Ker-
nei liegt, aber noch zum Ortsbereich Sombor gehört. Auf dem Gelände
des Salaschs kann man einen Blick in eine wie früher ausgestattete
Wohnstube und ein Schlafzimmer sowie in eine Ausstellung von Kü-
chen- und Haushaltsgeräten der damaligen Zeit werfen. Eingeladen wa-
ren die Gebrüder Rade und Milan Cujic, Gebrüder Hans und Josef Be-
ditsch, Davor Smalc und Helena Rill. Zwischen den Gängen des wohl-
schmeckenden Abendessens stellte ich zunächst Rade und Milan Cujic
den Anwesenden vor. Milan Cujic dankte ich für die sprachliche Über-
setzungsarbeit, auf die ich mich stets verlassen kann. Rade Cujic hat
sich in seiner Zeit als Gemeinderat sehr für eine gute Beziehung zu uns
Kerneiern eingesetzt. Er ist im Dorf als ein sehr engagierter Mensch
bekannt. Was er sagt, wird von vielen geachtet. Er lud mich 2014 zu
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Gemeinderatssitzungen ein und war im selben Jahr auch bei uns beim
Kerneier Pfingsttreffen in Bruchhausen. Für seinen selbstlosen Einsatz
habe ich mich bedankt. Zu einem späteren Zeitpunkt des Abends stellte
ich Helena Rill vor.

Helena Rills Vorfahren stammen aus Kernei. Sie arbeitet an der Aufhel-
lung des donauschwäbischen Schicksals in der Vojvodina mit. Das Er-
gebnis ihrer Untersuchungen ist in dem Buch mit dem Titel: "Auf den
Spuren der Donauschwaben in der Vojvodina" nachzulesen. Auch ihr
dankte ich für ihr Engagement. In abendlicher Stunde ging auch dieser
erlebnisreiche Tag harmonisch ausklingend zu Ende.

Freitag, den 25. Mai 2018
Am nächsten Morgen wurden wir nicht weit von unseren Hotels am
katholischen Friedhof in Sombor von Herrn Beck und seinen Mitarbei-
terinnen erwartet. Gabrijela Bogisic stellte uns sehr differenziert mit ei-
nem Power-Point-Vortrag die Ziele, den Zweck und die Aufgaben des
Vereins Gerhard vor.

In der Vojvodina und Belgrad leben zurzeit noch 4064 deutschstämmi-
ge Bürger. Sie gehören zu einer Minderheit in Serbien. Die Minderheit
wird vertreten durch 14 deutsche Vereine. Sie sind bemüht, in den Me-
dien durch Kulturzeitschriften, Radio und Fernsehen in Erscheinung zu

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treten und auf sich aufmerksam zu machen. Sie unterstützen die Muse-
umsarbeit in unterschiedlichen Orten. Ebenso bieten sie Deutschkurse
und für Kinder und Jugendliche und Projekte wie zum Beispiel ein The-
aterprojekt und Projekte zur Identitätsstärkung an. Zum Schluss wurde
noch auf ein neues Projekt hingewiesen, das in Kooperation mit der
Stadt Sombor entstehen soll und zwar ein Donauschwäbisches Muse-
um. Im Grassalkovich Palais soll nach seiner Sanierung eine Ausstel-
lung über die Geschichte der Ansiedlung der Donauschwaben entste-
hen. Zum Schluss der Präsentation ergriff Herr Schmidt das Wort und
bedankte sich für die ausführliche Darstellung bei Gabrijela Bogisic
und bei Herrn Beck für die unermüdliche Unterstützung. Herr Anton
Beck ist der Ansprechpartner bei unterschiedlichen Anliegen wie z.B.
der Herstellung von Kontakten zu Verwaltungen und Behörden in Som-
bor. Unter großem anerkennendem Beifall für das Engagement des Ver-
eins Gerhard überreichte Herr Schmidt Herrn Beck eine Geldspende
für den Verein Gerhard, um die tatkräftige Verbindungsarbeit zu unter-
stützen.
Anschließend bestiegen wir den Bus und fuhren zunächst an das Denk-
mal in Kruschiwl und Gakowa, wo unsere Landsleute und Lageropfer
in den Massengräbern ruhen. Wir gedachten ihrer durch das Hören von
Gedanken zu der Fragestellung: "Wie viel Heimat braucht der Men-
sch?" Verschiedenste Erinnerungen kamen da hoch. Für einige von uns
war dies eine doch sehr bewegende Situation, da sie selbst Gefangene
in diesem Lager gewesen waren und an die Pein und die Hilflosigkeit
und den Hunger erinnert wurden. Einigen von ihnen war damals letzt-
endlich doch noch in tiefster Nacht und Kälte die Flucht aus dem Lager
gelungen. Mit der Kranzniederlegung ehrten wir das Durchhaltever-

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mögen und erinnerten uns an das Leid, das unsere Vorfahren in den La-
gern erleben mussten.

Mit den Worten:
Wehmut umfängt unser Herz, wenn das Wort „Heimat” erklingt. Hei-
mat ist die Gebundenheit an einen Ort, wo man geboren wurde, seine
Kindheit erlebt hat und mit vertrauten Menschen Erfahrungen gesam-
melt hat.
      Hier in Kruschiwl und Gakowa sowie an vielen anderen
      Orten haben unsere Angehörigen ihre letzte Ruhestätte
      gefunden. - Doch nicht die, die sie sich erträumt hatten!
      Das ganze Trachten unserer Vorfahren war, Heimat zu
      erwerben, ihre Nachkommen wollten sie darin in Frieden
      bewahren.
      Doch es ist ganz anders gekommen!
      Wir können es uns nicht ausmalen, was unsere alten
      Menschen im tiefsten Winkel ihrer Seele durchgemacht
      haben, wenn sie im Angesicht des Todes auf dem
      Strohlager die Kraft zum letzten Aufschrei sammelten:
      „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?”

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Wir können es uns nicht vorstellen,
      was die Mütter durchgemacht ha-
      ben, wenn ihre Kinder sie mit gro-
      ßen Augen anschauten und wortlos
      fragten:
       „Warum gibst du mir nichts zu es-
       sen, warum lässt du mich elend zu-
       grunde gehen?” Sie mussten den
       lautlosen Vorwurf aushalten und
       hatten keine Antwort darauf, wie
       viel Heimat der Mensch braucht.
Im Gebet gedenken wir nun aller unserer
Opfer, die auf der Flucht gestorben sind,
die in Kernei auf grausame Weise ihr Le-
ben verloren haben, die in der Verschleppung nach Russland in fremder
Erde verscharrt wurden, die in Kruschiwl und in den anderen Todesla-
gern in Massengräbern ruhen und wir denken an alle unsere Soldaten-
opfer, die an der Front gefallen oder aus der Gefangenschaft nicht
heimgekehrt sind.
Man merkte es den Teilnehmern an, vor allem denjenigen der Erlebnis-
generation, wie nahe ihnen die Erinnerungen gingen. In ihnen wurden
Erlebnisse wach. Diese Begegnung löste spontane Erzählungen aus.
Die jüngeren Teilnehmer, die an den Denkmälern vor den Massengrä-
ber standen, erhielten dadurch noch einen gewissen Eindruck der emo-
tionalen Bedeutung der damaligen leidvollen Erlebnisse.
Nach diesem bewegenden Erlebnis fuhren wir mit dem Bus nach Ker-
nei. Als wir auf der Straße von Sombor nach Kernei fuhren, löste sich so
nach und nach der graue Schleier, der sich über unsere Stimmung gelegt
hatte.
Die wachsende Spannung, endlich in Kernei anzukommen und den
ersten Eindruck des heutigen Kernei/Kljajićevo bewusst zu erleben,
war spürbar. Den Teilnehmern musste nun der Übergang von Erin-
nerung, Gedenken und Betroffenheit zu dem Gefühl, erwartet und em-
pfangen zu werden, gelingen.
Als wir die hohen Silos, den Turm der Kerneier Kirche, die unteren Wie-
sen links, das Ortsschild "Kljajićevo" sahen, stieg die Spannung und
wir fragten uns: Wie wird uns dieses Mal der Gemeinderat von Kernei/-

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Kljajićevo empfangen? Vom Gemeinderat war angekündigt worden,
dass sie uns einen traditionell-festlichen Empfang bereiten wollten. Als
der Bus seinen Halteplatz vor der Kirche einnahm und die Teilnehmer
ausstiegen, empfingen uns viele Gemeinderäte -auch aus früherer Zeit-,
die Schulleiterin Branka Vuletic und der Vertreter der Bürgermeisterin
Nemanja Sarac von Sombor. Wir wurden vom jetzigen Gemeinderats-
vorsitzenden, Herrn Vladimir Basara sowie von Herrn Nikola Žiža mit
überschwänglicher Freude empfangen. Da wir wie in früheren Jahren ei-
nen zeitlichen Verzug hatten, wurden wir gebeten, zügig zum neuen

Theatersaal zu gehen. Dort wurden wir von drei Mädchen in traditio-
neller Tracht mit Brot, Salz und Schnaps empfangen. Anschließend
gingen wir in den abgedunkelten Theatersaal. Wir wurden gebeten, uns
auf die vorbereiteten Stühle zu setzen und waren sehr gespannt. Der
dunkle Raum, ein mit Erleichterung wahrgenommenes kühles Raum-
klima, die große offene Bühne, der Bühnenrand geschmückt mit präch-
prächtigen Blumen

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tigen Blumen - dies alles ließ die Spannung steigen. Zunächst wurden
wir von Herrn Vladimir Basara, dem Gemeinderatsvorsitzenden,
freundlich begrüßt.

Milan Cujic übersetzte die Ansprachen ins Deutsche. Anschließend
begrüßte uns der Stellvertreter der Bürgermeisterin von Sombor,
Nemanja Sarac, mit sehr freundlichen Worten.
Die Bühne füllte sich mit Buben und Mädchen der traditionellen Tanz-
gruppe des Kulturvereins „Djurdjevak von Kljajićevo“. In ihrer Tracht
in den Farben schwarz, rot und weiß, mit farbigen Ornamenten ver-
ziert, boten sie uns eine beeindruckende Tanzvorstellung dar.

Die Spannung war gebrochen! Die Rhythmen und die immer wieder
neuen Tanzformationen ergaben für den Betrachter ein wunderbares
Bild der Fröhlichkeit und Ausgelassenheit. Innerhalb kürzester Zeit
gelang es den 20 Jugendlichen, die Erwartungsstarre zu lösen.
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Nun trat - Stefan Stevanović - vor das
Mikrofon. Er las in deutscher Sprache
einen Text über die Geschichte, das Le-
ben, die Wirtschaft, das Vereinsleben in
dem Ort Kernei von 1765-1945 vor.
Überrascht stellten wir fest, dass die
vorgetragenen Inhalte in etwa den In-
halten entsprachen, welche in den
Schriftwerken von unseren Kerneiern
aus den früheren Heimatausschüssen
zu lesen sind: Erich Ehrlich, Adam
Ackermann und Johann Schmidt. Dass
dies möglich war, hat uns sehr beein-
druckt!
Als dann - Lea Matićaus - aus der Tanz-
gruppe das Lied von Helene Fischer:
                                "Atemlos durch die Nacht…." an-
                                stimmte und wir die rhythmische Be-
                                gleitmusik wahrnahmen, hielt es die Zu-
                                schauer nicht mehr auf ihren Plätzen.
                                Sie klatschen im Rhythmus des Liedes
                                mit und wenn man sich umsah, so trieb
                                es so manchem Reiseteilnehmer und so
                                mancher Reiseteilnehmerin vor Rüh-
                                rung Freudentränen in die Augen. Mit
                                einem tosenden Applaus verabschie-
                                dete die Kerneier Reisegruppe diese jun-
                                ge Sängerin, die den Text in deutscher
                                Sprache vorgetragen hatte. Ab da war
                                jedem klar, dass der Reisegruppe ganz
                                besondere Willkommensgrüße entge-
                                gengebracht worden waren. Das
Gefühl, „willkommen zu sein in unserer gemeinsamen Heimat" - so die
Worte, mit denen uns der ehemalige Gemeinderat Milutin Bocdanovic
einstmals 2012 empfangen hatte, war spürbar und greifbar!
Zum Abschluss zeigte die Tanzgruppe einen weiteren bühnenreifen
serbischen traditionellen Tanz mit vielen Formationen voller Lebendig-
keit und Freude. Als Vorsitzender der HOG-Kernei ergriff ich zum Ab-

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keit und Freude. Als Vorsitzender der HOG-Kernei ergriff ich zum Ab-
schluss des Programms das Mikrofon und brachte unseren herzlichen
Dank bei den Organisatoren, dem Jugendlichen, der die Geschichte Ker-
neis vorgetragen hatte, bei den Jugendlichen der Tanzgruppe und der
Sängerin für den wunderschönen Empfang zum Ausdruck.
Anschließend gingen wir mit insgesamt 70 Personen inklusive der
Gemeinderatsmitglieder zum gemeinsamen Mittagessen in die Obere
Kirchengasse ins Café Trend. Wir überreichten nach dem Mittagessen

unser Gastgeschenk für den Gemeinderat an Herr Basrar und Herr
Žiža.
Nach dem Mittagessen war freie Zeit für die individuelle Dorf-
besichtigung sowie für Hausbesuche. Herr Schmidt hat für die Dorf-
begehung einen eigens angefertigten Ordner mit Bildern hergestellt,
die den Teilnehmern zeigen sollten, wie bestimmte Gebäude bis 1945
ausgesehen haben. Der Rundgang mit einer Gruppe ging vom Kirch-
platz aus. Hier wurde über die alte und neue Schule, das ehemalige Rat-
haus sowie die Differenzierung der unterschiedlichen Haustypen infor-
miert. Dann gingen wir in die Kirche und hier stellte Herr Schmidt den
geschichtlichen Ablauf der Entstehung und Nutzung der Kirche bis
1952 dar. Am 5. Juli 1767 war eine erste bescheidene Kirche aus Lehm
gestampft und mit einem Strohdach versehen erbaut worden. Die Kir-
che wurde der Mutter Gottes Maria geweiht, worauf das Altarbild „Ma-

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riä Heimsuchung“ hinweist. 1791 bis 1797
wurde die Kirche erweitert (Länge: 45 m,
Breite 15 m). Der Turm war 45 m hoch und
hatte vier Glocken. 1924 wurde die Kirche
renoviert und nur wenig später, am 8. April
1925 wurde der Kirchturm durch einen
Brand zerstört. Er wurde wieder aufgebaut
und die letzte innere Ausgestaltung nahm
der aus Apatin stammende Maler Rudolf
Udvary 1937 vor. Die Orgel stammte von
Franz Lindauer. Anschließend besuchten
wir in der unteren Kirchengasse das Haus
von Hans und Danca Beditsch, welches ur-
sprünglich einmal der Familie Geißinger
gehört hatte. Es ist ein restauriertes
klassisches Rundgiebelhaus. Eine Nachbarin gewährte uns Einblick in
das Haus. Sie öffnete uns die Räume, so dass wir einen Blick in die Zim-
mer und auf die Ausstattung werfen konnten: Ofen, Wandschränke, die
kleinen Fenster, die weiße Wandfarbe, die niedrige Raumhöhe. Somit
bekamen wir auch ein Gefühl für die Raumgröße und die Raum-
atmosphäre. Natürlich war der Blick in das leere Weinkellergewölbe
außerordentlich interessant. Mit der Hausbesichtigung endete der erste
Teil der Dorfführung.
Auf dem Dorfplatz stand schon unser Bus bereit und so konnten wir nun
nach Apatin zum gemeinsamen Abendessen mit Fischpaprikasch am
Donauufer in der Gaststätte Čarda "Zlatna Kruna" fahren.

Wie jedes Jahr verzauberte uns der schöne Sonnenuntergang, den viele
von der Schiffsanlegeterrasse aus genießen konnten.

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Samstag, den 26. Mai 2018
Nach dem Frühstück holte uns der Bus an unterschiedlichen Stellen in
Sombor ab. Um 10 Uhr trafen wir in Kernei den Pfarrer von Tschinopl,
Dr. Horváth Endre, der mit uns das Hochamt in der Kerneier Kirche
feierte. Ein vom Popen bereitgestellter Tisch wurde mit den
mitgebachten Messgegenständen schnell zu einem Altar umgewandelt.
Pfarrer Dr. Horváth Endre begrüßte alle Besucher in der heimatlichen
Kirche unserer Vorfahren sehr freundlich.
Im Verlauf der Messe sang Marianne Zinkenbach zur Kommunion sehr
ausdrucksvoll ein altehrwürdiges Kirchenlied: "Segne, Jesu, deine
Herde" für uns. Es war ein großer Genuss und wir konnten die gute
Akustik der Kirche deutlich wahrnehmen.
Die Fürbitten in der Eucharistiefeier wurden von Herrn Schmidt vor-
getragen:

Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, er hält das All zusammen und
kennt jede Sprache. Im Vertrauen da-
rauf beten wir:
Komm, o Geist der Heiligkeit, mach
uns zum Frieden bereit und entwirre
alles, was uns bedrückt und führe uns
auf den Weg zu dir.
Wir bitten dich, erhöre uns.
Der Beistand des Heiligen Geistes er-
leuchte unsere Herzen, dass wir uns
jedem Menschen gegenüber öffnen.
Wir bitten dich, erhöre uns.
Du, Geist Gottes, hast alles erschaf-
fen. Schenke uns in dieser Eucharis-
tiefeier Speis und Trank, damit wir
zum ewigen Leben gelangen.
Wir bitten dich, erhöre uns.
Der Heilige Geist erleuchte alle Ver-
antwortlichen dieser Erde, dass wir

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vor Krieg und sozialem Unfrieden bewahrt bleiben.
Wir bitten dich, erhöre uns.
Heiliger Geist, erbarme dich unser und all derer, die sich in Schuld ver-
strickt haben; auch jener, die uns die Last der Vertreibung aufgeladen
haben.
Wir bitten dich, erhöre uns.
Gott Vater im Himmel, erbarme dich aller Kranken, Einsamen, Zer-
strittenen, Lebensmüden, Gefangenen, Hungernden und unserer Toten,
die wir in aller Welt zu Grabe getragen haben.
Wir bitten dich, erhöre uns.
Priester: Gott, unser Vater, erhöre unsere Bitten und schenke uns die
Großmut deines Geistes durch Christus, deinen Sohn und unseren
Herrn. Amen.
Nach der Messe versammelten sich die Gottesdienstbesucher mit Pfar-
rer Dr. Horváth Endre in ihrer Mitte zu einem Gruppenbild.

Nach dem Gruppenbild wollten einige Besucher das Taufbecken, an
dem sie getauft worden waren, nochmals besuchen. Leider liegt es, wie
bekannt, zerlegt auf der Empore und aus Sicherheitsgründen war die
Tür zur Empore verschlossen. Da der Pope Svestenik Bosko nicht er-
reichbar war und die Tür somit nicht aufschließen konnte, war bei Vie-
len eine große Enttäuschung spürbar!
Wie schon in anderen Informationen und Reiseberichten beschrieben,
ist das äußere Erscheinungsbild der Kirche äußerst beunruhigend. Die

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schönen Deckengemälde im Inneren dagegen, die von Udvary Rudolf
gemalt wurden (Geburt Christi, Auferstehung, Kindersegnung, Abend-
mahl, Mariä Himmelfahrt, Lamm Gottes), sind hingegen gut erhalten.
Wir danken der serbisch-orthodoxen-Gemeinde herzlich, die im Rah-
men ihrer Möglichkeiten durch Nutzung und Pflege und durch die Ver-
suche, mit einfachen Mitteln, das Dach dicht zu halten, zum Erhalt der
Kirche beiträgt. Leider fängt nun auch schon der gemauerte Grund-
sockel, welcher den schmiedeeisernen Zaun um das Kirchengelände
trägt, auseinanderzufallen. Pfarrer Franz Schauer beauftragte 1889 den
Kunstschlosser Philipp Halter mit der Herstellung eines Zauns, mit
dem das gesamte Kirchengelände eingezäunt werden sollte. Wenn man

bedenkt, dass dieser Zaun und die Mauer, auf der er angebracht ist, nun
schon über hundert Jahre alt sind, so nimmt es nicht Wunder, dass die
Mauer nun einer Reparatur bedarf.
Als wir aus der Kirche herauskamen, warteten schon fünf Kutsch-
gespanne auf uns. So konnte die Hälfte der Reisegesellschaft mit dem
Bus und die andere Hälfte mit den Kutschen zur ersten Hohl fahren. Auf
der Teletschka-Höhenebene befindet sich das Köszeghifeld, heute -

Burduschewo Brdo genannt. Es ist nicht nur ein Paradies für Natur-
liebhaber und Landwirte, sondern auch sehr inspirierend für verschie-
dene Künstler. Deshalb hat sich dort ein Künstlercamp niedergelassen.
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Betritt man die Kolonie, so durchschreitet man ein Weinrebentunnel,
d.h. ein mit Weinreben dicht überwachsenes Rankgitter. In diesem
Weinrebentunnel, ausgestattet mit Tisch- und Bankreihen, wurden wir
sehr freundlich vom Weinbauernverein, vertreten durch Brane Sostaric
mit einem Schnaps begrüßt. Zwischendurch wurden kleine Wurst- und
Gebäckspezialitäten zum Ausprobieren gereicht. Schnell entstand eine
gelöste, lockere Atmosphäre. Die Vertreter der Ortsverwaltung von
Kljajićevo, Vladimir Basara, Nada Mandić, Marko Maksimović und
Bogdan Jančić trafen auch ein und begrüßten uns ebenfalls sehr
herzlich. Auf freiem Gelände trafen wir dort auch einige Künstlerinnen
und Künstler an, die auf Leinengewebe Motive aus der Natur und der
Umgebung künstlerisch interpretierten. Ein Harmonikaspieler, Herr
Branko Popovic, und ein Flötensspieler Paolo aus Italien sorgten für die
musikalische Untermalung.
Es scheint so, dass sich hier in Kooperation mit der Weingilde Bewoh-
ner von Kljajićevo ein kleines Künstlerparadies geschaffen haben.
Herr Brane Sostaric wies ganz stolz darauf hin, dass in den nächsten Wo-
chen hier ein kreatives Künstlertreffen stattfinden wird, mit Workshops,
wo man sich austauschen und voneinander lernen kann.

Anschließend fuhren wir teils mit den Kutschen, teils mit dem Bus wie-
der zum Mittagessen mit ortsansässigen Kerneiern nach Kernei zurück
in das Cafe Trend. Dieses Mal hat uns der Gemeinderat von Kljajićevo
zum Essen eingeladen. Es gab am Grill gebratenes Lamm- und Schwei-
nefleisch mit Beilagen. Es hat uns ausgezeichnet geschmeckt. An-
schließend hatte die Reisegesellschaft freie Zeit, um im Dorf spazieren
zu gehen und um Straßen und Häuser anzuschauen. Herr Schmidt bot
den zweiten Teil der geschichtlichen Führung durch das Dorf an. Wir
gingen zunächst die untere Zwerchenreihe entlang und bogen dann in
die Berggasse ab. Am serbisch-orthodoxen Friedhof überblickten wir
das Gelände des Lehmbruchs und der Ziegelfabrik der Familie Schrö-
der mit dem immer noch stehenden schiefen, aus Backsteinen gemauer-
                                 Seite
ten Kamin. Vis-a-vis auf der Anhöhe ist die Ruine der Wendelin-
Kapelle und des Kalvarienbergs zu sehen. Auch hier ist schon sehr viel
zusammengefallen. Die Ruine besteht fast nur noch aus einzelnen
hochragenden eckigen Stümpfen. Das Eingangstor mit dem relief-
artigen Symbol der Heiligen Dreifaltigkeit ist aber immer noch gut
erhalten. Am jüdischen Friedhof vorbei war uns der Weg zur Ruine der
Stöckl-Kapelle (Hl. Antonius-Kapelle) durch Büsche und kleine Bäu-
me verwehrt. So mussten wir wieder bergab zur Ungarngasse, über die
                                           wir dann den Friedhof er-
                                           reichten. Auch von der Ro-
                                           chus-Kapelle auf der An-
                                           höhe ist die Ruine der Stö-
                                           ckl-Kapelle aufgrund von
Bäumen und großen Büschen nicht erreichbar. Die Rochus-Kapelle auf
dem Friedhof hat noch ihren Turm und es wurden leichte
Ausbesserungsarbeiten durchgeführt, damit das Aussehen dieser
Kapelle noch etwas erhalten bleibt. Der Friedhof bietet nun ein sehr an-
sehnliches Bild. Am Fuße steht ein schönes Holzkreuz. Die Ver-

   Ruine der Hl. Antonius - Kapelle
längerung der Ungarngasse hinauf zur
Rochuskapelle ist ordentlich von wuchern-
den Büschen befreit, so dass sich viele Be-
sucher gleich aufmachten, um anhand der
Grabsteinbeschriftungen das Grab ihrer
Vorfahren zu finden. Nach Aussagen von
Herrn Beck wird der Friedhof - sowie auch
andere deutsche Friedhöfe - regelmäßig
durch die von der Gemeinde Sombor be-
auftragte Firma Prostor in diesem Zustand
gehalten
Gegen 18 Uhr kamen wieder alle auf dem           Rochus-Kapelle

                                 Seite
Dorfplatz vor der Kirche zusammen, wir stiegen in den Bus und fuhren
zum gemeinsamen Abendessen in das "Restoran Slon". Es liegt am
Kanal in Sombor. Dieses Restaurant bietet seinen Gästen Fleisch-
gerichte aus edlen Fleischstücken an - was auch alle schnell bemerkten.
Im Verlauf der schmackhaften Mahlzeit stellte ich Herrn Basara und
Herrn Žiža den Mitreisenden vor. Ganz besonders wichtig war mir, die
Schaffenskraft der jetzigen Gemeinderäte und die sehr gute
Kommunikation mit ihnen herauszustellen. Ich erzählte den
Reisegästen, wie es Nikola Žiža schaffte, das Geld der Gemeinde Som-
bor für ein Abschlussessen, das früher ausschließlich für die Honora-
tioren des Dorfes und Festmitarbeiter angeboten worden war, so einzu-
setzen, dass alle Besucher des Dorffestes einen Balkandöner und ein Ge-
tränk zum abschließenden Feuerwerk des Dorffestes spendiert be-
kamen. Auch hier bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit bei
beiden Gemeinderäten.
Sonntag, den 27. Mai 2018
Von den Landfrauen wurde eigens für uns um 10 Uhr auf dem Markt, da
wo früher die alte Schule stand, gezeigt, was sie so an eigenen Erzeug-
nissen selber herstellen können. Hier wurden angeboten: Schnaps, Säf-
te, Strick- und Häkelwaren, Gebäck, Früchte. An einem Stand gab es so-
gar unterschiedliche Objekte und Bilder der Kerneier Kirche und des
Rathauses aus Kerneier Zeiten. Dana Badovinac, die Leiterin der Land-
frauen in Kljajićevo, welche auch immer am Sommerfest mit ihren
Frauen die traditionellen Speisen, Kuchen und Gebäcke unter freiem
Himmel für vorbeiziehende Festbesucher backt, erhielt von mir eine
kleine Zuwendung für ihren Verein der Landfrauen. Auf 11 Uhr hatte

uns die Schulleiterin in die Schule eingeladen. Angeboten wurde ein
Power-Point-Vortrag der Referentin Miroslava Rasic, (Bild halblinks
vor H. Schmidt) die an der Schule ein Praktikum absolvierte. Sie selbst
stammt aus Kljajićevo und hat eine Diplomarbeit über die Geschichte
                                 Seite
des Ortes geschrieben. Dabei erlebten wir die zweite große Über-
raschung. Ihr Ziel war es, uns ihre Ergebnisse vorzustellen. In diesem
Vortrag zeigte sie Bilder von der Geschichte, dem Leben, der Wirts-
chaft und dem Vereinsleben in Kernei in der Zeit von 1765 - 1945. Die
Bilder waren auch in deutscher Sprache kommentiert. Ein Bild des
katholischen Priesters Adam Berenz, der Schriften gegen die
Nationalsozialisten verfasste und dafür von ihnen in ein Konzen-
trationslager in Backa Topola eingesperrt wurde, war auch dabei. Nach
dem Krieg und seiner Freilassung protestierte Adam Berenz gegen die
Zuweisung der Kollektivschuld an die Donauschwaben und auch
gegen die damit verbundene Enteignung. Ja, sogar ein Bild (aus dem
Bildbestand der HOG-Kernei) von der Flucht im Oktober 1944, als die
Kerneier sich vor der Kirche mit ihren Wagen zu einem Zug sammelten,
zeigte Frau Miroslava Rasic. Ganz außerordentlich beeindruckt hat
mich ihre Aussage, dass sie sich für diese Situation entschuldigen
möchte. Dies war eine weitere unerwartete Bewertung, die ich hier in
Kernei/ Kljajićevo noch nicht gehört hatte. Frau Miroslava Rasic ist
keine politische Amtsträgerin. Sie hat sich durch das Wissen, was ge-
schehen ist, persönlich betroffen gefühlt. Dies hat meiner Meinung
nach Miroslava Rasic sehr geehrt und ihren Vortag um vieles bedeutsa-
mer gemacht als wir erwartet hatten.
Und schon ging es weiter zum ge-
meinsamen Mittagessen im Cafe
Trend mit den ortsansässigen Ker-
neiern. Heute konnte man wählen
zwischen Sarma und Pizza. Zwi-
schen den Gängen des Mittages-
sens war es mir wichtig, einem lie-
benswerten Freund, Davor Smalc,
für seine tatkräftige Unter-
stützung zu danken. Er ist für
mich, da ich die serbische Sprache
nicht sprechen kann, ein wunderbarer Ansprechparten und ein
absoluter Glücksfall. Mit seinem ungebrochenen Willen, immer besser
Deutsch zu sprechen, konnten in der Planungsphase der Reise viele
Vereinbarungen getroffen und Wünsche erfüllt werden. Dies hat sehr zu
dem reibungslosen Programmablauf beigetragen. Durch den großen
Applaus der Mitreisenden wurde ihm eine überschwängliche

                                Seite
Anerkennung zuteil. Nikola Žiža und Vladimir Basara bedankten sich
nun auch bei der Reisegesellschaft und bei mir für die Organisation des
Besuchs und überreichten mir eine Arbeit des akademischen Malers
Milos Pejovic aus Sombor: Ein Bild von der Kerneier Kirche.
Respektvoll nahm ich das Geschenk an und erwiderte meinen Dank für
die Vorbereitung, den überaus freundschaftlichen Empfang und
generell für die freundschaftliche Atmosphäre, die wir bei diesem
Besuch erfahren konnten.
Anschließend war noch etwas Zeit bis um 15 Uhr. In Richtung Dorosz-
ló fuhren wir durch das Dorf Siwatz, vorbei an einem zerfallenen Fa-
brikgebäude, das früher einmal eine Zuckerfabrik gewesen war. Weiter
ging es nach Klein Stapar bis wir an der Reismühle am Franzenskanal
ankamen und den Bus abstellten.

Die geistigen Väter des Kanals waren die Gebrüder Kies. Beide waren
Kameralbeamte in Sombor zur Zeit der Josephinischen Ansiedlung und
beschäftigten sich mit den wasserwirtschaftlichen Problemen und der
Trockenlegung des Sumpfgeländes in der Batschka. Am 2. August
1792 genehmigte Kaiser Franz II. das Projekt. Im Zeitraum von 1793
bis 1802 wurde der Kanal gebaut und dem Verkehr übergeben. Über die
ganze Kanalstrecke gibt es 5 Schleusen, die den Höhenunterschied aus-
gleichen sollen. Heute sieht man noch rechts und links des Kanals tief
eingeschnittene Wege. Hier wurden die Kähne unter anderem auch mit
den Produkten aus Kernei beladen mit Pferdekraft gezogen. Der Kanal
sollte die Verbindung zwischen Donau und Theiß abkürzen. Dadurch
wurde der Handel der mittleren Batschka erleichtert bis die Eisenbahn
Einzug hielt. Ebenso dienten Teile des Kanals zur Entwässerung. Die
Kanalgesellschaft verstrickte sich in hohe Schulden. Deswegen
mussten rund 50 Dörfer - unter anderem auch Kernei - Pacht für die Be-
nutzung bezahlen (siehe G. Koch PP). Der Ehrlich-Lehrer schreibt in ei-
nem Artikel im KHB Jahrgang 14 (erschienen Ostern 1971): "Zum Ba-
den gab es nur in den Sommerferien Gelegenheit. Die Kameraden wan-
derten, wenn die Temperatur übermäßig anstieg, zum Franzenskanal
                                 Seite
nach Klein Stapar. Mit Lebensmitteln gut ausgerüstet blieb man dort ge-
wöhnlich den ganzen Tag!". Daraus und von Erzählung der Erlebnisge-
neration lässt sich ableiten, dass so mancher junge Mann dort das
Schwimmen gelernt hat.
Wenn man heute diesen Ort besucht, sich durch die Enge der Schleu-
senbrücken zwängt, in die eine oder die andere Richtung des Kanals
schaut und die sich im Kanalwasser spiegelnden Bäume betrachtet,
wenn die Jugend in überschwänglicher Freude in das Schleusenbecken
hineinspringt, so denkt man fast, die Zeit sei stehen geblieben.
Nachdem die Reiseteilnehmer auch hier zahlreiche Eindrücke sam-
meln konnten, stiegen wir in den Bus und fuhren nicht die frühere Wall-
fahrtstrecke vom Kanal aus weiter. Wir mussten wieder zurück nach
Sombor fahren und dann weiter auf der Straße, die heute nach Doroszló
führt.

In Doroszló angekommen - eine graue Wolke schob sich gerade vor die
Sonne - sahen wir die 2-türmige Kirche. Ein Priester nahm sich die Zeit,
uns kurz in ungarischer Sprache die Bedeutung des Wallfahrtorts
Doroszló zu erklären. Gabor Simon übersetzte seine Darstellung. Im
Zentrum der Kirche hängt über dem Altar ein Marienbild. Dieses Ma-
rienbild hatten Donauschwaben, als sie Ende des 18. Jahrhunderts auf-
gebrochen waren, um eine neue Heimat zu finden, auf ihrer Fahrt bei
                                 Seite
sich geführt. Dies ist sicherlich
                                       auch ein Grund dafür - neben
                                       religiösen, spirituellen Gründen
                                       -, dass dieser Wallfahrtsort für
                                       die Kerneier eine so große Be-
                                       deutung hatte. Der Priester er-
                                       läuterte uns die Bedeutung der
                                       Quelle, der Kirche und des Ar-
                                       kadengangs mit den großen Hei-
                                       ligenbildern auf ungarsich, Ga-
                                       bor Simon übersetzte.
                                       Wer von der Erlebnisgeneration
                                       erinnert sich nicht mehr an die
                                       beliebten Wallfahrten nach
                                       Maria Doroszló - Szentkút (Ma-
                                       rien-quellwasser) Der Legende
                                       nach ist die Heilige Mutter Got-
tes mehrmals am Brunnen erschienen, und es wird angenommen, dass
sie Gott bat, dem Wasser des Brunnens Heilkraft zu verleihen. Viele
wundersame Ereignisse wurden mit dem Brunnenwasser verbunden.
So wird erzählt: Die Pilgergruppen aus Kernei wurden von den Geistli-
chen bis ans Ortsende von Kernei begleitet und dann ging es weiter zu
Fuß nach Kleinstapar. Der Pilgerweg führte weiter über die Brücke am
Franzenskanal, die wir am Vormittag besucht hatten, durch Stapar bis
ans Ziel nach Doroszló. Für die älteren oder gehbehinderten Pilger fuh-
ren Pferdefuhrwerke mit, so dass sie nicht den ganzen Weg zu Fuß zu-
rücklegen brauchten. In Doroszló angekommen, konnte man in Privat-
zimmern oder in Nebenräumen übernachten. Bei gutem Wetter schlief
man im Freien bei Pferd und Wagen. Der Wallfahrtsort Doroszló war
für sein Heilwasser berühmt. Er hatte eine große Bedeutung für die Ker-
neier. Der Glaube, dass dieses heilige Wasser Krankheiten beseitigen
konnte, war weit verbreitet. Wer also diese Quelle besuchte, musste für
die gesamte Familie das Heilwasser mitbringen, so erzählte die mitrei-
sende Frau Manditsch, damit dann abends die ganze Familie davon
trinken konnte.
Da die Weiterfahrt zügig verlief, kamen wir frühzeitig beim Restaurant
"Villa Tamara" an. Wie es heißt, soll dieses Restaurant im ehemaligen
Jagdrevier Titos liegen. Für uns waren Plätze im Freien vorbereitet. Bis
zum Abendessen war noch Zeit und so hatten wir Gelegenheit, viel zu er-
                                  Seite
Montag, den 28. Mai 2018
Als wir am Montagmorgen wieder durch Kernei Richtung Backa
Topola fuhren, konnten wir uns in Ruhe von der Heimat unserer
Vorfahren verabschieden. So mancher Mitreisende dachte an die drei
Tage, die wie im Fluge vergangen waren. Vielleicht wäre ein Tag länger
in Kernei auch noch schön gewesen, dachte sich womöglich der eine
oder andere. So entfernten wir uns und nahmen die Fahrt auf zu anderen
Orten, an denen verschiedene Kirchenschätze aus der Kerneier Kirche
(Figuren, Glocken und Orgel) einen neuen Platz gefunden haben. In
Backa Topola angekommen, besichtigten wir die große Kirche, die im
Jahr 1765 erbaut wurde. Pfarrer Ferenc Fazekas lud uns zu einer
Besichtigung ein. Sehenswert waren hier das heilige Grab, die Orgel,
die Predigtkanzel und die Altargruppe. Anschließend fuhren wir zur
Filialkirche, die zu Ehren des heiligsten Herzen Jesu geweiht wurde.
Sie befindet sich nördlich in einem Teilort von Backa Topola. Beim Be-
treten der Kirche fielen uns gleich die Heiligenfiguren aus der Kerneier
Kirche auf. Sie sind immer noch so prächtig wie in früheren Jahren. Das
Innere der Kirche besteht aus einem lichten Raum mit einer abgehäng-
ten Holzdecke. So einladend der moderne Kirchenraum auch wirkt, der

erste Blickfang sind doch die barocken Heiligenfiguren aus der Kernei-
er Pfarrkirche. Gleich rechts neben dem Eingang steht in Augenhöhe
die Pieta und ihr gegenüber steht die Schmerzensmannstatue in einer Ni-
sche. Im Altarraum links steht die Herz-Maria-Statue und rechts die
Herz-Jesu-Statue. Auf der Empore befindet sich die kleine Theresia-
Statue. Bei näherer Betrachtung der Figuren wurde dem Betrachter
klar, wie prächtig die Kerneier Kirche früher ausgestattet war. Pfarrer
Ferenc Fazekas lies für uns dann noch die zwei mittleren Glocken aus

                                 Seite
dem Kerneier Kirchturm läuten. Das Glockengeläut hörte sich wunder-
bar an. Diese Glocken hatten unsere Vorfahren zu Messe und Gebet in
die Kerneier Kirche gerufen. Wir bedankten uns ganz herzlich bei Pfar-
rer Ferenc Fazekas, der uns Vieles noch in deutscher Sprache hatte mit-
teilen können und verabschiedeten uns von ihm.
Nun ging es weiter nach Kelebia. Da wir aber noch Zeit hatten bis Pater
Csaba Paskó uns zum Mittagessen empfangen konnte, schauten wir uns
das Lipizzanergestüt am Ortsausgang von Kelebia an. Pater Csaba Pas-
kó ist Gemeindepfarrer und ein echtes Multitalent:
Ausbilder für die Orgelspielkunst, Orchesterleiter, Kochbuchautor und
Fernsehkoch in Kochshows. Als ausgezeichneter Koch zeigt er in
seinen Shows als Maître de Plaisir, wie es gelingt, Genussvolles zu ko-
chen und zu backen und zudem ansprechend zu präsentieren. Und nun
wurden wir von ihm und seinen Gemeindemitgliedern zum Essen er-
wartet. Zuerst begrüßte uns Pater Csaba Paskó in einer Laube mit sei-
nen unterschiedlichen selbst hergestellten Schnäpsen. Dann lud er uns

in das erst vor kurzem fertig gestellte neue Gemeindehaus ein. Als wir
es betraten, befanden wir uns in einem hellen, warmen, mit Blumen ge-
schmückten Raum. Die sichtbaren Deckenbalken, die großzügige
Fenstereinteilung und ein Kachelofen an der Stirnseite des Raumes
vermittelten eine gemütliche Atmosphäre. Pater Csaba Paskó stellte

                                 Seite
sein Team vor, erläuterte uns, welche Speisen man am Buffet vorfinden
konnte und forderte uns nach einem Tischgebet auf, es uns richtig gut
schmecken zu lassen. Wir kosteten die unterschiedlichsten Kombina-
tionen von Salaten, Beilagen und Fleischgerichten. Wir waren beein-
druckt von der Vielfalt der Salate, so dass ich mich zum Schluss bei mei-
nen Dankesworten zu dem Ausspruch verleiten ließ, dass unsere Ge-
schmacksnerven hier einen Quantensprung an Qualität erfahren konn-
ten.

Gestärkt durch das gute Essen gingen wir in die Kirche und sahen, wie
gut restauriert die Kerneier Orgel dastand. Die Orgel, so Pater Paskó, ist
ein Geschenk der Kerneier, die den Umzug mit 13 000 Euro mitfinan-
ziert haben. Der Umzug gestaltete sich jedoch nicht ganz einfach, so
dass weitere 10 000 Euro für die Restauration notwendig wurden. Und
es geschah zum Glück ein kleines Wunder - so Pater Paskó. Er richtete
ein Gebet verbunden mit einem Versprechen an den heiligen Antonius:
sollte die Orgel durch die Genehmigung eines Geldbetrags gerettet wer-
den können, dann würde er ein großes Buntglasfenster stiften. Das Wun-
der geschah: Kurz darauf erhielt er die Zusage einer ungarischen Stif-
tung und somit konnte die Orgel an ihrem neuen Platz fertiggestellt wer-
den. Anschließend lausch-
ten wir 4 Musikstudenten,
die ein klassisches Stück
mit Geige, Posaune, Klari-
nette, Trompete und Orgel
für uns spielten. Zur Ab-
rundung und zum Dank
sangen wir alle zusammen
das bekannte Kirchenlied:
"Großer Gott, wir loben
Dich".
Danach ging es weiter in Richtung ungarischer Grenze und dann über
die Autobahn nach Budapest ins Hotel Budapest.

Dienstag, den 29. Mai 2018
Schon früh, gleich nach dem Frühstück, fuhren wir in die historische
Stadt Eger zur Besichtigung der Festung. Hier hatten wir vom Touris-
tikverband Eger Frau Zsuzsanna Jakobi gebucht, die uns die Burganla-

                                  Seite
ge der Stadt Eger näherbringen sollte. Vor Ort, in den Ruinen der Burg,
stellte uns Frau Jacobi die geschichtliche Entwicklung der Stadt Eger
dar. Schon im elften Jahrhundert, an der Stelle der heutigen Burg hatte
alles mit einer Kirche begonnen. Später entstand an dieser Stelle ein
Bischofssitz. Durch den Ansturm der Osmanen im Jahr 1526 wurde die
Kirche immer mehr zu einer Festungsanlage ausgebaut. Zuvor, im
Jahre 1525, hatten schätzungsweise 100 000 Osmanen die Burg bela-
gert. Die Bewohner von Eger konnten sich des Ansturms erwehren,
insbesondere deshalb, weil sich in der Kirche ein Wasserbrunnen
befand. Wie durch ein Wunder gelang es den Ungarn, die Belagerer er-
folgreich abzuwehren. Frau Jacobi führte uns weiter in die restaurierten
unterirdischen Wallgewölbegänge, auch Kasematten genannt, der
Burg. In dieser sehr ansprechenden Ausstellung mit vielen Doku-
menten, Bildern, Videoinstallationen und steinernen Zeugen wird sehr
anschaulich dargestellt, wie sich aus einer Kirche eine sehr wehrhafte
Burg entwickelte.

Anschließend fuhren wir in das "Tal der schönen Frauen". Hier hatten
wir in dem typisch ungarischen Kellerrestaurant unser Mittagessen mit
Weinprobe bestellt. Es gab Kesselgulasch und zwischendurch wurden
uns von Winzern der Erlauer Weingegend verschiedenste Weinspezi-
alitäten präsentiert: Rizling, Leányka, Muskotály, Kékfrankos Rosé,
und zum Schluss Stierblut). Für einen weiteren Höhepunkt sorgten
Peter Berki und sein Orchester, die mit ihrer stimmungsvollen, traditio-
nellen ungarischen Musik für eine gute musikalische Begleitung sorg-
ten. Als dann das Volkslied mit dem Titel: "Az a szép" (Die Schönheit,

                                 Seite
die Schönheit, deren Augen waren blau) erklang, ließen wir uns gerne
mitreißen: Es wurde fröhlich gesungen und der „Zweischrittige“ ge-

tanzt. Darauf folgte ein weiterer Programmpunkt: Der Kellermeister
des Hauses bat eine Frau und einen Mann nach vorne. Die beiden soll-
ten beim Weingeneral eine „Prüfung“ ablegen. Heidi Schnaufer und
Helmut Riffner waren die Mutigen, die zur Prüfung antraten. Alle beide
lösten bei einer charmant durchgeführten Prüfung ihre Aufgaben mit

Bravour. So gab es für die beiden auch vom „Weingeneral“ ein Diplom.
Nach Kaffee und Kuchen traten wir die Rückfahrt nach Budapest an. Im
Hotel Budapest ankekommen, nach dem Abendessen fuhren wir unter

                                Seite
der Leitung von Gabor Simon mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur
Margaretenbrücke. Viele nutzen das Privileg, in Budapest als Rentner
kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können und
fotografierten von der Margaretenbrücke aus das beleuchtete
Parlament. Wir fuhren noch 2 Stationen weiter und konnten nun von der
gegenüberliegenden Seite der Donau aus das aus der nächtlichen
Dunkelheit sich hervorhebende, schön bestrahlte Parlament bestaunen
und fotografieren.

Mittwoch, den 30. Mai 2018
Heute war ein Tag zur freien Verfügung eingeplant. So konnten die
Mitreisenden zwischen verschiedenen Angeboten auswählen. Zur
Wahl stand z.B. ein Einkaufsbummel in der bekannten Váci utca. Eine
andere Gruppe organisierte eine Stadtrundfahrt mit einem Bus. Des-
weiteren konnte man sich Gabor Simon zu einer Stadtführung an-
schließen. Diese Führung begann am Heldenplatz, führte weiter in den
Park, in dem die Budapester Millenniumsausstellung aus dem Jahr
1896 mit verschiedenen Baustilen aus verschiedenen Gegenden und
Epochen Ungarns zu sehen ist. Durch den Park gingen wir weiter zum
Thermalbad. Mit der U-Bahn ging es dann noch zur St.-Stephans-
Basilika. Anschließend teilte sich die Gruppe je nach individuellen
Wünschen auf. Abends trafen sich dann alle wieder im Hotel Budpest.
Nach dem Abendessen fuhren wir wie am Vortag mit öffentlichen Ver-
kehrsmitteln zum Burgberg. Von dort aus besuchten wir die Fischer-
bastei. Im Hintergrund spielten zwei Musiker sehr stimmungsvolle Me-
lodien auf der Geige. Wir konnten uns an den aus der Dunkelheit sich
hervorhebenden beleuchteten Gebäuden und Brücken von Budapest
bei Nacht erfreuen. Einige ließen sich auch durch den verdunkelten

                                Seite
Mond verzaubern. Reich an Eindrücken kehrten wir ins Hotel Budapest
zurück, wo wir diesen Tag nach und nach ausklingen lassen konnten.

Donnerstag, den 31. Mai 2018
Gleich in der Frühe starteten wir mit dem Bus in Richtung öster-
reichische Grenze. Unser nächstes Ziel war Bad Traunstein. Dort wir-
kte Josef Elter als Pfarrer und Stein- und Holzbildhauer. Er wurde am 8.
Oktober 1926 in Kernei geboren. Er starb am 28. Januar 1997 in Bad
Traunstein. Einige wenige Mitreisende hatten ihn noch persönlich ge-
kannt, den anderen war er als Künstler, der das Kerneier Denkmal in
Bruchhausen Ettlingen geschaffen hatte, dem Namen nach bekannt.
Bad Traunstein liegt etwa 900 m hoch in Niederösterreich. Mit seinen
überschaubaren Gehöften und Häusern beherbergte es die Wirkungs-
stätte von Josef Elter. Als wir ankamen, wurden wir sehr freundlich von
Frau Spranzl willkommen geheißen, bezogen unsere Zimmer und nah-
men anschließend im Speisesaal der Bildungsstätte St. Georg das
schmackhafte Mittagessen ein. Es handelt sich hier um eine neue, sehr
ansprechende und modern eingerichtete Bildungsstätte, deren Zimmer
keine Wünsche offen lassen. Frau Regina
Sprinzl verabredete sich mit uns in der Kir-
che, welche auch „Waldvierteldom“ genannt
wird. Hier erhielten wir eine kurze Einfüh-
rung in die Entwicklung der Pfarrkirche und
sahen schon die ersten künstlerisch gestal-
teten Objekte von Pfarrer Josef Elter: die
spanische Strukturdecke, das Auferstehungs-
kreuz, das Gemeindeschiff und auf der rech-
ten Seite des Altars den Ambo (ein Vorläufer
der Kanzel). Anschließend besuchten wir das
Grab von Josef Elter. Auch hier war zu

                                 Seite
spüren, dass es ein wichtiges Anliegen des Bildhauers Josef Elter war,
die traditionellen christlichen Symbole in künstlerische Ausdrucksfor-
men unserer Zeit umzusetzen. Der Grabstein ist gestaltet aus den grie-
chischen Buchstaben Alpha und Omega. Dieser Grabstein soll ein
sichtbares Zeichen für die göttliche Gegenwart in dieser Welt sein und
knüpft an die Offenbarung des Johannes an, in dem Jesus Christus als
„das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und
das Ende“ bezeichnet wird.
Vom Friedhof gingen wir ein Stück weit den Berg hinauf zu Josef Elters
Werkstatt und schauten uns dort verschiedene Ergebnisse seines
Schaffensdrangs an. Die Ausstellung zeigt einige seiner Kunstwerke.

Diese thematisieren unter anderen schwerpunktmäßig drei Themen:
Licht und Schatten, Frauen, Mutter und Kind. Betrachtet man die
einzelnen Skulpturen, so sind sie, so Frau Sprinzl, nicht bis ins letzte
Detail ausdifferenziert. Sie verdeutlichte dies anhand verschiedener
Figuren und wies darauf hin, dass so eine Figur nicht wirklich
festgelegt ist, sondern, dass sich jeder selbst in seiner Vorstellung die
Figur ausgestalten kann. Nach der Besichtigung der Wirkungsstätte

und dem Abendessen versammelten wir uns zu einem bunten Abend.
Das Bildungszentrum St. Georg bot die idealen Voraussetzungen dazu!
Mein Ziel war es, am letzen Tag der Reise nochmal spielerisch zu re-

                                  Seite
flektieren und zu resümieren, was wir in den Tagen zuvor erfahren und
erlebt hatten. Zuerst lernten wir zum Warmwerden die typischen Tanz-
schritte für eine Polka.
Danach spielten wir ein Theaterstück, ein Liebesdrama aus dem Dorf
Kernei: „Die hübsche Liesel aus Kernei", das an Dramatik und Herz-
schmerz kaum zu überbieten war. Anschließen stellte ich 2 Personen
vor, die seit sie zu Besuch in Kernei waren, plötzlich eine völlig neue,
fremde Sprache sprachen. Ich als Moderator verstand die Sprache na-
türlich und übersetzte den Inhalt für das Publikum. Sie berichteten auf
die von mir zuvor gestellten Fragen über ihren Besuch in Kernei in Ihrer
Nonsenssprache (Meine Übersetzung war natürlich frei erfunden, und
so konnte ich meiner Fantasie freien Lauf lassen.). Beim lustigen
"Zombie Spiel" sollte die Gruppe verhindern, das "Zombie" sich auf
einen leeren Stuhl setzen konnte. Da man bekanntlich abends nicht
mehr ganz so schnell reagiert, gewann Zombie immer gegen die
Gruppe. Dabei konnte man so richtig aus dem Rahmen fallen und so
wurde sehr viel gelacht. Zum Schluss gab es noch das Kugellagerspiel.
2 Partner sollten sich zu einem von mir vorgegebenen Thema
unterhalten (meine Erwartungen, mein schönstes Erlebnis, mein
schlimmstes Erlebnis auf der Reise, Wünsche für zukünftige Reisen
nach Kernei). Dabei wurde sehr viel "widrerinnert, vrzählt un glacht ".
Alle spielten mit und ich hatte den Eindruck, dass alle ausgelassen
waren und ihre Freude daran hatten. Zum Schluss ergriff Maria
Eichenauer das Wort und dankte mir im Namen der Reisegruppe für die
gute Organisation und den erlebnisreichen Verlauf der Reise. Mit
einem großem Applaus ging auch unser letzter gemeinsamer Abend zu
Ende.

Freitag, den 01. Juni 2018
Auf der Rückfahrt ging mir so manches durch den Kopf. Die Planung
und Durchführung so einer Reise braucht viel Zeit und Sorgfalt, bedarf
einer Dramaturgie und ein gewisses Maß an Geduld und Gelassenheit
sind sicher hilfreich. Eine Besonderheit sollte bei den Abendessen ihren
Raum bekommen. Ich wollte die Wegbegleiter, die Gemeinderäte, die
seit meiner Amtsübernahme als Vorsitzender der HOG-Kernei meine
Kontaktperson waren, der Reisegesellschaft vorstellen. Durch die
Einladung wollte ich aufzeigen, aus welchen unterschiedlichen
Gründen teilweise sehr tiefe Freundschaften mit diesen Menschen
entstanden sind. Die Mitreisenden sollten daran Anteil nehmen und
erfahren, dass nicht das Pateibuch der verschiedenen Gemeinderäte
ausschlaggebend für eine Weiterentwicklung und ein gutes Verhältnis
war, sondern die Fähigkeiten der einzelnen Personen, mit denen ich bis-
her in Kernei/Kljajićevo zusammentraf. Da alle fünf Jahre eine neue
Fraktion die Aufgaben des Gemeinderats übernahm, konnte ich bisher
folgende politischen Strömungen erleben:
         Ÿ die Demokratska Stranka,
         Ÿ die Sozialistische Partei (Nachfolgeorganisation der
             Kommunisten Serbiens),
         Ÿ die Serbische Fortschrittspartei
Ich bedaure sehr, dass der Pope Svestenik Bosko nicht beim Empfang
bzw. den Einladungen zum Mittagessen anwesend sein konnte. Vor
dem Gottesdienst haben wir uns zwar in der Kirche kurz begrüßt, leider
hatten wir jedoch keine Zeit, um über die Kirche zu sprechen. Vielleicht
geschieht irgendwann doch noch ein Wunder?

Der Vortrag der Referentin Miroslava Rasic hat bei mir sehr viel
Bewunderung hervorgerufen. Dabei habe ich mir die Frage gestellt:
Wie kann man auf der einen Seite mit den unheimlich vielen
freundschaftlichen Impulsen und Gesten der Bewohner von Kljajićevo
klarkommen, wenn die Geschichte noch nicht gemeinsam reflektiert
wurde und man noch nicht zu einer gemeinsamen Bewertung der
Vergangenheit gekommen ist. Die Menschen der Erlebnisgeneration
werden immer weniger, die Kirchen und Gräber zerfallen oder werden
von der Vegetation überwuchert, und die Vergangenheit ist immer noch
nicht aufgearbeitet. Das Gegenteil ist der Fall. Da wir Menschen leider
nur allzu gern das hören, was wir gerne hören wollen, kommt es zur
Legendenbildung von Tätern und von Opfern. So ist einiges zu
beobachten, wenn sich die Kerneier als ehemalige Bewohner mit den
jetzigen Bewohnern des Dorfes mit den besten freundschaftlichen
Vorsätzen treffen. Ganz und gar unterschwellig werden die Fragen, die
man sich gegenseitig stellt, gerade von jenen ungeklärten Problemen
bestimmt. Was ist politisch erlaubt? Was darf ich sagen und zeigen?
Welche Meinung darf ich wem gegenüber wie vertreten? Auch wenn es
einem gelingt, die Vergangenheit vorübergehend auszublenden, so
schafft doch die Presse wieder für einen anderen Blick, wenn man 3
Tage später in dem Zeitungsartikel neben sehr vielen positiven
Aspekten vom 4.6.2018 -Dnevnik Novi Sad- liest:
             Übersetzung /… Zum Ende des Krieges
             siedelten fast alle Deutschen, die damals
             die Mehrheit der Bewohner im Dorf bil-
             deten, und die Restlichen - als sie mit Bun-
             desgesetzen kollektiver Schuld bezichtigt
             wurden - wegen der Zusammenarbeit mit
             der Besatzungsmacht weg. …/
Wie sollen Besucher der Erlebnisgeneration das verstehen, dass ihnen
damit damals das Recht auf Heimat abgesprochen wurde und dass nicht
erwähnt wird, dass es überwiegend Mütter mit ihren Kinder und ältere
Menschen waren, die durch die "kollektive Schuld", Kruschiwl und
Gakowa erleben mussten?

In der Beziehung der Kerneier zu den jetzigen Bewohnern des Dorfes
Kljajićevo geht es um ein gegenseitiges Verständnis, ja um ein gegen-
seitiges Tragen der geschichtlichen Lasten, für die die nächsten Gene-
rationen nichts können! Es wäre wünschenswert, dass eine politisch
gewollte uneingeschränkte beidseitige Aufarbeitung, vertreten durch
die Spitzenverbände der Donauschwaben und der Serbischen Re-
gierung, stattfindet. Da dies bislang nicht erfolgen konnte, stehe ich, der
so eine Reise organisiert vor der Frage: Alles ausblenden …? Augen zu
und durch… oder? Durch das Konfiskations- und Restitutionsgesetz
räumen die heutigen politisch Verantwortlichen in Serbien auch ein,
dass in der Vergangenheit Unrecht geschah.

  Justament dazu fällt mir ein Spruch ein, den die Kerneier Männer
         sagten, wenn es in einem Gespräch heikel wurde:

 "Jetz ist gnung, jetz missa mr ufhera, sunscht kumm mr mr zu dief
                               nei…!"

Zusammenfassend kann ich für mich feststellen. Die 50 Mitreisenden
im Alter von 2-89 Jahren, die sich für diese Reise begeistern haben las-
sen, erlebten eine Reise bei allerbester Stimmung, mit planmäßigem
Verlauf und ohne Zwischenfälle!
1. Reihe von links: Marianne Zinkenbach, Kathrin Roswitha Würtz, Adelheid Baumgärtner, Regina Kösegi, Therese Bischof,
Andrea Oswald, Elisabeth Zweifel, Stephanie Schnaufer mit Benjamin Schnaufer, Johann Bischof, Anton Schnaufer
2. Reihe von rechts Heidi Schnaufer, Ottilie Heinrich, Magdalena Wenzel, Leni Muhl, Johann Würtz, Hildegard Bea, Theresia
Dach, Theresia Eichenauer, Maria Eichenauer
3. Reihe von links: Helmut Schmidt, Shanthi Mary Würtz, Anna Brandl, Gabor Simon, Susanne Keller, Norbert Keller,
Michael Bea, Edithe Marguerite Malhache, Anna Manditsch jun., Angelika Ramos, Michael Riffner, Karlheinz Riffner, Peter
Muhl
 4. Reihe von rechts: Helmut Riffner, Eva Hübner, Anna Manditsch, Angelika Schwarz, Adreane Sovert, Elisabeth Strauß,
Karl-Heinz Brandl
5. Reihe von links: Conrad Strauß, Marie-Thérèse Lucion, Otto Lehmann, Josef Gauder, Gertrud Pfister Monika Würtz, Adam
Würtz, Eckhard Gabrys, Gerhard Heinrich, Nikolaus Müller, Herr Wagner

Nach Aussagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer machten sie
folgende Erfahrungen:
    · Alle waren sehr freundlich zu uns Kerneiern.
    · Es war sehr schön und abwechslungsreich.
    · Für jeden war etwas dabei.
    · Für den Preis war mehr Spannung geboten als sonst wo bei
       anderen Reiseanbietern und der Preis war dort sogar höher.
    · Es war mehr als nur ein Urlaub!
    · Es war identitäts- und gemeinschaftsfördernd.
    · Das Programm war vielfältig und gut organisiert.
    · Es wurde einem viel aus der Vorgeschichte von Kernei erklärt,
    · Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte
       fand statt.
    · Ein guter Kontakt zur Heimatortsgemeinschaft entstand.
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