DieJerusalëmmer - HAUPTSACHE GESUND! - Das Straßenmagazin aus dem Herzen Schleswig-Holsteins - Café Jerusalem Neumünster
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Jerusalëmmer Die Das Straßenmagazin aus dem Herzen Schleswig-Holsteins. Ausgabe 185 September 2019 2,00€ (1,00€ davon für den Verkaufenden) HAUPTSACHE GESUND!
Vorstand vorsitzender@cafe-jerusalem.org Info Leitung Café Jerusalem Bahnhofstraße 44, 24534 Neumünster Andreas Böhm Telefon: +49 (0) 4321 41755 andreas.boehm@cafe-jerusalem.org E-Mail: info@cafe-jerusalem.org www.cafe-jerusalem.org Finanzverwaltung buero@cafe-jerusalem.org finanzen@cafe-jerusalem.org Sie wollen uns schreiben? Herzlich gerne! Soziale Arbeit Nutzen Sie dafür bitte folgende Möglichkeiten: sozialarbeit@cafe-jerusalem.org E-Mail an die Redaktion: info@presse-schwitzgebel.de Hauswirtschaft design@cafe-jerusalem.org hauswirtschaft@cafe-jerusalem.org Informationen zum Café: +49 (0) 4321- 41755 Hausmeisterei (Abholungen u.a.m.) info@cafe-jerusalem.org hausmeisterei@cafe-jerusalem.org Fragen zu Spenden: finanzen@cafe-jerusalem.org Spendenkonto: Café Jerusalem e.V. V + R Bank IBAN: DE31 2129 0016 0000 020620 Mitarbeit an dieser Ausgabe: BIC: GENODEF 1NMS Dr. Frieder Schwitzgebel, Lilian Böhm, Bernadette Fisher, Andreas Böhm Impressum Layout, Satz und Idee: Café Jerusalem Herausgeber: Titelseite: Straßenmagazin L‘Itinéraire/Julie Artacho Rückseite: Kampagne Marsch für das Leben Café Jerusalem Missionarische Sozialarbeit der Fotos, wenn nicht anders angezeigt: www.pixabay.de Evangelischen Allianz Neumünster e.V. Herzlichen Dank an alle Paten! Monatliche Auflage: 1000 Exemplare Unsere Achtung gilt jedem Straßenverkäufer! Redaktion: Sie stehen bei jeder Witterung in und um Neumünster Andreas Böhm (V.i.S.d.P.) redaktion@cafe-jerusalem.org Druck: WIRmachenDRUCK GmbH Mühlbachstr. 7 71522 Backnang Nachdruck und Nebenrechte: Nachdruck: Nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangt ein- Wichtiger Hinweis gesandte Manuskripte, Fotos, Bilder oder Bücher wird keine Haftung übernommen. für den Käufer! Das Straßenmagazin von Neumünster "Die Jerusalëmmer" wird vom Café Je- Einziger Verkaufsraum des Straßenmagazins Die Jerusalëmmer ist die Stadt rusalem herausgegeben und von einer unabhängigen Redaktion gestaltet. Die Beiträge geben die Meinungen der jeweiligen Autoren wieder, die nicht not- Neumünster, deren Vororte und in Absprache mit unseren Kollegen von wendigerweise identisch mit der des Herausgebers oder einzelner Mitarbeiter des Café Jerusalem sein müssen. Die Redaktion behält sich vor, eingesandte Hinz&Kunzt sowie Hempels Bad Bramstedt und Bad Segeberg! Beiträge zu kürzen. Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kostenfrei, aber ohne Rechtsanspruch und Gewähr.
185. AUSGABE 05 10 14 18 20 22 CARTOON Frische Eier sind gut gegen Läuse... # 05 REPORTAGE Manna - Lebensmittelinitiative in Göteborg # 06 ZAHL DER AUSGABE 100 # 12 LIFEHACK Liebe geht durch den Magen # 13 INSP Das falsche Ideal des perfekten Körpers # 14 LEBENSBILDER Conny - Mitarbeiter in der Kirchengemeinde Smyrna - Göteborg # 22
Liebe Leserin und lieber Leser! HAUPTSACHE GESUND!!! - ? Ab Seite 6 lesen Sie über ein Projekt, Bahn geworfen hat er eine neue Chan- das wir in Göteborg besucht haben. Es ce bekommen und sie ergriffen. Und Diesen Satz höre ich in vielfältiger ist auf eine ähnliche Weise entstan- das Geschenk, was er erhalten hat, Formulierung immer wieder. Egal ob den wie das Café Jerusalem, arbeitet lässt er nicht mehr los. Zudem wirbt die Gesprächsparteien beim Einkauf ganz anders und öffnet ebenso seine er mit allem, was er kann und hat um im Supermarkt oder im Wartebereich Türen für alle Menschen in der Gesell- Nachahmer. beim Frisör sitzen, wenn das Thema in schaft. Begegnen, wahrnehmen und irgendeiner Art und Weise den Alltag einander dienen sind wichtige Werte Als letzten Artikel im Vorwort möchte und das Menschsein betrifft, so heißt dieser Arbeit in Schweden. ich Ihnen die Firma „Förde Garnelen“ es sehr oft: „...Hauptsache gesund!“. ans Herz legen. Sie finden den Beitrag Außerdem haben wir eine neue Ru- auf den Seiten 24 und 25. Und glau- Längst ist diese tiefe Überzeugung brik mit aufgenommen. Sie handelt ben Sie mir, wenn Sie ihn gelesen ha- auch ein „Verkaufsschlager“ gewor- von Begegnungen oder solchen, die es ben und zu den Menschen gehören, den. Allem voran die Lebensmittel- noch werden können und, nennt sich die ganz gerne auch mal tiefgefrorene branche, die es immer wieder schafft, „Jerusalëmmer trifft...“. Entstanden ist Garnelen aus dem Supermarkt essen, uns Verbrauchern noch einen neuen sie im Juli aus einer kurzen Begegnung kommen Sie an einer Verhaltensver- Weg aufzuzeigen, wie wir uns gesund mit einer Verkäuferin des benachbar- änderung nicht mehr vorbei. ernähren können und gleich „zwei ten Straßenmagazins in Dänemark. Fliegen mit einer Klappe schlagen“ Sie finden Sie auf Seite 20. Auf einen Und wie schon so manches Mal möch- zu können. Wir brauchen unseren Le- zweiten Bericht zu dieser neuen Rub- te ich Ihnen auch in dieser Ausgabe bensumstand nicht verändern und sie rik können Sie sich auch schon in der danken, dass Sie uns und Ihrem Ver- verdienen unglaubliche Summen Geld Oktoberausgabe freuen. kaufenden treu geblieben sind. Sie mit Dingen, die außer zum Geldver- verändern damit Leben und schätzen dienen nicht wirklich nützlich sind. Auf der Seite 22 lernen Sie Conny Leben wert, weil Sie Menschen sehen, kennen. Wir haben diesen Text mit die in unserer Gesellschaft am Rande In unserer Septemberausgabe erwar- „Conny - ein Leben mit Ausstrahlung“ leben. Danke, dass Sie uns dabei un- ten Sie eine Vielzahl von Berichten überschrieben. Spätestens, wenn Sie terstützen, dass das sich ändert! rund um das Thema Gesundheit und ihm begegnen würden, verstünden Ernährung. Sie warum. Drogenabhängig, kriminell Herzlichst Ihr und mit seinem Leben völlig aus der 4
(185.) Ausgabe #9 • 2019 Eier gegen Läuse, Gesundheit gegen Mäuse Es gibt Dinge, die sind nicht käuflich, zielen, wecken tiefsitzende Sehnsüch- möl gesund und munter! Aber da- sogar in unserer Welt, wo Geld fast te, die manchmal sogar die Vernunft mit werden nicht nur Halsweh oder alles möglich macht. Die eigene Ge- aushebeln. In den USA gab es zum Schuppen behandelt. Heilpraktiker sundheit oder die der Familie ist ein Beispiel eine Firma, die eine Zeitlang schießen in Deutschland wie Pilze solches Gut! Sie wird von den meis- als Milliardenunternehmen gehandelt aus dem Boden. Denn auch mit der ten an erster Stelle genannt, wenn wurde, weil sie das Gesundheitssys- Abkehr von konventionellen Behand- man sie nach ihren Wünschen fragt. tem revolutionieren wollte. Mit nur lungsmethoden kann Geld verdient Und sie ist das, was am wenigsten in einem Tropfen Blut sollte man zu werden. Dabei ist die Auswahl an al- unserer Macht steht, auch wenn uns Hause alle bekannten Bluttests ma- ternativer Medizin groß. Wer sich mit die Pharma- und Wellness-Industrie chen können. Krankheiten sollten so den unterschiedlichen Richtungen anderes suggeriert. Denn mit dem früher erkannt werden. Heute steht befasst, kann ganz wirr werden. Thema Gesundheit lässt sich viel die Firmengründerin Elizabeth Hol- Geld verdienen! Wer möchte nicht mes wegen Betrugs vor Gericht. Klar ist vor allem eines: Die Einsicht, bis zu seinem Tod gesund oder gar dass sich manche Dinge unserer Kon- jung bleiben? Angesichts solcher revolutionärer trolle entziehen, ist keine leichte. Ideen loben wir uns doch die gu- Versprechen, die in diese Richtung ten alten Hausmittel. Mit Teebau- B. Fisher 5
Manna - die Lebensmittel-Initiative der Smyrna-Gemeinde in Göteborg J REPORTAGE Wir treffen Tomas Sjödin im August gramm, erzählte er nun in Cuxhaven. war sein Lebensmittelpunkt zuhause. Er im Café der Smyrna-Gemeinde in Gö- Neugierig geworden, wie die Gemeinde habe als Autor gearbeitet. U.a. habe er teborg. Das erste Mal begegneten wir das organisiert, sprachen wir ihn an. regelmäßig eine Kolumne in einer Göte- ihm allerdings wenige Wochen zuvor borger Tageszeitung - Göteborgs Posten auf dem Dünenhof, einem christlichen Zudem nahmen wir als Redaktion Kon- verfasst. Seit 12 Jahren arbeite er mit ei- Veranstaltungszentrum in Cuxhaven. takt auf zu unseren Kollegen der Gö- ner Teilzeitstelle von 50 % wieder in der Er war als Referent eingeladen und be- teborger Straßenzeitung Faktum und Gemeinde als Pastor. Er sei v. a. für die richtete von Dingen, die ihm wesentlich fragten nach, ob sie diese Arbeit kennen sozial-diakonischen Bereiche zuständig geworden waren in den letzten Jahren. würden. Erstaunt hörten wir, dass dies und die Seelsorgearbeit. Die Gemeinde Er ist der Verfasser von mehreren Bü- nicht der Fall war. Wir begannen dar- wuchs in den Jahren sehr. Bis zu 3500 chern und in Schweden Bestsellerautor. aufhin, ein gegenseitiges Kennenlernen Mitglieder habe die freie Gemeinde Einige seiner Bücher sind inzwischen der Arbeitsbereiche zu planen und zu gehabt, die zu der Pfingstbewegung auch in Deutschland zu haben. Mit zu organisieren. Erfreulicherweise zeigten gehört. Etwa 1500 - 2000 Menschen den Erlebnissen, die seinem Leben Tie- sowohl Tomas und die Mitarbeiter der kämen am Wochenende zu den Gottes- fe geben, zählen die Gebetszeiten vor Smyrna-Gemeinde als auch die Kollegen diensten. der „Armenspeisung“ seiner Gemeinde, der Faktum-Redaktion Interesse und so eine Art Tafel/Lebensmittelspende-Pro- statteten wir ihnen einen Besuch ab. Vor einigen Jahren wurde dann die Sup- penküche gestartet, um Menschen in Tomas erzählte jetzt, 1984 habe er hier Not an einem Tag in der Woche ein war- in der Gemeinde mit der Arbeit begon- mes Mittagessen anzubieten. nen, sei aber nicht die ganze Zeit als Pastor tätig gewesen. Etwa 10 Jahre Seit etwa 3 Jahren werden an den an- habe er keiner festen Arbeit nachgehen deren Wochentagen Lebensmitteltüten können. Es sei die Zeit gewesen, wo ausgegeben. In den Wochen der Som- seine Familie ihn gebraucht habe. Zwei merferien werden die Ausgabetage auf seiner drei Söhne waren von einer gene- 2 Tage pro Woche gerafft, die Ausga- tischen Erkrankung betroffen, die sich bezeit dafür verlängert, damit alle, die erst im späteren Kindesalter bemerkbar auf diese Lebensmittel angewiesen sind, macht, aber nach einigen Jahren töd- auch in den Sommermonaten versorgt lich endet. In diesen schweren Jahren seien. In der Zeit wird die Registrierung Tomas Sjödin - einer der Pastoren der Smyna-Gemeinde 6
(185.) Ausgabe #9 • 2019 vor der Ausgabe im Freien durchge- Empfänger dann das Programm auch Name wurde gesucht. Heute heißt das führt. Ein kluges System, das nur die verlassen, um (zunächst) anderen - Programm „Manna“, man kann es auf nötigsten Daten erfasst und mit maxi- noch Bedürftigeren oder Menschen auf den T-Shirts der Mitarbeiter lesen. Die maler Verbindlichkeit kombiniert, gibt der Warteliste Platz zu machen. Idee dazu hatte eine Muslima aus dem Auskunft über die Größe der Familie, Iran. Manna, das Brot in der Wüste, mit die hinter dem Einzelnen steht, Un- In einem zweiten Treffen am Nach- dem Gott sein Volk versorgte. „Ever- verträglichkeiten/Allergien oder Spei- mittag kommen Tina, seit acht Jahren ything comes from heaven, from the sevorschriften (kein Schweinefleisch) eine Diakonin der Gemeinde, und Sarah Lord.“ Zudem reichte das Manna immer und auch dem Zeitpunkt, seit wann die Britz, Chefredakteurin der Göteborger für den einen Tag, an dem es gesammelt Unterstützung in Anspruch genommen Straßenzeitung Faktum, hinzu. Auch wurde. Es war immer genug. Sammelte wird. Zudem hat jeder Empfänger eine Sarah hat über Jahre regelmäßig für die man mehr, war es am nächsten Tag ver- genaue Uhrzeit, auf eine Viertelstunde Kolumne im Göteborgs Posten geschrie- dorben (nachzulesen im Alten Testament, ab eingeengt, wo er mit der Ausgabe dran ben und Tomas Beiträge gelesen, kannte 2. Mose, Kapitel 16). ist - quasi ein echter Termin. Dadurch ihn aber bis zu diesem Moment nicht. werden längere Schlangen vermieden, Das Wort „Lebensmittel-Tüte“ stellt die ganze Lebensmittelausgabe ver- Das „Food-Programm“ sei vor ca. 6 Jah- sich dabei als Irrtum heraus. Die re- laufe jetzt reibungsloser und für jeden ren neben der Suppenküche um die Idee gistrierten Empfänger kommen in der deutlich angenehmer. Außerdem wisse der Lebensmittelspenden ergänzt wor- Regel mit einem kleinen Rollwagen, in jeder, wann er an der Reihe sei, ein Zu- den. Bis dahin wurde immer einmal pro Deutschland von manch einem liebevoll kurz-Kommen gäbe es nicht. Einmal re- Monat im Rahmen des Gottesdienstes „Hackenporsche“ genannt. Dieser wird gistriert, kann jemand für 6 Monate an Geld für Bedürftige gesammelt. Ein jun- von den Mitarbeitern mit Milchproduk- der Ausgabe teilnehmen, ohne sonstige ges Mädchen sei nach dem Gottesdienst ten, Gemüse, Obst, aber auch Fleisch/ Verpflichtungen. Die Lebensmittel sind auf Tomas zugekommen und habe ihn Geflügel und Fisch, aber auch Nudeln an keine andere Bedingung geknüpft, gefragt, ob es nicht möglich wäre, statt und Reis gut gefüllt, je nachdem, was die Ausgabe kostenfrei. Da der Andrang Geld an Einzelne Lebensmittel an viele diese Woche gerade verfügbar ist. aber groß ist und nicht alle Bedürftigen zu verteilen. Die Arbeit fing in einem auf diese Weise versorgt werden kön- kleinen, bis dato kaum genutzten und Die beiden Smyrna-Mitarbeiter erzäh- nen, wird nach 6 Monaten das Gespräch kaum auffindbaren Gemeinderaum an. len, dass sie vor etwa zwei Jahren eine gesucht, wenn die Empfänger weiterhin Von Spendern wurden die Lebensmittel Art Karte für Göteborg erstellt hätten, versorgt werden wollen. Die Mitarbei- eingekauft und zur Verfügung gestellt. auf der vermerkt ist, wo man in Göte- ter erfassen dann den Hintergrund der Später konnten Supermärkte für die Un- borg welche Unterstützung für wen Notsituation, auch die finanzielle Situ- terstützung gewonnen werden. Damals findet. So konnten vor Ort ungefähr ation wird besprochen, Lösungen und seien etwa 5-10 Lebensmitteltüten pro 20 unterschiedliche Projekte ausfindig selbst unternommene Schritte werden Woche ausgegeben worden. Die Arbeit gemacht werden, in anderen Kirchenge- nachgefragt und gesucht. Ggf. muss der wuchs, wie oben schon ausgeführt. Ein meinden, aber auch darüber hinaus. Die Vorbereitungen im „Trockenlager“ für die nächste Ausgabe. 7
Der Frontbereich der Kirchengemeinde grenzt an einen kleinen Platz und lädt zum Verweilen ein. REPORTAGE Smyrna-Gemeinde hat für sich erkannt, meindemitglieder oder Christen sind ten Einblick in ihre Lebensgeschichte dass ihre „Begabung“ in diesem Be- oder nicht. So seien auch Moslems oder geben, ihre Werte offenlegen. Zudem reich das Versorgen der Menschen mit andere Religionen bei den Helfern ver- wird ihnen erklärt, dass das eine kirch- Lebensmittel ist. Wenn es andere Be- treten. Bedingung sei jedoch, dass die liche Arbeit ist, sie mit gläubigen Chris- dürfnisse gibt wie Kleidung, Möbel oder Mitarbeiter die Regeln akzeptierten, das ten zusammenarbeiten. Ein weiterer sonstiges, können sie die Menschen an Gebet zu Beginn des Austeilens sowie Schwerpunkt ist, die eigenen Talente zu andere Initiativen verweisen. Durch die die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiten- benennen und zu erkennen. Auch die Konzentration auf den Bereich, in dem den tolerierten. An jedem Ausgabetag eigenen Träume werden erfragt. „Wo- sie sich gut auskennen und organisiert seien etwa 12-14 Mitarbeiter beteiligt. für brennst du?“ Die Mitarbeiter sollen sind, konnten sie ihre Arbeit so gut aus- Auch manch ein Empfänger der Lebens- so nach ihren Gaben eingesetzt werden. bauen. Entscheidendes Wachstum er- mittelspenden arbeite mit. Allerdings Manche erfahren erst in diesen Gesprä- hielt ihre Arbeit durch einen iranischen bekommen die Mitarbeiter keinerlei chen, dass sie Gaben und Talente haben Mitarbeiter, der gute Kontakte zu Groß- Lohn für ihre Arbeit, auch nicht eine und wertvoll sind. Das machte sie zu ei- händlern herstellen konnte. So wird das einzige Banane. Die Lebensmittelausga- ner sehr motivierten Gemeinschaft. Auf Lebensmittelprogramm der Gemeinde be an die Bedürftigen laufe völlig unab- diese Weise arbeiten die Mitarbeiter mittlerweile von 8 Großhändlern im hängig von der eigenen Bedürftigkeit, es trotz ihrer Unterschiedlichkeit wunder- Raum Göteborg unterstützt. Die Mit- gebe keine Privilegien für die Mitarbei- bar zusammen. „Wir versuchen, sie so arbeiter starten an den Ausgabetagen ter. gut zu behandeln, wie wir können“, ist schon um 10 Uhr mit der Abholung ein Satz, der hängen bleibt. der Lebensmittel vor Ort. Das ist sehr Es kann passieren, dass jemand den aufwendig. Inzwischen können an je- ganzen Morgen mitarbeitet und am Ein weiterer wichtiger Teil des Erfolgs ist dem der 4 Ausgabetage je 70 Familien Nachmittag in der Schlange ansteht, Conny, einziger hauptamtlich Angestell- mit Essen versorgt werden für den Wo- um seine Lebensmittelration zu erhal- ter für diesen Bereich. Er kam vor eini- chenbedarf. Es gibt etwa 60 freiwillige ten, weil er selbst als Bedürftiger regis- gen Jahren aus einem zerstörten Leben Helfer in dem Projekt. Sowohl die Emp- triert ist.Trotzdem sei der Andrang zur in die Smyrna-Gemeinde und zurück zu fänger der Lebensmittel als auch die Mitarbeit groß! Viele wollen Teil dieser einem Leben mit Jesus. Seitdem hat sich Helfer seien bunt gemischt. Schweden Gemeinschaft sein. Die Bewerber ha- sein Leben völlig verändert. „Er spricht und Einwanderer seien gleichermaßen ben einzeln ein intensives Gespräch dauernd von Jesus“, sagt Tomas. Aber darunter. Bei den Helfern werde auch mit zwei Mitarbeitern, bevor sie mitar- die Leute verhalten sich Conny gegen- nicht danach unterschieden, ob sie Ge- beiten können. Darin müssen sie ech- über anders. Sie haben keine Scheu vor 8
(185.) Ausgabe #9 • 2019 ihm, vertrauen ihm, er ist authentisch. Conny predige mit seinen Worten, aber auch mit seinem Leben. Das sei etwas anderes, als wenn konfrontativ ge- predigt werden würde. Conny sei der Schlüssel für diese Veränderung. Ohne ihn hätte die Arbeit nicht die gleiche Frucht. Tomas sagt, ihm mache es jetzt sehr viel mehr Spaß, die Kirche zu sein, die sie jetzt sind. Früher standen hier „dicke Autos“ auf dem Parkplatz zu den Got- tesdiensten. Jetzt sei die Gemeinde viel lebendiger, im Leben angekommen. Das „Manna“-Programm sei aber nicht Mit- tel zum Zweck der Evangelisation. „Wir machen das, weil die Menschen Essen brauchen Punkt!“ Allerdings kommen Sarah Britz, Chefredakteurin des Straßenmagazin faktum und Tomas Sjödin manche eben auch in die Gottesdiens- te, weil sie die Gemeinschaft erleben, die Versorgung oder auch, weil sie seine Kolumnen und seine Bücher lesen. 2022 wird die Smyrna-Gemeinde ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Die jet- zigen Räumlichkeiten sind zu klein ge- worden. Ein neues Gelände ist auf der anderen Seite des Flusses - gegenüber der Göteborger Oper - gefunden. Dort soll neu gebaut werden. Tomas ist sich sicher, dass die Bedürftigen die Gemein- de auch dort aufsuchen und finden wer- den. In den größeren Räumlichkeiten könnten sie dann noch besser ihre Hilfe organisieren. CREATE_PDF2201090248_2.1.EPS;(91.72 x 45.16 mm);27. May 2009 19:17:58 Langsam füllt sich der Bereich der Anmeldung für eine Lebensmittelspende an diesem Mittag. 9
Landwirtschaft für alle! Der niederländische Hof van Twello knüpft an die mittelalterliche Tradi- tion kooperativer Landwirtschaft an. Er verbindet kleinbäuerliche Selbst- versorgung mit der Produktion von Biogemüse und -obst zu besonders günstigen Preisen und zieht jährlich 40.000 umweltbewusste Besucher an. Unsere Tokioer Kollegin Sayuri Kusama besuchte den Hof für die japanische Straßenzeitung „The Big Issue Japan“. Oben: „Auf diesem Bauernhof haben alle – vom Akademiker bis zum Menschen mit Behinderung – die Möglichkeit, in ihrer gewünschten Weise zu arbeiten“, sagt Bauer Jansen. „Ich betrachte den Hof van Twello als Gegenpol zu unserer heutigen Gesellschaft, die Menschen, die Text und Fotos: Sayuri Kusama nicht genug leisten, für überflüssig hält. Ich setze eine Alternative zum Kapitalismus in die Praxis um.“ The Big Issue, Japan Ich möchte Bio-Produkte kaufen, den durch die Senkung der Arbeits- Zurzeit produzieren 25 „Kleinbau- aber es ist einfach zu teuer!“ Eine kosten ermöglicht. Hofbesitzer Gert ern“ etwa die Hälfte des Obstes und TITELTHEMA nicht unbedeutende Zahl von Men- Jansen erklärt: „Bioprodukte kosten Gemüses, das im Hofladen verkauft schen denkt wahrscheinlich so, ob- so viel, weil Aufgaben wie das Un- wird. Koos baut hier zwei Sorten wohl die Zahl der Bioabteilungen in krautziehen viel Arbeit erfordern.“ Kartoffeln an und erzählt: „Mein INSP Supermärkten in den letzten Jahren, Garten zu Hause ist einen Kilome- auch in Japan, stetig gestiegen ist. ter entfernt. Er hat genug Platz für Der Preisunterschied zwischen „nor- Auf der Suche nach einer Möglich- einige Blumen, aber nicht für den malem“ Obst und Gemüse und sei- keit, Bioprodukte zu einem vernünf- Gemüseanbau. Mir gefällt, dass ich nen ökologischen Gegenstücken ist tigen Preis anzubieten, kam Jansen durch diese Art von Arbeit etwas sowohl in Japan als auch im Westen auf die Idee, Einheimische mit einem Bewegung bekomme.“ ein Problem. Interesse am Gemüseanbau dazu zu bringen, als Bürger auf dem Bauern- Aufbau einer lokalen Wirtschaft hof zu arbeiten – ein altes Landwirt- Der Ort Twello in der niederländi- schaftsmodell aus dem Mittelalter. Saatbeete, Gartenbedarf, Milchpro- schen Provinz Gelderland hat 13.000 Die Einheimischen einigten sich dar- dukte, Würstchen, Trockenfutter Einwohner. Der nächste Bahnhof ist auf, Pflanzen auf den vom Bauernhof und Alkohol werden neben Frisch- 20 Minuten mit dem Fahrrad ent- geliehenen Flächen anzubauen, um produkten ebenfalls im Hofladen fernt. Hier liegt die 2003 gegründete im Gegenzug qualitativ hochwerti- verkauft. Die meisten Lebensmittel Kooperative van Twello, auf der im gen Boden, organischen Dünger und stammen von 35 lokalen Herstel- Laufe des Jahres bis zu 45 Obst und landwirtschaftliches Know-how zu lern. „Die Einheimischen stellen die Gemüsesorten ohne chemischen erhalten. Die Hälfte der geernteten Produkte in der Region her“, sagt Dünger oder Pestizide angebaut Pflanzen erhalten die Teilnehmer, die Jansen. „Ich wollte diesen Hof zum werden. In den Niederlanden kos- andere Hälfte wird im Hofladen ver- Zentrum eines Systems abseits der ten Bioprodukte, die in Supermärk- kauft. industriellen Landwirtschaft ma- ten verkauft werden, doppelt oder chen, das Geld lokal zirkulieren dreimal so viel wie nicht-biologische lässt.“ Produkte. Im Gegensatz dazu kos- Ein Gemeinschaftsgarten als Hob- ten Bioprodukte im Direktverkauf by und die freiwillige Teilnahme am Jansen kam nach seinem Abschluss des Hofs van Twello nur etwa das landwirtschaftlichen Betrieb – das an einer landwirtschaftlichen Uni- 1,2-fache. Die niedrigen Preise wer- ist das Geschäftsmodell des Hofs. versität in Mexiko auf den Gedanken.
(185.) Ausgabe #9 • 2019 „Ich arbeitete als landwirtschaft- Menschen eine direkte sensorische licher Berater in einer ländlichen Verbindung zur Natur zu vermitteln. Kommune und man sagte mir, ich Ein Café in einem Gewächshaus lockt solle den Einheimischen landwirt- auch im besucherschwachen Winter schaftliche Praktiken beibringen, die Gäste auf den Hof. Die Gerichte und auf Pestizide und Düngemittel von Desserts auf der Karte werden aus großen Chemieunternehmen aus dem Gemüse und Obst hergestellt, den USA und Europa zurückgreifen“, das auf dem Hof wächst und direkt Unten: Der „Hofladen“ der neben vielen Ein- erklärt er. Das bedeutet: „Wenn sie vor ihren Augen geerntet wird. kaufsmöglichkeiten auch die Möglichkeit sich zu diese Produkte nicht weiter kaufen informieren gibt. würden, könnten sie nicht mehr pro- duzieren. Es ist falsch, solche Prak- tiken ,Entwicklungshilfe‘ zu nennen. Ich war schockiert zu erfahren, dass Menschen nur 15 Kilometer von der Stadt entfernt an Hunger sterben. Als ich nach Hause zurückkehrte, beschloss ich, einen Bauernhof zu gründen, der der lokalen Gemein- schaft zugutekommt.“ Jansen fährt fort: „Eine lokale Wirt- schaft aufzubauen bedeutet, über eine nachhaltige Wirtschaft auf menschlicher Ebene nachzuden- ken. Hier gibt es keine Ausbeutung durch große Kettenhändler, die als Vermittler fungieren.“ „Als wir In- vestitionen benötigten, haben wir uns nicht auf Banken verlassen, son- dern uns Geld von der lokalen Ge- meinschaft geliehen. Unser Hof ist unabhängig von der kapitalistischen Wirtschaft, in deren Mittelpunkt große Konzerne wie Pestizidprodu- zenten stehen.“ Darüber hinaus nutzt die Koope- rative den „grünen Tourismus“ als weitere Einkommensquelle. Jährlich wandern rund 40.000 Menschen auf dem zwei Kilometer langen Bar- fußpfad des Hofs van Twello, wo sie über feuchten, schlammigen Boden und durch Bambushaine gehen und plötzlich auf ein verstecktes Feld Oben: Im europäischen Mittelalter waren die Gemeingüter Räume, in denen Einheimische (Bürgerliche) treffen. Der Weg wurde als natür- das Land gemeinsam bewirtschafteten. Kooperativen wie der Hof van Twello beleben dieses System wieder. Außerdem ist kann es zu einem wunderbaren Ort der Gemeinschaft werden. liche Attraktion angelegt, um den 11
Zahl der Ausgabe 100 Jahre sollen sie werden: Die heute Geborenen. Tatsächlich steigt die Lebenserwartung immer weiter an. Seit der Indus- trialisierung werden die Menschen im Durchschnitt drei Mo- nate älter pro Jahr. Für Menschen, die heute 30 Jahre sind, wird ein Lebensalter von mehr als 90 normal sein. Und wie ZAHL DER AUSGABE gesagt: Kinder, die jetzt zur Welt kommen, werden wohl min- destens 100 Jahre alt werden. Die Frage ist: Woran liegt das? Es scheint erwiesen, dass die Gene nur etwa zu einem Viertel für die Lebensspanne verant- wortlich sind. Langlebigkeit kann also nur zum Teil vererbt werden. Untersuchungen an Zwillingen ergaben, dass der Einfluss der Gene auf die Lebensspanne vor dem 60. Lebens- RESTAURATION IN DER STADTHALLE jahr zwar gering ist, mit steigendem Alter jedoch zunimmt. TELefon 04321 44626 · www.JOHANN-UND-AMALIA.de · ÖFFNUNGSZEITEN: TÄGLICH von 9 BIS 22 UHR Heute suchen Forscher im Erbgut von Menschen, die sehr alt geworden sind, nach einem Gen, das die Information „lang- sam altern“ enthält. Ein anderer Ansatz ist die Suche nach Selbstheilungskräften in der DNA. Enzyme reparieren unsere DNA, die von Umwelteinflüssen beschädigt wird. So gibt es zum Beispiel eine Krankheit, die zum vorzeitigen Altern führt, genau weil das Reparier-Enzym nicht funktioniert. Der Körper kann sich nicht mehr heilen, er altert und stirbt vorzeitig. Wie alt Menschen jemals werden können, ist noch unklar. Manche sprechen von einer maximalen Lebenserwartung von 130 Jahren. Laut unserer Bibel wurde der älteste Mensch 969 Jahre alt: Methusalem. Er war der Großvater von Noah. Sein Name wurde zum Synonym für Langlebigkeit überhaupt. Wahrscheinlich wollte man mit seinem hohen Alter aufzei- gen, wie lange das Geschehen in der Vergangenheit liegt. In Wirklichkeit wurden damals Menschen eher 30 Jahre alt. So alt wie Methusalem werden wir wohl nie. Aber das ist ja auch gar nicht erstrebenswert, oder? Bernadette F. 12
(185.) Ausgabe #9 • 2019 Lifehack Vielleicht haben Sie in den letzten Wochen oder Monaten schon einmal von dem Wort „Life Hack" gehört und sich gefragt, was es damit wohl auf sich hat? Wir haben uns für Sie erkundigt! Die englischen Worte ‚Life‘ und ‚Hack‘ bedeuten auf deutsch ‚Lebens-Tricks‘. ‚Erfunden‘ wurde der Begriff im Jahre 2004 von einem britischen Technologiejournalisten. Die Tipps, die man unter diesem Begriff findet, sollen helfen, den Alltag zu vereinfachen. Es geht darum, mit cleveren Strategien ein normalerweise immer wiederkehrendes Problem zu lösen und somit Zeit zu sparen. Meist sind die Tricks äußerst ungewöhnlich und im ersten Moment scheint der Vor- schlag, der Ihnen gemacht wird, vielleicht unsinnig - doch lassen Sie sich nicht abschrecken! Probieren Sie doch mal unsere lebenserleichternden Tricks aus!. Bernadette F. LIEBE GEHT DURCH DEN MAGEN, WIR MACHEN KOMMUNIKATION, IDEENREICH UND ZIELORIENTIERT. UND WAS NOCH? Hausmittel für Magen-Darm-Erkrankungen LIFEHACK INMEDIUM GmbH · Kommunikationsagentur Neumünster · Hamburg hallo@inmedium.net · inmedium.net Seit Büchern wie „Darm mit Charme“ wissen wir alle, wie wichtig eine gute Ver- dauung ist. Immer wieder passiert es aber, dass uns Viren oder Bakterien für eine Zeitlang an Bett und Toilette fesseln. Oft gehen diese Magen-Darm-Erkrankungen so schnell, wie sie gekommen sind. Hausmittel können allerdings helfen, die Symptome wie Erbrechen und Durchfall zu lindern. Die Krankheitsdauer wird dadurch allerdings nicht verkürzt. In manchen Fällen muss sogar ein Arzt aufgesucht werden. Geriebener Apfel, Bananenbrei und Karottensuppe Die beiden wichtigsten Gruppen, die gegen Durchfall helfen, sind: Adsorbentien und Quellstoffe. Adsorbentien können Bakterien, Gifte und Viren adsorbieren, also bin- den. Diese Verbindungen kommen in Äpfel, Karotten, Bananen, Zitrusfrüchten, Apri- kosen und Eichenrinde vor. Leinsamen und Flohsamen Quellstoffe binden nicht Giftstoffe, sondern Wasser im Darm. Dadurch nimmt der Stuhl an Volumen zu. Durch das Aufquellen umhüllt der Stuhl im Darm die Bakte- rien und Giftstoffe, so dass diese ebenfalls ausgeschieden werden. Bei Verstopfung tragen die Quellstoffe durch die Wasserbindung zur Stuhlerweichung bei. Typische Quellstoffe sind Flohsamenschalen und Leinsamen. Übrigens hat der Flohsamen nichts mit den Tierchen zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine Pflanze, die vor allem in Arabien und Indien wächst. Seinen Namen hat er wohl daher, dass die reifen Samen wie hüpfende Flöhe aus der Fruchtkapsel sprin- gen. 13
TITELTHEMA INSP 14
(185.) Ausgabe #9 • 2019 Das falsche Ideal des perfekten Körpers Der Druck, sich einem bestimmten Körper- oder Gesundheitsideal zu unterwerfen, ist heutzutage auch wegen des Wachstums von Social Media und Apps enorm. Soziale Netzwerke, Werbung und Zeitschriften erinnern uns ständig daran, dass unser Körper etwas ist, dem wir besondere Aufmerksamkeit schenken sollten. Aber wie hoch ist der Preis für einen schönen Körper? Von Camille Teste | Fotos: Julie Artacho Vor einiger Zeit erschien auf Instagram man immer neue Wege zur Perfektion „Die Philosophie hat keine solide wis- eine kleine Anzeige, die NutzerInnen suche. Die sei jedoch nur ein soziales senschaftliche Grundlage, und es ist vorschlug, „Photable“ herunterzuladen, Konstrukt. Die Konsequenzen: Die Apps sehr schwierig zu definieren, was ge- eine App, die Personen auf Fotos diskret sendeten „vergiftete Nachrichten“ an sund ist und was nicht“, erklärt Rutled- per Click mit Bauchmuskeln oder einem ihre NutzerInnen, erklärt sie. „Ich ermu- ge. „Es ist normal, Lösungen zur Verbes- bronzenen Hautton versehen kann. Die tige meine Patienten immer, sich zu fra- serung des Wohlbefindens finden zu App kam pünktlich zum Sommer. In gen, wie sie sich fühlen: Wenn die Zeit wollen. Aber Gesundheit ist komplexer Sekundenschnelle zur Bikinifigur und in in diesen Netzwerken Stress verursacht, als das Schwarzweiß der ,Clean-Ea- den sozialen Medien endlich aussehen muss man aufhören.“ ting‘-Gurus.“ wie Influencer, die neuen Vorbilder nicht zuletzt für einen optimierten Körper. Die Bloggerin Jordan Younger hat mit Apps wie „Pump Up“ gehen noch wei- Reinheitswahn ihrer Seite „The Balanced Blonde“, dazu ter. Als soziales Netzwerk laden sie ihre beigetragen, die Bewegung bekannt zu Tausenden Nutzer ein, Fotos und Daten Im Wettlauf um einen idealen Körper ist machen. Sie riet ihrer Community, eine ihrer sportlichen Aktivitäten zu veröf- das, was wir essen, zu einem Schlüssel- vegane, rohe, zuckerfreie, getreide- fentlichen und auf Fotos die im Laufe faktor geworden. Auf Instagram und in freie und hülsenfrüchtefreie Ernährung der Monate gestrafften Oberschenkel Sport- und Gesundheits-Apps sind Kon- zu befolgen. Im Jahr 2013 verkaufte oder neu definierten Arme zu zeigen. ten mit Tausenden von Abonnenten da- sie innerhalb von fünf Tagen mehr als Dazu schickt man sich Motivations- und rauf spezialisiert, Bilder von „gesunden“ 40.000 Exemplare ihres „Entgiftungs- Sinnsprüche wie: „Nichts ist leichter, du Mahlzeiten zu inszenieren. Oft werden programms“ auf Basis eines grünen bist einfach stärker geworden!“ Für die diese Illustrationen von dem Hashtag Pflanzensafts. „Seit einiger Zeit gibt es Montrealer Ernährungswissenschaftle- #eatclean begleitet. Die seit einigen diese seltsame Idee, dass wir, wenn wir rin Lisa Rutledge erklärt sich die Sucht- Jahren beliebte Philosophie des „Clean Fastfood essen, zum Ausgleich Entgif- wirkung dieser Art von Medien durch Eating“ besteht darin, nur so genannte tungsprodukte brauchen“, sagt Marie die menschliche Neigung, unsere Leis- „unverarbeitete“ Lebensmittel zu essen. Watiez, Ernährungspsychologin an der tung mit der anderer zu vergleichen. Sie Eine recht vage Definition, die auf der Universität Quebec in Montreal, die glaubt: Beim Betrachten der Bilder be- radikalen Vorstellung beruht, dass die über aktuelle Ernährungstrends rechnen wir den Abstand zwischen den meisten uns zur Verfügung stehenden verärgert ist. Modellen und unserem eigenen Körper Lebensmittel unreiner Natur sind. – eine Art, sein Ego zu quälen, indem Jordan Younger wurde übrigens krank. 15
TITELTHEMA INSP Die Diät, die die junge Frau als Weg zur Body Today“, sind wir von einer Welt, perativ geworden ist? Isabelle Quéval: Mit freundlicher Genehmigung Gesundheit verkaufte, ließ ihre Haare in der der Körper den Unwägbarkeiten „Man muss dünn, jung, schön und fit von L‘Itinéraire / INSP.ngo ausfallen, unterbrach ihre Periode und des Lebens ausgesetzt war, zu einer sein, um in Beziehungen und im Berufs- gab ihrer Haut einen Orangeton, der Möglichkeit übergegangen, in der der leben erfolgreich zu sein. Es gibt einen darauf zurückzuführen war, dass sie als Körper formbar ist, sich mit Nahrung, hohen Druck, alle diese Standards zu einzige Kohlenhydrate Süßkartoffeln Sport und mit medizinischen Eingriffen erfüllen.“ Muss man fit sein, um ge- und Karotten zu sich nahm. „Ich wuss- verändern lässt. Dadurch ist er zu einem liebt zu werden? Das nimmt auch Lisa te, dass ich ein Problem habe“, sagt sie Werkzeug geworden, und „damit ist das Rutledge an: „Heute werden sehr dünne heute. Unter ärztlicher Anleitung stellte Schicksal in meiner Hand“, erklärte Qué- Körper als ,normal‘ angesehen“, sagt sie. sie sich ihrer Angst vor allem, was ihrem val in der Fernsehsendung Télérama. Das Problem sei, dass wir in einer Ge- Körper vermeintlich schadete, und ihrer sellschaft leben, die ungesunde Ernäh- Besessenheit von gesunder, reiner, sau- Wie aber einem Phänomen entkommen, rungsentscheidungen bewundert und berer Nahrung. Innerhalb weniger Wo- das zu einem echten moralischen Im- beglückwünscht, wenn sie zum Beispiel chen verlor sie Tausende von Anhängern und erhielt zahlreiche Hassbotschaften, auch Morddrohungen. Ihr wurde vorge- worfen, nur ein „großes Stück Speck“ zu sein, dem die nötige Disziplin fehle, wirklich „rein“ zu sein. L asst unseRe KöRpeR in R uhe! Wie lässt sich der Zwang erklären, un- sere Körper immer extremer kontrol- lieren zu wollen? Laut der Philosophin Isabelle Quéval, Autorin des Essays „The 16
(185.) Ausgabe #9 • 2019 zu extremem Schlanksein führen. meinen Klienten bei, auf ihren Körper zu hören.“ Schlimmer ist für Rutledge, dass dieje- nigen, die dem sozialen Druck wider- Die in Montréal lebende Modefotografin stehen, dünn zu sein, „clean“ zu essen, Julie Artacho inszenierte für unsere Kol- Muskeln aufbauen oder Gewicht verlie- legInnen von L‘Itinéraire ein provokan- ren zu wollen, oft mit Abwertung kon- tes Titelbild (siehe unser Titelbild): „Meine frontiert sind. „Ich denke, viele Leute Idee war es, zu zeigen, dass die Themen sehen ihren Weg der Selbstoptimierung Nahrung und Körper uns alle betreffen, als eine frustrierende Entscheidung an“, unabhängig von Alter und Hautfarbe. sagt sie. „Wir sagen uns: ‚Ich leide dar- Diese Beziehung beginnt im Säuglingsal- unter, meinen Körper unter Kontrolle zu ter und dauert ein Leben lang an.“ behalten, also warum tust du es nicht?‘“ Für Rutledge steht außer Zweifel, dass die großen Gewinner der Entwicklung die beteiligten Industrien sind. supeRfood, fitnessstudios und s chLanKheitscRemes haben den „K öRpeRmaRKt “ immeR weiteR wachsen Lassen . Im Jahr 2015 setzte die Branche welt- weit 3,72 Billionen US-Dollar um und wuchs allein wischen 2013 und 2015 um 10,6 Prozent. „Medien und Kultur haben das stark beeinflusst“, fährt Rutledge fort. „Der Markt basiert auf einer Prob- lemlösungslogik. Wenn es gelingt, etwa Cellulite zu einem Problem zu machen, das man bekämpfen muss, wird es ein- fach, eine Lösung in Form von Büchern, Kosmetik oder Dienstleistungen zu ver- kaufen.“ Inzwischen plädiert eine wachsende Zahl von Ernährungswissenschaftlern und Lebensmittelfachleuten dafür, den Körper so zu akzeptieren, wie er ist, und Diäten, Einschränkungen und Ängsten im Zusammenhang mit Lebensmitteln ein Ende zu setzen. „Uns wird schon lange gesagt, dass wir uns selbst nicht Camille Teste trauen können und dass wir nicht auf unseren Appetit hören sollen“, sagt Rutledge. „Ich glaube, dass unser Körper weiß, was gut für ihn ist. Deshalb ermu- tige ich zu intuitivem Essen: Ich bringe 17
Wenn das Ostufer in Kiel ruft... Text: Café Jerusalem; Fotos: Jens Meier - Seefischmarkt Kiel ...dann kann selbst das aus Neumünster derte und Strukturen und Bestellwege arbeitern und zwei seiner Arbeitsberei- stammende Café Jerusalem nicht wider- immer herausfordernder wurden. Heute che dort. Die Redaktion, die den Bereich stehen! erhalten wir diese Unterstützung immer der Öffentlichkeitsarbeit übernahm, und wieder zu besonderen Anlässen oder die Küche, die die Gaumenfreuden zube- Bereits zum dritten Mal gab es dieses wenn wir selbst bestellt haben. reitete. Bei einer derartigen Qualität fast Aufeinandertreffen mit der Firma Wie- ein Selbstgänger. Beeindruckend viele CAFÉ INTERN se & Kruse vom Seefischmarkt Kiel, der An die große Fischversteigerung, die als Gäste, die sich die Gelegenheit „Heilbutt“ am Ostufer im Stadtteil Wellingdorf Höhepunkt des Jubiläumsfestes zum nicht entgehen lassen wollten, kamen so- beheimatet ist. Gegründet wurde das 20-jährigen Bestehen des Cafés vor fünf gar noch einmal zurück, um die Qualität Unternehmen 1872 und ist damit ei- Jahren hier in Neumünster auf dem Groß- des Fisches und der Garnelen zu bestä- nes der ältesten im Handelsregister der flecken stattfand, können sich noch viele tigen. Landeshauptstadt. Doch der erste Kon- Freunde der Einrichtung gut erinnern (Die takt liegt schon lange zurück. Während Ausgabe 128 berichtete ausführlich davon.). Be- Das besondere des ganzen Miteinanders einer der für diesen Event bekannten reits einige Monate vorher, während des ist die gewachsene Freundschaft! Und Fischauktionen vor gut acht Jahren be- gleichen Events am Ostufer in Kiel, wurde dies ist wohl auch der Grund, warum eine merkte Dirk Schrader, Geschäftsführer ein riesen Heringshai für die Gäste der Einladung für „Das Ostufer ruft!“ in zwei des Fischgroßhandels, dass er immer Veranstaltung zu Gunsten des Cafés ge- Jahren, im Spätsommer 2022 schon aus- wieder Fisch an eine und die selbe Person grillt (Nachzulesen in der 123. Ausgabe.). gesprochen ist. Halten Sie also die Augen versteigerte. Nach der Auktion nahm er offen und seien Sie das nächste Mal da- Kontakt mit ihr auf und fragte nach, wo Und dieses Jahr? Neben weißem Heilbutt, bei, wenn das Ostufer aus Kiel ruft! der ganze Fisch denn hingehen würde? er gehört mit Abstand zu den hochwerti- gen Frischfischen, gab es Förde Garnelen Damit war das „Geheimnis“ gelüftet, (Die Firma aus Kiel stellt sich auf den Seiten 24/25 denn es war das Café Jerusalem, das da- vor.), Knoblauchbrot und -kartoffeln mit durch seinen Gästen in sehr guter Qua- selbstgemachter Soße frisch zuberei- lität Frischfisch zu super günstigen Prei- tet für jeden, der es probieren wollte. sen zum Mittagstisch anbieten konnte. Die Spende für den Probierteller ging zu 100% an das Café, ebenso wie der Schnell wurden Dirk Schrader und sein gesamte Erlös der letzten Fischauktion Team von der Arbeit des Cafés berührt nebst allem Klein- und Wechselgeld. Zu- und er persönlich, aber auch die Firma sammengekommen ist an diesem Tag ein stol- einer der Wirtschafts-Unterstützer des zer Betrag von etwas mehr als 1.800.- €! Und Cafés. Einige Jahre bekam die Küche des wenn die Kosten der Firmen für den ge- Cafés regelmäßige Frischfisch-Spenden. grillten Heilbutt und die 200 Förde Gar- Oft bis über 100 kg an einem Freitag. Das nelen noch oben drauf gerechnet werden ging solange, bis sich der internationale würde, dann ist es fast doppelt so viel. Frischfischhandel und damit auch der Kieler-Frischfischmarkt deutlich verän- Das Café war an diesem Tag mit vier Mit- Dirk Schrader preist einen sechs Kilo Lachs an. 18
(185.) Ausgabe #9 • 2019 Wir sind für Sie da. Im Trauerfall, zur Vorsorgeberatung, zum persönlichen Gespräch. Telefon 04321 92770 Plöner Straße 108 24536 Neumünster E-Mail info@selck.de Internet www.selck.de Strategisches Design für Identität & werbliche Kommunikation von Unternehmen, Personen und Städten Drucksachen · Webdesign · Bildschirmpräsentationen Marc Simon 0 43 21. 92 99 36 www.polimorf.de 19
Jerusalëmmer trifft... Seit einiger Zeit schreiben wir immer wieder über die Arbeit, Redaktionen und Verkaufenden befreundeter und anderer Straßenmagazine. Unser Wunsch ist ne- ben den vielfältigen Informationen auch ein Bewusstsein zu schaffen, dass es in sehr vielen unserer deutschen Städte Straßenmagazine gibt, die es Menschen ermöglichen, an einem Projekt der Hilfe zur Selbsthilfe teilzunehmen. Irgendwie fühlen „wir Redaktionen“ uns als eine große Familie, auch wenn sich die tägli- JERUSALËMMER TIFFT...! che Arbeit fast nirgendwo gleicht. In unserer kleinen Redaktion überlegen wir immer wieder, wie wir Sie als Leser einbinden können und freuen uns immer sehr, wenn wir ein Feedback erhalten! Die Rubrik „Unsere Kollegen“, die wir vor ein paar Jahren begonnen haben, entstand aus der Idee, Sie als Lesende gerade auf Reisen auf andere Magazine aufmerksam zu machen. Das ist auch einer der Grün- de, warum wir über unsere – sei es die dt.-sprachigen oder auch die einmal jähr- lich stattfindenden internationalen Kon- ferenzen - berichten. Denn wir sind schon echt viele! In dieser Ausgabe wollen wir eine neue Rubrik starten und dies auch gleich für Sie als Lesende und vielleicht auch als Reisende öffnen. Jerusalëmmer trifft...! haben wir sie genannt. Wir wollen unse- Europas. „hus forbi“ dient der Förderung der Debatte über Obdachlose und deren ren Gedanken weiter ausbauen und noch soziale Ausgrenzung, die in der Regel nicht deutlicher zeigen, wie diese Straßenma- in den Medien besprochen wird. Es werden gazin-Projekte - in der Tat - und dies alltägliche Themen abgedruckt, aber auch ist durchaus auch wörtlich zu nehmen, politische Informationen sowie Geschichten Leben verändern. Vielleicht, so könnte je- von Betroffenen. „hus forbi“ wird zwölf Mal im Jahr veröffentlicht, hat eine Auflage von der von uns denken ...noch ne gute Tat??? 85.000–90.000 Exemplaren pro Monat und Aber wir haben festgestellt, dass es des „hus forbi“ ist die unabhängige, landeswei- ca. 500.000 Leser. öfteren das eigene Leben war, welches te dänische Zeitung, die von Menschen am Rande der Gesellschaft in Zusammenarbeit sich veränderte! Es werden vielleicht Zweck des Projekts: Förderung der Debatte mit professionellen freiberuflichen Journa- keine große Storys, aber die Wirkungen, der Randgruppen und deren sozialer Aus- listen und Fotografen herausgegeben wird. grenzung. Die Zeitung gibt den Betroffenen die sie erreichen können, werden es sein Die Erstausgabe wurde am 28. August 1996 auch die Möglichkeit, ihr eigenes Geld zu können. Was ich konkret damit meine? veröffentlicht; Anlass war die Wahl der verdienen und wieder auf die Beine zu kom- Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte Hauptstadt Kopenhagen zur Kulturstadt men. 20
(185.) Ausgabe #9 • 2019 erzählen. Es ist nichts Weltbewegendes, aber es hat Leben verändert und nicht „nur“ (m)eines. Zurück im Auto wurde ich mit den Wor- ten: „Was war denn das?“ bereits erwar- Dänemark tet. Da mein Mitfahrer die ganze Szene Dänemark ist ein Land und souveräner Auf dem Foto zu dieser neuen Rubrik ist nur ohne Worte mitverfolgen konnte und Staat im nördlichen Europa und eine par- Luna, eine der vielen Verkäuferinnnen natürlicher Weise nichts vom meinem lamentarische Monarchie. Dänemark wird des dänischen Straßenmagazin „hus for- „Kodex“ wusste, war er recht irritiert. Auf zusammen mit den Färöern, die wie das bi“ neben mir zu sehen. Hus forbi, frei der Rückfahrt habe ich es ihm erzählt und Mutterland geographisch zu Nordeuropa bekam dann das Folgende zu hören. „Ich gehören, und Grönland, das zu Nordame- übersetzt: „Haus vorbei/keine Wohnung rika zählt, offiziell Königreich Dänemark mehr...“, ist nicht nur eines der benach- hatte die Frau gar nicht bemerkt. Noch genannt. Das Königreich Dänemark ist barten Magazine, es ist auch eines, was nicht einmal, als du aus dem Wagen ge- daher ein interkontinentaler Staat. Das sich dadurch abhebt, dass es in ganz Dä- sprungen bist. Erst als du auf sie zu bist Mutterland, der Teil zwischen der Skan- nemark „nur“ ein Magazin gibt, welches und ihr Gesicht sich vom Erstaunen hin dinavischen Halbinsel und Mitteleuropa, seine Redaktion in Kopenhagen hat. zum freundlichen Lauchen und dann mit umfasst eine Fläche von 43.094 km, wo- Umarmung in Freude veränderte. Und ei- von 23.872 km auf die Halbinsel Jütland Luna verkauft vorwiegend in Kolding, gentlich ist es auch nicht wichtig gewe- und der Rest auf Inseln entfallen. Federika und einigen Teilen des Südens sen zu verstehen, denn als ich gesehen von Dänemark. Sie investiert einiges an habe, wie sich die Frau in ihrem Gesicht Dänemark ist eines der zwölf Gründungs- veränderte und freute, habe ich mich ge- mitglieder der 1949 gegründeten NATO Fahrgeld, um mit dem Magazin Teile ihres und seit dem 1. Januar 1973 in der Euro- Lebens zu finanzieren. Ich sah sie in Sten- fragt, warum ich sie noch nicht einmal päischen Union (bzw. ihrer Vorgängerin derup, wenige Kilometer westlich von wahrgenommen habe?“ ... EWG). Die autonomen Gebiete Grönland Kolding an einem Morgen, während ich und die Färöer führen eigene Flaggen, in Dänemark in Urlaub war und Brötchen haben eigene Amtssprachen und gehören für´s Frühstück besorgte. Seit einigen zur NATO, jedoch nicht zur EU. Jahren habe ich mir angewöhnt, überall Es waren nur Minuten. Und im ganzen ist dort, wo ich einen „fremden Verkaufen- es ein vielleicht sogar ein viel zu langer Die einzige Landgrenze hat Dänemark zu den“ begegne, ein Magazin abzukaufen Zwei-Seiten-Beitrag geworden. Aber die- Deutschland. Im dortigen, ehemals dä- und ein ermutigenden Gespräch „...wir se Begegnung hatte es in sich und hat nischen Südschleswig lebt eine dänische Leben verändert. Nachhaltig sogar! Und Minderheit. Im 1866 bis 1920 zu Preußen sind eine Familie...“ zu führen. An diesem gehörenden Nordschleswig gibt es eine Morgen war ich nicht alleine unterwegs darauf kommt es an. deutsche Minderheit. Dort ist Deutsch an- und hatte auch keines unserer Straßen- erkannte regionale Minderheitensprache magazine dabei hatte. So war klar, dass Aufmerksam durch den Tag zu gehen und gemäß der Europäischen Charta der Regi- es zu einer weiteren Begegnung kommen Beziehungen zu leben ist eine unser aller onal- oder Minderheitensprachen. müsste, wenn ich meinem Vorhaben treu täglichen Herausforderungen. Diese Ru- bleiben wollte. brik ist kein moralischer Wertekalender ARBEITSLOSIGKEIT und wird auch nie eine Anleitung für eine Im 4. Quartal 2014 lag die Arbeitslosen- Es ist eine lange „Vorrede“ denn eigent- besseres Miteinander in unserer Gesell- quote bei durchschnittlich 6,4 %. Das war lich beginnt die Geschichte der „Lebens- schaft sein. Aber wir wollen, wie auch mit ein minimaler Rückgang von −0,1 % im allen anderen Beiträgen des Straßenma- Vergleich zum 3. Quartal, aber ein klarer veränderung“ erst jetzt. Ich sprang also Rückgang von −0,6 % gegenüber dem mit den Worten „Ich bin gleich wieder gazins Mut machen, eine Blickrichtung Vorjahreszeitraum. Die Jugendarbeitslo- da...“ aus dem Auto (glücklicherweise war wahrzunehmen, die auf den ersten Blick sigkeit lag deutlich über diesem Niveau ich der Fahrer...) und lief die paar Meter nicht gleich sichtbar ist. Und wir wollen mit 11,2 % im 4. Quartal 2014 bzw. 13,3 % über den Parkplatz zu der Verkäuferin mit Sie als Lesende mit hineinnehmen, Ihre im entsprechenden Quartal 2013. Im Ver- dem dänischen Straßenmagazin. Was ich Erlebnisse mit uns zu teilen. Gerne mit lauf der Finanzkrise ab 2007 war die Zahl nicht bedacht hatte, war, dass sie meine Namen, aber gerne auch, wenn Sie ano- der Arbeitslosen angestiegen. Von einem Aktion beobachtetet hatte. Sie war ein nym bleiben wollen. Schreiben Sie uns, europäischen Spitzenwert mit nur 3,4 % wenig überrascht und sah mich mit gro- wo Sie mit wem über ein Straßenmagazin Arbeitslosen 2008 stieg die Quote 2011 ßen - zugegeben - etwas erschrockenen ins Gespräch gekommen sind. Gerne auch auf 7,6 %. Seitdem hat sich die Beschäfti- mit Foto, denn das motiviert jeden der gungssituation kontinuierlich verbessert. Augen an. Einige Wortwechsel später ver- Bis Juni 2018 sank sie auf 5,0 %. änderte sich ihr Gesicht in freudiges La- Verkaufenden. chen und eine Umarmung später hatten Quelle: Wikipedia, Stand 8. August 2019 wir uns für den späten Vormittag an glei- cher Stelle zum Klönschnack verabredet. 21
Conny - Conny (Mitte) im Gespräch mit Tina Brunegard (Diakonin in Smyrna) und Andreas Böhm ein Leben mit Ausstrahlung LEBENSBILDER Als wir das Lebensmittelprojekt der Smy- und er hätten zwei Söhne bekommen, er Gott habe sein Leben Schritt für Schritt rna-Gemeinde besuchten, wurden wir sei ein sehr engagierter Christ gewesen, neu gemacht. Etwa zwei Jahre später schnell gefragt, ob wir Conny schon ken- habe in der Gemeinde mitgearbeitet. Al- startete das Suppenprogramm der Ge- nengelernt hätten? Nein? Dann müssten les sei über Jahre gut gewesen. Dann sei meinde einmal pro Woche. Conny wurde wir das unbedingt tun! Conny sei wich- etwas passiert, was ihn aus der Bahn ge- gefragt, ob er mitmachen wolle und war tig, ohne ihn wäre die Arbeit nicht die worfen habe. Er habe begonnen, Kokain als ehrenamtlicher Mitarbeiter dabei. gleiche. Wegen ihm kämen viele Men- zu konsumieren. Danach sei alles bergab Viele Menschen kamen auch, weil sie ihn schen mit dem Hilfsprojekt in Kontakt, gegangen. Schließlich habe er alles ver- aus seinem Leben als Drogenabhängigen wegen ihm würden sie sich überhaupt loren, auch die Ehe zerbrach. Er sei ganz kannten und fühlten sich durch ihn und erst trauen, Hilfe zu suchen. tief abgestiegen in Drogen, Dunkelheit seinen Wandel angezogen. und Gefängnis. Er sei ganz unten ge- Conny, Sportjacke, strahlende blau-grü- wesen. Aus dieser Zeit kennen ihn viele Als das Projekt vor etwa 3 Jahren ausge- ne Augen, ist seit etwa 3 Jahren haupt- Menschen in Göteborg. Ein Teil seines Le- baut wurde, wurde Conny als hauptamt- verantwortlicher Angestellter der bens spielte sich an öffentlichen Plätzen licher Mitarbeiter angestellt. Seitdem Smyrna-Gemeinde in Göteborg für das und in der Szene ab. Schließlich wollte er arbeitet er hier mit ganzem Einsatz und „Food-Programm“. Mit Hilfe von Tina, ei- auch nicht mehr leben. Er wusste keinen weiß sich am richtigen Platz. Zudem un- ner der Diakoninnen der Gemeinde, ging Ausweg mehr. Zurück in seine Gemein- terstützt er eine befreundete Gemeinde es im Deutsch-Englisch-Schwedisch-Mix de wollte er auch nicht. Er schämte sich zweimal in der Woche als Streetworker. durch seine Lebensgeschichte. und hatte viel zu viel Angst. Er wohnte Er bekämpft heute nicht nur den phy- aber in der Nähe. Und schließlich, als er sischen Hunger der Mitmenschen nach Nein, er komme nicht aus einem christ- eigentlich Schluss machen wollte, erleb- Brot, sondern auch den seelischen nach lichen Elternhaus. Zuhause sei vieles te er, wie er regelrecht in die Kirchenge- Annahme, Vergebung und Sinn durch nicht gut gewesen. Heute würde man meinde gezogen wurde. Es sei ein sehr, seine Begegnung mit Jesus und dem von einer dysfunktionalen Familie spre- sehr starkes Gefühl gewesen, nicht im Weitersagen davon. chen. Ein entsprechendes Leben habe Kopf, sondern im Herzen. Er habe einfach er dann geführt. Mit 31 Jahren habe er hingehen müssen. Jesus kennengelernt und in sein Leben gelassen. Von da an sei es aufwärts ge- Hier begegnete er Jesus erneut - das war gangen. Er habe geheiratet, seine Frau 2010. Er sei damals sehr kaputt gewesen. 22
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