Neues Wohngefühl Planen für morgen - Im Interview: die Expertin - Schiffszimmerer-Genossenschaft
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HERBST 2021 Neues Wohngefühl Planen für morgen Auf Zeitreise Für uns und fürs Klima: energetische Im Interview: die Expertin Die ältesten Genossenschafts Modernisierung schreitet voran Dr. Iris Beuerle gebäude Hamburgs
2 Liebe Mitglieder, DA S M AG A Z I N D E R wir begrüßen Sie herzlich zur Herbstausgabe der bei uns. Sie halten das beste Beispiel dafür in I N H A LT Händen, wie fruchtbar die Zusammenarbeit der Hey, altes Haus! Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften sein 3 Auf den Spuren der ältesten Ge- kann. Verbunden durch die gleichen Anliegen, nossenschaftsgebäude Hamburgs bündeln wir unsere Energien in einem Verein, der 4 Energetische Modernisierung Die Hans-Schwenkel-Wohnanlage nicht nur dieses Magazin herausgibt. „Als Akteur in Langenhorn im Hamburger Stadtgeschehen wollen wir vereint 6 Quartier im Wandel nach außen tragen, wie modern, zeitgemäß und Das Alsterdorf seit den 50er Jahren attraktiv das Modell Genossenschaft ist und 8 Ein starkes Team bleibt“, sagt Michael Wulf, als eines der sechs Der neu gewählte Vereinsvorstand Vorstandsmitglieder des Vereins. Wir stellen 10 Wir für Hamburg 30 Mitglieder sind ein starker Verein Ihnen das neue Team vor und nutzen die 12 Synergien nutzen Gelegenheit, einen ganz grundsätzlichen Blick Das Gemeinschaftsprojekt bei uns auf das zu werfen, was Genossenschaft im Kern 14 Auf gute Nachbarschaft! Die Hausordnung – anders erklärt ausmacht: der Wunsch nach einem besseren, Bündnis für das Wohnen gemeinschaftlichen Leben. 16 Mehr Wohnraum für Hamburg 17 Facts & Figures In diesem Sinne: Genießen Sie den Herbst! Die Wohnungsbaugenossen schaften in Zahlen 18 Einer für alle – alle für einen? Wohnungsbaugenossenschaften können gelebte Utopie sein 20 Selbst ist der Mensch Zu den Grundprinzipien des genossenschaftlichen Gedankens 22 Planen für morgen Dr. Iris Beuerle über das Potenzial von Wohnungsgenossenschaften 24 Im Livestream Titelmotiv: Markus Tollhopf, Seite 2: Ralf Niemzig Julia Eble Die Vertreterversammlung 2021 Redaktion „bei uns“ redaktion@schiffszimmerer.de 25 Der Froschkönig Ins Theater zum Weihnachtsmärchen 26 Nummer gegen Kummer Die Notdienstzentrale ist für Sie da 27 Rätsel, Impressum AUSGABE HERBST 2021
3 H A M B U RG H I STO R I S C H Auf Zeitreise Hamburgs älteste Genossenschaftshäuser? Gar nicht so einfach zu finden! Im Grunde ist der Weg das Ziel: Man stößt auf charmante Altbauten, auferstandene Ikonen und lebendige Architekturgeschichte. 1878 errichtet und noch heute in Den einen ältesten Genossenschaftsbau Ham- Genossenschafts- lohnen er und das ihn umgebende kleine Quartier bestand: Dieser burgs benennen zu wollen hat seine Tücken: rund um den Venusberg in Hamburg-Neustadt ei- Altbau in St. Georg Sowohl der Altonaer Spar- und Bauverein als auch gehört den nen Besuch für Fans von Backstein- und 50er-Jahre- die in Wandsbek gegründete WHW haben zum Schiffszimmerern. Architektur, die hier mit klaren Linien und für die Teil sehr alten Wohnbestand, gehörten aber in damalige Zeit fast futuristischen Balkonen ihre ihrer Anfangszeit noch nicht zum Hamburger ganze Ästhetik entfaltet. Aber auch Spaziergänger Stadtgebiet. Die älteste heute noch bestehende Hamburger in Eimsbüttel können auf den Spuren der Geschichte wan- Genossenschaft ist die Allgemeine Deutsche Schiffszim- deln, und zwar am Stellinger Weg Ecke Methfesselstraße: merer-Genossenschaft eG; sie besteht seit 1875. Fast genauso Dort errichtete der Bau- und Sparverein zu Hamburg, der alt sind einige heute noch in ihrem Besitz befindliche Gebäu- allerdings 1903 in eine AG umgewandelt wurde, 1899 die erste de – zum Beispiel das Vorder- und Hinterhaus in der Langen „Hamburger Burg“. Sie wurde zum Vorbild für den Massen- Reihe 67 und 65 b im Stadtteil St. Georg, das 1878 entstand. wohnungsbau; es gab Platz für Gemeinschaft und Dialog so- Kniffliges Detail bei der Spurensuche: Bauherr war die Genos- wie Licht von allen Seiten. senschaft damals noch nicht. Ihr erstes eigenes Haus bauten In ihrer gesamten Geschichte waren Genossenschafts- die Schiffszimmerer im Jahr 1900. Sein offizieller Name laute- bauten immer wieder Spielwiese für Reformarchitektur, neue te zwar Gebhardhof, Zeitgenossen war der stolze und un- Ideen und Visionen des Zusammenlebens. Ein Erbe, das heu- pragmatische Bau aber schon bald als „Arbeiterschloss“ ein te gerade in Hamburg lebendig ist wie eh und je – dank span- Begriff. Bedauerlicherweise wurde das Gebäude wie so viele nender Quartiersprojekte und Sozialmanagement-Bestre- Fotos: Steven Haberland Genossenschaftsbauten der Gründungsgeneration im Zwei- bungen zu Themen wie Generationendialog, Pflege, Kinder- ten Weltkrieg zerstört. Etwa 20 Meter entfernt von seinem betreuung und Inklusion. Wohnen in Genossenschaften, das ursprünglichen Standort steht heute immerhin der „neue“, bedeutet auch in Zukunft, das Gesicht von Stadt und Viertel ebenfalls sehr stattliche Gebhardhof. Erbaut im Jahr 1959, aktiv mitzuprägen – nicht nur, aber auch optisch. AUSGABE HERBST 2021
4 SCHIFFSZIMMERER Heike und Norbert Schiller freuen sich, dass ihre Wohnung seit der energe tischen Modernisie rung viel behaglicher ist und dass sie dadurch Heizkosten einsparen können. E N E RG E T I S C H E M O D E R N I S I E R U N G „Ein ganz neues Wohngefühl“ Derzeit modernisieren wir unsere Hans-Schwenkel-Wohnanlage in Langenhorn energetisch. Damit senken wir nicht nur den CO2-Ausstoß und leisten damit einen Beitrag zum Klimaschutz – auch unsere Bewohnerinnen und Bewohner profitieren nach der Bauzeit von dem Ergebnis. E ine unserer größten Wohnanla- Jahren energetisch modernisiert. Derzeit Wärmedämmung senken wir den gen wird energetisch moderni- nehmen wir die Wärmedämmung des CO2-Ausstoß der in die Jahre gekom- siert. In Langenhorn haben wir fünften Bauabschnitts vor: Dazu gehören menen Gebäude deutlich und leisten da- 2017 damit begonnen. In mehre- sieben Gebäude mit 102 Wohnungen. mit einen wichtigen Beitrag zum Klima- ren Bauabschnitten dämmen wir Eigene Untersuchungen zur Bauphysik schutz“, erklärt Vorstand Thomas Speeth. nach und nach die Fassade, tauschen die sowie die Auswertung der Energieverbräu- „Vor allem aber sind die Wohnungen nach Fenster aus, erneuern die Hauseingänge che und der CO2-Bilanz machten vor Bau- der Dämmung für die Bewohnerinnen und und ersetzen die alten Balkone durch beginn deutlich: Eine energetische Moder- Bewohner viel wohnlicher und behag- neue und größere. Außerdem setzen wir nisierung unserer Gebäude in der licher. Wir machen unsere Häuser damit die Dächer instand und nehmen einen hy- Hans-Schwenkel-Wohnanlage ist dringend fit für die nächsten vierzig Jahre.“ draulischen Abgleich der Heizungsanlagen notwendig. In einer Bewohnerbefragung Die energetische Modernisierung der vor. Seit Baubeginn haben wir in insge- äußerten damals zudem viele unserer Mit- Hans-Schwenkel-Wohnanlage ist ein samt vier Bauabschnitten über 200 un- glieder den Wunsch nach einer Verbesse- großes Projekt, das unsere Mitglieder in serer rund 477 Wohnungen aus den 60er- rung der Wohnbehaglichkeit. „Mit der Langenhorn nun bereits seit vier Jahren AUSGABE HERBST 2021
SCHIFFSZIMMERER 5 beschäftigt. Keine einfache Zeit für unse- strengend, aber ich habe bereits während sten Bauabschnitts. Hier sind die Arbeiten re Bewohnerinnen und Bewohner, denn des kalten Frühjahrs gemerkt, dass ich in vollständig abgeschlossen. Sie möchten die Belastungen durch die Bauarbeiten meiner Wohnung deutlich weniger Heizen die Wärmedämmung ihres Wohngebäu- sind zeitweise hoch: Lärm, Schmutz und musste, um eine angenehme Temperatur des nicht mehr missen. „Die energetische die Baufahrzeuge im Quartier verlangen zu erreichen. Und das, obwohl die Arbei- Modernisierung hat für uns viele Plus- unseren Mitgliedern viel Geduld und Ver- ten an unserem Gebäude zu diesem Zeit- punkte gebracht: Wir haben seitdem ein ständnis ab. „Uns ist bewusst, dass ener- punkt noch nicht einmal komplett abge- viel besseres Raumklima und keine Feuch- getische Modernisierungen in diesem Um- schlossen waren“, so Werner Langermann. tigkeit mehr in den Wänden. Das ist ein fang einen Kraftakt für unsere Bewohne- Melanie Erichsen freut vor allem das neue ganz neues Wohngefühl. Im gesamten rinnen und Bewohner bedeuten“, sagt Erscheinungsbild der bereits fertigen Bau- Wohnbereich hält sich die Wärme im Roberto Donadelli aus unserer Abteilung abschnitte. „Das sieht wirklich schick aus“, Winter jetzt sehr gut. Unsere Heizkosten Hochbau, der für das Projekt in Langen- so die Vertreterin. haben sich seitdem halbiert“, freut sich horn zuständig ist. „Ich möchte ihnen aber Unser langjähriges Mitglied Norbert Norbert Schiller. „Und es dringen durch Mut machen: Das Ergebnis wird Sie umso Schiller und seine Ehefrau Heike leben be- die dreifach verglasten Fenster deutlich mehr zufriedenstellen. Einen großen Teil reits seit 1983 in unserer Hans-Schwenkel- weniger Geräusche von draußen in die der Modernisierung haben wir bereits ge- Wohnanlage – in einer Wohnung des er- Wohnung. Den Verkehr der Langenhorner schafft. Bis voraussichtlich Mitte 2024 Chaussee hören wir überhaupt nicht folgt der letzte Bauabschnitt.“ mehr. Das empfinde ich als großen Mehr- wert“, ergänzt Heike Schiller. Durchhalten lohnt sich Auch wenn die Bauzeit mühsam und an- Quartiersmanagement als Wegbegleiter strengend ist, unsere Erfahrung hat ge- Die energetische Modernisierung beglei- zeigt: Wenn die Arbeiten abgeschlossen ten wir mit einem umfassenden Quartiers- sind, hat das Erscheinungsbild der Wohn- management. Als Partner steht uns dabei anlage deutlich gewonnen und unsere die Stiftung Freundeskreis Ochsenzoll zur Mitglieder fühlen sich wohl. Das sieht Seite. In diesem Rahmen haben wir unsere auch Nicola Ulbricht so. Sie wohnt im Mitglieder vor Ort an der Weiterentwick- fünften Bauabschnitt, der derzeit moder- So sahen unsere Gebäude in der lung der Wohnanlage teilhaben lassen. In nisiert wird: „Natürlich ist die Zeit der Mo- Hans-Schwenkel-Wohnanlage vor der verschiedenen Planungswerkstätten konn- dernisierung erst mal stressig. Aber man energetischen Modernisierung aus. ten sich die Bewohnerinnen und Bewoh- kann sich mit einfachen Maßnahmen ganz ner mit ihren Ideen und Wünschen ein- gut damit arrangieren, indem man bei- bringen. Dabei haben wir außerdem neue spielsweise die Fenster mit Vorhängen Quartiersangebote für unsere Mitglieder oder Tüchern vor Einblicken schützt, wäh- geschaffen: Angebote von Nachbarn für rend das Gerüst aufgebaut ist.“ Langfristig Nachbarn (zum Beispiel Klönschnack, Bas sieht Nicola Ulbricht vor allem die Vor- telaktionen, Sommerfeste) und Kursange- teile der energetischen Modernisierung: bote in Zusammenarbeit mit der Stadt „Das neue Erscheinungsbild unserer Hamburg wie Qigong und Yoga. Auch eine Wohnanlage ist wirklich schön und mo- Quartierswohnung beziehungsweise einen dern. Es sieht aus wie ein Neubau. Die Quartierscontainer, in den sich von der Eingänge sind jetzt außerdem größer. Das Modern und energieeffizient: Nach der Modernisierung betroffene Bewohne- kommt zum Beispiel Familien mit Kindern Wärmedämmung präsentieren sich die rinnen und Bewohner während der Bau- zugute, da einfach viel mehr Platz ist. Gebäude im neuen Gewand. zeit zurückziehen können, haben wir ein- Auch die Terrassen und Balkone haben gerichtet. optisch deutlich gewonnen.“ „Mehr als die Hälfte unserer energe- Auch unsere Vertreterin Melanie Erich- tischen Modernisierung haben wir be- sen und Vertreter Werner Langermann reits geschafft. Ich bedanke mich bei sind mit der energetischen Modernisie- allen Bewohnerinnen und Bewohnern in rung insgesamt zufrieden. Trotz der Stra- Langenhorn für ihre bisherige Unterstüt- pazen während der Bauzeit lohne sich das zung und bitte weiterhin um Geduld, Durchhalten. „Als die Planungen vor eini- solange die Arbeiten andauern“, sagt gen Jahren begannen, war ich zunächst Projektleiter Roberto Donadelli. „Ich bin Fotos: Markus Tollhopf skeptisch. Die Genossenschaft hat uns mir sicher: Abschließend können wir uns jedoch gut informiert und ist auf unsere Die Bauzeit ist für unsere Bewohnerinnen zusammen über die vielen neuen An- Bedenken und Wünsche eingegangen. Die und Bewohner sehr anstrengend, aber das nehmlichkeiten freuen und das schöne Zeit der Modernisierung ist wirklich an- Ergebnis kann sich sehen lassen. Ergebnis genießen.“ AUSGABE HERBST 2021
6 SCHIFFSZIMMERER U N S E R E Q U A RT I E R E I M WA N D E L : B I L S E R ST R A S S E Vom Kleinstwohnungsbau zur modernen Wohnanlage Modern und komfortabel: Heute schätzen unsere Mitglieder die Annehmlich keiten unserer zeitgemäßen und gut ausgestatteten Wohnungen in einem der beliebtesten Stadtteile in Hamburgs Norden. Erneuern durch Ersetzen: Anfang der 2000er-Jahre erhielt unsere Wohnanlage in der Bilser Straße/Carl-Cohn-Straße ein ganz neues Gesicht. Schlicht und einfach: Nach Kriegsende ging es vor allem darum, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Anfang der 1950er-Jahre baute unsere Genossenschaft in Alsterdorf 273 Kleinstwohnungen für bedürftige Menschen. AUSGABE HERBST 2021
SCHIFFSZIMMERER 7 Unsere Wohnungen in Alsterdorf sind bei unseren Mitgliedern heiß begehrt: In einem der beliebtesten Stadtteile in Hamburgs Norden bieten wir ihnen heute über 200 moderne und gut ausgestattete Wohnungen. Doch das war nicht immer so: Kurz nach Kriegsende ging es bei der Entstehung Anfang der 1950er-Jahre vor allem darum, der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Wie hat sich das Gesicht unserer Wohnanlage im Laufe der Jahrzehnte verändert? D er Stadtteil Alsterdorf liegt in einer der attrak- delte sich dabei häufig um Bewohnerinnen und Bewohner tivsten Wohngegenden Hamburgs: Die abwechs- von Lager- und Nissenhütten, die mit ihrem Einzug 1952 lungsreiche Bebauung reicht von Neubaufassa- der Genossenschaft beitraten. den über Rotklinkerbauten und Reetdachhäuser In den darauffolgenden Jahrzehnten verbesserte sich bis hin zu historischen Fachwerkbauten. Die großzügigen der Komfort der Anlage nach und nach: Im Jahr 1960 er- Grünanlagen und die Nähe zur Alster bieten viel Raum für hielt der Wohnkomplex eine maschinelle Waschanlage Erholung. Gleichzeitig ist die Anbindung an die Innenstadt und 1973 wurden dringend notwendige Modernisierungs- durch die beiden nahe gelegenen U-Bahn-Haltestellen der arbeiten durchgeführt. Für die zweite Hälfte der Linie 1 – Alsterdorf und Lattenkamp – optimal. Seit 2019 1990er-Jahre waren erstmals umfassende Umbauarbei- gibt es außerdem einen etwa 1,5 Kilometer langen Rad- ten geplant. Neben einer Vergrößerung der Grundrisse schnellweg zwischen dem Alsterdorfer Markt und dem durch Zusammenlegung von Wohnungen war der Einbau Stadtpark – keine Ampeln, keine Autos, keine Fußgänger. von Vollbädern und Einbauküchen vorgesehen. Außerdem Kein Wunder, dass unsere Wohnungen in Alsterdorf bei sollten Abstellräume integriert und Balkone ergänzt wer- unseren Mitgliedern so beliebt sind: Anfang der 2000er den. Darüber hinaus war geplant, Elektrik und Sanitäranla- erbaut, zeichnet sich unsere Wohnanlage durch eine gen auszutauschen, neue Heizungen zu installieren, Dach- zeitgemäße Architektur und viel Komfort aus. Die geschosse auszubauen und eine zentrale Warmwasserver- Niedrigenergiebauten verfügen über eine zentrale Warm- sorgung einzubauen. wasser- und Fernwärmeversorgung. Teilweise ergänzt Während des Planungsprozesses stellte sich jedoch durch eine automatisierte Wohnungsbelüftung. Eine So- heraus: Aufgrund der vorhandenen Gebäudestruktur, der laranlage sowie eine Regenwassersammelanlage tragen zu baurechtlichen Vorgaben und der Vorschriften zur Ener- einer umweltschonenden Nutzung bei. Die 1,5- bis 4,5- gieeinsparung würde ein Neubau wesentlich kostengüns Zimmerwohnungen mit 50 bis 114 Quadratmetern sind mit tiger werden. Nach intensiven Überlegungen und Bera- Balkonen, Loggien oder Terrassen ausgestattet und in vie- tungen, auch mit den Wohnungsnutzerinnen und Woh- len Fällen barrierearm zugänglich. In den Räumlichkeiten nungsnutzern, fiel die Entscheidung für den Abriss der der Anlage stehen unseren Mitgliedern außerdem ein Häuser. Zunächst wurden zwei Häuserzeilen abgebrochen Gemeinschaftsraum, eine Waschküche sowie Sammelga- und in einem ersten Bauabschnitt durch 69 öffentlich ge- ragen zur Verfügung. förderte Neubauwohnungen ersetzt. Zeitgleich entstan- So viele Annehmlichkeiten konnten unsere Mitglieder den am Rand der Wohnsiedlung nach Abbruch eines Ge- in Alsterdorf nicht immer genießen: Denn als unsere Ge- werbeobjekts 17 neue Wohnungen. Diese wurden im Jahr nossenschaft vor etwa 70 Jahren das Bauvorhaben 2000 an die Mitglieder übergeben. plante und umsetzte, ging es vor allem darum, kosten- Der letzte der drei Bauabschnitte wurde 2004 fertig- günstigen Wohnraum zu schaffen. Sechs Jahre nach gestellt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wo früher Kriegsende war die Wohnungsnot in Hamburg groß. Aus schlichte und unzulänglich ausgestattete Kleinstwoh- diesem Grund hatte sich unsere Genossenschaft bereit nungen das Bild prägten, stehen heute 203 großzügig Fotos:: Schiffszimmerer-Genossenschaft, Markus Tollhopf erklärt, als Bauträgerin im städtischen Auftrag zu wirken. geschnittene und moderne Wohnungen, die sich har- Deshalb sollten zunächst 273 Kleinstwohnungen entstehen monisch in die Struktur des Quartiers einfügen. Mit den – die sogenannten Schlichtwohnungen. Dieser Begriff hat- Neubauten hat sich die Gesamtwohnfläche unserer te sich für Bauten etabliert, bei denen in Anbetracht der Wohnanlage in Alsterdorf nahezu verdoppelt. Die mit Wohnungsnot die ohnehin geringen Ausstattungs- und Staffelgeschossen versehenen viergeschossigen Gebäude Größenstandards bewusst unterschritten wurden, um und die dreigeschossigen Querzeilen im Innenhof sowie Wohnraum für Bedürftige zu schaffen. Ein Großteil der die Öffnung der Höfe nach Süden hin verleihen der Anla- Wohnungen wurde den städtischen Behörden für dring- ge einen besonderen Charme. Die grünen Außenanlagen lichst unterzubringende Familien mit einem Einkommen runden das Bild ab – und laden unsere Mitglieder auch in von weniger als 300 D-Mark zur Verfügung gestellt. Es han- diesem Sommer zum Verweilen ein. AUSGABE HERBST 2021
8 D E R N E U E V E R E I N S VO R STA N D Im Team für Hamburg Peter Kay Jörg Tondt Michael Wulf seit 2001 Vorstand der Baugenossen seit 2014 Vorstand der Baugenossen seit 2011 Vorstand der Bauverein schaft freier Gewerkschafter eG schaft FLUWOG-NORDMARK eG der Elbgemeinden eG Matthias Saß Alexandra Chrobok Dennis Voss (stellv. Vereinsvorstandsvorsitzender) (Vereinsvorstandsvorsitzende) seit 2017 Vorstand der Foto: Jochen Quast seit 2019 Vorstand der Allgemeinen seit 2009 Vorständin der Wohnungsbaugenossenschaft Deutschen Schiffszimmerer- Eisenbahnbauverein Harburg eG KAIFU-NORDLAND eG Genossenschaft eG AUSGABE HERBST 2021
9 Die Aufbruch- und Anpack-Stimmung der „Neuen“ ist spürbar: Beim Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften e. V. bildet ab sofort ein sechsköpfiges Team den Vorstand und freut sich auf ein konstruktives Miteinander. Schwerpunkte und Herausforderungen der ehrenamtlichen Vereinsarbeit verteilen sich nun auf mehr Schultern als zuvor – das fördert auch den Austausch zwischen großen und kleineren Hamburger Genossenschaften. D ieses „Wir“-Gefühl, das jede Verein zuvor bereits stellvertretend gelei- terrepräsentiert, gibt Tondt noch zu Pro- Genossenschaft im Kern aus- tet hat, bleibt dabei Dreh- und Angel- tokoll. Das werde sich aber hoffentlich mit macht und das sich in neu punkt. Als neue Vorstandsvorsitzende des der Zeit wieder ändern. Das Team will gebildeten Arbeitsgruppen nun nicht mehr zwei-, sondern sechs- regelmäßig Input in Form von externen doch oft erst entwickeln köpfigen Teams kann sie ihre gute Arbeit Vorträgen, Arbeitsgruppen und Work- muss: Im frisch gewählten Vereinsvor- nahtlos weiterführen und dabei ab sofort shops einholen – alle Vereinsmitglieder standsteam ist es bereits da, wie man im auf noch vielfältigere Erfahrungswerte aus sind weiterhin explizit eingeladen, sich Gespräch mit allen Beteiligten schnell den einzelnen Genossenschaften sowie und ihr Know-how einzubringen. Die Zu- feststellen kann. Woran das liegt? Am seit die jeweiligen Expertisen ihrer neuen Kol- kunftsplanung soll dynamisch voranschrei- Jahrzehnten gewachsenen freundschaft- legen zugreifen. „Ich bin immer offen für ten, der Verein ein lebendiges Organ zur lichen Miteinander innerhalb der Hambur- Veränderung und freue mich sehr auf den Unterstützung der diversen Genossen- ger Genossenschaftsszene. „Man läuft beweglichen, aufgeschlossenen Ideenaus- schaftsinteressen bleiben. Darin sind sich sich von Berufs wegen häufig über den tausch im Team“, so Chrobok. alle einig. „Deshalb stecken wir viel Herz- Weg, berät einander zu Sachthemen, blut in dieses Ehrenamt, obwohl jeder und setzt sich gemeinsam für übergeordnete jede von uns auch ohne das Vereins- Ziele ein“, erklärt Teammitglied Dennis Ein Mix aus Expertisen für engagement einen vollen Schreibtisch Voss, Vorstand der KAIFU-NORDLAND spannende Perspektivwechsel hat“, weiß BGFG-Vorstand Peter Kay. eG. Auch und gerade für diese Solidarität stehen der Verein und sein Vorstand, der „Jeder von uns hat seine thematischen sich neuerdings aus den Vertretern ganzer Schwerpunkte, die wir in der gemein- Mehr öffentliche Sichtbarkeit sechs Mitgliedsgenossenschaften zusam- samen Arbeit für den Verein sicher noch für alle Genossenschaften mensetzt. „Wir sind eine Gruppe von Kol- weiter ausbauen und differenzieren wer- legen, die schon in der Vergangenheit – den“, bestätigt Schiffszimmerer-Vorstand „Als Akteur im Hamburger Stadtgesche- beruflich, aber auch persönlich – auf einer Matthias Saß, seines Zeichens nun stell- hen wollen wir eben auch vereint nach Wellenlänge waren und wissen, dass sie vertretender Vorstandsvorsitzender des außen tragen, wie modern, zeitgemäß gut zusammenarbeiten können“, so Voss. Vereins. Peter Kay von der BGFG ergänzt: und attraktiv das Modell Genossenschaft „Als es an die Teamaufstellung für die „Es ist ein guter Mix aus verschiedenen ist und bleibt“, betont BVE-Vorstand Mi- Wahl ging, haben wir uns tatsächlich sehr Generationen entstanden – das schafft chael Wulf. Ob als zukunftsfähiger Arbeit- schnell gesucht und gefunden“, freut sich spannende Perspektivwechsel.“ Auch der geber, als Quartiersgestalter oder aber im auch Vorstand Michael Wulf von der Ge- thematische Austausch zwischen großen Sozialmanagement. „Wir blicken enthusi- nossenschaft Bauverein der Elbgemeinden und kleineren Genossenschaften sei na- astisch in die Zukunft der Genossenschaf- eG, auf dessen Vorschlag hin die Entschei- türlich Gold wert, betont Jörg Tondt, Vor- ten, und die Synergien des Vereins wer- dung fiel, diese Aufgabe zukünftig als grö- stand der FLUWOG-NORDMARK eG. den dabei immer wieder hilfreich sein“, ßere Mannschaft zu stemmen. Nachdem der bisherige Vorstand aus zwei fasst Dennis Voss abschließend zusam- Alexandra Chrobok, Vorständin der Frauen bestanden habe, seien die weib- men. „Definitiv lohnt es sich, sie weiter zu Eisenbahnbauverein Harburg eG, die den lichen Mitglieder aktuell leider etwas un- pflegen und auszugestalten.“ AUSGABE HERBST 2021
10 VEREIN Allgemeine Deutsche Schiffszimmerer- Gemeinsam Baugenossenschaft Genossenschaft eG Gegründet: 1875 stark Hamburger Wohnen eG Gegründet: 1921 Mitgliederanzahl: 7.400 Mitgliederanzahl: 14.836 Wohnungsbestand: 5.000 Wohnungsbestand: 9.043 Der Hamburger Wohnungsbauge- nossenschaften e. V. Baugenossenschaft Altonaer Spar- und bündelt seit 1976 KOLPING eG Bauverein eG Gegründet: 1948 Gegründet: 1892 die Aktivitäten von Mitgliederanzahl: 945 Mitgliederanzahl: 17.219 Wohnungsbestand: 6.963 30 Mitgliedern. Mit Wohnungsbestand: 751 rund 135.000 Woh- nungen bietet er Baugenossenschaft mehr als 230.000 Bauverein der Dennerstraße- Bürgern und ihren Elbgemeinden eG Selbsthilfe eG Gegründet: 1899 Gegründet: 1924 Familien ein Heim. Mitgliederanzahl: 22.855 Mitgliederanzahl: 8.300 Wohnungsbestand: 14.473 Wohnungsbestand: 5.000 Baugenossenschaft Bauverein Reiherstieg eG Baugenossenschaft der Gegründet: 1901 FLUWOG-NORDMARK eG Buchdrucker eG Mitgliederanzahl: 2.034 Gegründet: 1949 Gegründet: 1927 Wohnungsbestand: 1.543 Mitgliederanzahl: 7.529 Mitgliederanzahl: 2.685 Wohnungsbestand: 4.658 Wohnungsbestand: 1.838 Baugenossenschaft freier Eisenbahnbauverein Baugenossenschaft dhu eG Gewerkschafter eG Harburg eG Gegründet: 1925 Gegründet: 1921 Gegründet: 1922 Mitgliederanzahl: 7.335 Mitgliederanzahl: 4.852 Mitgliederanzahl: 11.927 Wohnungsbestand: 4.342 Wohnungsbestand: 3.208 Wohnungsbestand: 7.680 Baugenossenschaft Baugenossenschaft Gartenstadt Hamburg eG Finkenwärder-Hoffnung eG Fuhlsbüttel eG Wohnungsgenossenschaft Gegründet: 1921 Gegründet: 1924 Gegründet: 1919 Mitgliederanzahl: 2.858 Mitgliederanzahl: 958 Mitgliederanzahl: 4.340 Wohnungsbestand: 2.141 Wohnungsbestand: 682 Wohnungsbestand: 2.293 AUSGABE HERBST 2021
11 Wohnungsbaugenossen- Gemeinnützige Baugenos schaft KAIFU- senschaft Bergedorf-Bille eG mgf Gartenstadt Farmsen NORDLAND eG Gegründet: 1948 Mitgliederanzahl: 23.947 eG Mieter- und Wohnungs Gegründet: 1921 baugenossenschaft Mitgliederanzahl: 8.868 Wohnungsbestand: 9.290 Gegründet: 1988 Wohnungsbestand: 5.041 Mitgliederanzahl: 3.695 Wohnungsbestand: 2.556 (2.498 Treuhand, 58 eigener Bestand) Hamburger Lehrer- Wohnungsbaugenossen- Baugenossenschaft eG schaft Süderelbe eG Gegründet: 1926 Gegründet: 1947 Mitgliederanzahl: 3.648 Wohnungsbestand: 2.092 Mietergenossenschaft Mitgliederanzahl: 8.828 Falkenried-Terrassen eG Wohnungsbestand: 4.402 Gegründet: 1991 Mitgliederanzahl: 400 Wohnungsbestand: 324 Wohnungsgenossenschaft Hamburg-Rahlstedter Hamburg-Wandsbek Baugenossenschaft eG Gegründet: 1947 von 1897 eG Gegründet: 1897 Mitgliederanzahl: 3.493 Wohnungsbestand: 2.284 Vereinigte Hamburger Mitgliederanzahl: 4.000 Wohnungsbaugenossen- Wohnungsbestand: 3.300 schaft eG Gegründet: 1981 Mitgliederanzahl: 14.653 Wohnungsbestand: 7.619 HANSA Wohnungsgenossenschaft Baugenossenschaft eG Gegründet: 1925 von 1904 e.G. Gegründet: 1904 Mitgliederanzahl: 13.547 Mitgliederanzahl: 5.334 Wohnungsbestand: 9.774 Wohnungsbestand: 3.720 Walddörfer Wohnungs- baugenossenschaft eG Gegründet: 1947 Mitgliederanzahl: 3.764 Hanseatische Baugenos- Wohnungsbestand: 2.418 senschaft Hamburg eG Wohnungsverein Hamburg Gegründet: 1949 von 1902 eG Mitgliederanzahl: 8.994 Gegründet: 1902 Wohnungsbestand: 6.997 Mitgliederanzahl: 3.832 Quellen: eigene Angaben (Stand 12/2020) Wohnungsbestand: 2.703 Wohnungsbaugenossen- schaft Gartenstadt Wandsbek eG Gegründet: 1910 Mitgliederanzahl: 5.760 Wohnungsbestand: 3.253 AUSGABE HERBST 2021
12 Bald 50 Jahre „bei uns“ Wenn man’s genau nimmt, stimmt das nicht ganz, denn von VEREINSGESCHICHTE 1972 bis 1988 hieß unser Mitgliedermagazin noch Gut Wohnen. Wir sind ins Archiv eingetaucht und haben begeistert entdeckt: witzige Retro-Cover und News von gestern, viele Umgestaltungen und noch mehr fröhliche Mitglieder auf unseren Titelfotos. Aber sehen Sie selbst … 1972 Kabelfernsehen, Sommerurlaub, Dialogkultur Immer engagiert in Sachen fortschrittliche Wohnungstechnik und Mitgliederservice war auch 1986 der damalige Chefredakteur Klaus Bangemann. AUSGABE HERBST 2021
13 1988 1992 1997 bei uns IN ZAHLEN 138.000 Mal erscheint jede Ausgabe der bei uns, Hamburgs auflagen stärkstes „Stadt magazin“. 195 Ausgaben sind seit dem Gründungsjahr 2000 erschienen. 2009 4 Ausgaben werden pro Jahr herausgegeben – Fotos: Torner Brand Media, mit freundlichem Dank an das „Bei uns“-Archiv der BGFG jede Genossenschaft bekommt ihr eigenes Logo und macht die bei uns zu ihrem eigenen Magazin. Erstellt werden die Ausgaben von Abge sandten aller Woh nungsbaugenossen schaften, was bester Ausweis einer starken Vereinsarbeit ist. 2018 2020 AUSGABE HERBST 2021
14 g b j h f d i a c e AUSGABE HERBST 2021
15 HAUSORDNUNG So klappt’s mit den Nachbarn Soziales Miteinander wird in Genossenschaftshäusern großgeschrieben. Und wenn sich alle Bewohner rücksichtsvoll verhalten, steht dem harmonischen Wohnen unter einem Dach nichts im Wege. Aber was darf man eigentlich, was nicht, und wo gibt es Spielraum? In unserem Wimmelbild haben wir einige Beispiele versteckt. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Stöbern und Zuordnen! An den Gemeinschaftsflächen Wohnungstüren stapeln. Die kön- den Top-Recyclern gehört und möchten sich alle Bewohner er- nen übrigens auch echte Stolper- sortieren Sie Ihren Müll in die da- freuen. Deshalb ist es selbstver- fallen werden, wenn Frau Müller für vorgesehenen Tonnen. ständlich, dass Hundehalter das aus dem zweiten Stock den Müll Geschäft ihrer Vierbeiner weg- stets an ihnen vorbeitragen muss … Parkende Autos, herumstehende räumen und Fiffi stets an der Lei- Kinderwagen und Fahrräder au- ne führen. Ein Pläuschchen in Ehren kann ßerhalb der dafür vorgesehenen niemand verwehren – aber bitte Flächen … Im Notfall können sol- Geduld und Nachsicht mit un- nicht lautstark von Fenster zu che Gegenstände dafür verant- seren kleinen Mitbewohnern ist Fenster. Auf den Gemeinschafts- wortlich sein, dass lebensrettende natürlich Ehrensache. Noch leich- flächen gibt es zahlreiche Plätze Sekunden verloren gehen. Feuer- ter fällt sie, wenn Kinder mög- oder Bänke, um sich bei einem wehr oder Notarzt müssen daher lichst auf den dafür vorgese- Klönschnack über die neuesten ungehinderten Zugang zu Haus- henen Spielplätzen spielen. Wenn Neuigkeiten auszutauschen. und Hofeingängen, Treppen, sie dann auch noch auf die An- Fluren und Kellergängen haben. wohner und die üblichen Ruhe- Grillfans müssen jetzt tapfer sein. zeiten Rücksicht nehmen, steht Denn egal ob auf Balkon, Terrasse In unseren vier Wänden wollen dem Kinderspaß nichts im Wege. oder im Garten: Wenn Rauch in wir ungestört unsere Privatsphäre die Nachbarwohnungen ziehen genießen – dazu gehört natürlich Spontane und ausschweifende kann, ist Grillen leider nicht er- auch der Balkon. Deshalb achten Feierlichkeiten sind leider kein laubt. wir zum Beispiel beim Blumengie- Beitrag zum Allgemeinwohl. Des- ßen darauf, dass wir unseren wegen sollten private Feste, die Unsere Wohnungen sind vor Nachbarn keine ungefragte Ab- sich über 22 Uhr hinaus erstre- allem für eines da: zum Wohnen. kühlung verpassen. cken, den Hausbewohnern recht- Sie sind nicht für die gewerbliche zeitig angekündigt werden. Das Nutzung vorgesehen – schon gar Suchspaß für Kids und Co. Gebot der Zimmerlautstärke gilt nicht für eine, die nicht offiziell Achtung: Neben den hier beschrie- dabei aber natürlich immer. bei der Genossenschaftsverwal- benen Regeln haben wir im Bild wei- tung angemeldet ist. tere versteckt. Was gehört noch zu So schön ein kleiner Stadt einem für alle angenehmen gemein- dschungel auch ist: Vor den Fens Ordnung ist das halbe Leben. Ent- schaftlichen Wohnalltag? Wir wün- Illustration: Detlef Surrey tern im Treppenhaus hat er scheiden Sie sich – auch im Inte- schen Ihnen und Ihren Familien viel nichts zu suchen, denn er er- resse der Umwelt – bitte nicht für Vergnügen beim Suchen, Nachdenken schwert die Reinigung. Gleiches die andere Hälfte: Helfen Sie mit, und Diskutieren und sagen dann: gilt für Schuhberge, die sich vor dass Deutschland weiterhin zu Auf gute Nachbarschaft! AUSGABE HERBST 2021
16 NEWS Wohnraum für die Hansestadt Stadt, Bezirke und Wohnungswirtschaft einigen sich auf eine Erneuerung des Bündnisses für das Wohnen. wünschte Festlegung, wonach öffentliche Baugrundstücke vorrangig im Wege des Erbbaurechts vergeben werden sollen, um- stritten. „Je größer eine Fläche ist, je zen- traler sie liegt und je stärker sie mit vorhan- denem städtischen Besitz verknüpft ist, desto eher wird für sie ein Erbbaurecht bestellt werden“, heißt es jetzt in der Ver- einbarung. Damit habe man eine tragfähige Lösung gefunden, sagt VNW-Direktor Andreas Breitner. Zudem werde die Laufzeit von Erbbau- rechtsverträgen von 75 auf 99 Jahre verlän- gert. „Ferner gibt es bei neuen Verträgen die Möglichkeit, eine Verlängerung zu vereinba- ren, bei der die Entwicklung der Boden- werte außer Betracht bleibt.“ Außerdem Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapel habe die Stadt sich verpflichtet, Streitig- feldt, VNW-Direktor Andreas Breitner und Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher (v. l. n. r.). keiten bei bestehenden Erbbaurechten und Wiederkaufsrechten einvernehmlich bis zum Ende dieses Jahres zu klären. „Zu guter Nach neun Monate dauernden Verhand- schaften wurden in den Verhandlungen Letzt wurde eine sogenannte Clearing-Run- lungen haben sich die Hamburger Woh- von Andreas Breitner, Direktor des Ver- de mit Stadtentwicklungssenatorin und Fi- nungswirtschaft, der Senat der Hanse- bands Norddeutscher Wohnungsunter- nanzsenator geschaffen, um problematische stadt und die Bezirke auf ein neues Bünd- nehmen (VNW), und Marko Lohmann, Vorgänge kooperativ und zügig zu lösen.“ nis für das Wohnen geeinigt. Am 23. Juni Vorsitzender des VNW-Landesverbands 2021 wurde im Hamburger Rathaus die Hamburg, vertreten. Soziale Ausgewogenheit darf Vereinbarung unterzeichnet. Demnach soll nicht aus dem Blick geraten auch in den kommenden Jahren jährlich Lösung beim umstrittenen der Bau von mindestens 10.000 Woh- Erbbaurecht gefunden Nach den Worten von Alexandra Chrobok, nungen genehmigt werden. Der Anteil so- Vorsitzende des Hamburger Wohnungs- zial geförderter Wohnungen wird aufge- Die jetzt vereinbarte höhere Verbindlich- baugenossenschaften e.V. und Vorständin stockt – von 3.000 schrittweise bis auf keit des Bündnisses diene vor allem dem der Eisenbahnbauverein Harburg eG, 4.000 pro Jahr. Bau bezahlbarer Wohnungen, erklärten kommt es künftig darauf an, die soziale Die „kooperative Wohnungspolitik“ Breitner und Lohmann: „Künftig kommt Ausgewogenheit innerhalb der Stadtteile wird in Hamburg seit 2011 praktiziert. In es darauf an, gemeinsam die Zielkonflikte nicht aus den Augen zu verlieren: „Es gibt dieser Zeit wurden mehr als 100.000 Woh- zwischen Klimaschutz, Sozialverträglich- viele Quartiere, in denen gezielt geför- nungen genehmigt und fast 80.000 Woh- keit und Wirtschaftlichkeit zu lösen. Da- derter Wohnraum gebaut werden kann, nungen gebaut. Als Folge hat sich in der bei muss Pragmatismus Vorfahrt vor Ideo ohne eine zu einseitige Sozialstruktur zu Foto: Bertold Fabricius Hansestadt der Anstieg der Mieten deut- logie und unrealistischen Forderungen befördern.“ Außerdem sollten die Bezirke lich verringert. Er liegt seit zwei Jahren un- haben.“ Menschen, die nicht allein in einer Woh- ter der allgemeinen Preissteigerungsrate. Aus Sicht von Hamburgs Genossen- nung leben könnten, mehr Unterstützung Die Interessen der Wohnungsgenossen- schaften war vor allem die vom Senat ge- zukommen lassen. AUSGABE HERBST 2021
17 STAT I ST I K Genossenschaft schafft Fakten Zahlen sagen manchmal mehr als tausend Worte. Hier finden Sie Zahlen und Daten rund um die Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften. 966.000 Gesamtzahl der Wohnungen in Hamburg 1.550 Quellen: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein; eigene Angaben Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften e.V. und eigene Angaben SAGA Unternehmensgruppe. 720.000 246.000 Mitarbeiter Mietwohnungen (selbst Mit ihrem seit vielen genutztes) Jahren hohen Eigentum Investitionsvolumen (694 Millionen Euro im Jahr 2020) sind die Hamburger Wohnungs- baugenossenschaften rund 135.000 von Genossenschaften ein wichtiger Auftrag- geber für Handwerker rund 450.000 von privaten Vermietern und Baufirmen – vor allem aus der rund 135.000 von der SAGA Unter- Metropolregion Ham- nehmensgruppe burg. Hinzu kommt die Rolle als bedeutender Arbeitgeber und Aus- bilder: Die Wohnungs- baugenossenschaften der Hansestadt zählen 20 % Genossenschaftsbestand Gut 20 Prozent aller Hamburger Mietwohnungen sind Genossenschafts derzeit rund 1.550 wohnungen. Von Harburg bis Poppenbüttel, von Blankenese bis Lohbrügge: Die Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften bieten in Mitarbeiter und knapp nahezu jedem Stadtteil sowie in einigen Randgebieten schöne 150 Auszubildende. und bezahlbare Wohnungen. AUSGABE HERBST 2021
18 Wohnraum mit Werten: In der Genossenschaft wird Nachbarschaftlichkeit großgeschrieben. AUSGABE HERBST 2021
19 Bauen an einer T I T E LT H E M A besseren Welt Der Wunsch nach einem guten gemeinschaftlichen Leben: Er hat schon etwas Idealistisches. Genossenschaften beweisen, dass er Realität werden kann – wenn sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst sind. V ielleicht irgendwas So - Einklang mit Privatinteresse. Das hat mit nungsbaugenossenschaften der Hansestadt ziales ?“ „Wohlfahrt?“ Fragt Wohlfahrt nichts zu tun, sondern im Ge- initiiert haben, zeigt: Im Zentrum stehen man im Bekanntenkreis die genteil: mit Selbsthilfe. Menschen, die in Häusern leben, welche Nicht-Genossenschaftler, Würden die Genossenschaften nicht eben keine Investitionsobjekte sind. Wer was ihrer Meinung nach auf eine 150 Jahre währende Geschichte Anteilseigner wird und in eine Genossen- Wohnungsbaugenossen- zurückblicken, hätten sie Modellcharakter schaftswohnung zieht, bei dem ziehen Ge- schaften sind, bekommt man zuweilen und wären leuchtende Beispiele für die meinsinn und Gerechtigkeit mit ein. unsichere Gegenfragen als Antwort. „Sind sogenannte Sharing Economy, also das Möglichkeiten der Teilhabe und der das nicht diese Vereine, bei denen man Geschäftsmodell des Teilens: Teilen ist das Mitbestimmung sind da noch die Boni zu weniger Miete zahlt? In die man aber eh neue Haben, man nennt Fahrräder, Autos bezahlbaren Mieten, Dauerwohnrecht nie reinkommt?“ oder Werkzeuge nicht mehr sein Eigen, und Schutz vor Vermieterwillkür. Ein neu- Tatsächlich steht am Anfang oft die sondern nutzt die Dinge gemeinschaftlich er Spielplatz soll her? Die Hausordnung Wohnungssuche. Glücklich können sich – gegen eine geringere Nutzungsgebühr. muss überarbeitet werden? Gemeinsam diejenigen schätzen, die durch weit Aber: Während die solidarische Lebens- mit der Verwaltung lassen sich Arbeits- sichtige Eltern qua Geburt zu Genossen- mittelkooperative nachhaltig, zukunfts- gruppen auf die Beine stellen, in die sich schaftlern wurden. Oder die einer manch- und lösungsorientiert und irgendwie hip jeder, der möchte, einbringen kann. In mal langen Wartezeit die Stirn geboten daherkommt, hat sich das positive Image Spieleabenden, Tanz- oder Malkursen, bei und einen der begehrten Plätze bekom- der Genossenschaft im Bereich Wohn- Ausflügen oder in Vorlesezirkeln finden men haben. Oder die einfach zur richtigen wirtschaft noch nicht bei allen durchge- sich Bewohnerinnen und Bewohner aller Zeit am richtigen Ort waren. Eine Genos- setzt. Angesichts der hohen Nachfrage ist Generationen zu einer Gemeinschaft zu- senschaftswohnung ist gerade in Hamburg das ungerechtfertigt. Denn im Grunde ist sammen, bleiben im Austausch, organisie- so etwas wie ein wohnungswirtschaft- das heute überall gelobte Crowdfunding ren Hausaufgabenhilfen oder bieten Ein- licher Jackpot, denn in einer Zeit, in der in nichts anderes: Viele kleine Beiträge er- kaufsservices an. Die Liste der interkultu- unserem Teil der Welt so ziemlich alles im möglichen die Realisierung großer Vorha- rellen, sozialen und bildungspolitischen Überfluss vorhanden ist, mangelt es doch ben. Jedoch mit dem gewichtigen Unter- Projekte in den Quartieren ist lang – und an einem existenziellen Gut: an bezahl- schied, dass bei einer Genossenschaft die diese Vorteile gibt es zum Preis von weni- barem Wohnraum. Und den bieten die Mitglieder Eigentümer des Unternehmens gen Verbindlichkeiten, die das Mitglied Genossenschaften. Unter anderem, wohl- sind, das per Gesetz keine Rendite erwirt- eingeht. Jedes Engagement ist selbstver- Illustrationen: Jan Kruse/Human Empire Studio gemerkt. schaften darf. Jedenfalls keine, die nicht ständlich freiwillig und nicht verpflichtend. Denn die Wohnungssuche ist nur der wieder ins eigene Geschäft investiert wür- Man muss sich nicht als Nachbar engagie- Anfang. In Hamburger Genossenschaften de oder den Mitgliedern zugutekäme. ren, um in einer Genossenschaft zu woh- wird nicht nur 20 Prozent günstiger (im Hier bereichert sich kein Einzelner, reicher nen. Den gemeinsamen Besitz als das zu Vergleich zum städtischen Mietenspiegel) werden höchstens alle – und zwar auch an behandeln, was er ist – ein Stück selbst gewohnt – hier wird gelebt. Nachbar- Lebensqualität. gewählte Verantwortung –, reicht im schaftlichkeit statt Anonymität. Men- Ein Blick auf die zahlreichen Stiftungen Grunde schon, um aktiv am Ideal einer schen vor Rendite. Gemeinnützigkeit im und Vereine, die die unterschiedlichen Woh- gerechteren Welt mitzubauen. AUSGABE HERBST 2021
20 T I T E LT H E M A Und jetzt alle! Stabile Säulen: Genossenschaften fußen auf drei Prinzipien: Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Doch was bedeutet das eigentlich genau? 1 Selbsthilfe Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand? Stimmt nicht spricht. Man kann, wenn man es ganz genau nimmt, ganz. Heutzutage muss man nicht mehr mit Mus- auch nicht bei einer Genossenschaft, also bei sich kelkraft an der eigenen Wohnung bauen, wenn- selbst, wohnen, sondern man wohnt in ihr. gleich engagiertes Zupacken in der Nachbarschaft Die kleinen Präpositionen verdeutlichen den natürlich immer gern gesehen wird. Wenn in der großen Unterschied: Das einzelne Mitglied ist nicht Genossenschaft von Selbsthilfe die Rede ist, meint nur integraler Teil der Genossenschaft, es ist die Ge- das primär den Kern des genossenschaftlichen Ge- nossenschaft. Wenn das Unternehmen allen ge- dankens: sich zwecks gegenseitiger Hilfe zu verbin- meinsam gehört, sollen auch alle Aktivitäten den den, wenn die Mittel des Einzelnen nicht reichen. Mitgliedern zugutekommen. Unter dem Begriff Mit- Vor 150 Jahren, also zu Beginn der Genossenschafts- gliederförderung ist das sogar im Genossenschafts- bewegung, ist das natürlich oft aus einer sozialen gesetz festgeschrieben. Ob das Mitglied „nur“ An- Not heraus entstanden. Für die Wohnungswirt- spruch auf eine bezahlbare Wohnung hat oder ob schaft meint das ganz klar: aus einer Wohnungsnot. es noch von anderen Leistungen profitieren kann, Am Anfang der Unternehmensform Genossen- hängt individuell von den Angeboten der jeweiligen schaft stand also die Idee der Selbsthilfe: Die Mit- Genossenschaft ab. Auch da entscheidet, was sie glieder sind quasi Eigentümer und „Nutzer“ des anbieten kann und will. Unternehmens, denn sie beteiligen sich mit Ge- Genossenschaftliche Selbsthilfe bedeutet kei- schäftsanteilen daran, die sie gegen Geld erwerben. nesfalls, alles selbst machen oder jedes Detail selbst Die Genossenschaft kommt dadurch zu Eigenkapi- bestimmen zu müssen. Die Mitglieder übertragen tal und wird handlungsfähig – kann also Woh- diese Aufgaben an Vertreter, den Aufsichtsrat und nungen bauen und vermieten. Dadurch erklärt sich ehren- oder hauptamtliche Vorstände. Diese drei auch, dass man richtigerweise von „Nutzungsent- Organe machen die Selbstverwaltung aus – die zwei- gelt“ oder „Nutzungsgebühr“ statt von „Miete“ te Säule, auf die sich die Genossenschaften stützen. AUSGABE HERBST 2021
21 2 Selbstverwaltung Was erst einmal nach dröger Schreibtischarbeit klingen mag, ist ein spannender Prozess. Denn eine Genossenschaft funktioniert nach demokratischen Regeln und verwaltet sich auch so. Die Mitglieder- versammlung – in größeren Unternehmen auch Mitbestimmungsrecht Vertreter- bzw. Generalversammlung – ist dabei die und Möglichkeiten wichtigste Ebene, denn sie bildet die Basis, sozusa- der Teilhabe sind gen das pulsierende Herz einer jeden Genossen- die Boni einer jeden 3 schaft. Hier wird der Aufsichtsrat gewählt, der den Genossenschaft. Vorstand ernennt und ihm beratend und kontrol- lierend zur Seite steht. Nur Mitglieder haben hier mitzureden, niemand sonst. In Zeiten von Inves- toren und Börsengängen ist das bemerkenswert, Selbstverantwortung denn jeder Anteilseigner hat genau eine mitentschei- dende Stimme, unabhängig von der Zahl seiner Mit- Einer für alle – und alle für einen: Als Teil einer Ge- gliedsanteile. Über die Gremien kann also indirekt nossenschaft müssen die Mitglieder füreinander auf Unternehmensstrategie und Gewinnverwendung einstehen. Das zeigt sich im Kleinen, zum Beispiel eingewirkt werden. darin, dass das Gemeinschaftseigentum sorgfältig Gewinn? Klar, denn auch wenn eine Genossen- behandelt werden muss, aber auch im Grundsätz- schaft nicht in erster Linie auf Profit ausgerichtet lichen, etwa wenn es darum geht, die gefassten ist, ist sie natürlich auch keine Non-Profit-Organi- Beschlüsse zu respektieren. Das heißt nicht, dass sation, sondern bleibt ein wirtschaftlich orien- immer alles eitel Sonnenschein ist. Im Gegenteil, tiertes Unternehmen. Aber das Motto „Mensch vor wie in jeder Gemeinschaft wird auch hier hitzig dis- Rendite“ gilt: Alles Tun läuft auf die Förderung der kutiert: über die „richtige“ Geschäftsführung oder Mitglieder hinaus. Dieser Grundsatz ist in jeder Ge- über die Auffassung von Wirtschaftlichkeit. Ist die nossenschaftssatzung festgeschrieben. Erhöhung der Nutzungsgebühren angemessen? Be- Die Satzung ist quasi die Verfassung des Unter- wohner und Vorstand haben da möglicherweise nehmens. Hier steht verbindlich, welchen Zweck unterschiedliche Ansichten und es liegt in der ge- die Genossenschaft hat und welche Rechte und meinsamen Verantwortung, zu einem guten Schluss Pflichten die einzelnen Akteure haben. Änderungen zu kommen. können nur in der Vertreter- oder Generalver- Um Verantwortung zu übernehmen, muss man sammlung beschlossen werden. Eine hohe Wahlbe- also nicht gleich Vertreter sein oder sich in den teiligung ist die Voraussetzung dafür, dass die Ge- Aufsichtsrat wählen lassen. Ein gewisses Bewusst- nossenschaft funktionieren kann – und zwar genau sein für die eigenen Rechte und Pflichten reicht Illustrationen: Jan Kruse/Human Empire Studio so, wie es die Mitglieder wünschen. Vertreter zu schon. Und wer mehr tun möchte, sich aber nicht sein ist übrigens weniger aufwendig als gedacht. langfristig engagieren kann oder will, findet be- Man kann sich sogar selbst vorschlagen. Auch ist stimmt die Gelegenheit zu kurzfristigem Engage- der Zeitaufwand gering: einmal pro Jahr eine Ver- ment, sei es in einem Arbeitskreis zur Verschöne- sammlung, um über die Geschicke des eigenen rung der Gemeinschaftsflächen oder bei einer Unternehmens mitzubestimmen. Warum eigentlich spontanen Müllsammelaktion. Die Utopie vom nicht? Wie heißt es doch so schön? Es gibt nichts guten gemeinschaftlichen Leben hört eben nicht Gutes, außer: Man tut es. hinter der Wohnungstür auf. Dort beginnt sie erst. AUSGABE HERBST 2021
22 „Selbsthilfe ist T I T E LT H E M A universell und zeitlos. Das gilt auch heute.“ Genossenschaften tun weitaus mehr, als für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Die Expertin Dr. Iris Beuerle über den Wert von Gemeinsinn und Engagement in Zeiten wohnungspolitischer Herausforderungen. Worin besteht der Kern des genossen- Was unterscheidet eine Wohnungsge- schaftlichen Prinzips? nossenschaft von einem privaten oder Dr. Iris Beuerle: Es gibt mehrere Aspekte, einem kommunalen Wohnungsunter- die den genossenschaftlichen Gedanken nehmen? prägen. Aus meiner Sicht sind die Mitglie- Die Mitglieder einer Genossenschaft sind derförderung und die Selbstverwaltung gleichzeitig Eigentümer. Die Gremien be- die beiden wichtigsten Prinzipien. stimmen selbst. Private und kommunale Unternehmen sind fremdbestimmt. Bei Wie fördert eine Genossenschaft im einem kommunalen Unternehmen wie Wohnungsbereich ihre Mitglieder? der SAGA entscheidet die Stadt Ham- Zuallererst durch bezahlbaren und burg. Bei einem börsennotierten Unter- günstigen Wohnraum. Viele Genossen- nehmen haben Aktionäre Einfluss. Ge- schaften gehen aber weiter und unterbrei- nossenschaften sind keine Spekulations- ten ihren Mitgliedern entsprechend der objekte und die Mitglieder haben ein Lebenszyklen ein Angebot: Spielplätze für Dauernutzungsrecht, das besagt, dass sie Kinder, Kinderbetreuung für Familien, kann – zum Beispiel in der Mitgliederver- so lange sie wollen in einer Genossen- Nachbarschaftstreffs oder betreutes sammlung – für eigene Ideen werben schaftswohnung leben können. Wohnen für Seniorinnen und Senioren. und mitbestimmen. Vorstand und Auf- Nichts ist vorgeschrieben. Jede Genossen- sichtsrat legen selbst die Ziele der Ge- In der aktuellen politischen Debatte schaft kann selbst entscheiden. Der Aus- nossenschaft fest. wird des Öfteren der Begriff des Ge- gangspunkt sind die Bedürfnisse ihrer Mit- meinwohls verwendet, um sich von der glieder. Viele Mieterinnen und Mieter wollen Idee abzugrenzen, dass ein privatwirt- eigentlich nur günstig wohnen. schaftlich organisiertes Unternehmen Illustrationen: Jan Kruse/Human Empire Studio Selbstverwaltung klingt ein wenig nach Was nichts Verwerfliches ist und zu dem auch erfolgreich Wohnungen bauen „Jeder macht, was er will.“ Grundversprechen einer Wohnungsge- und verwalten kann. Ist das nicht In dem Sinne, dass jede der rund 2000 nossenschaft gehört. Aber wir erleben Wasser auf die Mühlen der Genossen- Genossenschaften in Deutschland sich gerade in unserer Zeit, dass sich ver- schaftsidee? selbst verwaltet und selbst entscheidet, mehrt Menschen in ihre unmittelbare Keine Frage, eine Genossenschaft ist von was sie anbieten will, stimmt das auch. Umgebung einbringen wollen und sich ihrer DNA her am Gemeinwohl orien- Jedes Mitglied besitzt einen Anteil an der auch für die Nachbarschaft und das tiert. Genossenschaften bauen Woh- Genossenschaft, hat eine Stimme und Quartier engagieren. nungen, um diese über viele Jahrzehnte AUSGABE HERBST 2021
23 VNW zu vermieten. Wer in einer Genossen- schaftswohnung lebt, braucht keine Angst zu haben. Weder vor einer Luxus- sanierung, die zu einer exorbitanten Mietsteigerung führt, noch vor einer Ei- genbedarfskündigung. Die von Genos- senschaften angestoßene Quartiersent- wicklung kommt in vielen Fällen auch Nichtmitgliedern zugute. Allerdings fasse ich den Begriff des Gemeinwohls etwas weiter. Ich zähle dazu Unternehmen, die sich von Unternehmen abgrenzen, deren Der VNW – Geschäftsmodell die Erwirtschaftung ei- ner Maximalrendite ist. Und ich verstehe Verband der Vermieter darunter private, Stiftungs- oder kommu- Dr. Iris Beuerle mit Werten nale Unternehmen, die das Ziel eint, dau- erhaft bezahlbaren Wohnraum zu errich- Der im Jahr 1900 als Interessen- ten und zu verwalten. Sie studierte nach einer Banklehre und Prüfungsverband der Was ist der Grund dafür, dass sich die Betriebswirtschaft an Wohnungsbaugenossenschaf- Genossenschaftsidee über so viele der HfWU-Nürtingen- Jahrzehnte bewährt hat? Geislingen. 20 Jahre war ten gegründete Verband Selbsthilfe ist universell und zeitlos. Das sie für den VNW norddeutscher Wohnungs gilt auch heute. Viele Menschen können Verband norddeutscher unternehmen (VNW) vertritt sich teuren Wohnraum nicht leisten. Was Wohnungsunterneh kann es da Besseres geben, als sich mit men e. V. als Referentin in Hamburg, Mecklenburg- anderen Menschen zusammenzutun und für Genossenschaften, Vorpommern und Schleswig- gemeinschaftlich etwas aufzubauen? Betriebswirtschaft und Hinzu kommt, dass tief in uns Menschen Quartiersentwicklung Holstein insgesamt 396 Woh- das Bedürfnis steckt, sich selbst zu ver- tätig und als Geschäfts nungsgenossenschaften und wirklichen. Und das am liebsten mit an- führerin für den VNW Wohnungsgesellschaften. deren zusammen. Landesverband Ham burg. Berufsbegleitend In den von ihnen verwalteten Sind Wohnungsgenossenschaften die hat sie an der Hoch 686.000 Wohnungen leben Lösung vieler unserer Probleme auf schule München ein dem Wohnungsmarkt? Masterstudium über rund 1,5 Millionen Menschen. Aus meiner Sicht ja, auch wenn ich einen Community Develop Die durchschnittliche Netto- Mix von genossenschaftlichen, kommu- ment absolviert und kaltmiete pro Quadratmeter nalen und privatwirtschaftlich organisier- 2014 an der HafenCity ten Wohnungsunternehmen für am sinn- Universität Hamburg liegt bei den VNW-Unterneh- vollsten halte. Aber das Genossen- über Wohnungsgenos men bei 6,20 Euro. Im vergan schaftsmodell ist – und die Geschichte senschaften im gesell hat es gezeigt – im Bereich des Wohnens schaftlichen Wandel genen Jahr investierten die das nachhaltigste. Sie bauen für Jahr- promoviert. Heute ist VNW-Mitgliedsunternehmen zehnte, vermieten jahrzehntelang und sie Verbandsdirektorin rund zwei Milliarden Euro in den sorgen dafür, dass ihre Bewohnerinnen des vbw Verband und Bewohner nicht nur Miete bezahlen, baden-württember Neubau, die Instandhaltung und sondern auch mitbestimmende Eigentü- gischer Wohnungs- die Modernisierung bezahlbaren mer sind. Wohnungsgenossenschaften und Immobilien- könnten nur durch ihre Mitglieder selbst unternehmen e. V. Wohnraums. Fast 4.000 Woh- aufgelöst werden. Bei anderen Unterneh- nungen wurden durch sie fertig- mensformen hätten die Mieter darauf gestellt. Seit der Gründung Foto: hubitation keinen Einfluss. Wer dauerhaft bezahl- baren Wohnraum will, muss auf Genos- gilt beim VNW das Motto: senschaften setzen. Gemeinsam sind wir stark. AUSGABE HERBST 2021
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