DIGISPHÄRE-WHITEPAPER - So denken die Deutschen und Kommunikationsfachleute europaweit über KI
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01 EINLEITUNG 3 02 POTENZIALE VON KI 5 03 MENSCH UND KI 18 04 ECM-STUDIE 2019: KOMMUNIKATOREN UND KI 36 05 INTERVIEW MIT DEM DFKI 55 06 FÜNF WICHTIGE FRAGEN 66 DIGISPHÄRE-WHITEPAPER ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 2
EINLEITUNG KI IM JAHR 2019 - WO STEHEN WIR? Kein Tag vergeht, ohne öffentliche Diskussionen über die Möglichkeiten und Potenziale von Künstlicher Intelligenz (KI). Die Bandbreite schwankt zwischen großen Hoffnungen und enttäuschten Erwartungen. Für die einen ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Roboter unsere Arbeitswelt nachhaltig verändern werden. Andere sind maßlos enttäuscht über die Antworten, die sie von Alexa, Siri oder Cortana auf scheinbar einfachste Fragen bekommen. Dieses Digisphäre-Whitepaper zeigt das Meinungsbild in Deutschland zu Potenzialen, persönlichen Erfahrungen und Erwartungen rund um das Thema KI. In einem weiteren Kapitel werfen wir einen Blick auf die Ergebnisse des European Communication Monitor 2019 und beleuchten, wie Kommunikationsexperten mit den Herausforderun- gen durch KI umgehen. Abschließend ordnet Reinhard Karger, Sprecher des DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) in einem Interview ein, was bei der Bewertung von KI zu berücksichtigen ist. Wir wünschen Ihnen viel Spaß und Erkenntnis. Ihr Digisphäre-Team von Fink & Fuchs und Civey 01 EINLEITUNG 4
02 POTENZIALE VON KI Meinungsumfragen von Civey DIGISPHÄRE-WHITEPAPER ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 5
DAS POTENZIAL VON KI IN DEUTSCHLAND Wie schätzen die Bürger in Deutschland das Potenzial von KI ein? Welche Perspektiven und Potenziale sehen sie für den Standort Deutschland? Welche Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen? Antworten auf diese Fragen gibt es auf den folgenden Seiten. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 6
WIE RELEVANT IST DIE ANWENDUNG VON KI FÜR DIE WIRTSCHAFT? KI made in Germany Klare Folge, wenn KI so bedeutend ist: Eine große Mehrheit ist der Meinung, dass die deutsche Wirtschaft auch selbst KI-Lösungen entwickeln und anwenden muss, um erfolgreich zu bleiben. Mehr als 75 Prozent finden dies sehr oder eher wichtig. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 7
KI ALS VERNICHTER VON ARBEITSPLÄTZEN? Arbeitsplatzkiller KI? Wo Licht ist, ist auch Schatten: Die Ängste vor KI zeigen sich etwa da, wo es darum geht, ob die Technologie zu mehr oder weniger Arbeitsplätzen führen wird. Mehr als die Hälfte der Befragten sieht das eher pessimistisch, jeder Vierte ist unentschieden. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 8
INWIEFERN SOLLTE DIE POLITIK EINGREIFEN? 23,2 % Sehr stark 38,8 % Eher stark 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 9
Politik und KI KI durch Regulierung in die richtigen Bahnen lenken Knapp die Hälfte (46,6 Prozent) ist der Meinung, dass die Politik die Entwicklung von KI regulieren sollte. 22,1 Prozent sind unentschieden, die strikten Regulierungsgegner sind in der Minderheit. Mit Blick auf die Ängste und Risiken ist das verständlich. Die Forderung nach Regulierung hängt auch mit der politischen Einstellung zusammen: An der Spitze liegen die SPD-Anhänger (62 Prozent), gefolgt von den Grünen (53,1 Prozent). Selbst unter FDP-Anhängern sind fast 40 Prozent für eine Regulierung. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 10
SOLLTE DIE POLITIK KI MEHR STÄRKER FÖRDERN? Fordern und Fördern: Der Stellenwert von KI für die Politik 56,2 Prozent sind der Meinung, dass der Förderung von KI durch die Politik mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Jeder Fünfte spricht sich für einen deutlich größeren Stellenwert aus, ein weiteres Fünftel ist mit dem Status quo zufrieden. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 11
KANN KI DAZU BEITRAGEN, UMWELTPROBLEME ZU LÖSEN? 56,2 % Ja 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 12
KI und Gesellschaft KI ist nicht nur ein Thema für die Ökonomen: Sie kann auch Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Die Frage ist: Geht es hier nur darum, negative Effekte wie Arbeitsplatzabbau oder ethische Grenzüberschreitungen zu verhindern? Oder kann sie auch positive Auswirkungen haben? Etwa, indem sie dazu beiträgt, Energie zu sparen und Ressourcen effizienter zu nutzen? Fast die Hälfte der Befragten (48,4 Prozent) glaubt, dass Technologien wie KI entscheidend dabei helfen können, Umweltprobleme und Klimawandel zu bekämpfen. Rund ein Drittel widerspricht. Die Technikgläubigkeit ist dabei unter Männern deutlich ausgeprägter: Hier glauben 56,2 Prozent an positive Effekte, bei den Frauen sind es nur 40,5 Prozent. Fast genauso viele (38,0 Prozent) widersprechen der These. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 13
KANN KI GESELLSCHAFTLICHE PROBLEME LÖSEN? 18,8 % Auf jeden Fall 23,1 % Eher ja 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 14
KI ist kein Heilsbringer Bei aller Hilfestellung, die KI gewähren kann: Ein Heilsbringer ist die Technologie nicht. Dafür sprechen jedenfalls die Umfrageergebnisse. Ein Viertel ist sich sicher, dass KI keine Hilfe bei der Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme darstellt, 34 Prozent sind der Meinung, dass sie das eher nicht sein wird. Rund 25 Prozent trauen KI zu, hier eine Hilfe zu sein. Unter Jüngeren ist das stärker ausgeprägt: 41,9 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 34,8 Prozent der 30- bis 39-Jährigen sind zuversichtlich, dass KI auch bei gesellschaftlichen Fragestellungen helfen kann. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 15
FAZIT Relevantes Thema – aber mit welchem Potenzial? KI ist ein wichtiges Thema, um am Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu sein. So sieht es die deutliche Mehrheit der Befragten. Hierzu muss die Politik entsprechende Weichen stellen. Mehr als die Hälfte ist der Meinung, dass KI mehr gefördert werden muss, fast genau so viele fordern aber auch, dass die Politik die Entwicklung vom KI regulieren sollte. Beim Blick auf die Chancen und Risiken des mit KI einhergehenden Wandels, gehen die Einschätzungen auseinander: Während knapp die Hälfte der Ansicht ist, KI könnte sogar dabei helfen, Umweltprobleme und den Klimawandel zu bekämpfen, sieht gut ein Drittel wenig positives Potenzial. Die Mehrheit fürchtet zudem, dass KI perspektivisch mehr Arbeitsplätze kosten als neue schaffen wird. Generell stehen die Befragten der Altersgruppe unter 30 Jahren dem Potenzial von KI optimistischer gegenüber. Generationenübergreifend tendieren die Befragten aber nicht unbedingt dazu, das Potenzial von KI zu überschätzen. Mehr als 60 Prozent glauben nicht daran, dass KI zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme beitragen kann. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 16
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass KI als relevanter Treiber für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel gesehen wird. Deutlich auseinander gehen die Einschätzungen, ob die daraus resultierenden Konsequenzen eher positiv oder negativ sein werden. Ein Großteil der Befragten sieht die Politik hier in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der Einsatz von KI zu Gunsten der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung erfolgt. 02 CIVEY-STUDIE I: POTENZIALE VON KI 17
03 MENSCH UND KI MEINUNGSUMFRAGEN VON CIVEY DIGISPHÄRE-WHITEPAPER ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 18
MENSCH UND KI Sich zum Frühstück die aktuellen Nachrichten von Alexa vorlesen lassen, dann mit dem Navi möglichst autonom auf dem schnellsten Weg den Arbeitsplatz ereichen. Dort liest einem der digitale Assistent die wichtigsten Nachrichten vor und plant den Tagesablauf. Dank der KI-gestützten Online-Diagnose hat man am Nachmittag den Arztbesuch gespart, sodass man früher zuhause ist, wo die smarte Steuerung die Wohnung perfekt temperiert hat. So könnte der Alltag mit KI aussehen. Doch wie ist es in der Realität? Die Experten von Civey haben auch hier genauer nachgefragt. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 19
WISSEN SIE, WIE KI FUNKTIONIERT? 73,4 % Ja 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 20
Grundlegendes Verständnis für Funktionsweise von KI vorhanden Fragt man Menschen nach ihrem Wissen über KI, glauben die meisten zunächst, ein gutes Verständnis davon zu haben. Fast 70 Prozent sind sich sicher, eine Vorstellung davon zu haben, was KI ist und wie sie funktioniert. Auch hier sind Männer deutlich stärker der Meinung, die Technologie zu verstehen, als es bei Frauen der Fall ist: 73,4 Prozent versus 63,5 Prozent. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 21
WIE GUT FÜHLEN SIE SICH ZU KI INFORMIERT? Vertieftes Wissen fehlt Das Bild ändert sich, wenn es darum geht, wie gut sich Menschen über die Funktionsweise von KI oder konkrete Einsatzgebiete informiert fühlen: 43 Prozent fühlen sich eher schlecht bis sehr schlecht informiert. Gerade mal jeder Dritte fühlt sich gut informiert. Das Buzzword als solches ist bekannt, eine grobe Idee hat auch jeder – aber die Frage „und was mache ich damit jetzt?“ bleibt offen. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 22
NUTZEN SIE KI BERUFLICH ODER PRIVAT? Nur jeder Fünfte nutzt KI-Systeme Eigentlich ist doch ständig von KI-basierten Assistenten und smarten Lautsprechern die Rede. Tatsächlich breit genutzt werden sie laut den Umfragedaten nicht – 73,7 Prozent geben an, Künstliche Intelligenz weder im Beruf noch privat zu nutzen. Das würde bedeuten, dass nur knapp jeder Fünfte Sys- teme wie Siri, Alexa & Co. nutzt. Oder aber einigen nicht klar ist, welche Funktionen, die sie bereits nutzen, durch KI gestützt werden. Besonders affin zeigen sich diejenigen, die noch in Aus- bildung sind. In der Berufswelt haben die Assistenten aber einen schweren Stand. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 23
WÜRDEN SIE MIT KI-BASIERTEN ASSISTENTEN ZUSAMMENARBEITEN? Kollege KI Dabei sind die Deutschen durchaus offen dafür, KI-gestützte Assistenten im Arbeitsalltag zu verwenden: 21,3 Prozent können sich das auf jeden Fall vorstellen, weitere 29,1 Prozent sind offen dafür. Rund ein Drittel winkt allerdings ab. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 24
WIE WIRD KI UNSERE GESELLSCHAFT VERÄNDERN? Die Einschätzungen, ob KI unsere Gesellschaft positiv oder negativ verändern wird, sind sehr zwiegespalten. Gut ein Drittel sieht der Zukunft mit KI positiv entgegen, während über 40 Prozent vor allem die negativen Apsekte sehen. Ein Viertel der Befragten vermag hierzu noch keine Aussage treffen. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 25
WO ENTSTEHEN VORTEILE DURCH DEN EINSATZ VON KI? Was KI für uns leisten kann Das größte Potenzial von KI sehen die Befragten in der Herstellung von Produkten – Stichwort Smart Factory und Industrie 4.0. Diesen Bereich nennen 29,7 Prozent. Dahinter folgen das Behandeln von Krankheiten und der „Einsatz digitaler Assistenten“ mit je rund 12 Prozent – 16,9 Prozent geben hier aber keine inhaltliche Antwort. Es fehlt wiederum an Wissen über konkrete Anwendungen. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 26
KANN KI UNS VON ROUTINE-AUFGABEN BEFREIEN? 22,6 % Sehr stark 32,4 % Eher stark 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 27
Entlastung durch KI Dass KI uns das Leben leichter machen kann, indem sie Routine-Aufgaben übernimmt, glaubt fast die Hälfte der Befragten (44,3 Prozent). 21,2 Prozent sind unentschieden, nur 14,2 Prozent schließen es aus, dass KI uns wiederkehrende Aufgaben vom Hals hält. Besonders optimistisch in dieser Hinsicht sind die 18- bis 29-Jährigen: Hier denken 55 Prozent, dass KI sie von Routineaufgaben befreien wird. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 28
WÜRDEN SIE SICH IM ALTER VON EINEM KI-ROBOTER PFLEGEN LASSEN? 20,9 % Auf jeden Fall 24,4 % Eher ja 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 29
Pflegekraft KI? So weit sind wir noch nicht Eine klare Spaltung zeigt sich bei der Frage, ob man bereit wäre, sich im Alter oder bei Krankheit von einem KI-gestützten Roboter pflegen zu lassen. Für die Hälfte ist das nichts – 25,4 schließen es völlig aus. 35 Prozent sind dafür jedoch offen. Die Haltung zu dieser Frage hängt deutlich vom Alter ab: 59,5 Prozent derjenigen über 64 lehnen es ab. Unter den 18- bis 29-Jährigen wie den 30- bis 39-Jährigen sind rund 45 Prozent dafür offen. Ein möglicher Grund: Sie gehen von einer deutlichen Weiterentwicklung aus, bis es soweit ist, dass sie diese Leistungen nutzen würden. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 30
IST KI EINE BEDROHUNG FÜR DIE MENSCHHEIT? 23,8 % Eher nein 14,6 % Auf keinen Fall 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 31
Ist KI eine Bedrohung für die Menschheit? Die Ängste davor, dass intelligente Maschinen auch eine Bedrohung für die Menschheit werden könnten, sind durchaus weit verbreitet: Ein Viertel (25,6 Prozent) sieht diese Gefahr auf jeden Fall, weitere 29,5 Prozent können es sich vorstellen. Die Einschätzung hierzu ist ebenfalls eine Frage des Alters: Unter den 18- bis 29-Jährigen sehen 38,4 Prozent diese Gefahr eher nicht. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 32
WAS WÜRDE DAS VERTRAUEN IN KI STEIGERN? Mangelndes Vertrauen in KI Was müsste passieren, damit Menschen mehr Vertrauen in die Technologie setzen? Die Antwort darauf ernüchtert: 16,2 Prozent nennen Gesetze und politische Vorgaben, 23,4 Prozent einheitliche ethische Normen der Unternehmen. Satte 43,4 Prozent sagen aber, dass beides nicht dazu führen würde, dass sie mehr Vertrauen in die Technologie setzen. Das zeigt: Unternehmen und besonders Kommunika- toren stehen hier vor einer großen Herausforderung. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 33
FAZIT Ohne umfassende Aufklärungsarbeit – keine Akzeptanz von KI Dass die Menschen einen ambivalenten Blick auf die Potenziale von KI haben, ist keine neue Erkenntnis. Interessant war aber in der Befragung, dass die Mehrheit glaubt, ein gutes Verständnis davon zu haben, was KI ist und wie sie funktioniert. Dennoch fühlt sich nicht mal jeder Dritte gut darüber infomiert, wie Einsatzgebiete für KI aussehen könnten. Zudem fehlt es an konkreten persönlichen Erfahrungen. Fast drei Viertel der Befragten sagten, sie würden KI weder beruflich noch privat nutzen. Dieses Ergebnis ist vor allem deshalb spannend, weil in der öffentlichen Diskussion doch oft das Bild vermittelt wird, Siri, Alexa & Co. seien mittlerweile unverzichtbare Begleiter in unserem Alltag. Dabei kann sich die Mehrheit durchaus vorstellen, KI-gestützte Assistent im Arbeitsalltag einzusetzen. Das größte Potenzial von KI im beruflichen Umfeld liegt eher in Bereichen, in denen die Automatisierung schon Einzug gehalten hat, also in der Fertigung von Produkten. Doch generell scheint es an konkreten Er- fahrungen oder guten Beispielen für den Einsatz von KI im beruflichen Umfeld zu fehlen. Denn ein Großteil 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 34
der Befragten hat noch keine konkrete Vorstellung davon, wo und wie KI die Abläufe am Arbeitsplatz verbessern kann. Knapp die Hälfte sieht vor allem Potenzial bei der Übernahme von Routine-Aufgaben. Wenn KI in Form von Pflege-Robotern unsere Privatsphäre verändert, gehen die Meinungen deutlich auseinander. Gut die Hälfte kann sich die Form der Pflege gar nicht vorstellen, während vor allem Befragte jünger als 40 Jahre durchaus offen für diese Form der Pflege sind. Wenn knapp die Hälfte der Befragten KI noch als potenzielle Bedrohung einordnen, lässt sich feststellen, dass noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist, um eine positive Grundhaltung zu KI auf breiter gesellschaft- licher Ebene zu erreichen. Um entsprechendes Vertrauen aufzubauen, sind vor allem ethische Normen, Gesetze und politische Regulierung gefordert. Dennoch sagen mehr als 40 Prozent, nicht mal das führe zu mehr Vertrauen in KI-Technologien. Es liegt also noch eine Menge (Aufklärungs-)Arbeit vor Politik, Unterneh- men, Verbänden und anderen Institutionen, um die Akzeptanz und das Verständnis für Künstliche Intelligenz im privaten und beruflichen Umfeld zu stärken. 03 CIVEY-STUDIE II: MENSCH UND KI 35
04 KOMMUNIKATOREN UND KI AUSZUG AUS DEM EUROPEAN COMMUNICATION MONITOR 2019 DIGISPHÄRE-WHITEPAPER ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 36
EUROPEAN COMMUNICATIONS MONITOR 2019 SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI Welche Rolle spielt KI in der Kommunikation und wie sehen die Potenziale aus? Hierzu wurden mehr als 3.000 Kommunikationsverantwortliche in ganz Europa gefragt. Diese Grafiken gibt es nur in englischer Sprache. Weitere Informationen unter www.communicationmonitor.eu 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 37
EINSCHÄTZUNG VON KI IN DER KOMMUNIKATIONSBRANCHE 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 38
Wie KI die Branche verändert KI wird auch die Kommunikationsbranche verändern. Doch wie schätzen ihre Akteure die Risiken ein? Sie zeigen gemischte Gefühle: So finden 29,2 Prozent, dass KI die Branche stark verändern wird, schätzen hingegen die Risiken gering ein. Rund 24 Prozent gehen von geringen Veränderungen und Risiken aus. Kleiner die Gruppe der Bedenkenträger: 14 Prozent erwarten einen starken Einfluss von KI und damit verbunden viele Risiken. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 39
WIE SCHÄTZEN SIE DEN EINFLUSS VON KI AUF IHREN BERUF EIN? (ALLGEMEIN UND NACH UNTERNEHMENSTYP) 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 40
Veränderung des Berufsbildes Mit KI hält ein neuer Kollege Einzug in Agenturen und Kommunikationsabteilungen – mit entsprechend erwarteten Durchschlageffekten. So glauben rund 67 Prozent, dass KI Einfluss oder sogar starken Einfluss darauf haben wird, wie ihre Agenturen oder Unternehmen künftig arbeiten werden. Großunternehmen sehen Veränderungen PR-Mitarbeiter börsennotierter Unternehmen erwarten die stärksten Auswirkungen von KI auf ihr Unternehmen (40,3 Prozent) und ihr persönliches Arbeitsumfeld (37 Prozent). Von den im öffentlichen Sektor Befragten schreiben mehr als die Hälfte KI einen großen Einfluss auf die PR- und Kommunikationsbranche insgesamt zu. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 41
WIE SCHÄTZEN SIE DEN EINFLUSS VON KI AUF IHREN BERUF EIN? (NACH LÄNDERN) 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 42
Wie wird sich KI auf die europäische Kommunikationsbranche auswirken? Im Durchschnitt sind sich die Befragten auch im europäischen Vergleich einig: Die Finnen sagen, ja, sie wird sich verändern – und zeigen hier mit 65,6 Prozent die höchste Zustimmung. Mit je nur knapp über 40 Prozent zeigen Kroatien, Slowenien und Österreich hier die insgesamt geringste Zustimmung. Deutschland zeigt sich mit einer Zustimmung von 51 Prozent gespalten. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 43
WIE ERFAHREN SIND SIE IM UMGANG MIT KI? 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 44
Nur wenige nutzen KI schon heute Doch wie sieht es heute aus? Tatsächlich nutzt nur etwas mehr als jeder Zehnte (13,3 Prozent) schon heute KI-Anwendungen wie Sprachassistenten fürs Smartphone oder das Zuhause – sowohl im Büro als auch privat. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 45
WIE BEEINFLUSST IHRE KI-KOMPETENZ DEN UMGANG MIT DER TECHNOLOGIE? 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 46
Persönliche Erfahrung zählt Wer Siri, Alexa & Co. auch im Privatleben nutzt, zeigt sich gegenüber KI im Berufsleben aufgeschlossener. So glauben knapp 50 Prozent der bereits aktiven KI-Nutzer, dass die Technologie ihren individuellen Arbeitsalltag beeinflussen wird. Experten und Anfänger Doch wie fit sind die Kommunikationsexperten beim Thema KI wirklich? Wie definieren sie den Begriff überhaupt? 15 Prozent erwiesen sich als KI-Experten – gegenüber nur sieben Prozent KI-Anfängern. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 47
WELCHE HERAUSFORDERUNGEN SEHEN SIE IN DER PRAXIS? 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 48
Herausforderungen in der Kommunikationspraxis Hier spielt der Anwender eine entscheidende Rolle: 56 Prozent sehen die mangelnde Kompetenz der Anwender als größte Herausforderung, gefolgt von speziellen organisatorischen Strukturen wie Budgets und Verantwortlichkeiten, was 54 Prozent kritisch sehen. Eine Frage der Motivation Gerade Agenturen und Beratungen (49,4 Prozent) sehen die mangelnde Motivation der Mitarbeiter, KI auch anzuwenden, als die größte Herausforderung. Etwas anders die Lage in Privatunternehmen: Hier stimmen dem nur rund 39 Prozent zu. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 49
WELCHE RISIKEN SEHEN SIE FÜR DIE BRANCHE? 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 50
Wissensgefälle als Hauptrisiko Mehr als die Hälfte sieht unterschiedliches KI-Know-how in Organisationen als ein Risiko. 69,6 halten es für sehr oder tendenziell wahrscheinlich, dass unklare Verantwortlichkeiten zum Stolperstein werden. 21 Prozent halten es für sehr wahrscheinlich, dass Kommunikationsberufe ihre Identität verlieren werden. Jobkiller KI? Von einer KI ersetzt zu werden sehen alle Befragten – egal ob von NGO, Agentur oder Unternehmen – relativ entspannt. Der Durchschnitt liegt hier bei etwas mehr als 18 Prozent. Dass Unternehmen und Organisationen mit einem starken Wissensgefälle kämpfen werden, darüber sind sich die Befragten branchenübergreifend mit etwa 50 Prozent Zustimmung einig. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 51
WELCHE RISIKEN SEHEN SIE FÜR DIE BRANCHE? (NACH LÄNDERN) 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 52
German Angst Geht es um die potenziellen Risiken von KI für die Branche, zeigen die Deutschen bei allen Risiken die größte Zustimmung. Mehr als zwei Drittel sorgen sich dabei vor allem um das Wissensgefälle, während 20 Prozent fürchten, Kommunikatoren könnten ihre Kernkompetenz verlieren. Nur für 18,8 Prozent stehen sinkende Gehälter zur Debatte. Südeuropäer entspannter In Ländern wie Spanien, Italien und Portugal erreichen die Risikofaktoren übergreifend eine maximale Zustimmung von 58 Prozent. Anders als den Nordeuropäern bereitet ihnen das Risiko sinkender Gehälter besonders große Sorge (Höchstwert Rumänien, 35 Prozent). 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 53
FAZIT Mit der Einführung der Künstlichen Intelligenz (KI) tritt die strategische Kommunikation in eine neue Phase. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die professionelle Kommunikation von Unternehmen, da Menschen durch Software- agenten und intelligente Geräte ersetzt oder unterstützt werden können. Drei Viertel der Befragten (77 Prozent) sind der Meinung, dass KI den Kommunikationsberuf als Ganzes verändern wird, aber ein Drittel (37 Prozent) denkt, dass dies die Art und Weise, wie man selbst arbeitet, kaum oder sehr gering beeinflussen wird. Bedenklich erscheint dabei, dass nur 15 Prozent der Praktiker mit Blick auf das abgefragte Wissen zum Thema als KI-Experten identifiziert werden konnten. Insgesamt 56 Prozent geben an, dass es für Kommunikationsabteilungen und Agenturen schwierig sein wird, die not- wendigen Kompetenzen zur Nutzung von KI bei den Mitarbeitern aufzubauen. 54 Prozent glauben, dass große Hürden bei der Einführung in strukturellen Aspekten der Organisation liegen (Informationstechnologie, Budgets, Zuständig- keiten). Die Kompetenzfrage wird in Deutschland signifikant wichtiger eingeschätzt als in Österreich und der Schweiz. Noch deutlicher gilt dies bei der gesellschaftlichen Infrastruktur im Sinne von Highspeed-Internet oder gesetzlichen Regeln – die Lücken dort bremsen nach Ansicht der Kommunikationspraktiker die KI-Entwicklung in der deutschen Kommunikationsbranche. 04 ECM STUDIE 2019: SO STEHEN KOMMUNIKATOREN ZU KI 54
05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ DIGISPHÄRE-WHITEPAPER ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 55
INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, SPRECHER DES DFKI KÜNSTLICHE INTELLIGENZ: DAS BILD HÄNGT SCHIEF Sie schalten das Licht aus, tanzen Walzer, planen unsere Termine und sehen manchmal sogar richtig putzig aus: Service-Angebote mit Künstlicher Intelligenz (KI) sind heute schon normaler Teil unseres Alltags. Trotzdem haben wir Angst vor ihnen. Reinhard Karger, Unterneh- menssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) weiß, warum wir Menschen so ambivalent reagieren – und wie er das kommunikativ auffängt. 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 56
Herr Karger, das Thema Künstliche Intelligenz schlägt Im letzten Jahr hat KI für eine Menge Schlagzeilen in den Medien hohe Wellen, regt Fantasie und Ängste an. gesorgt – viele davon waren eher kritisch. Sie als Experte beschäftigen sich schon lange damit. Meiner Ansicht nach berichten die Medien verzerrt: Wie hat sich hier die öffentliche Wahrnehmung Zum einen schüren sie Hoffnungen und unrealistische verändert? Euphorie. Die wissenschaftliche Machbarkeit spielt bei Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist in den letzten dieser doch stark verkürzten Darstellung oft keine Rolle Jahren stark in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung mehr. Zum anderen rufen sie überzogene Befürchtun- gerückt, die Wirtschaft erkennt das Potenzial der Techno- gen hervor: Der Mensch würde von Maschinen dominiert. logie. Zu Recht: Die Software wird immer leistungsfähiger, Science-Fiction-Bilder bestimmen die öffentliche Atmo- die Anwendungen zahlreicher und es stehen ausreichend sphäre und es wirkt so, als hätte der Mensch seine beste Daten zur Verfügung, mit denen KI-Systeme trainiert und Zeit hinter sich. Selten sehen wir hier die notwendige weiter verbessert werden können. Präzision oder eine differenzierte Berichterstattung. Die Leserinnern und Leser sind außerordentlich interessiert, werden aber noch nicht wirklich gut informiert. 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 57
Das DFKI kann gegen dieses schiefe Bild von KI doch gut Wie sieht Ihre Strategie in der Medienarbeit aus? arbeiten, oder? Wir geben Interviews, schreiben Artikel und veröffentli- Das stimmt. Wir zeigen konkrete Ergebnisse, erläutern, chen in Beilagen. Wir nehmen als Sprecher an Konferen- wie wir sie erreicht haben und was das bedeutet. Anschau- zen, Podiumsdiskussionen, Events und Messen teil und ung hilft! Auf dieser Basis kann man dann die eigentlichen reden viel mit Journalisten – ganz normale Presse- und Fragen adressieren: Was genau ermöglicht der Einsatz von Öffentlichkeitsarbeit also. Wir sprechen mit BILD und KI-Technologie heute? Was ist noch nicht möglich, aber Brigitte genauso wie mit dem SPIEGEL oder der mittelfristig erwartbar? Was sind aktuell die Grenzen der Washington Post. Und bei diesen Gesprächen lernt man wissenschaftlichen Erkenntnis? Aber eben auch: In welche sehr viel darüber, welche Beispiele funktionieren und Richtung und mit welchen Leitplanken soll KI weiterentwi- welche weiteren und durchaus neuen Fragestellungen ckelt werden? Unser Claim lautet „KI für den Menschen“. sich ergeben. 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 58
Wie kann ein zielführender Dialog entstehen? nicht, denn „das kann ja jedes Kind“. Maschinen können Wir brauchen informierte Medien, die über einen infor- das nicht. Weil es „nichts Besonderes“ ist, scheint es mierten Dialog zu einer informierten Öffentlichkeit führen, fälschlicherweise auch keine Herausforderung zu sein. damit man wirklich darüber reden kann, was eigentlich Ist es aber! Menschen fehlt oft die Wertschätzung des passieren soll und welche KI-Entwicklungen als gesell- Menschlichen. schaftlich wünschenswert erachtet werden. Das Inter- essante daran ist, mit der Öffentlichkeit über den Begriff Derartige Vergleiche finden in der öffentlichen „Intelligenz“ zu diskutieren, und dass man Dimensionen Diskussion aber kaum statt. Da geht es eher um von Intelligenz unterscheiden muss. Zum Beispiel gibt den unbesiegbaren Computer beim Go- oder es viel zu wenig Aufmerksamkeit dafür, dass Menschen Schachspielen. bei sensomotorischer Intelligenz jeder Maschine haus- Menschen halten die kognitive Intelligenz hoch. Wir sind hoch überlegen sind – und noch lange sein werden. Das verständlicherweise sehr stolz auf unsere Wissensleis- sehen Sie beim Schließen eines Hemdknopfs oder beim tungen und beeindruckt von Spezialbegabungen, weil Binden eines Schnürsenkels. Das beeindruckt uns aber sie eben „’was Besonderes“ sind. Das verstellt aber oft 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 59
den Blick auf die Komplexität der menschlichen taktilen Teammitglieder deuten und darauf angemessen Fähigkeiten, die aber Voraussetzung z.B. für die Produk- eingehen können. tion sind. Dinge zu nehmen, aufzuheben, weiterzugeben und zum richtigen Zeitpunkt loszulassen, ist für Menschen ganz normal. Gleiches gilt für emotionale oder soziale Intelligenz, also das Verständnis der Bedürfnisse meines Gegenübers oder die Interaktion in Gruppen (s. Grafik). Das sind für Teamarbeit essenzielle Fähigkeiten – was übrigens genauso für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI gilt. Der Roboter übernimmt repetitive Tätigkeiten. Das Anspruchsvolle, wie die Qualitätssicherung der Maschi- nen, das übernimmt der Mensch. Damit das Miteinander von Mensch und Maschine in der Produktion gelingt, muss der Roboter den Plan des Menschen erkennen, er muss Wo ist KI dem Menschen überlegen? die sozialen und emotionalen Signale der menschlichen Eine Darstellung der verschiedenen Arten von Intelligenz gibt Aufschluss 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 60
Bei Alexa, Siri & Co. gibt es schon bei deren Ist die Angst vor KI nicht absurd, wenn man tagtäglich Grundfunktionen Nachbesserungsbedarf. mit den beschränkten Fähigkeiten von Alexa und Siri Systeme wie Alexa, Siri oder Cortana sind in ihrer Dialog- konfrontiert wird? fähigkeit noch deutlich ausbaufähig. Das liegt daran, dass Es ist erstaunlich, dass die Leistungsfähigkeit von Alexa der Erkenntnisstand der Wissenschaft noch lange nicht & Co. nicht zu öffentlichen Beschwerden führt. Siri wurde ausreicht, um Systeme zu bauen, die unseren Dialogbe- bereits 2011 eingeführt und ich hätte gedacht, dass diese dürfnissen entsprechen und die im situativen Kontext ad- Anwendungen schneller Fortschritte machen. Ich nehme äquat reagieren. Unterhaltsamer Small-Talk zum Beispiel sprechende Beispiele immer in meine Vorträge mit. Das hat lebensweltlich einen erstaunlichen Komplexitätsgrad. reduziert Nervosität, die Menschen sind zufriedener mit Die Leute haben kaum eine Vorstellung davon, wie viel All- sich und der Welt und haben aber auch deutlich mehr tagsintelligenz für diese Art von Konversation nötig ist. Wertschätzung für ihre eigene Alltagsintelligenz. 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 61
Bei der KI Pepper, einem Roboter, der den Menschen Ist der Einsatz von Pepper als Conversational Companion simuliert, sind wir nachsichtiger? für einsame Menschen ein Modell der Zukunft? Naja, das Kindchen-Schema lässt ihn sicher ganz süß Das mag ja auf den ersten Blick ganz sinnvoll klingen. wirken. Die Nachsichtigkeit hört aber dann auf, wenn Sie Pepper hat Kameras als Augen, Arme, mit denen er ges- mit Pepper etwas erreichen wollen und seine Leistung tikuliert und er kann sprechen. Auf seinem „Brustkorb“ ist doch überschaubar bleibt. Wenn Pepper beispielsweise in ein Tablet montiert, auf dem Pepper Fotos oder Videos Concierge-Situationen in einem Laden voll mit Menschen anzeigen kann. Aber wir sprechen hier über ein teilhuma- eingesetzt wird, wo es auch noch laut ist, versteht er sel- noides, rollendes System. Treppen steigen kann er nicht, ten, dass er angesprochen wird. Wenn er dann doch re- also ist die Bewegung in ein anderes Stockwerk oder über agiert, merkt man, dass er die Frage nicht verstanden hat, einen Hochflorteppich schon ein Problem. Trotzdem wird weil Spracherkennung bei diesem Geräuschpegel noch bereits jetzt die Realität eines Conversational Companion überfordert ist. Offenbar lassen sich solche Systeme heu- suggeriert, inszeniert und idealisiert – das ist Desinfor- te teuer verkaufen, obwohl sie nicht im Ansatz das leisten, mation der Öffentlichkeit. Insofern müsste man sich dar- was man erwartet. über unterhalten, ob und wie man zu Systemen kommt, 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 62
mit denen deutlich mehr Interaktion und Dialog möglich Dann werden Roboter uns irgendwann wenigstens sind. Man hat mittlerweile bessere Spracherkennung, kann bei der Arbeit unter die Arme greifen? Relationen besser identifizieren, Inhalte besser extrahie- Ganz bestimmt. Es gibt viele Szenarien, in denen Roboter ren und kommt in einem Dialogsystem zu einem besseren stupide, ergonomisch belastende oder gefährliche Antwortverhalten. Wenn ich das jetzt sehr viel weiterden- Aufgaben für uns übernehmen werden. Beispielsweise ke, erlauben Sie mir den Sprung, dann kann es durchaus Tätigkeiten in der Ruine des Atomkraftwerks von Fukus- möglich werden, dass ich den Companion mit den Infor- hima oder das Löschen von Waldbränden auf großen mationen aus meinem Leben füttere, dass die künstliche Flächen. Es gibt auch schon sehr reale tägliche Anwen- Stimme so klingt wie mein verstorbenes Familienmitglied dungsszenarien. Zum Beispiel die Zukunft der Pflege. In und eine Unterhaltung möglich wird über die gemeinsa- der ambulanten Pflege wird es so sein, dass man hybride men Urlaube. Die Frage ist, wollen wir das? Und ich meine, Teams aus Pflegern und Robotern brauchen wird, damit das ganz ergebnisoffen. man überhaupt die Folgen des demografischen Wandels 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 63
ab dem Jahr 2035 auffangen kann. Dafür ist es notwendig, Wie beurteilen Sie die Investitionen in KI dass Maschinen eine solch herausragende sensomotori- auf Bundes- und EU-Ebene? sche Intelligenz haben, dass sie Menschen bei Bewegun- Ich finde, die KI-Strategie auf Bundesebene ist ausge- gen, die ihnen schwerfallen, auch wirklich unterstützen zeichnet und es ist wirklich nicht meine Welt, wenn im- können. mer gesagt wird „aber in China wird viel mehr investiert“. Die Idee, staatlich drei Milliarden Euro zu investieren, ist eine evidente und satte Leistung. Dass man damit u.a. auch 100 KI-Lehrstühle schaffen will, finde ich sportlich, denn dazu braucht man eben auch 100 Professorinnen und Professoren. Und: KI ist mehr als MINT. Mir würde es sehr gut gefallen, wenn KI noch interdisziplinärer gedacht und KI-Know-how in vielen Fakultäten vermittelt wird. 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 64
ÜBER REINHARD KARGER Unternehmenssprecher Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI Reinhard Karger studierte theoretische Linguistik und Philosophie in Wuppertal, war Assistent am Lehrstuhl Computerlinguistik der Universität des Saarlandes und wechselte 1993 zum DFKI. Seit 2000 leitet Reinhard Karger die Unterneh- menskommunikation, seit 2011 ist er Unternehmenssprecher des DFKI. Reinhard Karger ist Mitglied der Jury des „Ausgezeichnete Orte”-Wettbewerbs von „Deutschland – Land der Ideen“, war von Mai 2014 bis Juni 2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI), ist seit Februar 2017 MINT-Botschafter des Saarlandes und wurde im März 2018 zu einem der 100 Fellows des „Kompetenzzentrums für Kultur- und Kreativwirt- schaft“ des Bundes ernannt. 05 INTERVIEW MIT REINHARD KARGER, DFKI: „DAS BILD HÄNGT SCHIEF“ 65
06 FÜNF WICHTIGE FRAGEN ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ DIGISPHÄRE-WHITEPAPER ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 66
FÜNF FRAGEN ZU KI, DIE SIE SICH STELLEN SOLLTEN Was möchten Sie mit KI verbessern? Welche KI-Technologie, welches KI-Werkzeug könnte dafür sinnvoll sein? o und wie sammeln Sie Daten W (komplette unternehmensweite Verfügbarkeit vs. Datensilos in Fachabteilungen)? it welcher Art von Daten und welcher Art von Inhalten M (Text, Fotos, Grafiken, Zahlen, Videos oder Sensordaten) arbeiten Sie? Wie kann das KI-Mensch-Zusammenspiel konkret aussehen? 06 FÜNF WICHTIGE FRAGEN ZUM THEMA KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 67
ionen Weitere Informat und Meinungen zum Thema digitaler Wandel: .de w w w.digisphaere KONTAKT KONTAKT Michael Grupe Judith Klose michael.grupe@finkfuchs.de judith@civey.com Tel.: +49 611 74 13 165 Tel.: +49 151 14 00 79 93 WIESBADEN MÜNCHEN BERLIN BERLIN Berliner Straße 164 Paul-Heyse-Straße 29 Tempelhofer Ufer 17 Alte Jakobstraße 85 - 86 65205 Wiesbaden 80336 München 10963 Berlin 10179 Berlin Tel.: +49 611 74131-0 Tel.: +49 89 589787-0 Tel.: +49 30 2639917-0 Tel.: +49 30 1207470-60 www.finkfuchs.de www.civey.com 68
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