Evaluierung der Regelungen zur Beratungsangebotspflicht beim Dispositions- und Überziehungskredit in 504a, 505 Absatz 2 Satz 2 BGB
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Abschlussbericht „Evaluierung der Regelungen zur Beratungsangebotspflicht beim Dispositions- und Überziehungskredit in §§ 504a, 505 Absatz 2 Satz 2 BGB“ Berlin, 24. März 2021 Auftraggeber Bundesrepublik Deutschland vertreten durch die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Mohrenstraße 37 10118 Berlin Autoren Dr. Stefan Ekert Univ.-Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Lisa Poel M.A. Auftragnehmer INTERVAL GmbH Brunnenstr. 181 10119 Berlin www.interval-berlin.de
INHALTSVERZEICHNIS TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................ IV ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................. V 1 Einleitung und Auftrag ........................................................................ 1 2 Hintergrund und Forschungsstand ................................................... 3 2.1 Gesetz und Gesetzgebungsverfahren .................................................................... 3 2.1.1 Inhalte der gesetzlichen Regelung ................................................................ 3 2.1.2 Diskussionen und Einschätzungen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ............................................................................ 5 2.2 Stand der Forschung zur Beratungsangebotspflicht ............................................ 7 2.2.1 Rechtswissenschaftliche Literatur ................................................................. 7 2.2.2 Sozialwissenschaftliche Untersuchung und weitere Literatur......................... 9 3 Methodisches Vorgehen und Datenbasis ....................................... 12 3.1 Vorgehen im Überblick .......................................................................................... 12 3.2 Befragung von Banken und Kreditinstituten ....................................................... 16 3.2.1 Befragung zentraler Stellen ......................................................................... 16 3.2.2 Befragung von beratenden Bankmitarbeitenden.......................................... 18 3.3 Befragung von Verbraucherinnen und Verbrauchern ......................................... 18 3.4 Befragung von Beratungsstellen .......................................................................... 20 3.5 Befragung von Verbandsvertreterinnen und -vertretern ..................................... 21 4 Verbreitung von Girokonten und Dispositionskrediten in Deutschland........................................................................................ 22 4.1 Verfügbarkeit von Girokonten............................................................................... 22 4.2 Verfügbarkeit von Dispositionskrediten............................................................... 23 4.3 Entwicklung des Volumens und der Zinssätze von Dispositionskrediten ......... 24 4.4 Erhebliche und dauerhafte Nutzung der Überziehungsmöglichkeit im Sinne des Gesetzes .......................................................................................................... 26 4.5 Gründe für die Nutzung der Überziehungsmöglichkeit ....................................... 28 I
5 Erkenntnisse zur Umsetzung der Beratungsangebotspflicht und der Nutzung durch Verbraucherinnen und Verbraucher ....... 31 5.1 Umsetzung der Beratungsangebote durch die Banken und Kreditinstitute ...... 31 5.1.1 Häufigkeit der Warnhinweise und Beratungsangebote ................................ 32 5.1.2 Form der Beratungsangebote...................................................................... 33 5.2 Wahrnehmung der Beratungsangebote und Reaktionen der Kundinnen und Kunden ................................................................................................................... 34 5.2.1 Wahrnehmung der Beratungsangebote durch Verbraucherinnen und Verbraucher ................................................................................................ 34 5.2.2 Reaktionen von Kundinnen und Kunden auf die Beratungsangebote und Warnhinweise aus Sicht der Bankmitarbeitenden ........................................ 36 5.3 Angenommene Beratungsangebote ..................................................................... 37 5.3.1 Anteil angenommener Beratungsangebote – Perspektive der Banken und Kreditinstitute ....................................................................................... 37 5.3.2 Anteil angenommener Beratungsangebote – Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher ............................................................ 38 5.4 Durchführung von Beratungsgesprächen durch Banken und Kreditinstitute ... 39 5.4.1 Vorbereitungen und Vorgaben der Banken und Kreditinstitute für die Beratungsgespräche ................................................................................... 40 5.4.2 Umsetzung der Beratungsgespräche in der Praxis...................................... 41 5.4.2.1 Rahmen für die Beratungsgespräche............................................ 42 5.4.2.2 Inhalte der Beratungsgespräche ................................................... 43 5.4.3 Fazit zur Durchführung der Beratungsgespräche in der Praxis.................... 47 5.5 Dokumentation, Ergebnisse und Folgen der Beratungsgespräche ................... 49 5.5.1 Dokumentation der Beratungsgespräche .................................................... 49 5.5.2 Ergebnisse der Beratungsgespräche .......................................................... 51 5.5.3 Folgen der Beratungsgespräche ................................................................. 53 5.5.4 Fazit zur Dokumentation, Ergebnissen und Folgen der Beratungsgespräche ................................................................................... 54 6 Erkenntnisse zur Rolle der Beratungsstellen ................................. 56 6.1 Zusammenarbeit zwischen Banken und Beratungsstellen ................................. 56 6.2 Beratungen bei den befragten Beratungsstellen ................................................. 58 6.2.1 Entwicklung der Beratungen infolge der Beratungsangebotspflicht ............. 58 6.2.2 Beratungsfälle mit Beratungsangeboten der Bank....................................... 59 6.3 Kenntnisse der Beratungsstellen zu den Klientinnen und Klienten mit Beratungsangeboten der Bank ............................................................................. 59 6.3.1 Gründe für das Aufsuchen einer Schuldnerberatungsstelle ......................... 60 II
6.3.2 Gründe für die Ablehnung des Beratungsangebots der Bank ...................... 60 6.3.3 Ergebnisse der Beratungsgespräche bei den Banken ................................. 61 6.4 Folgen der Beratungen durch die Beratungsstellen ........................................... 62 7 Sicht der Beteiligten auf das Instrument ......................................... 64 7.1 Sicht der Banken und Kreditinstitute auf die Beratungsangebotspflicht .......... 64 7.1.1 Zentrale Stellen ........................................................................................... 64 7.1.2 Bankmitarbeitende ...................................................................................... 65 7.2 Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Beratungsangebotspflicht ..................................................................................... 68 7.3 Sicht der Beratungsstellen auf die Beratungsangebotspflicht ........................... 69 7.4 Fazit zur Sicht der Betroffenen auf das Instrument ............................................. 71 8 Zusammenfassung und Einschätzung des Evaluationsteams ..... 73 8.1 Zentrale Untersuchungsergebnisse ..................................................................... 73 8.2 Schlussfolgerungen und Empfehlungen.............................................................. 77 Anhang ..................................................................................................... 85 III
TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Anzahl der jährlichen Inanspruchnahme einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit nach § 504a BGB ..................................................... 6 Tabelle 2: Anzahl jährlicher geduldeter Überziehungen nach § 505 BGB .......................... 6 Tabelle 3: Forschungsgegenstände und Untersuchungsmethoden ................................. 13 Tabelle 4: Bruttostichprobe der Befragung von Banken und Kreditinstituten.................... 16 Tabelle 5: Girokonten – Deutschlandweit und Stichprobe nach Bankengruppe ............... 17 Tabelle 6: Frageblöcke der Verbraucherbefragung .......................................................... 19 Tabelle 7: Zugehörigkeit der befragten Beratungsstellen ................................................. 20 Tabelle 8: Girokonten befragter Verbraucherinnen und Verbraucher nach Bankengruppe (Mehrfachangaben)................................................................. 23 Tabelle 9: Anteil Girokonten mit Dispositionsrahmen aus Sicht der zentralen Stellen ...... 23 Tabelle 10: Erhebliche und dauerhafte Nutzung der Überziehungsmöglichkeit aus Sicht der zentralen Stellen ....................................................................................... 26 Tabelle 11: Dauerhafte und umfangreiche Nutzung des Dispositionskredites aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher .......................................................... 27 Tabelle 12: Warnhinweis und Beratungsangebote auch Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ............................................................................................. 34 Tabelle 13: Art des Beratungsangebots auch Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher (Mehrfachangaben) .................................................................... 35 Tabelle 14: Vorbereitung für Mitarbeitende aus Sicht der zentralen Stellen (Mehrfachangaben)......................................................................................... 40 Tabelle 15: Dokumentation der Beratungsgespräche aus Sicht der zentralen Stellen (Mehrfachangaben)......................................................................................... 50 Tabelle 16: Dokumentation der Beratungsgespräche aus Sicht der Bankmitarbeitenden (Mehrfachangaben)......................................................................................... 50 Tabelle 17: Ergebnisse der Beratungsgespräche aus Sicht der Bankmitarbeitenden ........ 52 Tabelle 18: Anpassung des Dispositionskredites in Folge der Beratungsgespräche aus Sicht der Bankmitarbeitenden ......................................................................... 53 Tabelle 19: Folgen der Beratungsgespräche aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher .................................................................................................... 53 Tabelle 20: Folgen der Beratungsgespräche aus Sicht der Bankmitarbeitenden ............... 54 Tabelle 21: Zusammenarbeit zwischen Banken und Beratungsstellen .............................. 56 Tabelle 22: Anzahl persönlich beratener Schuldnerinnen und Schuldner, nach Jahren ..... 58 Tabelle 23: Folgen der Gespräche bei den Beratungsstellen............................................. 62 Tabelle 24: Einschätzung der Bankmitarbeitenden zum Zeitpunkt der Beratungsangebote......................................................................................... 65 Tabelle 25: Einschätzung zum Beratungsangebot auch Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher (Mehrfachangaben) .................................................................... 68 IV
Tabelle 26: Rücklauf der zentralen Stellen nach Verbänden.............................................. 85 Tabelle 27: Zentrale Stellen nach Bankengruppe .............................................................. 85 Tabelle 28: Anzahl der Girokonten nach Bankengruppe .................................................... 85 Tabelle 29: Kundenstruktur der befragten Banken und Kreditinstitute (Angaben in Prozent) .......................................................................................................... 86 Tabelle 30: Altersverteilung Verbraucherinnen und Verbraucher ....................................... 86 Tabelle 31: Wichtige Kennzahlen der Verbraucherbefragung mit gewichteten und ungewichteten Daten (alle Angaben in Prozent).............................................. 87 Tabelle 32: Persönliches Nettoeinkommen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Vergleich zur Gesamtbevölkerung .................................................................. 88 Tabelle 33: Anzahl der Girokonten der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher ...... 88 Tabelle 34: Anzahl der Girokonten mit Dispositionsrahmen der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher ................................................................ 88 Tabelle 35: Dauerhafte und umfangreiche Nutzung der Überziehungsmöglichkeit ............ 89 Tabelle 36: Angaben zu den Beratungsangeboten aus Sicht der zentralen Stellen ........... 89 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Prozess der Beratungsangebotspflicht .............................................................. 4 Abbildung 2: Entwicklung des Volumens revolvierender Kredite und Überziehungskredite sowie Konsumentenkredite ............................................................................. 25 Abbildung 3: Entwicklung der Zinssätze für revolvierende Kredite und Überziehungskredite sowie Konsumentenkredite ............................................ 26 Abbildung 4: Gründe für die dauerhafte und erhebliche Überziehung aus Sicht der Bankmitarbeitenden und Beratungsstellen ...................................................... 29 Abbildung 5: Gründe für die dauerhafte und erhebliche Überziehung aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ................................................................ 30 Abbildung 6: Häufigkeit Unterbreitung von Warnhinweisen und Beratungsangeboten aus Sicht der zentralen Stellen .............................................................................. 32 Abbildung 7: Anteil angenommene Beratungsgespräche aus Sicht der zentralen Stellen .... 37 Abbildung 8: Vorgaben durch den Arbeitgeber aus Sicht der Mitarbeitenden ...................... 40 Abbildung 9: Vorgaben der Arbeitgeber aus Sicht der Bankmitarbeitenden ......................... 41 Abbildung 10: Inhalte der Beratungsgespräche aus Sicht der zentralen Stellen .................... 44 Abbildung 11: Inhalte der Beratungsgespräche aus Sicht der Bankmitarbeitenden ............... 45 Abbildung 12: Faktoren, die Mitarbeitende bei den Inhalten des Gesprächs berücksichtigen ............................................................................................... 46 Abbildung 13: Themen der Beratung aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ....... 47 Abbildung 14: Empfehlungen der Beratung aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher .................................................................................................... 51 V
Abbildung 15: Ergebnisse der Gespräche bei den Banken aus Sicht der Beratungsstellen ... 61 Abbildung 16: Einschätzung der Beratungsangebotspflicht aus Sicht der zentralen Stellen... 64 Abbildung 17: Einschätzung zur Bedeutung des Dispositionskredites für die Überschuldung aus Sicht der Beratungsstellen ............................................... 69 Abbildung 18: Empfohlene Alternativen aus Sicht der Bankmitarbeitenden ........................... 89 Abbildung 19: Art des Hinweises auf die Beratungseinrichtung ............................................. 90 Abbildung 20: Häufigste Gründe für die Inanspruchnahme von Schuldnerberatungen .......... 90 VI
1 Einleitung und Auftrag Seit einiger Zeit wird über eine aus Sicht vieler Expertinnen und Experten ungerechtfertigt hohe Belastung von Verbraucherinnen und Verbrauchern durch die massenhafte Inanspruchnahme von Überziehungskrediten diskutiert.1 Hintergrund hierfür sind insbesondere die in vielen Fällen hohen Zinsen für diese Kreditarten, die trotz eines niedrigen EZB-Leitzinses (zum Zeitpunkt der Untersuchung bei 0 Prozent) nur langsam sinken. Im Jahr 2013 wurde deshalb das Ziel, Bankkundinnen und -kunden vor einer übermäßigen Belastung zu schützen, in den Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode aufgenommen. Demnach sollten „Banken verpflichtet werden, beim Übertritt in den Dispositionskredit einen Warnhinweis zu geben; bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme sollen sie dem Kunden eine Beratung über mögliche kostengünstigere Alternativen zum Dispositionskredit anbieten müssen.“2 Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11. März 2016 sind entsprechende Regelungen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes in Fällen dauerhafter und erheblicher Überziehung eingeführt worden und am 21. März 2016 in Kraft getreten. Die gesetzlichen Regelungen in §§ 504a und 505 Abs. 2 S. 2 BGB verpflichten Banken und Kreditinstitute dazu, Kundinnen und Kunden bei Nutzung einer eingeräumten Überziehung (im folgenden Dispositionskredit) oder einer geduldeten Überziehungsmöglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen ein Beratungsangebot zu unterbreiten. In der Gesetzesbegründung ist bereits die Absicht formuliert, die Erreichung der Ziele der §§ 504a und 505 Abs. 2 S. 2 BGB durch eine Evaluierung bis zum März 2021 überprüfen zu lassen.3 Im April 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die INTERVAL GmbH in Kooperation mit Univ.-Prof. Dr. Kai-Oliver Knops mit der Evaluierung der Regelungen zur Beratungsangebotspflicht beim Dispositions- und Überziehungskredit in §§ 504a und 505 Abs. 2 S. 2 BGB beauftragt. In einem zehnmonatigen Forschungsvorhaben wurden die geltenden Regelungen zur Beratungsangebotspflicht insbesondere hinsichtlich ihrer Umsetzung in der Praxis sowie der Wirksamkeit und Zielerreichung untersucht. Für die Evaluierung wurden alle von den rechtlichen Regelungen direkt oder indirekt betroffenen Personengruppen befragt (Mehrperspektiven-Ansatz). Darüber hinaus wurden vorhandene statistische Sekundärdaten und die wissenschaftliche Literatur zum Thema ausgewertet. 1 Vgl. u. a. Köndgen, ZBB 2014, 26 (3) sowie die regelmäßigen Veröffentlichungen der Stiftung Warentest zum Thema Dispozinsen, URL: https://www.test.de/Girokonten-Dispozinsen-4586765-0/ (Abruf am 8.12.2020). 2 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode: „Deutschlands Zukunft gestalten“, 64. URL: https://www.bundestag.de/resource/blob/194886/696f36f795961df200fb27fb6803d83e/koalitionsvertrag- data.pdf (Abruf am 8.12.2020). 3 Vgl. BT-Drs. 18/5922, 73 und 149. 1
Der vorliegende Abschlussbericht stellt die Ergebnisse der verschiedenen Erhebungen und Analysen dar und fasst zusammen, wie die 2016 eingeführte Beratungsangebotspflicht aktuell in der Praxis umgesetzt wird und was sie bei betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern mittel- und unmittelbar bewirkt. Abschließend wird anhand der gewonnen Erkenntnisse bewertet, inwieweit die Beratungsangebotspflicht Bankkundinnen und -kunden vor einer übermäßigen Belastung schützen kann und ob sich die gesetzliche Regelung insgesamt bewährt hat. Der vorliegende Bericht gliedert sich in acht Kapitel. Im Anschluss an die Einleitung (Kapitel 1) werden in Kapitel 2 zunächst ein Überblick über die gesetzlichen Regelungen und das Gesetzgebungsverfahren gegeben sowie Ergebnisse der Literaturanalyse zusammenfassend dargestellt. In Kapitel 3 werden das methodische Vorgehen und die Datengrundlagen erläutert und die Besonderheiten des Mehrperspektiven-Ansatzes dargestellt. Der Ergebnisteil des Berichts umfasst die Kapitel 4 bis 7. Kapitel 4 bietet einleitend einen allgemeinen Überblick zur Verbreitung von Girokonten und Dispositionskrediten in Deutschland. In Kapitel 5 sind dann die Ergebnisse zur Umsetzung der Beratungsangebotspflicht und der Beratungsgespräche sowie zur Inanspruchnahme der Angebote durch Verbraucherinnen und Verbraucher dargestellt. Kapitel 6 stellt die Rolle der Schuldnerberatungsstellen dar und geht auf deren Zusammenarbeit mit Banken und Kreditinstituten ein. In Kapitel 7 werden abschließend die Einschätzungen der einzelnen Befragungsgruppen zur Wirksamkeit und Nützlichkeit der Beratungsangebotspflicht dargestellt. Der Bericht endet mit Kapitel 8, in dem die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und die Umsetzung und Wirksamkeit der Beratungsangebotspflicht vom Evaluationsteam bewertet werden. 2
2 Hintergrund und Forschungsstand 2.1 Gesetz und Gesetzgebungsverfahren Die Implementierung der Neuregelungen erfolgte im Zuge der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 4 in das BGB zum 21. März 2016, obwohl die Richtlinie 2014/17/ЕU selbst keine Regelung zur Überziehungsmöglichkeit enthält. Mithin handelt es sich um rein national determinierte Normen, für die mithin auch die Grundsätze zur Anwendung und Auslegung des Unionsrechts nicht gelten. Ergänzt werden die genannten Regelungen um § 675a Abs. 4 BGB, wonach Darlehensgeber verpflichtet sind, über die Höhe des für die Überziehungsmöglichkeit und die geduldete Überziehung berechneten Sollzinssatzes jedenfalls auch auf ihrer Webseite gut sichtbar zu informieren. 5 Die Normen gelten gem. Art. 229 § 38 Abs. 2 EGBGB auch hinsichtlich der Verträge, die vor dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll § 504a BGB Verbraucherinnen und Verbraucher vor der permanenten Nutzung einer ihnen eingeräumten Überziehungsmöglichkeit schützen.6 Die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit geht mit hohen Zinsbelastungen einher und ist daher lediglich für die temporäre Überbrückung finanzieller Engpässe vorgesehen, nicht für die dauerhafte Nutzung. Dennoch wurde nach Zahlen der Bundesregierung im Jahr 2013 bei 6,5 Millionen (8,8 Prozent) Girokonten die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit dauerhaft verwendet. Bei 4,8 Millionen (6,5 Prozent) Girokonten wurde die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit zumindest sechs Monate in Folge zu über 75 Prozent ausgeschöpft. Ziel der Beratungsmöglichkeit soll sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher anstelle der eingeräumten Überziehung ein alternatives, günstigeres Finanzprodukt abschließen, welches den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten gerecht wird. Teils wird zudem betont, dass neben der Gefährdung finanzschwacher Kreditnehmer der Gesetzgeber auch wegen der darin ausgemachten ökonomischen Fehlallokation Handlungsbedarf gesehen hat.7 2.1.1 Inhalte der gesetzlichen Regelung Die gesetzlichen Regelungen geben vor, unter welchen Bedingungen die Banken und Kreditinstitute zu einem Beratungsangebot gegenüber der Kundin bzw. dem Kunden verpflichtet sind. § 504a Abs. 1 S. 1 BGB sieht vor, der Kundin bzw. dem Kunden ein Angebot zur Beratung zu unterbreiten, wenn sie bzw. er eine eingeräumte Überziehungsmöglichkeit (Dispositionskredit) ununterbrochen über einen Zeitraum von sechs Monaten und 4 RL 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der RL 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (Wohnimmobilienkredit-RL), ABl. L 60 v. 28.2.2014, 34, zuletzt geändert durch Art. 58 ÄndVO (EU) 2016/1011 v. 8.6.2016 (ABl. L 171, 1). 5 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, BR-Drs. 359/15, 75. 6 Begr. RegE, BT-Drs. 18/5922, 94. 7 Erman/Nietsch, BGB, 16. Aufl. 2020, § 504a BGB, Rn. 1. 3
durchschnittlich in Höhe eines Betrages in Anspruch genommen hat, der 75 Prozent des vereinbarten Höchstbetrages übersteigt. Bei einer geduldeten Überziehung hat der Darlehensgeber Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Beratung gemäß § 505 Abs. 2 BGB anzubieten, wenn die Überziehung ununterbrochen über mehr als drei Monate und zu mehr als der Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto genutzt wird. Auch für die Umsetzung der Beratungsangebote und die Beratungsgespräche geben das Gesetz sowie die Gesetzesbegründung Vorgaben und Hinweise. Abbildung 1 stellt den Prozess im Überblick dar. Abbildung 1: Prozess der Beratungsangebotspflicht Beratungsangebotspflicht Alternatives Angebot Nutzung Kundin/Kunde nimmt Persönliches Beratungsge- der Bank nicht möglich/wird Dispositionskredit Beratungsangebot an spräch durch die Bank zu … nicht abgeschlossen ≥ 6 Monate zu § kostengünstigen > 75 % des Beratungsangebot in Alternativen Höchstbetrages Textform & Dokumentation Kundin/Kunde erklärt, § Konsequenzen weiterer Vertrag über kosten- Kommunikationsweg, der kein weiteres Angebot Überziehung günstige Alternative erhalten zu wollen § ggf. Hinweis auf geeignete wird geschlossen Nutzung geduldete üblicherweise genutzt wird, Überziehung z. B. Beratungseinrichtung ≥ 3 Monate zu § Kontoauszug Keine Reaktion bzw. Kundin/Kunde sucht > 50 % der mtl. § Brief Beratungsangebot wird eine Beratungsstelle Einnahmen § digitaler Hinweis … nicht angenommen auf © INTERVAL 2021 Die Bank soll das Beratungsangebot in Textform unterbreiten, dafür soll gemäß Gesetz der Kommunikationsweg genutzt werden, der auch üblicherweise mit der Kundin bzw. dem Kunden genutzt wird. Infrage kommen hier bspw. ein Angebot per Brief, ein Hinweis auf dem Kontoauszug oder in einer App oder eine Nachricht im digitalen Postfach. Das Beratungsangebot muss von der Bank bzw. dem Kreditinstitut dokumentiert werden. Der Kundin bzw. dem Kunden steht es frei, das Beratungsangebot anzunehmen oder abzulehnen. Wird das Angebot angenommen, hat die Bank bzw. das Kreditinstitut ein persönliches Beratungsgespräch durchzuführen. Darin soll auf den besonderen Nutzen des Überziehungskredites, der insbesondere zur Überbrückung kurzfristiger finanzieller Engpässe geeignet ist, hingewiesen werden. Zudem sollen kostengünstige Alternativen thematisiert werden, die für längerfristige Finanzierungen geeignet sind. Auch eine Überprüfung der finanziellen Lage der Kundin bzw. des Kunden ist erforderlich. Kundinnen und Kunden, denen kein alternatives Kreditangebot zur Verfügung steht, sollen auf die Folgen einer weiteren Überziehung sowie auf alternative Hilfsangebote hingewiesen werden. Ort und Zeit der Beratung sind von der Bank bzw. dem Kreditinstitut zu dokumentieren. Nehmen Kundinnen und Kunden ein Beratungsangebot der Bank nicht an oder kommt im Gespräch kein Vertrag über ein alternatives Angebot zustande, müssen die Banken das Beratungsangebot wiederholen, insofern die Kriterien hierfür erneut erfüllt sind. Eine Ausnahme 4
ergibt sich nur, wenn die Kundin bzw. der Kunde erklärt, kein weiteres Beratungsangebot erhalten zu wollen. Die Einführung der gesetzlichen Regelung zur Beratungsangebotspflicht wurde von einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Deutschen Kreditwirtschaft begleitet, mit der die Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft ihren Mitgliedern empfohlen haben, Kundinnen und Kunden bereits bei einer Nutzung des Dispositionskredites über drei Monate zu mehr als 50 Prozent einen entsprechenden Hinweis zu geben, der über die aktuellen Sollzinsen informiert.8 Zudem müssen Banken und Kreditinstitute auch in elektronischer Form auf der Website über die Sollzinsen der Dispositions- und Überziehungskredite informieren, was die Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen sollte (Art. 247a § 2 Abs. 2 u. 3 EGBGB). 2.1.2 Diskussionen und Einschätzungen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur Beratungsangebotspflicht wurden von verschiedenen Seiten alternative Maßnahmen in die Diskussion eingebracht. Der Bundesrat schlug vor, den Zinssatz für Dispositionskredite auf 8 Prozent über den jeweiligen Basiszins zu deckeln.9 Ein solches Vorgehen wurde auch vonseiten der Verbraucherzentralen befürwortet.10 Zudem wurde über die Banken und Kreditinstitute als geeignete Stellen für die Beratungen diskutiert, wobei insbesondere die Interessenlage der Banken und Kreditinstitute infrage gestellt wurde.11 Für die Umsetzung der gesetzlichen Regelung sind in der Gesetzesbegründung auch Ausführungen zur Folgenabschätzung dargestellt. Die Kosten für die Umsetzung der gesetzlichen Regelung auf Seiten der Wirtschaft werden im Sinne eines jährlichen Gesamtaufwands auf rund 27,25 Millionen Euro geschätzt. Ein Betrag für einzelne Kreditinstitute bzw. Institutsgruppen wird nicht ermittelt. Die Gesetzesbegründung enthält auch Daten zur Anzahl der jährlichen Inanspruchnahme einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit nach § 504a BGB (Tabelle 1) und der Anzahl jährlicher geduldeter Überziehungen nach § 505 BGB (Tabelle 2), wobei die Herkunft der Annahmen nicht belegt ist: 8 Die Deutsche Kreditwirtschaft (2015, 23. September): Deutsche Kreditwirtschaft empfiehlt Kundenhinweis bei längerer Inanspruchnahme von Dispositionskrediten [Pressemitteilung]. URL: https://die- dk.de/themen/pressemitteilungen/deutsche-kreditwirtschaft-empfiehlt-kundenhinweis-bei-langerer- inanspruchnahme-von-dispositionskrediten-ee6fee/ (Abruf am 21.12.2020). 9 BT-Drs. 18/6286, 7. 10 vzbv e.V. (2015, 18. August): Deckelung zur Senkung der Dispozinsen gefordert [Pressemitteilung]. URL: https://www.vzbv.de/meldung/deckelung-zur-senkung-der-dispozinsen-gefordert (Abruf am 21.12.2020). 11 vzbv e.V. (2015): Dispo und Beratung. Beratungspflicht der Bank löst Probleme nicht. URL: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/Dispo_und_Beratung_Themenblatt_vzbv_2015.pdf (Abruf am 21.12.2020). 5
Tabelle 1: Anzahl der jährlichen Inanspruchnahme einer eingeräumten Überziehungsmög- lichkeit nach § 504a BGB Anzahl der Girokonten 2013 98,55 Mio. 75 % beinhalten einen Dispositionsrahmen 73,91 Mio. 8,5 % überziehen jeden Monat 6,28 Mio. 8,8 % überziehen permanent 6,50 Mio. 6,5 % überziehen länger als 6 Monate und in Höhe von über 75 % der 4,80 Mio. eingeräumten Überziehungsmöglichkeit Quelle: BR-Drs. 359/15, 81, eigene Darstellung Tabelle 2: Anzahl jährlicher geduldeter Überziehungen nach § 505 BGB Anzahl der Girokonten 98,55 Mio. 75 % beinhalten einen Dispositionsrahmen 73,91 Mio. 2,5 % sind erheblich überzogen (Annahme) 1,85 Mio. Quelle: BR-Drs. 359/15, 81, eigene Darstellung Die dazu gegebenen Erläuterungen lassen darauf schließen, wie sich der Gesetzgeber selbst die praktische Umsetzung der Beratungspflicht vorgestellt hat:12 Zunächst sieht der Gesetzgeber ein Beratungsangebot bei erheblicher und dauerhafter Überziehung des Kontos, wenn zugleich ein Dispositionsrahmen vereinbart wurde, als relevant an. Die insoweit in den Materialien geäußerte Vermutung, dass Fallkonstellationen einer erheblichen und dauerhaften Überziehung ohne Vereinbarung eines Dispositionsrahmens in der Praxis in nur geringem Umfang stattfinden, wird nicht weiter belegt und ist im Rahmen der Evaluierung zu untersuchen. Gerechnet wird damit, dass voraussichtlich 10 Prozent der Betroffenen ein Beratungsgespräch in Anspruch nehmen werden. Inwiefern diese Annahme zutrifft, gilt es im Rahmen des Vorhabens ebenfalls zu untersuchen. Nach dem dritten Angebot innerhalb eines Jahres geht der Gesetzgeber davon aus, dass alle Darlehensnehmer eine weitere Beratung generell ablehnen. Für die erwarteten 10 Prozent der Fälle mit Beratungsgespräch wird bei privaten Darlehen eine durchschnittliche Dauer von 18 Minuten veranschlagt. Ob diese Dauer insbesondere vor dem Hintergrund umfangreicher Dokumente und Pflichtangaben bei möglichen Verbraucherdarlehensverträgen realistisch ist, gilt es zu untersuchen. 12 Siehe dazu im Einzelnen – ohne dass es für die folgenden Ausführungen eines weiteren Beleges bedarf – den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, BR-Drs. 359/15, 81 ff. 6
Hinsichtlich der erforderlichen Dokumentation des Beratungsangebots (Informationspflicht) wird von einem einfachen Fall der Dokumentation ausgegangen, indem keine besonderen Voraussetzungen an die Dokumentation geknüpft und Vorlagen genutzt werden. 2.2 Stand der Forschung zur Beratungsangebotspflicht 2.2.1 Rechtswissenschaftliche Literatur In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden zahlreiche Details der neuen Beratungspflicht problematisiert. Geführt wird die Diskussion maßgeblich in den Kommentaren zum BGB und zum Verbraucherkreditrecht, hingegen in Monografien, Zeitschriftenaufsätzen und anderen Publikationen nur sehr wenig. Umstritten ist vor allem, wie die Beratungspflicht rechtsdogmatisch einzuordnen ist. Teils wird sie als echte Rechtspflicht zur Beratung mit Abschluss eines entsprechenden Vertrages gesehen, teils lediglich als eine besondere gesetzliche Ausprägung der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB.13 Letztgenannte Auffassung überzeugt schon deswegen nicht, weil der Gesetzeswortlaut ausdrücklich von Angebot und Annahme spricht. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Darlehensgeber zur Abgabe eines Angebots von Gesetzes wegen verpflichtet ist. Der Kontrahierungszwang ist schon deswegen zu rechtfertigen, weil sich der Darlehensgeber zuvor im Rahmen des Darlehensvertrages gebunden hat, nun aber durch die erhebliche und andauernde Inanspruchnahme des Kapitals für den Darlehensnehmer eine offenkundig prekäre Situation entstanden ist, die nur er als Anbieter und gleichsam insoweit als Monopolist hinsichtlich des konkreten Vertragsgegenstandes beraten kann.14 Eine ganz andere Frage ist hingegen, ob die Beratung die kreditnehmerseits entstandene Problematik auch in der Lage ist aufzulösen oder wenigstens entscheidend zu mildern. In der Sache schuldet der Darlehensgeber indes keine Lösung, sondern eine Beratung, die dem Darlehensnehmer deutlich machen soll, dass der Überziehungskredit für langfristige Liquiditätsengpässe ungeeignet ist und es passendere Darlehensprodukte gibt. Dabei sollen ihm verschiedene Möglichkeiten nahegebracht werden, also konkrete anderweitige Produkte aufgezeigt und idealerweise auch gleich angeboten werden. Die Gesetzesbegründung spricht ausdrücklich davon, dass eine verbrauchergerechte, und bezogen auf den Dispositionskredit sowie mögliche Alternativen auch objektgerechte Beratung geschuldet ist. 15 Es geht also offenbar um die individuellen Bedürfnisse und Erfahrungen des konkreten Darlehensnehmers wie um die Spezifika des Alternativprodukts mit allen Chancen und Risiken. Dies kann u. U. einer anleger- und anlagegerechten Beratung im Kapitalanlagebereich fast gleichkommen,16 13 Erman/Nietsch, BGB, 16. Aufl. 2020, § 504a BGB, Rn. 3 und zuvor bereits Krüger BKR 2016, 397, (399 ff.). 14 BeckOGK/Knops, 1.9.2020, BGB § 504a Rn. 13. 15 BT-Drs. 18/5922, 95. 16 Zu bestehenden und möglichen Parallelen zwischen Kredit- und Finanzierungsberatung einerseits und der Anlageberatung andererseits Buck-Heeb BKR 2014, 221 und Kaiser/Rosenblum BB 2014, 585. 7
kann aber wegen des mit der Regelung intendierten Zwecks auch eher wie eine kreditnehmer- und kreditgerechte Erläuterung nach § 491a Abs. 3 BGB17 zu verstehen sein. Ausgehend von der spezifischen finanziellen Lage des Darlehensnehmers wird es um die Ursachen für die langfristige Überziehung, um die Zweckmäßigkeit der Nutzung des (bisherigen) Dispositionskredites und um Alternativen gehen müssen, insbesondere zu möglichen kostengünstigeren Angeboten, wobei der Darlehensgeber jedenfalls die von ihm angebotene Produktpalette auf ihre Eignung zu prüfen und dem Darlehensnehmer hieraus geeignete Produkte zu erläutern hat.18 Dabei hegt der Gesetzgeber die Erwartung, dass oftmals entsprechende Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge den Bedürfnissen des Darlehensnehmers entsprechen; sogenannte Abrufkredite für Liquiditätsengpässe können in Betracht kommen etc. Wenn aber nicht lediglich eine unzweckmäßige Nutzung des Dispositionskredites, sondern weitergehende finanzielle Schwierigkeiten des Darlehensnehmers, insbesondere aufgrund seines Konsumverhaltens oder aufgrund von Schicksalsschlägen, bestehen, soll der Darlehensgeber in der Beratung auf mögliche Konsequenzen einer weiteren Inanspruchnahme des Dispositionskredites aufmerksam machen, wie z. B. die Kündigung des Kredites, und auch auf Hilfsangebote Dritter, wie etwa von Schuldnerberatungsstellen, verweisen. 19 Immer soll der Darlehensnehmer in die Lage versetzt werden, sachgerecht zu entscheiden, ob er weiterhin den Überziehungskredit oder Alternativen in Anspruch nehmen will. Dabei ist dem Darlehensnehmer insbesondere auch der Umfang der gegenwärtigen wie zukünftigen Kosten, gerade im Vergleich mit günstigeren Alternativen, vor Augen zu halten. Denn offensichtlich ist Verbraucherinnen und Verbrauchern häufig nicht hinreichend deutlich, wie teuer ein solcher Kredit wirklich ist und wie viel Einsparpotenzial in einem Wechsel in eine andere Produktkategorie liegen würde. Außerdem soll er auf eine drohende Kündigung des Überziehungskredites hingewiesen werden. Für den Fall, dass andere Alternativprodukte geeignet erscheinen, sind diese den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erläutern. Eine echte wissenschaftliche Diskussion wird zwar im juristischen Bereich – vor allem unmittelbar zu den Vorschriften in den zahlreich vorhandenen kleinen bis großen Kommentaren 20 – über den genauen Inhalt der Beratung, dessen Dokumentation und die weiteren Einzelheiten der genannten Normen geführt, auch hinsichtlich ihrer Verletzung und den sich daraus ergebenen Konsequenzen. Inwiefern die eingeführte Beratungsangebotspflicht in der Praxis aber genau umgesetzt wird, wurde bislang – soweit ersichtlich – nicht untersucht. Da hierzu bislang auch keine Gerichtsentscheidungen bekannt sind, ist die Formularpraxis der 17 Siehe dazu BeckOGK/Knops, 1.9.2020, BGB § 491a Rn. 98. 18 BT-Drs. 18/5922, 95. 19 Ebd. 20 Siehe dazu bspw. die Erläuterungen der §§ 504a und 505 BGB in den BGB-Kommentaren Jauernig, 18. Aufl. 2021; Schulze, 10. Aufl. 2019; Palandt, 80. Aufl. 2021; Prütting/Wegen/Weinreich, 15. Aufl. 2020; MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019; BeckOK BGB, 56. Ed. 1.8.2020; BeckOGK, Stand: 1.9.2020. 8
Kreditinstitute bislang nicht öffentlich geworden – was aber sowieso auch nur dann der Fall ist, wenn es gerade auf diese in der rechtlichen Beurteilung von Ansprüchen ankäme. Angesichts der nur geringen Anforderungen des Gesetzes an die Dokumentation wird deren Umsetzung hinsichtlich der Beratungsangebotspflicht aller Voraussicht nach kaum je eine relevante Rolle in Prozessen spielen. Vielmehr wird es vermutlich, wenn überhaupt, darum gehen, ob der Kreditgeber seiner Pflicht zum Angebot einer Beratung nachgekommen ist. Diskussionen und Forschung um die für den hiesigen Forschungsauftrag viel wichtigere Frage, in welchem Maße die Neuregelungen tatsächlich zu einem verbesserten Verbraucherschutz beitragen, werden traditionell nicht oder allenfalls nur ganz am Rande in den Rechtswissenschaften geführt. Diese Art von Wirkungsforschung in Nachhinein, also nach dem Erlass von Normen, ist in Deutschland nur gering ausgeprägt und eher im Vorhinein im Wege der Rechtsfolgenabschätzung bei Erlass von Gesetzen Sache von Juristen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine Monografie, die für eine Dissertation zwar außerordentlich umfangreich ist, aber das Thema lediglich unter höchst selektiver Auswertung der vorhandenen Literatur streift. 21 Unter Hinweis auf – allerdings nicht näher genannte – rechtstatsächliche Ergebnisse wird die Beratungspflicht bei dauerhafter erheblicher Inanspruchnahme eingeräumter Überziehungsmöglichkeit als „richtig und wichtig“ bezeichnet, weil „(d)adurch (…) die langsam angewachsenen Schulden für den Verbraucher in ihrer zwischenzeitlich erreichten Intensität sichtbar und für den Verbraucher erfahrbar“ würden und „(d)urch die Beratung (…) der Verbraucher nicht nur für seine aktuell ungünstige Finanzsituation sensibilisiert werden (soll), sondern ihm auch Hilfs- und Entschuldungsmöglichkeiten aufgezeigt und diese initiiert werden“, wobei allerdings „Schuldnerberatungsstellen (…) in den Interviews (kritisierten), dass Hilfesuchende sie oftmals erst spät kontaktieren, sodass der Weg von Verschuldung Richtung Überschuldung weit vorangeschritten ist.“ 22 2.2.2 Sozialwissenschaftliche Untersuchung und weitere Literatur Hinzuweisen ist zunächst auf den Bericht „Herausforderungen moderner Schuldnerberatung"23 des vom Deutschen Institut für Sozialwirtschaft e.V. durchgeführten Forschungsvorhabens im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB), finanziert durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Soweit sich der Bericht mit der hier in Rede stehenden Beratungsangebotspflicht des Kreditgebers beschäftigt, will er zunächst – im Vergleich zu den oben angeführten Literaturstimmen aus den Rechtswissenschaften recht oberflächlich – klären, was dieses neue Pflichtangebot zur Beratung für Kreditinstitute bedeutet. Hinsichtlich der Anzahl der betroffenen Dispositionskredite bundesweit kann sich der Bericht 21 Siehe Amarell, Eingeräumte Überziehungsmöglichkeit und geduldete Überziehung: Schnitt- und Bruchstellen rechtsdogmatischer Grundlagen und rechtstatsächlicher Praxis, 2019, 92-99. 22 A. a. O., 349. 23 Bericht zum Forschungsvorhaben Herausforderungen moderner Schuldnerberatung, 2017, 13 ff. (zum Download unter https://www.bag-sb.de/fileadmin/user_upload/1_BAG- SB/4_Forschung/Forschungsbericht_DISW_2017.pdf). 9
nur auf die oben bereits genannten Zahlen des Gesetzgebers stützen und schätzt daher die Betroffenen in Hamburg schlicht in Relation zur Bevölkerungszahl – ohne die unterschiedliche Einkommens- und Vermögenssituation zwischen der Stadt- und Landbevölkerung zu berücksichtigen. Hingewiesen wird zudem darauf, dass solche Darlehen in erster Linie den Personen gewährt werden, die regelmäßig Lohn bzw. Gehalt empfangen – ohne dies allerdings näher spezifizieren zu können. Zudem sei die neue Beratungsangebotspflicht „im Sinne der Definition des Verbraucherschutzes“ – was immer dies auch bedeuten soll – als „Präventionsmaßnahme in Form von Verbraucherinformation“ zu verstehen, weswegen der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. die neue gesetzliche Beratungsangebotspflicht „als potenziell neue Maßnahme der Verbraucherinformation und Aufklärung“ begrüße, aber zugleich Vorbehalte äußere. Angegeben wird weiter, dass die „Recherche in aktueller Fachliteratur zur Rolle der Dispositionskredite auf dem Weg von der Ver- zur Überschuldung sowie zur Lebenslage und Bewältigungsstrategien der Nutzer_innen ergab, dass bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen existieren, die diesen speziellen Fokus einnehmen“, weswegen es umso wichtiger erscheine, „die Untersuchung der konzeptuellen Ausrichtung und Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Akteure in den neu entstandenen gesetzlichen Strukturen, um Passungen zwischen Fall und Maßnahme an dieser Schnittstelle zu verbessern“. Letztlich kann die Untersuchung dann aber nur feststellen, dass „(n)ähergehende Informationen zum Adressatenkreis und zur Umsetzung der Beratungsangebotspflicht von Kreditinstituten seit der Gesetzesänderung“ nicht existieren. Außer Schätzungen und Mutmaßungen enthält der Bericht keine weiteren relevanten Angaben zur tatsächlichen Wirkungsweise der Beratungspflicht.24 Im Rahmen einer Untersuchung zur Qualität der Beratung von Banken aufgrund übermäßiger Nutzung von Dispositionskrediten beklagt die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) auf Basis von Beratungsfällen in der Schuldnerberatung im Zusammenhang mit den als „gesetzlich ambitionierte(n) präventive(n) Regelungen“ bezeichneten §§ 504a und 505 BGB „Vollzugslücken (…), wenn der Aufbau einer umsetzungsrelevanten Infrastruktur nicht parallel erfolgt.“ Gefordert wird, dass die Kreditinstitute, die den Auftrag des Gesetzgebers erhalten haben, „auch (…) die Impulse für eine gelingende Kooperation setzen“ müssen, wofür die Einrichtung „Runder Tische“ oder regionaler Arbeitskreise Erfolg versprechend wäre, und fordert schließlich weiteres politisches Handeln, insbesondere: „Um Überschuldungsprävention – auch im Sinne der §§ 504a und 505 BGB – erfolgreich zu betreiben, braucht die Soziale Schuldnerberatung ein klares Mandat.“25 Die (weitere) Zusammenarbeit mit Schuldnerberatungen wird auch in der sozialwissenschaftlichen Literatur diskutiert, wo konstatiert wird, dass die 2016 gesetzlich 24 Siehe abermals den Bericht zum Forschungsvorhaben Herausforderungen moderner Schuldnerberatung, 2017, 13–16 (zum Download unter https://www.bag-sb.de/fileadmin/user_upload/1_BAG- SB/4_Forschung/Forschungsbericht_DISW_2017.pdf). 25 BAG-SB, Herausforderungen moderner Schuldnerberatung: Die wichtigsten Aussagen Zusammengefasst 2017, abrufbar unter www.bag-sb.de/herausforderungen. 10
eingeführte Beratungsangebotspflicht gem. den §§ 504a und 505 BGB „den weiteren Ausbau sekundärpräventiver Beratungsangebote“ begünstige, weil Kreditinstitute „statt selbst zu beraten auf Basis von Kooperationsverträgen alternativ auf externe Beratungsangebote z. B. der Sozialen Schuldnerberatung verweisen“ könnten. 26 Der weitere Ausbau der Beratungsangebote aufgrund der §§ 504a und 505 BGB in Kooperation zwischen Kreditinstituten und Schuldnerberatungen war auch schon Thema des o. g. Berichts.27 Weitere wirtschaftswissenschaftliche, soziologische und aus anderen Gebieten stammende spezifisch einschlägige Untersuchungen zur Wirkungsweise und Effektivität der Neuregelungen in Bezug auf (einen verbesserten) Verbraucherschutz sind – soweit ersichtlich – bislang nicht publiziert. Angesichts des ohnehin geringen Forschungsinteresses an einzelnen Arten von Schuldverträgen und dazu auch noch hinsichtlich der hier behandelten Spezifika steht dies auch nicht zu erwarten – anders als dies wenigstens zwischenzeitlich bei Kontrakten im Allgemeinen (oder wie es in anderen Wissenschaften oft heißt „Tauschverhältnisse“ oder einfach nur „Tausch“) der Fall war. Ein wichtiges Thema für Schuldnerberatungen aller Couleur und in der dazu vorhandenen Literatur sind vereinbarte wie geduldete Überziehungen von Konten aber seit Jahrzehnten. 26 Vaudt, Finanzierung der Sozialen Schuldnerberatung, in: Kolhoff (Hrsg.), Aktuelle Diskurse in der Sozialwirtschaft II, 2019, 193. 27 Bericht zum Forschungsvorhaben Herausforderungen moderner Schuldnerberatung, 2017, 82 f. 11
3 Methodisches Vorgehen und Datenbasis Im Rahmen der Evaluierung galt es, verschiedene Fragestellungen zu beantworten, die die Umsetzung und Wirkung der Beratungsangebotspflicht sowie den Ablauf der Beratungsgespräche betreffen. Ferner sollte auch die Zusammenarbeit von Banken bzw. Kreditinstituten mit Beratungsstellen beleuchtet werden. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein Evaluierungsdesign entwickelt, das Erhebungen bei allen relevanten Gruppen und wo immer möglich die Betrachtung von Aspekten aus mehreren Perspektiven enthält. Im Folgenden wird zunächst das Evaluierungsdesign im Überblick dargestellt und auf Besonderheiten eingegangen. Anschließend wird das methodische Vorgehen bei den einzelnen Erhebungen erläutert und die erzielten quantitativen Datenbasen vorgestellt. Sekundärdaten der Deutschen Bundesbank, rechtswissenschaftliche Literatur und qualitative Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von involvierten Verbänden sind ergänzende Quellen der Evaluierung. 3.1 Vorgehen im Überblick Der für die Evaluierung gewählte Mehrperspektiven-Ansatz, bei dem verschiedene Befragungsgruppen teilweise zu gleichen Themen befragt werden, bietet den Vorteil, dass die unterschiedlichen Quellen und Perspektiven miteinander abgeglichen und kombiniert werden können. So wurden z. B. sowohl Beraterinnen und Berater von Banken als auch Verbraucherinnen und Verbraucher zum Inhalt der Beratungsgespräche und zu den empfohlenen Maßnahmen befragt. Auch zur Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Banken bzw. Kreditinstituten und Schuldnerberatungsstellen wurden beide Seiten befragt. Wo immer möglich, wurde zudem auf bereits vorhandene Daten aus Literatur und Statistiken zur Ergänzung und Validierung von Befragungsergebnissen zurückgegriffen. Die folgende Tabelle 3 zeigt, welche Quellen zu welchen Themen herangezogen wurden. 12
Tabelle 3: Forschungsgegenstände und Untersuchungsmethoden Untersuchungs- Befragung Kreditinstitute & methode Auswertung Banken Befragung Interviews mit Befragung vorhandener Literatur Beratungs- Vertretern von Zentrale Bank- Verbraucher und Statistiken einrichtungen Verbänden Stellen angestellte Forschungsgebiet/-frage Wer? Dispo- und Überziehungskredite X X X X Anzahl Dispo- und Überziehungskredite, Volumen X X Entwicklung der Zinssätze X Ursachen für Inanspruchnahme von Krediten X X X X Anzahl Warnhinweise nach Selbstverpflichtung, ggf. X X Reaktion der Kunden Beratungsangebote X Anzahl Beratungsangebote nach § 504a BGB bzw. X X § 505 Abs. 2 S. 2 BGB Anzahl unterbliebene Beratungsangebote X Mehrmalige Beratungsangebote X Beratungsgespräche (Inhalt und Folgen) X X X Angenommene/nicht angenommene Angebote X X X Anteil persönliche bzw. Gespräche über X X X X Fernkommunikation zu Vorgaben Gegenstand und praktische Folgen der Gespräche (Umschuldung, Verbraucherkredit, X X X Rückführungsvereinbarung, Kündigung/Reduzierung zu Vorgaben Dispo, andere Verträge abgeschlossen) Verweis auf geeignete Beratungseinrichtung (Wie oft? X X X Welche? Wie?) zu Vorgaben Dokumentation der Gespräche (Bericht an X X Verbraucher?) zu Vorgaben 13
Untersuchungs- Befragung Kreditinstitute & methode Auswertung Banken Befragung Interviews mit Befragung vorhandener Literatur Beratungs- Vertretern von Zentrale Bank- Verbraucher und Statistiken einrichtungen Verbänden Stellen angestellte Forschungsgebiet/-frage Wer? Beratung durch Beratungseinrichtung X X X X Anzahl Beratungen aufgrund §§ 504a, 505 Abs. 2 X X S. 2 BGB Gegenstand und praktische Folgen der Gespräche (Konsolidierung bzw. Entlastung der Verbraucher? X Zwangsvollstreckung /Insolvenz im Anschluss an Gespräch) Sind Kapazitäten der Beratungsstellen ausreichend? X X Zusammenarbeit zw. Beratungsstelle und X X X X Kreditinstitut (Einzelfall oder institutionalisiert?) Entwicklungen & Probleme X X X X X Gründe für Nichtannahme der Gespräche X X Ist die Art der Beratungsangebote geeignet für die X X X X Kunden? Vorbereitung der Mitarbeiter auf Beratung X X (Schulungen, Vorgaben?) Vorgehen in den Beratungsgesprächen (z. B. Kriterien für bestimmte Angebote an den Kunden, Art X X des Verweises auf Beratungsstellen) Andere Anzeichen für eine drohende Überschuldung, X X X X ggf. als Kriterien für Beratung Vorgehen bei mehreren Kontoinhabern X ã INTERVAL 2021 14
Die Triangulation von Perspektiven und Quellen war bzw. ist notwendig, da § die Angaben einzelner Befragungsgruppen bestimmten Limitationen unterliegen (z. B. strategisches oder sozial erwünschtes Antwortverhalten, Erinnerungslücken), § nicht alle Befragungsgruppen zu allen Sachverhalten Auskunft abgeben können und § die Einschätzungen einzelner Gruppen durch ihre jeweilige Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand geprägt sind (siehe zu diesen Punkten auch Textbox 1). In der Dateninterpretation und bei der Ableitung von Schlussfolgerungen ist zudem zu berücksichtigen, dass Befragungsergebnisse immer Stichprobendaten sind, die durch selektive Teilnahme verzerrt sein können. Textbox 1: Beispiele für Limitationen und Verzerrungen der Befragungen So können bspw. die zentralen Stellen von Banken und Kreditinstitute statistisches Zahlenmaterial liefern, das aus einem IT-System abgerufen wird; die Daten bieten dadurch eine große Verlässlichkeit. Jedoch können die Ergebnisse dieser Befragungsgruppe dadurch verzerrt sein, dass einzelne Banken (z. B. jene, die der Beratungsangebotspflicht nicht im gesetzlichen Maße nachkommen) ggf. nicht an der Befragung teilgenommen haben. Bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern konnte eine Übereinstimmung der Stichprobe mit der Grundgesamtheit hinsichtlich unterschiedlicher Merkmale wie Einkommen und Bildungshintergrund realisiert werden, die Angaben der Befragten sind aber weniger verlässlich. So ist zu vermuten, dass sich nicht alle Verbraucherinnen und Verbraucher an alle Details eines Beratungsgesprächs erinnern, das schon längere Zeit zurückliegt. Die besondere Perspektive der Befragungsgruppen zeigt sich insbesondere bei den befragten Schuldnerberatungsstellen. Sie befassen sich in ihrer Tätigkeit hauptsächlich mit jenen Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich in einer schwerwiegenden Überschuldungslage befinden. Da nur ein kleiner Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher, die ein Beratungsangebot ihrer Bank erhalten haben, anschließend die Beratung einer Schuldnerberatungsstelle aufsucht, kennen diese nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtspektrums. Diese Aspekte sind bei der Interpretation aller einzelnen Ergebnisse zu berücksichtigen und erfordern eine entsprechende Einordnung. Um ein realistisches Bild vom Untersuchungsgegenstand insgesamt zu erhalten, werden die dargestellten Einzelergebnisse aus verschiedenen Befragungen daher abschließend zu einem Gesamtbild zusammengefügt (siehe Kapitel 8). Nur hieraus lassen sich dann empirisch fundiert Schlussfolgerungen ableiten. 15
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