MEHRFACHBESCHÄFTIGUNGEN IN DEUTSCHLAND - Struktur, Arbeitsbedingungen und Motive - Hans-Böckler-Stiftung
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REPORT Nr. 48, März 2019 MEHRFACHBESCHÄFTIGUNGEN IN DEUTSCHLAND Struktur, Arbeitsbedingungen und Motive Sebastian Graf, Jutta Höhne, Alexander Mauss, Karin Schulze Buschoff AUF EINEN BLICK Arbeitsbedingungen im Vergleich Angaben von Mehrfachbeschäftigten, in Prozent Im Hauptjob Im Nebenjob Seit 2003 haben sich die Zahl und der Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland, die neben ihrer Haupttätigkeit noch mindestens einer weiteren Be- 90 % ... bin ich krankenversichert. 28 % schäftigung nachgehen, mehr als verdoppelt. Im europäischen Vergleich ist dieser Anstieg einzig- artig. Haupt- und Nebentätigkeiten unterscheiden 63 % ... kann ich mich weiterbilden. 26 % sich deutlich, z.B. hinsichtlich Branchen, Berufen, Qualifikationsanforderungen, Arbeitszeiten und Weiterbildungsmöglichkeiten. Häufige Motive für die Ausübung mehrerer Jobs sind finanzielle Grün- 48 % ... habe ich eine betriebliche 12 % Interessenvertetung. de und Aspekte der sozialen Absicherung. 12 % ... erhalte ich Aufträge 18 % per Online-Plattform. 13 % ... arbeite ich auf Abruf. 46 % Quelle: Online Erhebung Mauss-Research
INHALT Arbeit auf Abruf – 8 Struktur – 3 Aufträge via Online-Plattform – 8 Beruflicher Status – 3 Zusammenfassung: Tätigkeitsbereich – 4 Arbeitsbedingungen im Vergleich – 9 Qualifikationsanforderungen – 5 Motive für Mehrfachbeschäftigung – 9 Arbeitsbedingungen – 6 Entwicklung der beruflichen Situation – 11 Einkommen – 6 Fazit – 12 Arbeitszeiten – 6 Krankenversicherung – 8 Weiterbildungsmöglichkeiten – 8 Betriebliche Interessenvertretung – 8 Immer mehr Menschen in Deutschland haben mehr tätigkeit als Beamte, Selbständige oder mithelfen- als einen Job. Im Jahr 2017 gingen über drei Milli- de Familienangehörige nicht bekannt ist 2. onen Arbeitnehmer mehr als einer Erwerbstätigkeit Im Vergleich zum Jahr 2016 war Mehrfachbe- nach. Laut Berechnungen des IAB, die auch Beam- schäftigung 2003 nur halb so verbreitet: Damals te und Selbstständige berücksichtigen, haben sich hatten lediglich 4,4 Prozent der Beschäftigten die Anzahl und der Anteil der Mehrfachbeschäftig- mehr als einen Job. Der erhebliche Anstieg der ten an allen Beschäftigten im Zeitraum 2003 bis Mehrfachbeschäftigungen fällt zeitlich zusammen 2017 mehr als verdoppelt (IAB Kurzbericht 22/2017). mit der im Rahmen der Hartz-Gesetzgebung 2003 Im Jahr 2017 waren insgesamt 3,3 Millionen Men- eingeführten Anhebung der Verdienstgrenzen von schen mehrfachbeschäftigt. Die meisten von ihnen Minijobs von 325 auf 450 Euro sowie der Befreiung übten neben ihrer sozialversicherungspflichtigen von der Sozialversicherungspflicht und der Einkom- Hauptbeschäftigung einen geringfügig entlohnten menssteuer. Seither wird ein Minijob, der neben Nebenjob aus (BA 2018): 2,7 Millionen Erwerbs- einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäf- tätige wählten diese Kombination. Aber auch die tigung ausgeübt wird, nicht mehr zur Hauptbe- Selbstständigkeit als Nebentätigkeit hat an At- schäftigung dazugezählt und ist nicht mehr abga- traktivität gewonnen: Eine zweite Erwerbstätigkeit benpflichtig. Diese Regelung ist im internationalen wird deutlich häufiger in Form einer selbstständi- Vergleich einzigartig. gen Beschäftigung ausgeübt als eine erste (oder Bis dato gibt es nur wenig ausführliche Informa- einzige) Erwerbstätigkeit (Suprinovič und Norkina tionen, Daten oder Analysen über die Mehrfachbe- 2015). Während die Anzahl der Selbstständigen im schäftigten. Das betrifft insbesondere die verschie- Haupterwerb in den letzten Jahren rückläufig war, denen Kombinationen von abhängiger und selbst- nahm sie im Nebenerwerb zu. Die Verbindung von ständiger Erwerbsarbeit. Der vorliegende Report Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. als Bestandteil von Erwerbsbiografien hat in den Der Mangel an Informationen resultiert auch letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen daraus, dass quantitative Sekundäranalysen auf (Kay, Schneck und Suprinovič 2018). der Basis von bestehenden Erhebungen und Mei- Laut Beschäftigungsbericht der Bundesagentur nungsumfragen zum Thema Mehrfachbeschäfti- für Arbeit gingen 2016 8,3 Prozent der Beschäftig- gung oftmals dadurch eingeschränkt sind, dass ten mindestens einem Nebenerwerb nach. 1 Aller- zwar genaue Angaben über die Haupterwerbstätig- dings sind Beamte, Selbständige und mithelfende keit vorliegen, aber nur rudimentäre Informationen Familienangehörige im Meldeverfahren zur Sozi- über die zweite oder eine weitere Erwerbstätigkeit alversicherung nicht erfasst und tauchen damit in abrufbar sind. Weiterhin sind genauere Analysen der Beschäftigungsstatistik nicht auf. Daher bildet diese Zahl nicht den Gesamtumfang von Mehr- fachbeschäftigung ab: So kann es etwa unter den ausschließlich geringfügig Beschäftigten der BA- 2 Im Unterschied zur Beschäftigungsstatistik der BA um- fasst die Arbeitskräfteerhebung des Statistischen Bun- Statistik Personen geben, deren zweite Erwerbs- desamtes auch die Haupt- und Nebenerwerbstätigkeit Selbstständiger. Trotzdem weist sie einen geringeren Anteil von Erwerbstätigen mit mehreren Tätigkeiten nach. Hintergrund sind methodische und konzeptionelle Unter- schiede der Statistiken: Während die Arbeitskräfteerhe- 1 Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigungsstatistik – bung auf die Auskunft der Befragten zurückgreift, basiert Mehrfachbeschäftigung (2016), https://statistik.arbeits- die Beschäftigungsstatistik der BA auf den gesetzlich vor- agentur.de/Statischer-Content/Grundlagen/Methodenbe- geschriebenen Meldungen zur Sozialversicherung. (Vgl. richte/Beschaeftigungsstatistik/Generische-Publikationen/ Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung vom 29. April Methodenbericht-Mehrfachbeschaeftigung.pdf 2015– 155/15). WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 2
bestimmter Formen (z. B. Kombinationen aus ab- Der Großteil der Befragten (93 Prozent) geht hängiger und selbstständig ausgeübter Haupt- und zwei Erwerbstätigkeiten nach. Immerhin sieben Nebenerwerbstätigkeit) aufgrund kleiner Fallzahlen Prozent geben an, mehr als zwei Erwerbstätigkei- nur begrenzt möglich. Auch über die Motive für die ten auszuüben. In der Befragung wurden die Teil- Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit ist nur we- nehmer/innen gebeten, ihren beruflichen Status nig bekannt. in ihrer Haupt- bzw. Nebentätigkeit anzugeben. Um diese Lücke zu schließen, hat das WSI im Die Entscheidung, welche ihrer Tätigkeiten sie als Rahmen eines Forschungsprojektes ein zweistufi- Haupt- und welche als Nebentätigkeit einstufen, ges Forschungsdesign gewählt. Auf der Basis einer wurde den Befragten bewusst selbst überlassen – Online-Befragung wurde zunächst ein Überblick ohne dies an die Anzahl der Arbeitsstunden oder über die Struktur von Haupt- und Nebentätigkeiten, den Verdienst zu koppeln. Die überwiegende Mehr- Arbeitsbedingungen, Zufriedenheiten und Motiven heit (82 Prozent) sieht sich in ihrer Haupttätigkeit von Mehrfachbeschäftigten erstellt. Rekrutiert wur- als Arbeitnehmer/in bzw. Beamter/Beamtin. 15 Pro- den die Befragten der Online- Umfrage durch ein zent der Befragten sind laut eigener Angabe Selbst- Access-Panel. Dieser Weg wurde gewählt, weil bei ständige (s. Abb. A1 im Anhang). Alle anderen Ka- einer „klassischen“ Zufallsauswahl der Anteil die- tegorien sind nur sehr vereinzelt genannt worden. ser Gruppe an der Bevölkerung so gering ist, dass In der Nebentätigkeit zeigt sich ein anderes er gar nicht hätte befragt werden können. Dieser Bild: Nur die Hälfte der Befragten (51 Prozent) ist Überblick kann zwar nach engeren statistischen im Nebenjob Arbeitnehmer/in bzw. Beamter/Be- Maßgaben nicht als repräsentativ bezeichnet wer- amtin. Fast ebenso häufig (45 Prozent) sind sie im den, die Ergebnisse sind aber mit anderen statis- Nebenjob selbstständig bzw. Freiberufler 3 (s. Abb. tisch-repräsentativen Erhebungen zum Thema A2 im Anhang). Oft spiegelt sich der berufliche Sta- Mehrfachbeschäftigung hinsichtlich grundlegen- tus in der Haupttätigkeit auch im Nebenjob wider: der soziodemografischer Verteilungen vergleich- So sind hauptberufliche Arbeitnehmer/innen auch bar. Geringfügig gewichtet wurden die Daten nach Abbildung 1 Geschlecht und dem Qualifikationsniveau, um die Vergleichbarkeit mit repräsentativen Erhebungen zu gewährleisten. In einem zweiten Schritt wurden Wie würden Sie Ihren beruflichen Status bei der Haupt- von den 545 Befragten, die im September 2017 an bzw. Nebentätigkeit beschreiben? der Online-Befragung teilgenommen hatten, nach Angaben in Prozent bestimmten Kriterien 30 Personen ausgewählt, mit denen im November 2017 leitfadengestützte Ein- zelinterviews geführt wurden. So konnten vertie- Haupttätigkeit: 56 fende Erkenntnisse über die Arbeitsbedingungen Arbeitnehmer/-in, von Mehrfachbeschäftigten in Haupt- und Neben- Beamter/Beamtin (n=448) 41 tätigkeit, über ihre Motive sowie über ihre berufli- che Entwicklung und soziale Absicherung beige- steuert werden. Der vorliegende Report bezieht sich ausschließlich auf die Online-Befragung. Die Haupttätigkeit: 25 Selbstständige/-r, vollständige Studie, die auch die Ergebnisse der Freiberufler/-in (n=82) 72 qualitativen Befragung und einem ausführlichen – Methodenbericht umfasst, wird als WSI-Study veröffentlicht. Vorgestellt werden im Folgenden zentrale Befunde aus der Online-Umfrage unter Mehrfachbeschäftigten. Nebentätigkeit: Arbeitnehmer/-in, Beamter/Beamtin Nebentätigkeit: Selbstständige/-r, Freiberufler/-in n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research STRUKTUR 3 Diese Werte weichen etwas von den Daten des Statis- tischen Bundesamtes 2015 ab, die unter den Mehrfach- Beruflicher Status beschäftigten im Nebenjob 60,5 Prozent Arbeitnehmer/ innen sowie 38,1 Prozent Selbstständige ausweisen. Die Abfrage des statistischen Bundesamtes ist mit der Wie viele Nebenjobs üben Mehrfachbeschäftigte WSI-Umfrage vergleichbar, da beide auf Selbstauskunft aus? Und welche Beschäftigungsform wählen sie zurückgreifen und nicht auf Meldungen zur Sozialversi- cherung. Zur Auswahl stehen die Kategorien: Arbeitneh- dafür? Ausgehend von der Beschäftigtenstruktur mer/in, Selbstständige ohne Beschäftigte; Selbstständige insgesamt ist dabei vor allem die Unterscheidung mit Beschäftigten; Mithelfendes Familienmitglied. Für zwischen abhängiger Beschäftigung (als Arbeit- den Vergleich in dieser Umfrage wurden die Kategorien Selbstständige mit bzw. ohne Beschäftigte zusammen- nehmer/in bzw. Beamter/Beamtin) und Selbstän- gefasst. URL: WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 3
Abbildung 2 in ihrer Nebentätigkeit häufiger als Arbeitnehmer/- innen (56 Prozent) angestellt und weniger häufig selbstständig (41 Prozent). Noch deutlicher zeigt Tätigkeitsbereiche sich der Zusammenhang unter den hauptberuflich Angaben in Prozent Selbstständigen: Sie sind nebenberuflich beson- ders häufig gleichfalls selbstständig (72 Prozent), und seltener abhängig beschäftigt (25 Prozent). Bildung und Soziales* 22 14 Die Entscheidung pro oder contra Selbständig- keit im Nebenjob wird von Geschlecht, Alter und Büro-Dienstleistungen 19 7 Qualifikation beeinflusst: In der Nebentätigkeit sind Männer (52 Prozent) häufiger selbstständig Einfache (ungelernte) 15 Tätigkeiten 39 erwerbstätig als Frauen (38 Prozent), und ältere Befragte (50 Jahre und älter) sind häufiger selbst- Handel und Finanzen 14 ständig (52 Prozent) als Befragte unter 30 Jahren 7 (32 Prozent). Darüber hinaus hängt die Beschäf- 13 Handwerk und Technik tigungsform in der Nebentätigkeit auch vom for- 7 malen Bildungsabschluss ab: Je höher die formale 8 Kreatives und Lifestyle* Bildung, desto eher üben die Befragte mit Neben- 18 erwerb diesen in Form einer selbstständigen Tätig- 7 Leitung und Organisation 4 – – keit aus. Tätigkeitsbereich Hauptätigkeit Nebentätigkeit *Summierung der Anteile basiert auf nicht-gerundeten Werten; offene Abfrage; Mehrfachnennungen möglich. In einem weiteren Schritt wurden die Befragten n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, gebeten, ihre berufliche Tätigkeit genauer zu be- die einem Nebenerwerb nachgehen schreiben, ohne dass dafür Antwortkategorien vor- Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research formuliert wurden. Die Angaben lassen sich grob in sieben Kategorien einteilen. Die Unterschiede zwi- Angestellte, enthalten. Ein geringer Prozentsatz schen Haupt- und Nebentätigkeit fallen durchaus ist im Finanzbereich tätig, wie zum Beispiel als beträchtlich aus: Bankkaufmann/-frau, Finanzberater/in oder Fach- wirt im Bereich Steuern und Versicherungen. Haupttätigkeit Die Kategorie Handwerk und Technik setzt sich Gut ein Fünftel der Befragten kann im Hauptjob in aus Tätigkeitsfeldern zusammen, die unterschied- der Kategorie Bildung und Soziales verortet wer- liche Qualifikationsniveaus voraussetzen. So sind den. Hierzu zählen die Sektoren Pflege und Betreu- hier einerseits hoch qualifizierte technische Berufe ung, Erziehung und Schule, Forschung und Wis- wie Ingenieurswesen oder Informationstechnik (IT), senschaft sowie Polizei und Feuerwehr. andererseits klassische Arbeiterberufe aus dem Fast ebenso häufig erbringen die Befragten in Bereich Handwerk, Technik und Bau enthalten. ihrer Haupttätigkeit klassische Büro-Dienstleistun- 8 Prozent der genannten Haupttätigkeiten lassen gen in einem Angestelltenverhältnis. Hierzu zählen sich grob dem Kreativgewerbe zuordnen. Darunter Befragte aus der Buchhaltung, einfache Bürokräfte, fallen kreative Tätigkeiten wie Gestaltung, Medien, Assistenz-Tätigkeiten oder Verwaltungsfachange- Marketing oder Fotografie, sowie Tätigkeiten aus stellte im öffentlichen Dienst. dem Bereich Lifestyle wie bspw. Fitnesstrainer 15 Prozent der Befragten arbeiten in Berufen, die Schließlich findet sich in der Umfrage eine rela- als einfache und – größtenteils – ungelernte Tätig- tiv kleine Gruppe an Personen, die besondere Lei- keiten bezeichnet werden können. Darunter fallen tungs- bzw. Managementpositionen in Wirtschaft Verkäufer/innen sowie Helfertätigkeiten im Bereich und Organisationen bekleiden. Darunter werden Transport und Logistik, wie Fahrer/innen, Zusteller/ vor allem Berater/innen und Projektmanager aus innen oder Lagerist/innen. Zudem werden hierun- Organisationen subsumiert. Aufgrund der hoch- ter Angestellte in Reinigungsdiensten bzw. haus- qualifizierten Prägung dieser Gruppe werden auch wirtschaftliche Dienstleistungen, Servicekräfte aus Jurist/innen dieser Kategorie zugeordnet. Gastronomie sowie Beschäftige im Sicherheitsge- werbe subsumiert. Eine weitere Kategorie fasst Tätigkeiten zusam- men, die im Bereich Handel und Finanzen (14 Pro- zent) zu verorten sind. Hierunter sind vor allem Tätigkeiten aus dem kaufmännischen Bereich, wie Vertrieb, Außendienst oder kaufmännische WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 4
Nebentätigkeit Bei drei Viertel der Befragten zeigt sich keine Kon- In der Nebentätigkeit übt ein großer Teil der Be- gruenz in Haupt- und Nebentätigkeit, weil die Ne- fragten (39 Prozent) hingegen eher einfache, un- bentätigkeit sowohl in einer anderen Branche als gelernte Tätigkeiten aus. Darunter fallen vor allem auch in einem anderen Berufsfeld verortet wird. Helfertätigkeiten im Bereich Transport und Logis- Somit bleiben nur 15 Prozent der Befragten im tik, Angestellte in Reinigungsdiensten bzw. haus- Nebenjob bei dem, was sie beruflich auch in ihrer wirtschaftliche Dienstleistungen (10 Prozent) sowie Haupterwerbstätigkeit tun. Servicekräfte aus der Gastronomie. Etwas selte- ner sind es Verkäufer/innen oder Beschäftigte im Sicherheitsgewerbe. Mit deutlichem Abstand folgen Tätigkeiten aus dem Kreativgewerbe bzw. Lifestyle (knapp ein QUALIFIKATIONSANFORDERUNGEN Fünftel) – auch wenn diese im Vergleich zur Haupt- tätigkeit deutlich häufiger vertreten sind. 13 Pro- Der hohe Anteil von Helfertätigkeiten an den Ne- zent gehen demnach in ihrer Nebentätigkeit einer benjobs lässt große Unterschiede im Hinblick auf kreativen Arbeit nach. Weitere 5 Prozent üben ne- die Qualifikationsanforderungen nach Haupt- und benberuflich Tätigkeiten aus, die eher mit dem Be- Nebenerwerb erwarten. Die Antworten bestätigen, griff Lifestyle assoziiert werden. dass die formalen Qualifikationsanforderungen in Im Vergleich zu den Haupttätigkeiten sind Be- der Haupttätigkeit deutlich höher sind als in der rufe aus dem Bereich Bildung und Soziales in den Nebentätigkeit: Nebentätigkeiten deutlich seltener (14 Prozent), Nur 10 Prozent der Befragten benötigen für ihre wobei Tätigkeiten im Bereich Pflege und Betreuung Haupttätigkeit keine Berufsausbildung. Für die Ne- weiterhin vor den Bereichen Erziehung und Schule bentätigkeit hingegen braucht mehr als die Hälfte sowie Forschung und Wissenschaft verortet wer- (59 Prozent) keinen beruflichen Abschluss. 59 Pro- den können. zent geben an, dass für ihre Haupttätigkeit eine ab- Nebenjobs in den übrigen Kategorien sind schon geschlossene Berufsausbildung notwendig ist. Für eher die Ausnahme: Darunter fallen Handwerk und die Nebentätigkeit ist das nur für rund ein Viertel Technik, Handel und Finanzen sowie einfache Büro- (26 Prozent) erforderlich. Knapp ein Drittel (31 Pro- Dienstleistungen. Nebentätigkeiten mit besonde- zent) arbeitet hauptberuflich in einem Job, in dem ren Leitungs- bzw. Managementfunktionen kom- ein (Fach-)Hochschulstudium erforderlich ist. In men kaum vor. 14 Prozent der Fälle wird ein (Fach-)Hochschulstu- dium für die Nebentätigkeit vorausgesetzt. Überschneidungen von Haupt- und Nebentätigkeit Lediglich bei jeweils etwa einem Fünftel der Be- fragten sind Haupt- und Nebentätigkeit derselben Abbildung 4 Branche bzw. demselben Beruf zuzuordnen. Abbildung 3 Welche Ausbildung/Qualifikation wird üblicherweise für Ihre Haupt- bzw. Nebentätigkeit benötigt? Sind Haupt- und Nebentätigkeit in derselben Branche Angaben in Prozent bzw. im gleichen Beruf? Angaben in Prozent 10 Keine Berufsausbildung (Helfertätigkeit) Andere Branche / 59 74 anderer Beruf Andere Branche / 4 59 gleicher Beruf Abgeschlossene Berufsausbildung 26 Gleiche Branche / 6 anderer Beruf 31 Gleiche Branche / Hochschul-/Fachhochschulstudium 15 14 gleicher Beruf n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehenx Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research – – Hauptätigkeit Nebentätigkeit n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 5
ARBEITSBEDINGUNGEN Vereinbarte und reale Arbeitszeiten in der Haupttätigkeit Einkommen Im Durchschnitt stehen bei den Befragten 33,3 Stunden pro Woche im Arbeitsvertrag. Der Die im Hauptjob erzielten monatlichen Brutto-Ge- Median liegt aber bei 38 Stunden – d. h., einige Be- hälter der Befragten verteilen sich relativ gleichmä- fragte haben sehr niedrige vertraglich vereinbarte ßig entlang der vorgegebenen Kategorien – auffäl- Arbeitszeiten angegeben. Knapp ein Viertel (23 Pro- lige Ausreißer sind nicht zu erkennen. Allerdings zent) der Befragten ist der Kategorie vollzeitferne ist der Anteil an Befragten mit einem Brutto-Gehalt Teilzeit zuzuordnen: Ihre vertraglich vereinbarte über 3.500 Euro relativ gering. Wochenarbeitszeit in der Haupttätigkeit beträgt In der Nebentätigkeit zeigt sich ein anderes Bild: weniger als 30 Wochenarbeitsstunden. Mehr als Zwei Drittel der Befragten verdienen damit brutto ein Drittel (36 Prozent) haben dagegen im Hauptjob 450 Euro oder weniger. Das bedeutet für die ab- Verträge für 40 Stunden oder mehr. Ein Zweitjob ist hängig Beschäftigten einen Minijob. Bei weiteren somit also nicht vorrangig eine Option für Erwerbs- 17 Prozent beträgt das monatliche Gehalt zwischen tätige, die im Hauptjob Teilzeit beschäftigt sind (s. 451 und unter 1.000 Euro. Lediglich ein Zehntel Abb. A3 im Anhang). der Befragten erzielt aus der Nebentätigkeit brutto Wirklich gearbeitet wird aber mehr: Im Vergleich 1.000 Euro oder mehr pro Monat. zu dem vertraglich vereinbarten Volumen (Median: Abbildung 5 38 Stunden) sind die tatsächlichen Arbeitszeiten in der Haupttätigkeit deutlich länger: Der Median liegt um 2 Stunden höher, d. h. bei 40 Stunden. Die Wie hoch ist Ihr durchschnittliches monatliches Brutto-Gehalt (d. h. bevor Steuern Differenz zwischen realer und vertraglich verein- und Abgaben abgezogen werden) in Ihrer Haupt-/Nebentätigkeit? barter Wochenarbeitszeit zeigt, dass die Hälfte der Angaben in Prozent Befragten (50 Prozent) exakt wie vertraglich verein- bart arbeitet 4 (s. Abb. A4 im Anhang). 2 42 Prozent der Befragten leisten in ihrem Haupt- 450 Euro oder weniger 66 job mehr Wochenarbeitsstunden als vertraglich 11 vereinbart: 17 Prozent in einem moderaten Bereich 451 bis unter 1.000 Euro 17 zwischen +1 und +4 Stunden. Weitere 15 Prozent 1.000 bis unter 1.500 Euro 14 5 arbeiten zwischen 5 und 9 Stunden mehr pro Wo- 16 che als im Arbeitsvertrag festgehalten. Ein wei- 1.500 bis unter 2.000 Euro 3 teres Zehntel gibt sogar an, zwischen 10 und 19 2.000 bis unter 2.500 Euro 13 (8 Prozent) bzw. 20 und mehr Stunden (2 Prozent) 1 über das vertraglich vereinbarte Pensum hinaus zu 2.500 bis unter 3.000 Euro 13 1 arbeiten. 3.000 bis unter 3.500 Euro 11 0 Vereinbarte und reale Arbeitszeiten in der 3.500 bis unter 4.000 Euro 6 Nebentätigkeit 0 5 Gut ein Fünftel der Befragten (22 Prozent) gibt an, 4.000 bis unter 5.000 Euro 0 in der Nebentätigkeit kurzzeitig beschäftigt zu sein, 5.000 Euro und mehr 3 d. h. höchstens drei Monate oder 70 Arbeitstage 0 pro Kalenderjahr für die Nebentätigkeit aufzubrin- keine Angabe 5 – – 8 gen. Demgegenüber arbeiten 78 Prozent der Be- fragten mehr als drei Monate bzw. 70 Tage pro Jahr in ihrer Nebentätigkeit. Hauptätigkeit Nebentätigkeit Die für die Nebentätigkeit vertraglich verein- n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen barten Wochenarbeitszeiten sind erwartungsge- Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research mäß deutlich geringer als in der Haupttätigkeit. Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit liegt hier im Arbeitszeiten 4 An dieser Stelle wird die reale Arbeitszeit nicht anhand Wie sehen die Arbeitszeiten von Mehrfachbeschäf- der Kategorien dargestellt, die bei der Darstellung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten verwendet worden tigten aus? Ist ein Zweitjob vor allem eine Option sind. Ein Vergleich der Prozentwerte dieser Kategorien für Teilzeitbeschäftigte? Investieren Selbständige zwischen vertraglich vereinbarter und realer Arbeitszeit mehr Stunden in ihre Erst- bzw. Zweitjobs als ab- wäre irreführend, da die Kategorie „Keine Arbeitszeit vertraglich vereinbart“ bei den realen Arbeitszeiten nicht hängig Beschäftigte? Um diese Fragen zu beant- vorhanden ist und daher die einzelnen Kategorien nicht worten, sollten die Teilnehmer/innen zunächst of- vergleichbar sind. Daher wird im Folgenden die Differenz fen, d. h. ohne vorgegebene Antwortkategorien an- aus realer und vertraglich vereinbarter Arbeitszeit auf Individualebene dargestellt. Hierbei werden die Personen, geben, wie hoch ihre vertraglich vereinbarten und die „keine Arbeitszeit vertraglich vereinbart“ haben, sepa- ihre realen Arbeitszeiten sind. rat dargestellt. WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 6
Abbildung 6 Nebentätigkeit: Wie viele Stunden arbeiten Sie durchschnittlich pro Woche in Ihrer Nebentätigekeit, einschließlich regelmäßiger Mehr-/Überstunden und Bereitschaftszeiten? Angaben in Prozent 24 weniger als 5 Stunden 9 21 32 5 bis 9 Stunden 27 31 19 10 Stunden 23 19 16 11 bis 19 Stunden 20 17 9 20 Stunden und mehr 22 11 – Arbeitnehmer/-in, Beamter/Beamtin (n=448) Gesamt – n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research Selbstständige/-r, Freiberufler/-in (n=82) Mittel bei 8 Stunden (Median), im Durchschnitt bei exakt so viele Stunden pro Woche wie vertraglich 8,6 Stunden (Mittelwert). Knapp die Hälfte der Be- auch vereinbart (in der Haupttätigkeit traf das nur fragten (47 Prozent) muss laut Arbeitsvertrag weni- auf 50 Prozent der Befragten zu). Der Anteil der- ger als 10 Stunden pro Woche arbeiten. Bei 22 Pro- jenigen, die im Zweitjob mehr als vertraglich ver- zent sind es weniger als 5 Stunden, bei 26 Prozent einbart (18 Prozent) arbeiten, ist deutlich geringer sind es zwischen 5 und 9 Stunden, die vertraglich (-25 Prozentpunkte) als im Hauptjob. 8 Prozent fixiert sind (s. Abb. A5 im Anhang). Etwa ein Fünf- kommen auf bis zu 4 Stunden mehr. 10 Prozent ar- tel (18 Prozent) der Befragten gibt an, in der Neben- beiten mindestens 5 Stunden länger als vertraglich tätigkeit 10 Arbeitsstunden pro Woche vertraglich vereinbart. 16 Prozent der Befragten haben in ihrer vereinbart zu haben. Fast ebenso häufig (19 Pro- Nebentätigkeit keine Arbeitszeit vertraglich verein- zent) sind bei den Befragten mehr als 10 Stunden bart (s. Abb. A6 im Anhang). im Arbeitsvertrag festgeschrieben. 16 Prozent der Befragten haben in ihrer Nebentätigkeit keine Ar- Reale Arbeitszeit nach Status in Haupttätigkeit beitszeit vertraglich vereinbart. Wer im Hauptjob selbstständig ist, arbeitet weniger Die Diskrepanz zwischen Vertrags-Soll und Ar- Stunden als Arbeitnehmer/innen. In der Nebentä- beitszeit-Ist fällt in der Nebentätigkeit nicht so groß tigkeit ist es jedoch genau andersherum: Befragte, aus wie im Erstjob. Vertraglich vereinbarte und re- die in ihrem Nebenjob selbstständig sind, arbeiten ale Wochenarbeitszeiten sind im Mittel identisch deutlich mehr (Median: 10 Stunden) als Befrag- (Median: beide 8 Stunden). Diese Werte decken te, die in ihrer Nebentätigkeit Arbeitnehmer/innen sich in etwa mit den Erhebungen des Statistischen (8 Stunden) sind. Bundesamtes von 2015, wonach Erwerbstätige im Nebenjob im Durchschnitt 8,5 Stunden arbeiten. 5 Reale Gesamtarbeitszeit Bei den realen Arbeitszeiten im Nebenjob zeigt Summiert man die reale Wochenarbeitszeit in sich im Vergleich zur Haupttätigkeit ein – aus Ar- Haupt- und Nebentätigkeit, dann arbeiten die Be- beitnehmer/innensicht – positiveres Bild: 63 Pro- fragten im Mittel (Median) 46 Stunden pro Woche. zent der Befragten arbeiten in ihrer Nebentätigkeit Knapp ein Viertel der Befragten arbeitet weniger als 40 Stunden pro Woche. Bei 11 Prozent sind es weniger als 30 Stunden, bei weiteren 12 Prozent 5 https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Presse- sind es zwischen 30 und 39 Stunden. mitteilungen/2015/04 PD15_155_132.html WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 7
Weit über die Hälfte der Befragten arbeitet geben an, dass sie sich in ihrer Haupttätigkeit im mehr als 40 Stunden pro Woche: Etwa ein Fünftel Rahmen der Arbeitszeit weiterbilden können. In kommt auf 40 bis 44 Stunden pro Woche in Haupt- den Nebentätigkeiten ist dies deutlich seltener ver- und Nebentätigkeit, ein weiteres Fünftel auf bis zu breitet: Nur etwa ein Viertel der Befragten kann 49 Stunden. 37 Prozent der Befragten sind 50 Stun- sich bei der Nebentätigkeit während der Arbeitszeit den oder mehr mit ihren beruflichen Tätigkeiten be- weiterbilden. Bei einer Verschränkung der beiden schäftigt, 13 Prozent sogar 60 Stunden oder mehr. Fragen zeigt sich, dass sich insgesamt 69 Prozent der Befragten bei ihrer Haupt- und/oder Nebentä- tigkeit im Rahmen der Arbeitszeit weiterbilden kön- Abbildung 7 nen. Knapp einem Drittel ist diese Option in beiden Tätigkeiten verwehrt (s. Abb. A8 im Anhang). Wie viele Stunden arbeiten Sie durchschnittlich pro Woche in Ihrer Haupt- bzw. Nebentätigkeit, einschließlich regelmäßiger Betriebliche Interessenvertretung Mehr-/Überstunden und Bereitschaftszeiten? Angaben in Prozent Knapp die Hälfte der befragten Mehrfachbeschäf- tigten werden weder in der Haupt- noch in der Ne- bentätigkeit von einem Betriebs- bzw. Personalrat Weniger als 30 Stunden 11 vertreten 6. Bei der anderen Hälfte der Befragten gibt es einen Betriebs- oder Personalrat – entwe- 30 bis 39 Stunden 12 der nur in der Haupttätigkeit (39 Prozent) oder – für rund ein Zehntel – sowohl im Haupt- als auch im 40 bis 44 Stunden 19 Nebenjob. Eine betriebliche Interessenvertretung allein in der Nebentätigkeit ist die Ausnahme (das 45 bis 49 Stunden 21 gilt lediglich für 3 Prozent der Befragten; s. Abb. A9 im Anhang). 50 bis 59 Stunden 24 Arbeit auf Abruf 60 Stunden und mehr 13 Auch bei der Frage danach, ob die Befragten auf Abruf arbeiten, zeigen sich große Unterschiede n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, zwischen Haupt- und Nebentätigkeit. Im Hauptjob die einem Nebenerwerb nachgehen sind 14 Prozent der Befragten auf Abruf tätig, im Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research Zweit- oder Drittjob sind es hingegen 47 Prozent, also deutlich mehr. Kombiniert man die Aussagen zu Haupt- und Nebentätigkeiten, dann zeigt sich, Krankenversicherung dass etwa die Hälfte aller Befragten Arbeit auf Ab- ruf leistet: in der Haupt- und/oder in der Neben- Erhoben wurde auch, ob die Befragten über ihre tätigkeit. Bei den meisten (38 Prozent) trifft dies Haupt- und/oder Nebentätigkeit krankenversichert ausschließlich auf die Nebentätigkeit zu. Lediglich sind. 91 Prozent der Befragten geben an, über 5 Prozent arbeiten nur in ihrer Haupttätigkeit auf Haupt- und/oder Nebentätigkeit krankenversichert Abruf. Etwa ein Zehntel arbeitet sowohl in Haupt- zu sein. Gut ein Viertel der Befragten ist sowohl als auch in Nebentätigkeit auf Abruf (s. Abb. A10 über Haupt- als auch über Nebentätigkeit kranken- im Anhang). versichert. Weit über die Hälfte der Befragten ist hingegen nur über die Haupttätigkeit krankenver- sichert. Ein Prozent zahlt nur dank der Nebentä- Aufträge via Online-Plattform tigkeit in die Krankenversicherung ein. Schließlich gibt rund ein Zehntel der Befragten an, weder über Gut ein Zehntel (12 Prozent) der Befragten gibt an, Haupt- noch über Nebentätigkeit krankenversichert dass ihnen in ihrer Haupttätigkeit Aufträge über zu sein (s. Abb. A7 im Anhang). eine Online-Plattform vermittelt werden. Bezogen auf die Nebentätigkeit ist es fast ein Fünftel (18 Pro- zent), die Aufträge via Online-Plattform erhalten. Weiterbildungsmöglichkeiten Wie steht es um Weiterbildung in Haupt- und Ne- 6 Dieser Wert ist etwas niedriger als der durch repräsenta- bentätigkeit? Erwartungsgemäß gibt es die Mög- tive Betriebserhebungen gemessene Wert: Danach sind lichkeit dazu deutlich häufiger in den Haupt- als in im Jahr 2017 60 % der Beschäftigten im Westen und 67 % der Beschäftigten im Osten in Betrieben ohne einen Be- den Nebentätigkeiten. Zwei Drittel der Befragten triebs- oder Personalrat beschäftigt (Ellguth und Kohaut 2018: 299) WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 8
Abbildung 8 Bei einer Verschränkung der beiden Fragen zeigt sich, dass insgesamt etwa ein Viertel (24 Prozent) in Haupt- und/oder Nebentätigkeit Aufträge über Unterschiede in den Arbeitsbedingungen zwischen Haupt- und Nebentätigkeiten Online-Plattform entegegennehmen. Bei 5 Prozent Angaben in Prozent der Befragten trifft dies sowohl in Haupt- als auch in Nebentätigkeit zu. Bei 7 Prozent erfolgt dies nur in der Haupttätigkeit, bei 12 Prozent ausschließlich Krankenversicherung 90 in der Nebentätigkeit. 28 Diese Beschäftigungsform betrifft also weniger Weiterbildungsmöglichkeiten 63 Befragte: Gut drei Viertel der Befragten (76 Prozent) 26 werden keine Aufträge über eine Online-Plattform vermittelt, weder in Haupt- noch in Nebentätigkeit Betriebliche Interessenvertretung 48 12 Auch hier zeigen sich deutliche Unterschiede anhand des beruflichen Status in der Haupttätig- Arbeitszeit: Anteil, die mehr als vertraglich 42 keit: Hauptberuflich Selbstständige bekommen vereinbart arbeiten 17 deutlich häufiger Aufträge über Online-Plattformen Aufträge über Online-Plattform 12 vermittelt (30 Prozent), als Arbeitnehmer/innen 18 (9 Prozent). Ein ähnliches Bild zeichnet sich für die Neben- Arbeit auf Abruf 13 46 – – tätigkeit ab: Nebenberuflich Selbstständige bekom- men wiederum deutlich häufiger Aufträge über Online-Plattformen vermittelt (29 Prozent), als ne- benberufliche Arbeitnehmer/innen (8 Prozent). Hauptätigkeit Nebentätigkeit Diejenigen Befragten, die in Haupt- und/oder Sortierung nach Differenz zwischen Haupt- und Nebentätigkeiten (absteigend); n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen Nebentätigkeit Aufträge über eine Online-Plattform erhalten, sollten in einem weiteren Schritt angeben, Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research ob es sich um ortsunabhängige Dienstleistungen handelt, d. h. die Befragten können die Dienstleis- tungen erbringen, wo sie möchten, oder ob es um MOTIVE FÜR ortsgebundene Dienstleistungen geht, bei denen der Ort der Dienstleistung vorgegeben ist (z. B. MEHRFACHBESCHÄFTIGUNG Gastgewerbe, Personenbeförderung und Liefer- dienste oder haushaltsnahe Dienstleistungen). Einkommen, Absicherung, Selbstverwirklichung, Bei denjenigen Befragten, die in ihrer Haupt- soziale Einbindung … die Entscheidung für einen tätigkeit Aufträge via Online-Plattform vermittelt Zweitjob kann sehr unterschiedliche Gründe ha- bekommen, handelt es sich bei über der Hälfte ben. In der Umfrage wurden die Teilnehmer/innen (57 Prozent) um ortsunabhängige Dienstleistungen. gebeten, zwölf ausgewählte Aspekte danach zu Unter den Befragten, die im Nebenjob Aufträge via bewerten, wie wichtig oder unwichtig sie für die Online-Plattform übernehmen, ist dieser Anteil hö- Aufnahme einer Nebentätigkeit waren. Die folgen- her: Etwa zwei Drittel (67 Prozent) dieser Gruppe de Auswertung orientiert sich daran, wie viele Be- führen ortsunabhängige Dienstleistungen aus. fragte den jeweiligen Punkt als sehr wichtig bzw. wichtig eingeordnet haben. Finanziellen Aspekten wird eine sehr hohe Re- Zusammenfassung: levanz zugesprochen: Demnach ist für 67 Prozent Arbeitsbedingungen im Vergleich der Befragten das lukrative Einkommen durch die Nebentätigkeit und für 51 Prozent die Erfüllung von Insgesamt unterscheiden sich die Arbeitsbedingun- besonderen Konsumwünschen entscheidend ge- gen zwischen Haupt- und Nebentätigkeit erheblich: wesen. Fast ebenso häufig geben die Befragten an, Krankenversicherung, Weiterbildungsmöglichkei- dass sich die Aufnahme der Nebentätigkeit eher ten sowie eine gesetzliche Interessenvertretung ha- aus einer finanziellen Notwendigkeit heraus erge- ben die Befragten in ihrem Hauptjob viel häufiger ben hat: Für 53 Prozent der Befragten sind finan- als in ihrer Nebentätigkeit. zielle Schwierigkeiten bzw. Nöte ausschlaggebend Überstunden werden vor allem im Hauptjob ge- gewesen. 24 Prozent konnten keine Vollzeitstelle leistet: Der Anteil derjenigen, die mehr als vertrag- finden und haben daher die Nebentätigkeit aufge- lich vereinbart arbeiten, ist in der Haupttätigkeit nommen, um finanziell aufzustocken. deutlich größer als in der Nebentätigkeit. Eine ähnlich hohe Relevanz wird der sozialen Die Vermittlung von Aufträgen über Online-Platt- Absicherung durch Haupt- bzw. Nebentätigkeit formen ist hingegen etwas häufiger bei Nebentä- beigemessen. 64 Prozent geben an, dass die So- tigkeiten. Auch Arbeit auf Abruf ist ein Phänomen, zialversicherung durch die Haupttätigkeit ein aus- das verstärkt in den Nebentätigkeiten auftritt. schlaggebender Grund zur Aufnahme der Nebentä- WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 9
tigkeit gewesen ist – bei der Ausübung eines nicht- Wunsch nach mehr zeitlicher Flexibilität nachkom- versicherungspflichtigen Nebenjobs wird also die men zu können. 21 Prozent geben an, dass die feh- Einbeziehung in die Sozialversicherung durch den lende zeitliche Auslastung in ihrer Haupttätigkeit Hauptjob gewährleistet. Knapp die Hälfte der Be- der Grund war. fragten hat dies sogar als sehr wichtig (46 Prozent) Zusätzlich wurden die Teilnehmer/innen in einer eingestuft. Deutlich seltener wird die Sozialversi- offenen Abfrage gebeten, die Gründe für die Aus- cherung durch die Nebentätigkeit (18 Prozent) als übung mehrerer Tätigkeiten zu formulieren. relevante Größe erachtet. Fast genauso wichtig Wenig überraschend zeigt sich, dass Befragte, sind soziale Aspekte: Für 58 Prozent ist die Zusam- die aufgrund finanzieller Engpässe eine Nebentä- menarbeit und Kommunikation mit anderen Men- tigkeit aufgenommen haben, häufig ein niedrige- schen entscheidend gewesen. Knapp die Hälfte res Haushaltsnettoeinkommen haben. Allerdings der Befragten (48 Prozent) hat die Nebentätigkeit hängt der Wunsch nach mehr Geld nicht allein mit aufgenommen, um anderen Menschen helfen zu dem bestehenden Einkommen zusammen – so- können. wohl niedrigere als auch höhere Einkommensgrup- An vierter Stelle rangieren zwei Aspekte, die pen haben dieses Argument angeführt. die persönliche Weiterentwicklung der Befragten Darüber hinaus haben Befragte mit niedrige- betreffen. Zum einen verfolgen die Befragten mit ren formalen Bildungsabschlüssen die finanzi- der Nebentätigkeit die Verwirklichung einer Leiden- elle Notwendigkeit deutlich häufiger betont als schaft (55 Prozent). Zum zweiten hat etwa ein Drit- Hochschulabsolvent/innen. tel der Befragten (32 Prozent) eine Nebentätigkeit Beim Aspekt „Spaß und Interesse“ zeigt sich ein aufgenommen, um sich weiterzubilden bzw. die gegenteiliges Bild. Dieser wurde von Hochschul- beruflichen Perspektiven zu erweitern. Schließlich absolvent/innen ebenso wie von Gutverdienern wird durch zwei Aspekte die Work-Life-Balance der deutlich häufiger angeführt als von Befragten mit Befragten adressiert. 45 Prozent haben demnach Hauptschulabschlüssen bzw. Geringverdienern. eine zweite Tätigkeit aufgenommen, um ihrem Abbildung 9 Wie wichtig waren die folgenden Gründe bei Ihrer Entscheidung, eine oder mehrere Nebentätigkeiten aufzunehmen? Angaben in Prozent Lukratives Einkommen durch die Nebentätigkeit 26 42 Finanzielle Not/Finanzielle Schwierigkeiten 24 29 Erfüllung von besonderen Konsumwünschen 17 35 Konnte keine Vollzeitstelle finden und musste aufstocken 10 14 Sozialversicherung durch die Haupttätigkeit 46 18 Sozialversicherung durch die Nebentätigkeit 6 12 Zusammenarbeit und Kommunikation mit anderen 24 34 Menschen Die Möglichkeit, anderen Menschen helfen zu können 19 29 Verwirklichung einer Leidenschaft (Selbstverwirklichung) 26 28 Möglichkeit der Weiterbildung/Erweiterung beruflicher 11 21 Perspektiven Der Wunsch nach mehr zeitlicher Flexibilität 16 29 – – Fehlende zeitliche Auslastung in der Haupttätigkeit 5 16 sehr wichtig wichtig Sortierung nach Summe aus „sehr wichtig/wichtig“, jeweils größte Ausprägung pro Kategorie (absteigend); n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 10
Abbildung 10 Warum üben Sie mehrere Tätigkeiten aus? Was war der Grund für die Aufnahme der zweiten Tätigkeit? Angaben in Prozent Mehr Geld 45 Geld nicht ausreichend 20 Spaß/Interesse/Hobby 20 Abwechslung 6 Gelegenheit/Angebot erhalten 5 Frei verfügbare Zeit 3 Persönliches Engagement 3 Job aus Gewohnheit behalten 3 Vereinbarkeit Haupt- und Nebentätigkeit 3 Keine Vollzeitstelle 2 Offene Abfrage – Mehrfachnennungen möglich; n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research ENTWICKLUNG DER BERUFLICHEN SITUATION Sieben von zehn Befragten sind der Ansicht, dass Diejenigen Befragten, die zukünftig eine Verän- sie ihre derzeitigen Tätigkeiten so oder in ähnlicher derung ihrer beruflichen Situation beabsichtigen, Form zukünftig beibehalten werden. Drei von zehn wurden gebeten, ihre Veränderungswünsche in ei- äußern demgegenüber die Absicht, ihre aktuelle ner offenen Abfrage näher erläutern. Die meisten berufliche Situation in Zukunft verändern zu wollen. nannten finanzielle Aspekte (19 Prozent): Sie erach- 14 Prozent möchten sich stärker auf die Haupttätig- ten eine Veränderung als finanziell attraktiver bzw. keit, weitere sieben Prozent stärker auf die Neben- notwendig. Fast ebenso viele (17 Prozent) führen tätigkeit konzentrieren. Knapp ein Zehntel möchte bessere berufliche Perspektiven als ausschlagge- sich zukünftig insgesamt beruflich umorientieren. bend ins Feld. Abbildung 11 Entwicklung berufliche Situation: Was denken Sie, wie wird sich Ihre berufliche Situation in absehbarer Zukunft entwickeln? Angaben in Prozent Ich werde meine derzeitigen Tätigkeiten so 70 oder in ähnlicher Form beibehalten Ich werde mich zukünftig stärker auf 14 die Haupttätigkeit konzentrieren Ich werde mich künftig stärker auf 7 die Nebentätigkeit konzentrieren Ich werde mich zukünftig insgesamt umorientieren 9 n=545, Grundgesamtheit: Erwerbstätige ab 16 Jahren, die einem Nebenerwerb nachgehen Quelle: Eigene Berechnungen; Erhebung Mauss-Research WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 11
FAZIT ten pro Woche 50 Stunden oder mehr. Ein Viertel arbeitet zwischen 50 und 59 Stunden in der Woche, Die mehrfachbeschäftigten Teilnehmer/innen der weitere 13 Prozent 60 Stunden und mehr. Online-Befragung wurden gebeten, die Zuordnung Der Großteil der Befragten (63 Prozent) gibt an, ihrer Mehrfachbeschäftigungen in Haupt- und Ne- über die Haupttätigkeit krankenversichert zu sein. bentätigkeit selbst vorzunehmen: Das Ergebnis ist, Ebenso groß ist der Anteil derjenigen, die als Grund dass die Haupttätigkeit größtenteils als abhängige für die Mehrfachbeschäftigung die Sozialversiche- Beschäftigung beschrieben wird, die Nebentätig- rung durch die Haupttätigkeit anführen. Knapp die keit dagegen in etwa zu gleichen Teilen als selbst- Hälfte der Befragten stuft die „Sozialversicherung ständig bzw. als abhängig beschäftigt. durch die Haupttätigkeit“ als Grund für die Ent- In den Nebentätigkeiten sind besonders stark scheidung zur Mehrfachbeschäftigung sogar als einfache, meist ungelernte Arbeiten vertreten, aber sehr wichtig ein. Von fast jedem fünften Befragten auch Tätigkeiten in den Bereichen Gestaltung, Me- wird die Sozialversicherung durch die Nebentätig- dien oder Marketing und dem Bereich Bildung und keit als wichtig oder sehr wichtig erachtet. Soziales. Die formalen Qualifikationsanforderungen Der sozialen Absicherung durch die Haupt- bzw. sind in der Haupttätigkeit höher als in der Neben- Nebentätigkeit wird bei der Frage nach den Mo- tätigkeit. Bemerkenswert ist, dass die Nebentätig- tiven somit eine große Bedeutung beigemessen. keit im Vergleich zur Haupttätigkeit meist sowohl in Ebenso deutlich zeigt sich die Relevanz finanzieller einer anderen Branche als auch in einem anderen Aspekte (Schmidt und Voss 2014). Für zwei Drittel Berufsfeld angesiedelt sind. Die ausgeübten Berufe der Befragten ist das lukrative Einkommen durch und auch das Anforderungsniveau der ausgeübten die Nebentätigkeit als Motiv für die Mehrfachbe- Tätigkeiten liegen in Haupt- und Nebenjob oftmals schäftigung wichtig oder sehr wichtig, über die weit auseinander. Hälfte nennen sogar „finanzielle Not“ oder „finanzi- Haupt- und Nebentätigkeit unterscheiden sich elle Schwierigkeiten“ als wichtigen oder sehr wich- hinsichtlich der formalen Qualifikationsanforde- tigen Grund. rungen, aber auch hinsichtlich der Arbeitszeiten Jede/r dritte Befragte äußert die Absicht, die ei- und Überstunden. In der Haupttätigkeit liegt die gene berufliche Situation in Zukunft verändern zu vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit der Be- wollen. fragten im Schnitt bei 33 Stunden, in der Nebentä- Finanzielle Not als häufiges Motiv für die Ne- tigkeit bei 8 Stunden. 42 Prozent der Befragten be- bentätigkeit und die Bedeutung der sozialen Absi- richten, in der Haupttätigkeit mehr Wochenarbeits- cherung als Grund zur Aufnahme einer Nebenbe- stunden zu leisten als vertraglich vereinbart, aber schäftigung verweisen auf die Probleme, mit de- nur 17 Prozent in der Nebentätigkeit. Allerdings ist nen Mehrfachbeschäftigte konfrontiert sind. Dies dabei der aus arbeitsrechtlicher Sicht problemati- betrifft insbesondere die Minijobber/innen. Steuer- sche Umstand zu bedenken, dass 16 Prozent der und abgabenrechtliche Regelungen machen diese Befragten angeben, in der Nebentätigkeit über- Beschäftigungsform für Nebenjobs attraktiv. Die haupt keine vertragliche Regelung über die Arbeits- Kehrseite sind Lücken in der sozialen Absicherung, zeit getroffen zu haben. insbesondere niedrige Rentenanwartschaften, ge- Auch bei der Frage danach, ob die Befragten ringe Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegs- auf Abruf arbeiten, zeigen sich große Unterschie- chancen sowie erhebliche Defizite bei arbeitsrecht- de zwischen Haupt- und Nebentätigkeit. 14 Prozent lichen Regelungen. So werden für Minijobs gelten- der Befragten geben an, in ihrer Haupttätigkeit auf den Regelungen, zum Beispiel zur Lohnfortzahlung Abruf zu arbeiten. Demgegenüber geben 47 Pro- im Krankheitsfall sowie zur Urlaubs- und Feiertags- zent der Befragten an, in ihrer Nebentätigkeit auf bezahlung, in der Praxis oftmals nicht eingehalten Abruf tätig zu sein. Auch die Vermittlung von Auf- (IAB-Kurzbericht 18/2015). Beklagt wird weiterhin trägen über Online-Plattformen findet häufiger in die häufige Umgehung vom gesetzlich vorgesehe- den Nebentätigkeiten statt. nen Mindestlohn bei Minijobs (Pusch und Seifert Weiterbildungsmöglichkeiten konzentrieren sich 2017). deutlich auf die Haupttätigkeit: 64 Prozent der Be- Vor dem Hintergrund der Kritik der arbeitsmarkt- fragten berichten, dass bei der Haupttätigkeit im und gesellschaftspolitischen Wirkungen und Rahmen der Arbeitszeit Möglichkeiten der Wei- Fehlanreize sind vielfältige Vorschläge zur Reform terbildung bestehen, aber nur 25 Prozent der Be- der Minijobs unterbreitet worden (Walwei 2018). fragten berichten dies über die Nebentätigkeit. Für Auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU knapp ein Drittel (31 Prozent) besteht weder in der und SPD enthält einige eher versteckte Neurege- Haupt- noch in der Nebentätigkeit die Möglichkeit lungen bezüglich der geringfügigen Beschäftigung der Weiterbildung im Rahmen der Arbeitszeit. (Mini-Jobs) sowie für den Bereich der Gleitzonen- In Bezug auf Arbeits- und Gesundheitsschutzas- beschäftigung (Midi-Jobs) – mit jeweils völlig kon- pekte sind die häufig überlangen Wochenarbeits- trärer Wirkung bzw. Zielrichtung hinsichtlich der zeiten der Mehrfachbeschäftigten bedenklich: Sub- Belastung der Beschäftigten sowie deren sozialer sumiert man die Arbeitszeiten in Haupt- und Ne- Absicherung. Ein Teil der geringfügig Beschäftigten bentätigkeiten, dann leisten ein Drittel der Befrag- wird bei Umsetzung des Vertrags schlechter ge- WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 12
stellt, während Geringverdiener andererseits wie- rufsständischen Versorgungswerken) abgesichert derum durch eine Ausdehnung der Gleitzone bei sind. Grundsätzlich sollen Selbstständige zwischen den Sozialabgaben weiter entlastet werden sollen der gesetzlichen Rentenversicherung und – als (Steffen 2018). Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Opt-out-Lösung – anderen geeigneten insolvenz- Pauschalbeitrag des Arbeitgebers zur Rentenversi- sicheren Vorsorgearten wählen können. Wobei cherung für die rund 140.000 Zeitungsboten für die diese insolvenz- und pfändungssicher sein und in Dauer von fünf Jahren bis 2022 von 15 auf fünf Pro- der Regel zu einer Rente oberhalb des Grundsiche- zent abzusenken. Der Beitragsanteil zur Rente be- rungsniveaus führen müssen.“ (Koalitionsvertrag, trägt für die betroffenen Beschäftigten statt bisher Randziffer 4306 ff.). Noch offen ist die konkrete 3,6 Prozent damit künftig 13,6 Prozent. Für versi- Ausgestaltung dieser im Koalitionsvertrag festge- cherungspflichtige Minijobber/innen bedeutet dies legten Altersvorsorgepflicht für Selbstständige und bei einem Monatsbrutto von 450 Euro eine (Net- die Frage, inwiefern nebenberuflich Selbststän- to-)Lohnkürzung von zehn Prozent; viele werden dige betroffen sein werden. Von elementarer und sich künftig zu Lasten ihrer sozialen Absicherung existentieller Bedeutung wird es sein, bei der kon- von der Versicherungspflicht befreien lassen. Das kreten Ausgestaltung der Beitragsbemessung die Vorhaben steht in Widerspruch zu dem an anderer häufig geringen und unregelmäßigen Einkommen Stelle des Vertrages gegebenen Versprechen: »Ge- der „kleinen“ und teilzeitbeschäftigten Selbststän- ringverdienerinnen und Geringverdiener werden digen zu berücksichtigen. Analog zu den abhängig wir bei Sozialbeiträgen entlasten« (Steffen 2018). Beschäftigten sollten die Selbstständigen nicht Die Ankündigung, Geringverdiener/innen ent- den vollen Beitragssatz leisten müssen. Für den lasten zu wollen, bezieht sich allein auf die Midi- bei paritätischer Beitragszahlung quasi fehlenden Jobs bzw. die Gleitzonenbeschäftigung. Das mit hälftigen Arbeitgeberbeitrag sollte es einen sozia- Jahresbeginn 2019 in Kraft getretene Rentenpaket len Ausgleich geben, etwa in Form einer Steuerbe- der Bundesregierung sieht vor, dass die Gleitzone, günstigung oder in Form einer Auftraggeberabga- die heute oberhalb der Minijobs bei 450,01 Euro be (Schulze Buschoff 2018). beginnt und bei 850 Euro endet, beginnend ab Juli Weiter vorangeschritten ist die Planung der Neu- bis 1300 Euro ausgedehnt werden soll. Das hat zur regelung der Beiträge in der Kranken- und Pflege- Folge, dass Beschäftigte bis zu dieser Höhe nur re- versicherung für Selbstständige. Hierzu heißt es duzierte Beiträge zahlen müssen. Der Beitrag steigt im Koaltionsvertrag: „… die Mindestkrankenver- ab 450 Euro langsam an, erst ab 1300 Euro wird sicherungsbeiträge für kleine Selbstständige“ sol- der volle Beitrag von rund 20 Prozent des Brutto- len reduziert werden. (Koalitionsvertrag, Randzif- lohns fällig. Bei mehreren Beschäftigungsverhält- fer 4313 ff.) Hintergrund der Neuregelung ist der nissen ist das insgesamt erzielte Arbeitsentgelt Umstand, dass die Beiträge der Selbstständigen maßgebend. in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht am Eine Entlastung niedriger Einkommen ist not- Realeinkommen bemessen wurden, sondern mit wendig und sinnvoll. Aber die Ausweitung der einem ‘angenommenen Mindesteinkommen’ fest- Gleitzone ist der falsche Weg. Sie entzieht der So- gelegt wurden, das oftmals faktisch nicht erreicht zialversicherung Einnahmen zulasten der übrigen wurde. Laut dem „Gesetz zur Beitragsentlastung Beitragszahler und -zahlerinnen. Dabei ist die Ent- der Versicherten in der Gesetzlichen Krankenver- lastung für den/die Einzelne/n kaum spürbar. Bei sicherung“ (kurz: GKV-VEG für „GKV-Versicherten- Einkommen von 1000 Euro bis 1300 Euro liegt sie entlastungsgesetz“) ist die Mindestbemessungs- nur bei 10 Euro monatlich. Haushalte mit geringem größe für hauptberuflich Selbstständige von 2.284 Einkommen werden so nicht ausreichend entlastet. auf 1.142 Euro halbiert worden. Das Gesetz ist am Notwendig sind somit vielmehr zielgenaue Refor- 01. 01. 2019 in Kraft getreten. men im Niedriglohnsektor, die Haushalte mit gerin- Die nun nur noch rund 150 Euro niedriger liegen- gen Einkommen deutlich entlasten, wie es z. B. der de Mindestbemessungsgrenze für „nebenberuflich DGB-Vorschlag zum Arbeitnehmer-Entlastungsbe- Selbstständige“ wird im Gesetzesentwurf nicht er- trag über Steuern vorsieht: Niedrigverdiener sollen wähnt. Haupt- und nebenberuflich Selbstständige dem Vorschlag zufolge quasi als „negative Einkom- zahlen nach der Reform fast denselben Mindest- menssteuer“ einen Entlastungsbetrag ausgezahlt beitrag (Unterschied von nur ca. 20 Euro). Die Be- bekommen (Bach et al. 2018). messungsgrundlage der Beiträge sollte wie bei den Auch für Mehrfachbeschäftigte, die eine abhän- abhängig Beschäftigten auch das reale Erwerbs- gige mit einer selbstständigen Tätigkeit kombinie- einkommen sein, um insbesondere nebenberuf- ren, könnten Neuregelungen relevant werden, die lich Selbständige zu entlasten. Hier besteht noch im Koalitionsvertrag festgehalten sind. Die Koali- Handlungsbedarf. tionspartner haben eine Altersvorsorgepflicht für Handlungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Selbstständige beschlossen: „Um den sozialen Alterssicherung. Zwar ist im Koalitionsvertrag fest- Schutz von Selbstständigen zu verbessern, wollen geschrieben, dass eine Neuregelung der Altersvor- wir eine gründerfreundlich ausgestaltete Altersvor- sorgepflicht für Selbstständige „in Regel zu einer sorgepflicht für alle Selbständigen einführen, die Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus füh- nicht bereits anderweitig obligatorisch (z. B. in be- ren muss“, allerdings bedarf es hier der Konkreti- WSI Report Nr. 48, März 2019 Seite 13
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