Digitale Simulation reduziert den Performance - Simulation in Kombination mit BIM verkleinert Planwert-Abweichungen deutlich - Vela Solaris
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Info Simulation in Kombination mit BIM verkleinert Planwert-Abweichungen deutlich Digitale Simulation reduziert den Performance - Der Betrieb von Gebäuden verläuft in der Schweiz oft nicht so wie geplant. Der reale Energieverbrauch weicht in vielen Fällen deutlich vom errechneten Verbrauch ab – ein «Performance-Gap» entsteht. Text Moritz Meier, Angela Krainer* Ein Grundlagenbericht beauftragt von ■ Dynamische Abhängigkeiten von System- Bilder zVg EnergieSchweiz kommt beim Vergleich komponenten werden in statischen verschiedener Studien zum Schluss, dass Berechnungen nicht sichtbar und entspre- der reale Wärmeverbrauch von Wohnbau- chend nicht eingeplant. Beispiele sind ten im Durchschnitt höher ist als der be- das Zusammenspiel der Regeneration von rechnete Bedarf im Energienachweis. Je Erdsondenfeldern und Photovoltaik. nach Gebäudetyp und Art des Vergleichs ■ Variables Nutzungsverhalten wird in der weisen die Studien Abweichungen von Planung nicht berücksichtigt und das Planwerten zwischen –45 % und +45 % aus. Energiesystem ist somit nicht robust auf Planabweichungen verursachen Kosten: unterschiedliche Nutzungsszenarien Gebäude werden ineffizient betrieben. ausgelegt. Investitions- und Betriebskosten werden ■ Eine Betriebsoptimierung fehlt und das überschritten und die gesetzten Ziele im Energiesystem wird nicht im Optimum Bereich Nachhaltigkeit können nicht er- gesteuert. reicht werden. Es ist klar, dass eine mög- lichst hohe Planungsqualität im Interesse In der Planungs- und Umsetzungsqualität aller Beteiligten ist, vom Bauherrn über die wie auch im Betrieb besteht somit Opti- Architekten und Ingenieurbüros bis zu den mierungspotenzial. künftigen Bewohnern. Simulation sorgt für zuverlässige Wie aber kommt der Performance-Gap Gebäudetechnik zustande? Um den Performance-Gap zu schliessen, Ein wichtiger Grund ist, dass die Gebäude- setzt das Ingenieurbüro Amstein + bewohner sich anders verhalten als erwar- Walthert AG zunehmend auf Simulation tet: Storen werden als Sichtschutz und statt auf statische Normwerte. In Zeit- nicht als Sonnenschutz genutzt. Fenster schritten bis auf Sekundenbasis werden werden in der Nacht gekippt, trotz instal- sämtliche physikalische Zusammenhänge lierter Komfortlüftung. simuliert und dargestellt, wie sich das Auch die Planung der Gebäudetechnik geplante Energiesystem im Betrieb verhält: spielt eine Rolle: der technische Perfor- von der Wärmeschichtung im Speicher bis mance-Gap. In der traditionellen Planung zum Eigenverbrauch der Stromproduktion wird oft auf Standard-Werte aus Normen der Solaranlage und dem Verhalten der und Merkblättern zurückgegriffen. Stan- Nutzer und Nutzerinnen des Gebäudes. dardwerte sind von der individuellen Reali- Überdimensionierte und ineffiziente Syste- tät teilweise weit entfernt. In folgenden me können so vermieden werden. Die Bereichen kann deshalb ein technischer Bauherrschaft erhält den Nachweis, dass Performance-Gap entstehen: die geplante Anlage funktioniert und die ■ Wärmeerzeugungsanlagen werden über- gewünschte Energieeffizienz erfüllt. dimensioniert geplant, teilweise sogar massiv. Die Überdimensionierung wird Gebäudetechnik-Simulation konkret: oft bewusst durch den Gebäudetechni- drei Praxisbeispiele ker eingeplant, und zwar dann, wenn Die integrale Planung mit Simulation nutzt Unsicherheit besteht, wie sich das Amstein + Walthert in der Praxis erfolg- System im Betrieb verhalten wird. reich. Ein Beispiel ist die HLK-Planung für ■ Das Potenzial der Speicher (thermisch, den Neubau eines grösseren Einfamilien- elektrisch, Gebäudemasse) zur Spitzen- hauses am Zürichsee. Die Bauherrschaft deckung wird ungenügend berücksichtigt. schrieb eine erneuerbare Energieversor- 12 hk gebäudetechnik 11/12 · 20
Info e -Gap gung für das vollverglaste Gebäude mit In einem Grossprojekt mit verschiedenen beheiztem Innenpool vor. Anhand einer Nutzungen konnte der Nachweis erbracht thermischen Gebäudesimulation wurde werden, dass die energetischen Anforde- ein exakter Energie- und Leistungsbedarf rungen immer noch erfüllt werden, auch für das Heiz- und Kühlsystem berechnet. wenn die Erzeugerleistung der Heizung Neben Raumtemperatur-Toleranzen von um 33 % und jene der Kälte um 27 % +/–0.5 °C konnten im Modell verschiedene reduziert wird. An- und Abwesenheiten berücksichtigt Der Einsatz von Simulation in der werden. Über eine automatisierte Schnitt- Planung senkt also nachweislich stelle wurden die berechneten Bedarfs- den technischen Performance-Gap: mit profile direkt in der Simulationssoftware höherer Energieeffizienz und entspre- Polysun hinterlegt, mit der die Energie- chend tieferen Investitions- und Betriebs- erzeugung zur Deckung der Heiz- und kosten. Kühllast simuliert wurde. Dank der Simula- tion gelang der Funktionsnachweis des Simulation war bisher mit viel Energiesystems inklusive einer Verkleine- Handarbeit verbunden rung der geplanten Wärmepumpe um den Um Simulation wirkungsvoll im Planungs- Faktor 2.4 gegenüber den statischen prozess einzusetzen, müssen Ergebnisse in Normwerten. Durch ein geschicktes Spei- einem interdisziplinären Projektteam aus chermanagement können zudem nahezu den Bereichen Bauphysik, Energiesimula- 100 % der Klimakälte über ein Freecooling tion und HLK-Planung einfach ausge- gedeckt werden (vgl. Abb. 1). tauscht werden können. Bis vor Kurzem Simulation kommt auch bei der energeti- bedeutete dies für Amstein + Walthert und schen Planung von Arealen zum Einsatz. die ganze Planungsbranche viel Hand- So etwa für ein namhaftes Areal in der arbeit und aufwendige Kommunikations- Nord-West-Schweiz mit rund 50 000 m² prozesse. Veränderten sich zentrale Input- Energiebezugsfläche für Wohnungen und daten für die Simulation der Gebäude- Gewerbe. Ziel war es, das Areal erneuerbar technik, wie etwa die erwartete Heizlast, zu beheizen und für ein angenehmes Raum- war nicht automatisiert sichergestellt, dass klima im Winter und im Sommer zu sorgen. diese Information zeitnah an alle richtigen Die konzipierte Erdsonden-Wärmepumpe Stellen gelangt. Zudem ging wertvolle und das zugehörige Sondenfeld wurden in Planungszeit verloren, um zu überprüfen, einem ersten Schritt mit Standardwerten ob veränderte Inputdaten dazu führen, gemäss Norm ausgelegt. In einem zweiten dass das Energiesystem angepasst Schritt wurde das System simuliert und werden muss. optimiert. Zugrunde gelegt wurden dabei Dies gab den Anstoss für Amstein die Bedarfswerte für Heizung und Klima- + Walthert, gemeinsam mit ihrem Soft- kälte gemäss SIA 2024. Zudem wurde ein warepartner Vela Solaris AG einen Schritt zweites «Klimaszenario» angewendet, mit weiterzugehen. Ziel war es, die Simulation steigenden Aussentemperaturen über die zur durchgängigen Anwendung in den Betriebslaufzeit. Durch die Simulation digitalen Planungsprozess nach BIM- konnte der Nachweis erbracht werden, dass Methodik einzubringen. Mit der finanziellen die Anzahl der Erdsonden, unter Nutzung Unterstützung von EnergieSchweiz wurden von Freecooling, um bis zu 55 % reduziert dafür neue Prozesse und Tools entwickelt. werden kann (vgl. Abb. 2). Der entsprechende Use Case ist über Bei komplexen Bauprojekten ist Simula- Bauen Digital Schweiz öffentlich tion ebenfalls ein zentrales Instrument. zugänglich. ❭ hk gebäudetechnik 11/12 · 20 13
Info Abb. 1: Dank der Simulation konnte die geplante Wärmepumpe um den Faktor 2.4 kleiner als gemäss statischen Normwerten dimensioniert werden. BIM + Simulation ist eine Eigenbedarf Sondenanzahl zukunftsträchtige Kombination Und wie schaut der digitale Planungspro- zess nun aus? Der Schlüssel ist die frühe Definition von Zielgrössen und eine durch- gängige Planung mittels Simulation, abgestützt auf den immer aktuellsten Daten (vgl. Abb. 3): Machbarkeit/Vorprojekt: In einer frühen Projektphase werden Zielgrössen für das Energiesystem gemäss den Anforderungen der Bauherrschaft definiert. Beispiele sind das maximale Energiedefizit oder der Abb. 2: Hier konnte mit der Simulation gezeigt werden, dass mit Nutzung von Freecooling die Anzahl der Erdsonden halbiert werden kann. Anteil erneuerbar erzeugter Nutzenergie. Diese werden in der Simulationssoftware Polysun hinterlegt. Inputdaten, wie bei- spielsweise die Heizlast, sind an zentraler Stelle in der BIM-Umgebung abgelegt und für das Projektteam jederzeit verfügbar. Polysun greift automatisiert auf die Input- daten zu, plausibilisiert die Daten und übernimmt diese in die Simulation für das Energiesystem. So können verschiedene Optionen bezüglich der festgelegten Ziel- grössen verglichen und die beste Option identifiziert werden. Abb. 3: Die Planungsbranche setzt zunehmend auf eine Integrale Planung mit Simulation. Praxisbeispiele Einfamilienhaus am Areal Nord-West- Grossprojekt Schweiz mit Zürichsee Schweiz vielen Nutzungen Erzielte Reduktion des Verkleinerung Wärme- Verkleinerung Berechnete Reduktion Nennleis- Performance-Gap durch pumpe um Faktor 2.4 Erdsondenfeld um 55 % tung Kälte von 7.1 auf 5.2 MW Simulation und Wärme von 4.5 auf 3 MW Weitere erzielte Vorteile Erfolgreicher Funktions- Erfolgreicher Funktions- Erfolgreicher Funktions- und durch Simulation nachweis inklusive nachweis, auch für Szenario Energienachweis für komplexes Free Cooling mit wärmerem Klima Bauprojekt Tabelle zu den drei Praxisbeispielen. 14 hk gebäudetechnik 11/12 · 20
Info Bauprojekt: Im weiteren Verlauf der Pla- nung ändert sich die Ausgangslage immer wieder – eine bekannte Herausforderung. Neue Nutzungsanforderungen oder zusätz- liche Glasfronten verändern die Heizlast. Die Inputdaten für die Simulation verän- dern sich entsprechend. Dies wird soft- waregestützt automatisiert erkannt und die Zielerreichung stetig überprüft. Nur bei Abweichungen wird der Energiesystem- planer aktiv. Dies spart wertvolle Zeit. Bau/Betrieb: Als digitaler Zwilling bleiben die Simulationsergebnisse des Energie- systems für die Bau- und Betriebsphase verfügbar. Abweichungen vom Plan zu gemessenen Daten können damit erkannt und adressiert werden. Bauherren können Simulation neu einfacher bestellen Für Bauherren wird es nun einfacher, auf Gebäudetechnik zu setzen, welche zuver- lässig und kosteneffizient simuliert ist. Der entsprechende BIM Use Case ist seit 4. No- vember 2020 auf der Use Case Manage- ment Plattform von Bauen Digital Schweiz öffentlich zugänglich: Modellbasierte Performance Optimierung (MPO). Die entsprechenden Planungsprozesse sind darin detailliert beschrieben. Bauher- ren, die eine Planung gemäss dem MPO Use Case bestellen, erhalten vollumfäng- liche Planungstransparenz bereits ab einer frühen Projektphase. ■ bauen-digital.ch velasolaris.com Autoren * Moritz Meier arbeitet beim Ingenieurbüro Amstein + Walthert AG, Angela Krainer bei der Firma Vela Solaris AG, welche die Simulations- software Polysun entwickelt und vertreibt. hk gebäudetechnik 11/12 · 20 15
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