Dokumentation Aktionsforum Seelische Gesundheit
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Dokumentation Aktionsforum Seelische Gesundheit Am 4. März 2021 veranstaltete das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz das Aktionsforum Seelische Gesundheit. Bei der Online-Veranstaltung wurden verschiedene Aspekte und Perspektiven auf das Thema seelische Gesundheit aufgezeigt und diskutiert, vielfältige Hilfsangebote präsentiert und ein Rahmen für den Austausch und die Vernetzung von Helfenden geboten. An den Vorträgen, Diskussionen und Workshops nahmen über 60 Multiplikator:innen, Ehrenamtliche und weitere Interessierte teil. Die Veranstaltung bildete den Auftakt des Aktionsfeldes Seelische Gesundheit im Berliner Aktionsjahr „Europäische Freiwilligenhauptstadt 2021“. Eröffnet wurde das Aktionsforum durch Diakoniedirektorin Barbara Eschen und Ludger Jungnitz, Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung
10:30-11:30 Perspektive Projektarbeit: 4 Einblicke aus der ehrenamtlichen Praxis Stellvertretend für das breite Engagement im Bereich Seelische Gesundheit, gaben eine Reihe von Haupt- und Ehrenamtlichen konkrete Einblicke in ihre Arbeit – und darüber, wie diese sich im Zuge der Corona-Pandemie verändert hat. • Fokus Corona: Kirchliche TelefonSeelsorge Berlin-Brandenburg (Uwe Müller) und das Corona-Seelsorgetelefon Berlin (Cathrin Clift) • Fokus Eltern: Elterntelefon Berlin + Brandenburg (Sabine Marx und Kristina Votteler) • Fokus Kinder: Diakonie Onlineberatung für Kinder und Jugendliche sowie das Kinder- und Jugendtelefon Berlin (Sabine Marx, Leonie Wingerath und Marcus Frücht) • Fokus Interkulturell: Telefon Doweria – die russischsprachige Telefonseelsorge (Tatjana Michalak) – sowie das Muslimische SeelsorgeTelefon MuTeS (Mohammad Imran Sagir)
11:30-12:30 Podiumsdiskussion: Brennglas Pandemie – Was kann für die Beratung im Themenfeld seelischen Gesundheit gelernt werden? Akut gestiegener Bedarf und neue Aufgaben für ehrenamtlich Engagierte – aber auch ungeahnte Innovationsfreude und große Kooperationsbereitschaft: Welche Erfahrungen haben die Projekte während der Corona-Zeit gemacht? Welche Grenzen wurden ausgelotet, welche Chancen genutzt? Und was kann daraus gelernt werden? Darüber diskutieren Haupt- und Ehrenamtliche aus den Projekten. Panelist:innen Sabine Marx (Diakonie Onlineberatung für Kinder und Jugendliche, Kinder- und Jugendtelefon Berlin, Elterntelefon Berlin + Brandenburg) Markus Frücht (Ehrenamtlicher beim Kinder- und Jugendtelefon Berlin) Mohammad Imran Sagir (Muslimisches SeelsorgeTelefon MuTeS) Tatjana Michalak (Telefon Doweria – die russischsprachige Telefonseelsorge) Uwe Müller (Kirchliche TelefonSeelsorge Berlin-Brandenburg) Moderation: Dr. Christiane Metzner, Studienleiterin für Ehrenamt im Amt für kirchliche Dienste in der EKBO und Konrad Müller, Leiter des Freiwilligenzentrums des Diakonischen Werkes Die erste Frage an die Runde zielte auf die Entwicklung der Projekte. Bestimmen die Ehrenamtlichen das Tempo des Beratungsangebotes oder wird der Fokus auf die Nachfrage gelegt? Hintergrund war Tatjana Michalaks Hinweis, dass einerseits die Nachfrage nach Beratung wesentlich gestiegen ist, es aber auch vermehrt Menschen gibt, die Interesse an einem Engagement angemeldet haben. Tatjana Michalak bestätigte, dass die Nachfrage nach ehrenamtlichem Engagement bei Telefon Doweria gestiegen sei. Einerseits wurden durch Lockdown und Kurzarbeit freie Kapazitäten geschaffen, andererseits herrschte ein großes Bedürfnis, in der gesellschaftlichen Krisensituation Hilfe zu leisten und sich gebraucht zu fühlen. Allerdings kann Telefon Doweria nicht mehr als 16 Personen pro Kurs ausbilden. Bei insgesamt mehr als 60 Anfragen in 2020, wurde ein zweiter Kurs eröffnet, sodass zwei gut gefüllte Kurse durchgeführt werden konnten. Die verbliebenen an einer Ausbildung Interessierten mussten aus Kapazitätsgründen auf 2021 vertröstet werden. Daher sind bei Telefon Doweria erst für 2022 wieder Werbemaßnahmen für ehrenamtliches Engagement geplant. Beim Muslimischen SeelsorgeTelefon MuTeS ist nicht geplant einen zweiten Ausbildungskurs zu eröffnen, so Mohammad Imran Sagir. Grund sei, dass die Engagierten aus dem Bereich häufig bereits in mehrere Projekte involviert sind, sodass sie entsprechend schwer für eine zusätzliche Aufgabe gewonnen werden können - gerade in einer Struktur, die eine Ausbildung voraussetzt und somit sehr verpflichtend wirkt. Die Beobachtung ist aber, dass der Dienst insgesamt an Bekanntheit gewonnen hat und man hofft so auf einen gewissen Werbeeffekt in den nächsten Jahren, der die Gewinnung von Engagierten vereinfacht. Die bereits bei MuTes Engagierten wurden in der Corona-Zeit sehr von ihren anderen Engagements in Anspruch genommen - sei es das Aufrechterhalten der Gemeinden oder, und vor allem im Falle von jungen Freiwilligen, der zusätzliche Aufwand beim Umstellen ihrer Projekte auf Online-Formate. Laut Sabine Marx soll im Bereich Kinder / Jugendliche / Eltern auf jeden Fall mehr ausgebildet werden. Sie sieht den positiven Effekt der Corona-Zeit darin, dass Menschen sich damit beschäftigt haben, was für sie wichtig ist und wie die eigene Zeit gestaltet werden soll - viele haben so das ehrenamtliche Engagement für sich entdeckt. Man hat versucht, dem Interesse mit einem großen Ausbildungskurs gerecht zu werden, viele mussten aber auf das nächste Jahr vertröstet werden.
Auch Uwe Müller berichtet, dass die Kurse gut gefüllt und die Wartelisten lang sind. Er geht aber auch davon aus, dass viele Interessierte sich in der Wartezeit einem anderen Ehrenamt zuwenden könnten. Er weist darauf hin, dass zusätzliche Ausbildungskurse auch zusätzlicher finanzieller Unterstützung bedürfen. In dem Zuge war es eine schöne Erfahrung, die steigende Nachfrage nach Beratung auch durch das kurzfristige Engagement vieler “Ehemaliger” befriedigen zu können. Diese seien nach dem Wegbrechen anderweitiger Ehrenämter (häufig mit persönlichem Kontakt, z.B. in Hospizen) zur TelefonSeelsorge zurückgekehrt. Markus Frücht gab Einblicke in die Arbeit der Ehrenamtlichen in der Online-Beratung, die mobil oder zuhause stattfindet und die telefonische Beratung von Kindern und Jugendlichen, die - auch während Corona - in einem Büro durchgeführt wurde. Seiner Meinung nach erleichterte die zweite Methode, auf eigene Ressourcen zu achten und diente auch dem nicht uneigennützigen Zweck, Abstand von den eigenen vier Wänden zu gewinnen. Er warnte vor Überengagement und legte den Organisationen nahe, darauf zu achten, dass gerade während dieser gesellschaftlich angespannten Situation nicht jeder an jedem Tag der optimale Berater sei. Die Moderation wies ergänzend auf die vielen bereichernden Wertschätzungs- und Unterstützungsformate für Ehrenamtliche hin, bevor sie die Frage nach der Eigenwahrnehmung der Rolle der Beratungsangebote in die Runde gab.
Die TelefonSeelsorge sei ein sehr niedrigschwelliges Angebot und verstehe sich als Türöffner, so Müller. Das Gespräch hat zunächst eine sortierende Funktion, häufig wird weitergehende Beratung empfohlen, das Wort Therapie fällt dabei eigentlich nie. Das Angebot stellt einen Anfang dar: wichtigstes Anliegen sei die Sprachfähigkeit, also die Möglichkeit zu kommunizieren, was einen bewegt. Mohammad Imran Sagir fügt hinzu, dass es auch darum gehe, sich in einem anonymen Rahmen auszuprobieren um dann den nächsten Schritt zu gehen. Es besteht auch die Möglichkeit, eine weitergehende Beratung durchzuspielen bzw. praktisch auszuprobieren. Auch die Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche sehen sich am Anfang eines Prozesses, so Sabine Marx. Häufig ginge es zunächst darum, den Mut, der zum Anruf oder zur E-Mail geführt hat, hervorzuheben. Die Anonymität helfe den Kindern und Jugendlichen stark dabei, sich zu öffnen. Ihnen wird vermittelt: mir wird geglaubt, mir wird zugehört. Dann werde ausgehend von diesem Öffnungsprozess versucht, Gesprächsmöglichkeiten im direkten Umfeld zu erörtern. Laut Frücht fühlten sich die Ehrenamtlichen gut gerüstet für ihre Aufgaben - auch im Rahmen der neuen Herausforderungen durch die Pandemie. Die Struktur, Instrumentarien und Gesprächstechniken haben sehr geholfen, als Spiegel der Anrufenden zu agieren und die aufkommenden Fragestellungen gut zu bewältigen. Eine wichtige Ergänzung sei, sich ein klares Bild über die konkrete Realität in manchen Bereichen zu verschaffen - z.b. im Kontext Schule: Wie funktioniert Schule momentan? Wie funktioniert Distanzunterricht? Welche Angebote gibt es derzeit an Schulen? Wie funktioniert die Schulsozialarbeit im Moment? Wer steht dort konkret als Ansprechpartner zur Verfügung? Das Faktenwissen um diese veränderten Umstände hilft bei der Beratung. Angesichts der Pandemiesituation stellte sich auch die Frage inwiefern neue, vorher wenig präsente Gruppen die Beratungen wahrgenommen haben. Laut Tatjana Michalak vom Telefon Doweria gab es keine substanziellen Verschiebungen, allerdings erhöhte sich die Nachfrage von überforderten Eltern (Hausaufgaben, Computerkonsum der Kinder), Menschen mit psychischen Erkrankungen und einsamen Personen. Auch im Bereich Kinder und Jugendliche gab es keine signifikanten Verschiebungen - den Unterschied machte hier vor allem die Verschärfung der Situationen durch Schulschließungen und Lockdown (keine Möglichkeit eine Situation zu verlassen oder den Ort zu wechseln, Gewalt in der Familie, sexualisierte Gewalt). In dem Zuge wurde eine spezielle Veröffentlichung mit dem KIKA zu dem Thema in die Wege geleitet, eine weitere zum Schwerpunkt “Corona-Frust” folgt. Eine Vertreterin der Organisation Silbernetz wies auf die Situation älterer, einsamer Menschen in der Pandemie hin. Sie erklärte, dass alte Menschen häufig kein Gegenüber haben, mit dem sie den Alltag teilen. Dies wird allerdings nicht als “Problem” gesehen, was dann dazu ermächtigt, zum Beispiel bei der TelefonSeelsorge anzurufen. Silbernetz bemerke sehr schmerzlich, dass selbst aktive ältere Menschen derzeit keine Möglichkeiten mehr für Austausch, Kultur, etc. haben. Wie gehen die auf dem Podium vertretenen Organisationen mit diesem Sachverhalt um? Laut Uwe Müller beschäftigt sich die TelefonSeelsorge schon lange mit den Themen Einsamkeit und Alter und kommuniziert die eigenen Angebote auch zielgruppengerecht zum Beispiel durch bezirkliche Postwurfsendungen. Allerdings bestehe weiterhin das Problem, dass die verfügbaren Leitungen nicht reichen und so von einer großen Zahl Menschen ausgegangen werden kann, die mit ihren Bedürfnissen keinen Gesprächspartner finden. Tatjana Michalak fügt hinzu, dass das Gefühl von Einsamkeit sich nun noch durch Zukunftsängste verschärft habe. Einige vorher bereits bekannte Anrufer haben während der Corona-Zeit häufiger am Tag angerufen, um ihr Einsamkeitsgefühl zu überwinden oder über Ängste zu sprechen. Mohammad Imran Sagir stellt fest, dass die MuTes-Telefonseelsorge v.a. in der Altersgruppe 20-50 Jahre angenommen wird. Menschen unter 20 wenden sich eher an die Schulsozialhilfe oder das Kinder- und Jugendtelefon. Die ältere Generation sucht Unterstützung eher im direkten Familienkreis, selbst wenn sich dieser im Ausland befindet. Diese Verbindungen wurden während Corona intensiviert, auch weil im Ausland die Not substanzieller war. Eine Verschärfung der Einsamkeit älterer Menschen hat Mohammad Imran Sagir definitiv festgestellt - allerdings nicht primär am Telefon, sondern eher innerhalb der Communities, da z.B.
Gemeinden nicht mehr besucht werden konnten. Er wies in diesem Zuge auch auf die spirituelle und gesellschaftliche Herausforderung hin, den anstehenden Ramadan entsprechend zu kompensieren. Aus dem Publikum kam die Frage, inwiefern es sinnvoll wäre die Arbeit zu bewerben? Denn einerseits ist der Bedarf groß, andererseits sind die Ausbildungslisten aber voll und die Kapazitäten knapp. Hier gelte es eine Balance zu finden, sodass man bei zu viel Zulauf, nicht auf Folgejahre vertrösten muss. Generell wird Unterstützung bei der Kommunikation der Angebote aber gern angenommen. Laut Sabine Marx besteht eine Ausbildungsmöglichkeit in der Kinder- und Jugendberatung erst wieder ab Anfang 2022. Der Kurs für die Elterntelefon-Ausbildung startet jedoch im August 2021 und dort freut man sich auf Unterstützung bei der Ansprache potentieller neuer Ehrenamtlicher. Abschließend diskutierte das Podium die Frage nach der Zukunft: Wie geht es den Beratungsangeboten in 2 Jahren? Kann man vom erhöhten Bekanntheitsgrad profitieren? Markus Frücht sieht optimistisch in die Zukunft. Da der Bedarf für ein Kinder- und Jugendtelefon bestehen bleiben wird (Themen: soziale Kontakte, Bildungsmöglichkeiten, Zukunftsängste), ist der gewachsene Bekanntheitsgrad positiv zu bewerten. Wichtig sei, Kinder und Jugendliche medial dort abzuholen, wo sie sind, also Möglichkeiten der Simultanberatung oder Chatformate zu prüfen und einzurichten - allerdings ohne sich den Jugendlichen anzubiedern. Sabine Marx bestätigt das, unterstreicht aber auch die Vorteile der asynchronen Online-Beratung (24 Stunden Antwortzeit): Ratsuchende können hier in Ruhe formulieren und die Antwort überdenken. Schnellere, instant-Formate sind aber auch ein wichtiger Punkt, weswegen derzeit entsprechende Formate entwickelt werden, zum Beispiel die Kinder-und-Jugend-Beratung per Messenger-Dienst. Mehr als 80-90% der Zielgruppe nutzt beispielsweise Whatsapp. Auch aus dem Publikum wurde die Notwendigkeit von jungen und innovativen Projekten betont. Die TelefonSeelsorge wird weiter bestehen, solange es Telefone gibt und entwickelt kontinuierlich weitere Formate, so Uwe Müller. Sein Ziel wäre dass die Erfahrungen, die mit Mitarbeitenden in der Corona-Zeit gemacht wurden - der Umgang mit eigenen Krisen, eigenen Ängste - sich zunehmend als Punkte in Ausbildung, Supervision und Begleitung niederschlagen. Tatjana Michalak hofft, dass in zwei Jahren Normalität eingekehrt ist mit dem Mehrwert der Lehren und Möglichkeiten der Corona-Zeit, wie online-Formate, eine zweite Leitung, und ggf. mit einem zusätzlichen Ausbildungskurs, soweit nötig. M. Imran Sagir unterstreicht, dass die Telefonberatung nur ein Aspekt des MuTes-Angebotes darstellt - die Organisation engagiert sich z.B. auch in den Bereichen Notfallseelsorge und Gefängnisseelsorge. Die Einrichtung von einer E-Mail und Chatberatung ist häufig im Gespräch, fraglich bleibt inwiefern das mit den vorhandenen Kapazitäten abgedeckt werden kann. Möglicherweise wird in diesem Punkt die gewachsene Bekanntheit der Organisation zu nachhaltigem Aufwuchs führen. Sabine Marx sieht durch den großen Unterstützungsbedarf von Müttern und Vätern vor allem Wachstumspotenzial beim Elterntelefon.
13:30-14:30 Parallele Workshops – Hilfe Weiterdenken Workshop 1: Notfall: Corona Einsätze bei Unglücksfällen oder die Begleitung von Kranken und Sterbenden in Krankenhäusern – die Aufgaben der Notfallseelsorge und der Krankenhausseelsorge wurden durch die Corona-Pandemie auf den Kopf gestellt. Welche neuen Herausforderungen die Ehrenamtlichen bewältigen mussten, welche Themen die Betroffenen in der gesellschaftlichen Krisensituation beschäftigten und was die Erfahrungen aus der Einrichtung des Corona-Seelsorgetelefon sind, davon berichteten Anne Heimendahl, Landespfarrerin für Krankenhausseelsorge und Justus Münster, Beauftragter für Notfallseelsorge in Berlin.
Workshop 2: #E-Mental-Health Die Digitalisierung verändert nicht erst seit der Corona-Pandemie unsere Kommunikation. Und technische Innovationen ermöglichen so auch neue Formen von Beratung und Seelsorge. Die Diakonie Onlineberatung für Kinder und Jugendliche plant nun – neben der asynchronen Mailberatung – auch Beratung via Messenger-Dienst anzubieten und auf Social Media präsent zu sein. Die Devise: Junge Menschen dort über Beratungsmöglichkeiten zu informieren, wo sie sind. Im Workshop konnte man sich mit Sabine Marx, Leiterin der Diakonie Onlineberatung für Kinder und Jugendliche, über Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für Beratung, Seelsorge und seelische Gesundheit austauschen.
Workshop 3: Engagierte Newcomer Engagierte Newcomer bringen vielfältige Perspektiven ein und sind ein wichtiger Motor für interkulturelle Öffnung. Gleichzeitig eröffnen sie sich selbst neue Wege zu gesellschaftlicher Teilhabe und beruflicher Integration. Wie können also mehr geflüchtete Menschen und Migrant:innen für ein Engagement begeistert werden? Und wie kann Engagement diversifiziert werden, sodass es migrantische Gruppen anspricht? Bedarf es einer gemeinsamen Kampagne für Berlin? André Becht und Fabian Kießling aus den Projekten „Integration durch ehrenamtliches Engagement“ und „Jobbrücke für Geflüchtete“ haben sich zu diesen Themen mit den Teilnehmenden ausgetauscht.
Workshop 4: Ehrenamt inklusiv Wie kann ehrenamtliches Engagement von Menschen mit sichtbarer und unsichtbarer Einschränkung gefördert werden? Über Freiwilligenagenturen kann ein passendes Ehrenamt vermittelt werden, in der peer-to-peer-Beratung können die wertvollen Erfahrungen Menschen Mut zusprechen und empowern und auch die durch die Corona- Pandemie plötzlich notwendige Digitalisierung hat neue Möglichkeiten erschlossen. Im Austausch mit Irene Sang von Charisma, der Freiwilligenagentur von Kirche und Diakonie, Lina Antje Gühne Leiterin des Projektes „Jobbrücke InklusionPlus“ sowie mit Peter Wohlleben, der mit der „Berliner Ehrennadel für besonderes soziales Engagement“ ausgezeichnet wurde, wurden diese Themen näher beleuchtet.
Workshop 5: Seelische Gesundheit – selber machen Derzeit gibt es ca. 70.000-100.000 Selbsthilfegruppen mit rund drei Millionen Engagierten in Deutschland. Selbsthilfe lebt vom Lernen aus den Kenntnissen anderer Betroffener und vom Weitergeben eigener Erfahrungen. Im Workshop wurden die Veränderungen der Selbsthilfelandschaft während der Pandemie beleuchtet und über die Zukunft der Selbsthilfe diskutiert. Nora Fieling, Erfahrungsexpertin und ehemalige Selbsthilfekontaktstellenmitarbeiterin der KIS Pankow, und Johanna Schittkowski von SEKIS Berlin, leiteten den Austausch.
Workshop 6: Über den Tellerrand Nicht erst während der Corona-Pandemie sind eine Vielzahl innovativer Konzepte und Projekte im Themenfeld seelische Gesundheit auf europäischem Boden entstanden. Welche Hilfe- und Beratungsansätze würden auch in Berlin fruchten? Welche europäischen Kooperationen sind denkbar? Uwe Müller von der Kirchlichen TelefonSeelsorge Berlin und Michael Grundhoff, Botschafter der Deutschen TelefonSeelsorge beim internationalen Verband für TelefonSeelsorge (IFOTES) tauschten ihre Erfahrungen und best practices mit den Teilnehmenden aus.
15:00-16:15 Die Perspektive der Wissenschaft Vortrag und Diskussion von und mit Dr. Annegret Wolf vom Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg Dr. Annegret Wolf stellte in Ihrem Vortrag „Corona Side Effects“ aktuelle Befunde und Forschungsergebnisse zu den psychologischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf unseren Alltag vor. Im Anschluss an den Vortrag bestand die Möglichkeit, sich mit Dr. Annegret Wolf, Psychologin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, auszutauschen. Gegenstand der ersten Frage war die Bekanntheit und Akzeptanz neuer Unterstützungsangebote. Als Beispiel wurde die „Medi-Helpline“ genannt, ein neu eingerichtetes psychosoziales Seelsorge- und Beratungstelefon, besetzt mit ausgebildeten Seelsorger*innen, die gleichfalls über einen medizinischen oder pflegerischen Berufshintergrund verfügen. Das Angebot wendet sich vorrangig an Klinikpersonal. Auf die Frage, warum dieses Angebot nur zögerlich angenommen wurde, fand Dr. Wolf drei Antworten: Zum einen sei es für helfende Menschen zum Teil besonders schwierig, selbst Hilfe anzunehmen und zum anderen sei es derzeit neben allen Herausforderungen auch nicht einfach neue Hilfsangebote zu finden. Wichtig sei daher, das Angebot gut zu “labeln” – mit dem Terminus „Corona-Sprechstunde“ wurden hier sehr gute Erfahrungen gemacht. Ein Teilnehmer äußerte sich kritisch gegenüber Narrativen der Medienberichterstattung, die diverse Gruppen negativ aussondere – z.B. „Jugendliche in Parks“ oder „Maskenverweigernde“ – ohne auf die Gründe des jeweiligen Verhaltens einzugehen. Auch das Narrativ, Resilienz aufbauen zu müssen, wurde hinterfragt. Dr. Wolf bestätigte, dass Resilienz nicht allen gegeben ist, es aber wichtig sei, Einsicht in sich und den eigenen Alltag zu gewinnen und wissen, was man selbst braucht.
Inwiefern könnte das Spannungsfeld zwischen Schutz und Isolation bei einer nächsten Welle oder Pandemie besser gestaltet werden? Dr. Wolf sieht hier keine Patentlösung, vielmehr sei eine kontinuierliche Abwägung vonnöten. Wichtig sei jedoch vorbereitet zu sein, als Beispiel führt sie die digitale Infrastruktur in Altenheimen an. Ein Teilnehmer befürchtete, dass die derzeitige Situation eine Angst „vor einem unsichtbaren Feind“ und eine Angst vor anderen Menschen schüren könnte, was möglicherweise gerade in jungen Generationen lange spürbar sein könnte. Dr. Wolf bejahte zwar, dass beobachtet wird, dass Zwangserkrankungen auf dem Vormarsch sind, z.B. waschen, gleiches gilt für Suchterkrankungen. Sie unterstrich jedoch auch, dass der Mensch sehr anpassungsfähig ist: „Ich denke nicht, dass Nähe zulassen jemals aus der Mode kommt.“ Abschließend plädierte eine Teilnehmerin dafür, dass die Unterstützung in der derzeitigen Situation – und dabei vor allem auch die finanzielle Unterstützung von Staatsseite – als soziale Errungenschaften wahrgenommen und kommuniziert werden sollten, anstatt in ein Bittsteller-Narrativ zu verfallen. Auch eine vermehrt sozialwissenschaftlichen Einschätzung der Lage wäre wünschenswert. 16:30 Ende der Veranstaltung … hier noch ein paar Rückmeldungen von den Teilnehmenden des Aktionsforums Seelische Gesundheit:
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