Antwort der Bundesregierung - Deutscher Bundestag - wird durch die lektorierte V ersion ersetzt.

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Deutscher Bundestag                                                                    Drucksache 19/32484
19. Wahlperiode                                                                                     16.09.2021

Antwort
der Bundesregierung

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marc Jongen, Detlev Spangenberg,
Dr. Robby Schlund, weiterer Abgeordneter und der Fraktion AfD
– Drucksache 19/32195 –

Der Status des Virologen Prof. Dr. Christian Drosten als Politikberater der
Bundesregierung und die Auswahlkriterien der Bundesregierung bei der
Rekrutierung ihrer Berater in der Corona-Krise

         Vorbemerkung der Fragesteller
         Am 28. Februar 2020 hielt der Virologe Prof. Dr. Christian Drosten einen öf-
         fentlichen Vortrag an der Freien Universität Berlin (https://www.fu-berlin.de/p
         resse/informationen/fup/2020/fup_20_041-vortrag-drosten-coronavirus/inde
         x.html; abgerufen am 19. Januar 2021). In einem Artikel des „Der Tagesspie-
         gel“ vom 14. März 2020 heißt es dazu: „Schon an diesem Tag suchen Medizi-
         ner, Politiker und Reporter Drostens Expertise.“ Weiter wird berichtet, Prof.
         Dr. Christian Drosten habe in diesen Tagen „erst Berlins Bürgermeister
         Michael Müller, SPD, dann Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, persönlich
         beraten“; was er empfehle, werde binnen kurzem zum „politischen Gebot“
         (https://www.tagesspiegel.de/politik/charite-experte-in-der-corona-krise-christ
         ian-drosten-ist-deutschlands-einflussreichster-arzt/25643102.html; abgerufen
         am 19. Januar 2021).
         Am 2. März 2020 trat Prof. Dr. Christian Drosten in der Bundespressekonfe-
         renz erstmals öffentlich als Berater der Bundesregierung auf (https://www.you
         tube.com/watch?v=cXBIXes4_Q4; abgerufen am 16. Februar 2021).
         Am 13. März 2020 sagte Prof. Dr. Christian Drosten dem „NDR“, die vergan-
         gene Woche sei für ihn „ein Gehetze zwischen Ministerien und Senatsbehör-
         den“ gewesen, die er „alle zum selben Thema“ beraten habe – dies sei in der
         entsprechenden Woche praktisch sein „ganzer Tag gewesen – an jedem einzel-
         nen Tag“ (https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript126.pdf; abgeru-
         fen am 16. Februar 2021, S. 1 f.). In einem Beitrag vom 16. März 2020 erklär-
         te Prof. Dr. Christian Drosten: „Wir werden in den nächsten Wochen sicher-
         lich über einen Konsultationsprozess mit Wissenschaftlern, und zwar nicht nur
         mit Virologen, sondern mit vielen Fachdisziplinen und der Politik, auch wei-
         tergehen im Beratungsprozess und im Erkenntnisgewinn“ (https://www.nd
         r.de/nachrichten/info/coronaskript128.pdf; abgerufen am 16. Februar 2021,
         S. 4). In einem Beitrag vom 18. März 2020 sagte Prof. Dr. Christian Drosten
         zur Frage nach einer etwaigen Lockerung staatlicher Impfstoffregularien, er
         habe sich „in den letzten Tagen“ sehr intensiv mit „diesen Dingen“ befasst,
         weil er von Politikern aufgefordert worden sei, „Antworten zu geben“. Dabei

Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit
vom 15. September 2021 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
Drucksache 19/32484                                    –2–                 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

      sei er zu folgendem Schluss gekommen: „… wenn wir das Ganze schaffen
      wollen als Gesellschaft, in einer Art, dass wir wirklich nicht eine erhöhte
      Todesrate akzeptieren wollen in der älteren Bevölkerung, dann müssen wir
      wahrscheinlich regulative Dinge außer Kraft setzen, was Impfstoffe angeht“
      (https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript132.pdf; abgerufen am
      18. Februar 2021, S. 7). In einem Beitrag des „NDR“ vom 16. April 2020 ant-
      wortete Prof. Dr. Christian Drosten hingegen auf die Frage, ob er in die „rein
      politische“ Entscheidung der Regierungschefs von Bund und Ländern über
      Fortsetzung oder Lockerung der Maßnahmen eingebunden wäre, dass er
      „schon seit vielen Wochen“ nicht mehr „in die Politikberatung eingebunden“
      sei (https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript178.pdf; abgerufen am
      19. Januar 2021, S. 1). Im Gegensatz dazu heißt es in einem Artikel des Wirt-
      schaftsmagazins „Capital“ vom 18. November 2020, der interviewte Prof.
      Dr. Christian Drosten sei „derzeit stark mit Öffentlichkeitsarbeit und Politik-
      beratung beschäftigt“ und könne sich daher „nicht immer seiner Forschungsar-
      beit widmen“ (https://www.capital.de/wirtschaft-politik/charite-forscher-drost
      en-warnt-vor-neuem-pandemie-risiko; abgerufen am 22. März 2021). Der tat-
      sächliche Zeitraum von Prof. Dr. Christian Drostens Politikberatungstätigkeit
      für die Bundesregierung bleibt damit unklar, Prof. Dr. Christian Drostens Aus-
      sagen bleiben dazu nach Ansicht der Fragesteller widersprüchlich.
      Die Frage der Abgeordneten Nicole Höchst, wie die Bundesregierung die an-
      dauernde Nichteinsetzung eines wissenschaftlichen Expertenrates begründe
      sowie den fehlenden Dialog mit Wissenschaftlern wie Prof. Dr. med. Sucharit
      Bhakdi, den Ärzten für Aufklärung und anderen Fachleuten, welche eine breit
      aufgestellte sachliche Diskussion über Corona, die ausgerufene Pandemie und
      die beschlossenen Eindämmungsmaßnahmen fordern, beantwortete die
      Bundesregierung damit, dass sie seit Auftreten der ersten COVID-19-Fälle
      insbesondere auch durch die eigenen wissenschaftlichen Institute beraten wer-
      de (Bundestagsdrucksache 19/23454, S. 137). Hierzu gehörten u. a. das Robert
      Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut, das Bundesinstitut für Arzneimittel
      und Medizinprodukte sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
      rung. Mit dem Nationalen Konsiliarlaboratorium für Coronaviren sowie dem
      Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin stehe die Bundesregierung in re-
      gelmäßigem Kontakt. Neben den auf Bundestagsdrucksache 19/23454 von der
      Bundesregierung aufgeführten Bundesinstituten, verfügt die Bundesregierung
      über zahlreiche „Beratungsgremien bei der Bundesregierung“, darunter 13 Be-
      ratungsgremien des Bundesministeriums für Gesundheit wie beispielsweise
      die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (https://www.bundesta
      g.de/resource/blob/491680/f61ac2dec9fd90c2941712627cc0d165/Beratungsgr
      emien-bei-der-Bundesregierung-und-im-Bundestag-data.pdf; S. 22 ff.). Darü-
      ber hinaus stünden der Bundesregierung auch zahlreiche Ad-hoc-Stellungnah-
      men der Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) zur Verfügung.
      Ergänzend stehe die Bundesregierung anlassbezogen in regelmäßigem Aus-
      tausch mit weiteren, nach Thematik wechselnden Vertretern der Wissenschaft
      (Bundestagsdrucksache 19/23454, S. 137 f.). Dies erachtet die Bundesregie-
      rung zudem als hinreichende Antwort zu der Frage, ob sie bei der Entschei-
      dung über die Evaluation getroffener Maßnahmen und eine schrittweise oder
      vollständige Rückkehr zur Normalität auch die von Prof. Dr. Christian Dros-
      ten abweichenden Erkenntnisse der Virologen und Ärzte berücksichtige (Bun-
      destagsdrucksache 19/26795, S. 8). Zudem sieht die Bundesregierung, trotz
      Bekanntwerdens der Vorbereitung einer Sammelklage gegen Prof.
      Dr. Christian Drosten wegen fehlerhafter Vermarktung des PCR-Tests, keinen
      Anlass, Prof. Dr. Christian Drostens Zuverlässigkeit zu prüfen (Bundestags-
      drucksache 19/26795, S. 7). Schon die widersprüchlichen Angaben Prof.
      Dr. Christian Drostens zum tatsächlichen Zeitraum seiner Politikberatungstä-
      tigkeit begründen nach Ansicht der Fragesteller Zweifel daran, ob es sich hier-
      bei noch um ein Beispiel anlassbezogenen Austausches mit wechselnden Ver-
      tretern der Wissenschaft handeln kann.
      Der renommierte ehemalige schwedische Staatsepidemiologe Johan Giesecke
      wies im April 2020 darauf hin, dass für Lockdown-Maßnahmen keine wissen-
      schaftliche Grundlage existiere und erklärte diese einerseits für die Krank-
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode                     –3–                               Drucksache 19/32484

        heitsprävention für nutzlos, andererseits für sehr wirtschaftsschädlich (https://
        www.addendum.org/coronavirus/interview-johan-giesecke/; abgerufen am
        5. April 2021). Der aktuelle schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell
        steht solchen Maßnahmen ebenfalls ablehnend gegenüber und verteidigte auch
        im Januar 2021 weiterhin den Kurs der schwedischen Regierung, auf Lock-
        downs und eine Maskenpflicht zu verzichten (https://www.stern.de/gesundhei
        t/schwedischer-sonderweg--anders-tegnell-bleibt-trotz-kritik-stoerrisch-30006
        738.html; 5. Mai 2021). Auch der Epidemiologe und frühere WHO-SARS-
        Forschungsexperte Klaus Stöhr empfahl Schweden im Oktober 2020 hinsicht-
        lich der Corona-Politik als Vorbild (https://www.zeit.de/2020/43/klaus-stoehr-
        epidemiologe-corona-strategie-bundesregierung-kritik; abgerufen am 18. Mai
        2021). Prof. Dr. Christian Drosten hingegen kritisierte das liberale Modell „Ei-
        genverantwortung“ Schwedens und schrieb dem Land am 25. Mai 2020 eine
        „sehr hohe Übersterblichkeit“ zu, die man in den nächsten Monaten „noch
        stärker“ sehen werde (https://www.deutschlandfunk.de/virologe-drosten-zu-ae
        rosol-uebertragung-im-alltag-eher.694.de.html?dram:article_id=477312;
        5. Mai 2021). Diese Prognose Prof. Dr. Christian Drostens ging jedoch nach
        Ansicht der Fragesteller völlig fehl: Die Übersterblichkeit in Schweden für
        das Jahr 2020 gemäß Eurostat war mit 7,7 Prozent eine der geringsten in ganz
        Europa (https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-europe-mortali
        ty-idUSKBN2BG1R9; abgerufen am 5. Mai 2021). Die Nachbarländer Nor-
        wegen, Finnland und Dänemark betrieben im vom COVID-19 Stringency In-
        dex der Universität Oxford für 2020 erfassten Zeitraum, der mit dem 22. Janu-
        ar 2020 beginnt, mehrheitlich eine noch liberalere Corona-Politik als Schwe-
        den und schnitten hinsichtlich des geringen Zuwachses ihrer Übersterblichkei-
        ten sogar noch besser ab. Norwegen agierte vom 2. bis 9. März 2020 sowie ab
        dem 11. Mai 2020 für den Rest des Jahres 2020 liberaler als Schweden und
        verzeichnet für 2020 keine Übersterblichkeit (https://ourworldindata.org/graph
        er/covid-stringency-index?tab=chart&time=earliest..2020-12-31&country=S
        WE~NOR; https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-europe-mor
        tality-idUSKBN2BG1R9; abgerufen am 25. August 2021). Finnland agierte ab
        dem 14. Mai 2020 liberaler als Schweden, tat dies danach für den Rest des
        Jahres und verzeichnet für 2020 eine Übersterblichkeit von 1 Prozent (https://
        ourworldindata.org/grapher/covid-stringency-index?tab=chart&time=earliest..
        2020-12-31&country=SWE~FIN; https://www.reuters.com/article/us-health-c
        oronavirus-europe-mortality-idUSKBN2BG1R9; abgerufen am 25. August
        2021). Dänemark agierte vom 1. bis zum 26. Februar 2020, am 2. März 2020
        sowie ab dem 22. Mai 2020 für den Rest des Jahres liberaler als Schweden
        und verzeichnet für 2020 eine Übersterblichkeit von 1,5 Prozent (https://ourw
        orldindata.org/grapher/covid-stringency-index?tab=chart&time=earliest..202
        0-12-31&country=SWE~DNK; https://www.reuters.com/article/us-health-cor
        onavirus-europe-mortality-idUSKBN2BG1R9; abgerufen am 25. August
        2021). Auch ein Vergleich mit den Daten aus Ländern wie Deutschland, Spa-
        nien oder Belgien, die restriktiver agierten, zeigt, dass restriktivere Maßnah-
        men nicht gleichbedeutend mit einem besseren Abschneiden hinsichtlich der
        Übersterblichkeit sind. So verzeichnet Deutschland zwar weniger Todesfälle
        im Zusammenhang mit dem Coronavirus je Million Einwohner sowie gemäß
        Statistischem Bundesamt für 2020 ca. 5 Prozent mehr Tote als im Vorjahr und
        schneidet damit besser als Schweden ab (https://de.statista.com/statistik/daten/
        studie/1111794/umfrage/todesfaelle-mit-coronavirus-covid-19-je-millionen-ei
        nwohner-in-ausgewaehlten-laendern/; https://www.tagesschau.de/inland/sterb
        erate-corona-vergleich-101.html; abgerufen am 25. August 2021). Allerdings
        lässt sich daraus nicht ohne weiteres folgern, dass Schweden durch restriktive-
        re Maßnahmen eine geringere Übersterblichkeit zu verzeichnen gehabt hatte,
        denn nicht nur verzeichnen die liberaleren nordischen Länder eine geringere
        Übersterblichkeit als Deutschland, sondern die Übersterblichkeit fällt in res-
        triktiveren Ländern wie Belgien und Spanien überdies höher aus. So verhängte
        Belgien 2020 mehrere restriktive Lockdowns und agierte gemäß COVID-19
        Stringency Index vom 22. Januar bis 1. März 2020, vom 10. bis 11. März
        2020, vom 14. März bis. 7. Juni 2020, vom 29. Juli bis 6. August 2020, vom
        9. August bis 11. August 2020, vom 17. August bis 26. August 2020 sowie
        vom 29. Oktober bis 23. November 2020 und somit über die Hälfte der Zeit
Drucksache 19/32484                                      –4–                 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

      restriktiver als Schweden, verzeichnet für 2020 jedoch eine Übersterblichkeit
      von 16,2 Prozent (https://ourworldindata.org/grapher/covid-stringency-index?t
      ab=chart&time=2020-01-22..2020-12-31&country=SWE~BEL; https://www.r
      euters.com/article/us-health-coronavirus-europe-mortality-idUSKBN2BG1R9;
      abgerufen am 25. August 2021). Auch Spanien verhängte 2020 mehrere rest-
      riktive Lockdowns und agierte vom 31. Januar bis 1. März 2020, vom 9. März
      bis 7. Juni 2020 sowie vom 15. Juli bis Jahresende 2020 und damit nahezu den
      gesamten Zeitraum über restriktiver als Schweden, verzeichnet für 2020 je-
      doch eine Übersterblichkeit von 18,1 Prozent (https://ourworldindata.org/grap
      her/covid-stringency-index?tab=chart&time=2020-01-22..2020-12-31&countr
      y=SWE~ESP; https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-europe-
      mortality-idUSKBN2BG1R9; abgerufen am 25. August 2021). Vor diesem
      Hintergrund scheint es den Fragestellern nicht plausibel, von einem restrikti-
      ven Kurs in der Corona-Politik auf eine geringe oder von einem liberalen Kurs
      auf eine hohe Übersterblichkeit in den jeweiligen Ländern zu schließen.
      Prof. Dr. Christian Drostens Kritik am Modell „Eigenverantwortung“ ist nach
      Ansicht der Fragesteller also nicht nur durch die Daten aus Schweden, son-
      dern auch durch die der Nachbarländer Norwegen, Finnland und Dänemark
      widerlegt worden und die Daten aus Spanien und Belgien machen eine Auf-
      wertung restriktiver Corona-Politik gegenüber einem liberaleren Kurs zusätz-
      lich zweifelhaft. In Verbindung mit den bereits aufgeführten widersprüchli-
      chen Angaben zum genauen Zeitraum von Prof. Dr. Christian Drostens Tätig-
      keit als Politikberater der Bundesregierung, ergibt sich für die Fragesteller hie-
      raus auch die Frage nach Prof. Dr. Christian Drostens Eignung für diese Posi-
      tion.
      Am 18. Januar 2021 berichtete „Der Spiegel“, Bundeskanzlerin Dr. Angela
      Merkel werde „gemeinsam mit den Chefinnen und Chefs der Bundesländer“
      hinsichtlich ihrer Corona-Politik durch ein achtköpfiges Gremium beraten,
      dem auch Prof. Dr. Christian Drosten angehört und das sich überwiegend aus
      Medizinern und Naturwissenschaftlern zusammensetzt (https://www.spiege
      l.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-diese-sieben-fachleute-beraten-bundesr
      egierung-und-laenderchefs-a-93abc4f5-cac1-4cbb-bc22-8d3b9c623b28; abge-
      rufen am 12. Mai 2021). Die Ausnahme bildet hier lediglich die Psychologie-
      professorin Dr. Cornelia Betsch, die sich in ihrer Forschungsarbeit primär mit
      Themen wie Impfskepsis und Impfgegnerschaft befasst (https://www.spiegel.
      de/wissenschaft/medizin/coronavirus-diese-sieben-fachleute-beraten-bundesre
      gierung-und-laenderchefs-a-93abc4f5-cac1-4cbb-bc22-8d3b9c623b28; abge-
      rufen am 12. Mai 2021).
      Bereits im September 2020 hatte die Fraktion der AfD die Einrichtung einer
      ständigen und multiprofessionell aus verschiedenen Bereichen der Medizin,
      Psychologie sowie Wirtschafts-, Finanz- und Rechtswissenschaften zusam-
      mengesetzten Expertenkommission gefordert, deren Mitglieder politisch so-
      wie untereinander geschäftlich und institutionell unabhängig sein sollten, um
      eindimensionale Beratung in der Corona-Politik zu vermeiden (Bundestags-
      drucksache 19/22547). Angesichts von wachsenden Zweifeln an der wissen-
      schaftlichen Objektivität und politischen Unabhängigkeit der Leopoldina, die
      neben innerer und äußerer Kritik von Wissenschaftlern u. a. in der juristisch
      offengelegten Forderung des Bundesministerium des Innern, für Bau und Hei-
      mat an wissenschaftliche Einrichtungen nach Generierung von Daten gründe-
      ten, die zur Rechtfertigung repressiver politischer Maßnahmen geeignet sein
      würden, bekräftigte die Fraktion der AfD ihre Forderung nach Einrichtung ei-
      ner entsprechenden Expertenkommission im Februar 2021 (Bundestagsdruck-
      sache 19/26899).
      Auch Klaus Stöhr kritisierte im März 2021 das Beraterkonzept der Bundes-
      regierung und erläuterte das nach seiner Einschätzung nötige Vorgehen zur
      Schaffung einer Grundlage für eine „evidenzbasierte Risikoeinschätzung“ so-
      wie „professionelles Krisenmanagement und -kommunikation“ (https://www.f
      ocus.de/gesundheit/news/klaus-stoehr-virologe-kritisiert-corona-entscheider-r
      egierung-stuetzt-sich-auf-falsches-berater-konzept_id_13082092.html; abge-
      rufen am 12. Mai 2021). Statt „einzelnen Experten je drei Minuten in der Mi-
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode                    –5–                               Drucksache 19/32484

        nisterpräsidentenkonferenz zu geben“, brauche es eine „multi-disziplinäre
        Taskforce“ aus „Experten und Managern“, die die Regierung dauerhaft berie-
        ten und alternative Entscheidungsvorlagen für die Pandemiebekämpfung ent-
        wickelten, die „verschiedene Kompromisse zwischen Gesundheit, Wirtschaft
        und Freiheit finden“ (https://www.focus.de/gesundheit/news/klaus-stoehr-viro
        loge-kritisiert-corona-entscheider-regierung-stuetzt-sich-auf-falsches-berater-k
        onzept_id_13082092.html; abgerufen am 12. Mai 2021). Für die Stand 25. Ja-
        nuar 2021 letzte Sitzung der Bund-Länder-Konferenz, also diejenige am
        19. Januar 2021, war Klaus Stöhr von einigen Ministerpräsidenten für die
        Aufnahme in die „Expertenrunde“ vorgeschlagen worden, hatte vom Bundes-
        kanzleramt jedoch letztlich keine Einladung erhalten (https://www.br.de/nach
        richten/deutschland-welt/corona-experten-laesst-sich-die-kanzlerin-einseitig-
        b e r a t e n , S N 5 N gG3; abgerufen am 12. Mai 2021; Bundestagsdrucksache
        19/28056, S. 9). Da Prof. Dr. Christian Drosten hingegen zu dieser Zeit laut
        „Spiegel“ Teil des Beratungsgremiums war, obwohl die zuvor im Text bereits
        angeführten Daten aus Schweden, untermauert durch diejenigen aus Norwe-
        gen, Finnland und Dänemark, bereits zeigten, dass Prof. Dr. Christian Drosten
        nach Ansicht der Fragesteller mit seiner negativen Einschätzung der schwedi-
        schen gegenüber der deutschen Corona-Politik falsch und Klaus Stöhr mit sei-
        ner positiven Einschätzung entsprechend richtig gelegen hatte, ist die Auswahl
        der politischen Berater und die Zusammensetzung des Beratungsgremiums in
        den Augen der Fragesteller erklärungsbedürftig.

         1. Innerhalb welches Zeitraums war oder ist Prof. Dr. Christian Drosten Po-
            litikberater der Bundesregierung (bitte die genaue Zeitspanne seiner Be-
            ratertätigkeit angeben)?

         2. Aufgrund welcher besonderen Expertise im Vergleich zu anderen Virolo-
            gen ist Prof. Dr. Christian Drosten zum Politikberater der Bundesregie-
            rung ernannt worden?

         3. Welchem Beratungsgremium bei der Bundesregierung oder welchem
            Bundesinstitut gehörte oder gehört Prof. Dr. Christian Drosten im Zeit-
            raum seiner Beratungstätigkeit für die Bundesregierung an?
             Wenn Prof. Dr. Christian Drosten im Zeitraum seiner Beratungstätigkeit
             für die Bundesregierung kein Mitglied eines Beratungsgremiums bei der
             Bundesregierung ist oder war, wann, von wem genau und mit welcher
             Begründung ist Prof. Dr. Christian Drosten dann zum politischen Berater
             der Bundesregierung berufen worden?

         4. Welche Expertisen macht die Bundesregierung zum Kriterium bei ihrer
            Beraterauswahl?

         5. Inwieweit sind die Beratungsgremien der Bundesregierung im Hinblick
            auf die Corona-Krise dahin gehend offen, dass bei neuen Problemstellun-
            gen weitere Berater hinzugezogen werden können?

Die Fragen 1 bis 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
antwortet.
Zu Beginn in der sehr dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie war nur
wenig über das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 und die dadurch verur-
sachte Krankheit COVD-19 bekannt. Die Erkenntnisse zu den Eigenschaften
des Erregers, zum klinischen Verlauf sowie zur Epidemiologie von COVID-19
konnten seitdem kontinuierlich gesteigert werden. Daher war und ist ein konti-
nuierlicher Austausch der Bundesregierung mit Expertinnen und Experten un-
terschiedlicher Fachgebiete unerlässlich.
Seit Beginn der Pandemie wird die Bundesregierung daher durch wissenschaft-
liche Institute beraten, deren Expertinnen und Experten u. a. den international
Drucksache 19/32484                                    –6–                Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

und national verfügbaren wissenschaftlichen Kenntnisstand kontinuierlich ana-
lysieren und bewerten. Hierzu gehören z. B. die Bundesoberbehörden im Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit – das Robert Koch-
Institut (RKI), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM), die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – sowie weitere Institute, wie etwa das Bernhard-
Nocht-Institut.
Der Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn hat zudem beginnend seit Früh-
jahr 2020 regelmäßig Gesprächsrunden mit Wissenschaftlern verschiedener
Fachrichtungen zu Fragen der COVID-19-Erkrankung durchgeführt.
Auch Prof. Dr. Christian Drosten stellt in seiner Funktion als Leiter des Natio-
nalen Konsiliarlaboratoriums für Coronaviren seine Expertise zur Verfügung.
Zu den Aufgaben der Konsiliarlabore gehören neben diagnostischen Laborleis-
tungen ein intensiviertes Beratungsangebot insbesondere des Öffentlichen Ge-
sundheitsdienstes sowie von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.
Die Bundesregierung hat sich zudem schon frühzeitig durch die Leopoldina –
die Nationale Akademie der Wissenschaften – interdisziplinär beraten lassen.
Die Leopoldina hat „Ad hoc-Stellungnahmen“ zur Coronavirus-Pandemie ver-
öffentlicht, die von interdisziplinären Arbeitsgruppen erstellt worden sind.

          6. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob oder inwieweit
             Prof. Dr. Christian Drosten seiner Forschungstätigkeit zu COVID-19 auf-
             grund seiner hohen Beanspruchung in der Medien- und Öffentlichkeits-
             arbeit nur noch eingeschränkt nachgehen konnte?
             Wenn ja, welche Schlussfolgerungen wurden daraus gezogen?

Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.

          7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus nach Ansicht
             der Fragesteller Prof. Dr. Christian Drostens Fehleinschätzung des von
             ihm so bezeichneten schwedischen Modells der Corona-Politik und der
             daraus resultierten Fehlprognose über die Auswirkungen eigenverant-
             wortungsorientierter Corona-Politik auf die Entwicklung der Übersterb-
             lichkeit, für den von ihr verfolgten restriktiven Kurs in der Corona-
             Politik?

Die Aussage von Prof. Dr. Christian Drosten zum sog. schwedischen Modell ist
einem Interview vom 25. Mai 2020 entnommen. Sie bezieht sich auf die sog.
1. Welle der Corona-Pandemie. Prof. Dr. Christian Drosten macht darin deut-
lich, dass die Übersterblichkeit erst in der Rückschau abschließend bewertet
werden kann. Todesfälle unterliegen einem Meldeverzug. Die Aussage impli-
zierte keine Prognose über den weiteren Pandemieverlauf in Schweden.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode                 –7–                             Drucksache 19/32484

         8. Kann die Bundesregierung die im oben genannten „Der Spiegel“-Artikel
            getroffenen Angaben zur Existenz, Funktion und personellen Zusammen-
            setzung des dort angesprochenen achtköpfigen Beratungsgremiums be-
            stätigen (https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-dies
            e-sieben-fachleute-beraten-bundesregierung-und-laenderchefs-a-93abc4f
            5-cac1-4cbb-bc22-8d3b9c623b28)?
             Wenn die Bundesregierung den „SPIEGEL“-Artikel bestätigen kann:
             a) Wann und von wem genau wurde das Beratungsgremium gegründet?
             b) Welche Personen haben dem Beratungsgremium bislang in welchem
                Zeitraum angehört?
             c) Bei welchen ihrer bisherigen Zusammenkünfte ist die Bund-Länder-
                Konferenz von dem Beratungsgremium oder von einzelnen Mitglie-
                dern des Gremiums, gegebenenfalls auch im Vorfeld der eigentlichen
                Sitzungen, beraten worden?
             d) Aufgrund welcher Expertisen und von wem genau werden die Mit-
                glieder des vom „DER SPIEGEL“ genannten Beratungsgremiums
                berufen?
             e) Aufgrund welcher Erwägungen wurde der Epidemiologe und frühere
                WHO-SARS-Forschungsexperte Klaus Stöhr nicht zum Mitglied des
                Beratungsgremiums berufen?

         9. Hat die Bundesregierung erwogen, eine multi-disziplinäre Taskforce, be-
            stehend aus dauerhaft beratenden Experten und Managern, einzurichten,
            die alternative Entscheidungsvorlagen für die Pandemiebekämpfung ent-
            wickelt, um Kompromisse zwischen Gesundheit, Wirtschaft und Freiheit
            zu finden, wie Klaus Stöhr sie im März 2021 vorgeschlagen hat (siehe
            Vorbemerkung der Fragesteller)?
             a) Wenn ja, kann die Bundesregierung erläutern, warum eine solche
                multidisziplinäre Taskforce dann nicht eingerichtet wurde?
             b) Wenn nein, warum nicht?

Die Fragen 8 und 9 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam be-
antwortet.
Die Bundesregierung erreicht ihr Ziel einer wissenschaftlichen, evidenzbasier-
ten Politikberatung über einen kontinuierlichen Austausch mit Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, u. a. der Nationalen
Akademie der Wissenschaften Leopoldina, sowie den eigenen wissenschaftli-
chen Instituten, u. a. RKI und PEI, sowie im Rahmen anlassbezogener Beratun-
gen. Von der Institutionalisierung eines darüber hinausgehenden festen Berater-
gremiums wurde daher abgesehen.
Anlässlich der Beratungen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen
und Regierungschefs der Länder wurden die in Bezug auf den Spiegel-Artikel
vom 18. Januar 2021 angesprochenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler an folgenden Tagen angehört:

Prof. Dr. Rolf Apweiler     Direktor des European Bioinformatics Institute   18. Januar 2021
                            (EBI) des European Molecular Biology Laboratory
                            (EMBL)
Prof. Dr. Cornelia Betsch   Inhaberin der DFG Heisenberg-Professur of Health 18. Januar 2021
                            Communication an der Philosophische Fakultät der
                            Universität Erfurt
Prof. Dr. Melanie Brinkmann Leiterin der Nachwuchsgruppe „Virale Immunmo- 18. Januar 2021
                            dulation“ am Helmholtz- Zentrum für Infektions-
                            forschung in Braunschweig
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Prof. Dr. Christian Drosten                  Direktor des Instituts für Virologie, Charité Berlin                          12. März 2020,
                                                                                                                           4. und 18. Januar 2021
Prof. Dr. Gérard Krause                      Abteilungsleiter Epidemiologie des Helmholtz                                  18. Januar 2021
                                             Zentrums für Infektionsforschung (HZI)
Prof. Dr. Michael                            Leiter der Abteilung System Immunologie am                                    14. Oktober 2020
Meyer-Hermann                                Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in                                  4. und 18. Januar 2021
                                             Braunschweig
Prof. Dr. Kai Nagel                          Professor für „Verkehrssystemplanung und Ver-                                 18. Januar 2021
                                             kehrstelematik“ an der Technischen Universität
                                             Berlin (TU Berlin),
Prof. Dr. Lothar H. Wieler                   Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI)                                     12. März und
                                                                                                                           15. April 2020
                                                                                                                           4. und 18. Januar 2021

         10. Hat die Bundesregierung seit Frühjahr 2020 je die Einrichtung eines Be-
             raterstabes in Erwägung gezogen, der sich zu ausgewogenen Teilen aus
             Medizinern, Ökonomen, Psychologen, Sozialwissenschaftlern, Bildungs-
             und Erziehungswissenschaftlern und Vertretern weiterer Fachrichtungen
             zusammensetzt, die eine Evaluation der nationalen Lage auch im Hin-
             blick auf die Folgeschäden getroffener und potentieller zukünftiger Maß-
             nahmen der Corona-Politik ermöglichen würden?
                a) Wenn ja, warum existiert ein solch ausgewogen besetzter Beraterstab
                   dann nicht?
                b) Wenn nein, warum nicht?

Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 5 verwiesen.
Zudem hat die Bundesregierung den Deutschen Bundestag und seine Ausschüs-
se, insbesondere den Ausschuss für Gesundheit und das Parlamentarischem Be-
gleitgremium COVID-19-Pandemie, regelmäßig über das aktuelle Infektions-
geschehen und zu aktuellen Fragen der Pandemiebekämpfung unterrichtet.

      Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
     Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
                                                                    ISSN 0722-8333
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