Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise
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DZA-Fact Sheet Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise Cordula Endter, Christine Hagen und Frank Berner 08. April 2020 Problemaufriss Um die Ausbreitung der Corona-Pande- nerinnen und Bewohner direkten Kon- mie zu verlangsamen, haben der Bund takt nur noch zum Pflege- und Betreu- und die Bundesländer Maßnahmen er- ungspersonal. griffen, die dazu führen sollen, dass in In dieser Situation ist es gerade für äl- der Bevölkerung deutlich weniger un- tere Menschen wichtig, alternative mittelbare soziale Kontakte und direkte Wege der Kommunikation mit Angehö- soziale Interaktionen stattfinden. Viele rigen, Freundinnen und Freunde, Nach- Läden, Restaurants und Cafés müssen barinnen und Nachbarn, aber auch geschlossen bleiben, viele Dienstleis- etwa mit Versorgungseinrichtungen, tungen werden nicht mehr angeboten, Arztpraxen und Lieferdiensten zu ha- Veranstaltungen finden nicht statt. Im ben. Hierbei spielen digitale Technolo- öffentlichen Raum sollen die Menschen gien eine wichtige Rolle: Sie bieten äl- untereinander nach Möglichkeit einen teren Menschen die Möglichkeit, sich Mindestabstand von 1,5 Metern einhal- im Internet über aktuelle Entwicklungen ten. Weiterhin wird dringend empfohlen, in der Krise, über Empfehlungen zu die eigene Wohnung möglichst wenig Verhaltensweisen oder die Erreichbar- zu verlassen. Insbesondere alte Men- keit beispielsweise von Gesundheits- schen werden dazu aufgerufen, sich an diensten und Behörden zu informieren. diese Empfehlung zu halten, um das Über Messenger-Dienste und Videote- Risiko, sich mit dem Corona-Virus zu lefonie kann sozialer Kontakt mit Fami- infizieren, so gering wie möglich zu hal- lienangehörigen und Freundinnen und ten. Aus diesem Grund wird jüngeren Freunden aufrechterhalten und auch Menschen auch davon abgeraten, ihre die Hausärztin oder der Hausarzt kon- älteren Angehörigen zu besuchen. taktiert werden. Es stellt sich jedoch die Manche stationären Pflegeeinrichtun- Frage, wie viele und welche älteren gen haben ein Besuchs- und Ausgeh- Menschen Zugang zum Internet haben, verbot erlassen, dort haben die Bewoh- einen PC oder ein mobiles Endgerät besitzen und digitale Angebote nutzen.
2 Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise Um besser einschätzen zu können, wie Menschen haben die Erfahrung und die „digitalisiert“ ältere Menschen in Kompetenzen, um die digitalen Mög- Deutschland sind, gibt dieser Beitrag ei- lichkeiten zu nutzen? Dazu wird im ers- nen Überblick über vorliegende For- ten Teil die technische Ausstattung und schungsergebnisse über Zugang zum Nutzung digitaler Technologien durch Internet und dessen Nutzung durch äl- ältere Menschen in privaten Haushalten tere Menschen. Folgende Fragen ste- dargelegt, bevor im zweiten Teil auf die hen im Mittelpunkt: Welche Gruppen besondere Situation in stationären Ein- von älteren Menschen verfügen über richtungen eingegangen wird. Zugang zum Internet und entsprechen- der digitaler Technik? Wie viele ältere Befunde Im Folgenden geben wir einen Über- teilnehmenden Personen werden um- blick über Befunde zum Thema Digitali- fassend zu ihrer Lebenssituation be- sierung und Nutzung des Internets. fragt, unter anderem zu ihrer Erwerbs- Hierbei greifen wir insbesondere auf tätigkeit oder ihrem Leben im Ruhe- Auswertungen des Deutschen Alters- stand, zu gesellschaftlicher Teilhabe surveys (DEAS) zurück. Der DEAS ist und Ehrenamt, zu Einkommen und Ver- eine bundesweit repräsentative Lang- mögen, zu sozialer Integration und Ein- zeituntersuchung von Personen, die samkeit sowie zu Gesundheit, Gesund- sich in der zweiten Lebenshälfte befin- heitsverhalten und Lebenszufriedenheit den (d. h. 40 Jahre und älter sind). Die (siehe u. a. Vogel u.a. 2019). Zugang zum Internet und Nutzung von digitalen Technologien in Privathaushalten Huxhold und Otte (2019) zeigen mit Da- und der jüngsten hier untersuchten Al- ten aus dem Deutschen Alterssurvey, tersgruppe mit deutlich über 50 Pro- dass seit 2002 der Anteil der Personen zentpunkten weiterhin groß. mit Internetzugang in allen von ihnen Die Abbildung 1 zeigt außerdem, dass differenzierten Altersgruppen zwischen im Jahr 2017 der Zugang zum Internet 43 und 84 Jahren deutlich angestiegen bei Menschen in der Lebensphase rund ist (Abbildung 1). Der Anteil der Men- um den Eintritt in den Ruhestand recht schen mit Internetzugang hat sich bei verbreitet ist: Über 80 Prozent der 67- Menschen im mittleren Erwachsenenal- bis 72-Jährigen haben Zugang zum In- ter von 2002 bis 2017 fast verdoppelt. ternet. Von den Menschen ab einem Al- In der ältesten Altersgruppe (79-84 ter von 73 Jahren hat jedoch ein we- Jahre) fällt der Zuwachs sogar noch sentlich kleinerer Anteil einen Internet- stärker aus, in dieser Gruppe stieg der zugang, eine entscheidende Vorausset- Anteil von 1,3 Prozent im Jahr 2002 auf zung zur Nutzung vieler digitaler 39,4 Prozent im Jahr 2017. Dennoch ist Dienste ist bei diesen Menschen des- der Unterschied zwischen der ältesten halb nicht gegeben.
Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise 3 Abbildung 1:Anteil der Personen im Alter von 43-84 Jahren, die Zugang zum Internet haben, in den Jahren 2002-2017, nach Alter (in Prozent) 2002 2008 2011 2014 2017 100 80 60 Prozent 96 97 95 97 91 90 94 89 84 85 40 75 79 80 81 67 70 71 64 56 50 51 51 45 20 39 34 33 28 27 17 17 19 9 6 9 0 1 43-48 49-54 55-60 61-66 67-72 73-78 79-84 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Quelle: Huxhold und Otte (2019) Datengrundlage: DEAS 2002-2017, gewichtet, (n2002= 4247, n2008= 5488, n2011= 3770, n2014= 7278, n2017= 5246). Die Altersgruppen sind so gewählt, dass jeweils sechs Geburtsjahrgänge zusam- mengefasst werden (bei der Altersgruppe 79-84 Jahren sind dies bei der Datenerhebung 2002 die Geburtsjahrgänge 1918-1923, bei der Datenerhebung 2008 die Geburtsjahrgänge 1914-1929 etc.). Damit wird erreicht, dass über die Da- tenerhebungen hinweg Personen aus nicht überlappenden Geburtsjahrgängen miteinander verglichen werden. Dadurch sind Veränderungen zwischen Datenerhebungen als Kohortenunterschiede interpretierbar. Aber nicht nur zwischen älteren und haben Personen mit niedriger Bildung jüngeren Menschen gibt es Unter- zu einem wesentlich geringeren Anteil schiede hinsichtlich des Internetzu- Zugang zum Internet als Personen mit gangs und den damit verbundenen digi- hoher Bildung. Während der Bildungs- talen Möglichkeiten, sondern auch in- unterschied beim Zugang zum Internet nerhalb der Gruppe der älteren Men- im Jahr 2002 in allen Altersgruppen schen gibt es diesbezüglich große Dif- gravierend war, hat er sich bis zum ferenzen. Ältere Menschen mit vielen Jahr 2017 in den jüngeren Altersgrup- Ressourcen nutzen digitale Technik pen deutlich verringert. In den höheren deutlich häufiger und kompetenter als Altersgruppen, etwa ab 67 Jahren, sind Menschen mit wenigen Ressourcen. die Unterschiede nach dem Bildungs- Die Daten des DEAS zeigen, dass der stand allerdings nach wie vor sehr Bildungshintergrund eine entschei- groß. dende Rolle spielt: In allen in Abbil- dung 2 unterschiedenen Altersgruppen
4 Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise Abbildung 2:Anteil der Personen im Alter von 43-84 Jahren, die Zugang zum Internet haben, in den Jahren 2002 und 2017, nach Altersgruppen und Bildung (in Prozent) Niedrige Bildung Mittlere Bildung Hohe Bildung 2002 2017 100 80 60 Prozent 96100 94 96100 92 98 93 95 88 85 87 40 82 80 77 76 68 66 60 55 59 50 45 20 40 40 25 30 27 20 23 17 14 12 12 0 4 3 8 2 5 1 4 79-84 Jahre 73-78 Jahre 67-72 Jahre 61-66 Jahre 55-60 Jahre 49-54 Jahre 43-48 Jahre 79-84 Jahre 73-78 Jahre 67-72 Jahre 61-66 Jahre 55-60 Jahre 49-54 Jahre 43-48 Jahre 2002 2017 Quelle: Huxhold und Otte (2019). DEAS 2002, DEAS 2017, gewichtet, (n2002= 4247, n2017= 5246) Beim Zugang zum Internet zeigen sich und verfügen im Alter über weniger fi- deutliche Unterschiede zwischen den nanzielle Ressourcen als gleichaltrige Geschlechtern: So haben ältere Frauen Männer (Frommert u.a. 2019). zwar in den zurückliegenden zehn Jah- Besondere Benachteiligungen beim In- ren zunehmend mehr das Internet ge- ternetzugang sowie bei der Nutzung nutzt, dennoch sind von den über 80- gelten für ältere Migrantinnen und Mig- Jährigen, die das Internet nutzen, der- ranten, da bei ihnen der Anteil von Per- zeit nur knapp 40 Prozent Frauen, ob- sonen mit einem niedrigen sozioökono- wohl sie in dieser Altersgruppe zwei mischen Status überdurchschnittlich Drittel der älteren Bevölkerung ausma- hoch ist (Ehlers et al. 2016). Zusätzlich chen (Doh 2020). Neben traditionellen werden Nutzungsbarrieren durch feh- Rollenbildern tragen hierzu auch die lende oder geringe Deutschkenntnisse Berufsbiografien von Frauen bei: Ältere sowie Erfahrungen von Ausgrenzung Frauen waren während ihres Erwerbs- und Diskriminierung verstärkt (Ehlers lebens meist in geringerem Umfang so- u.a. 2020). wie in technikfernen Berufen erwerbstä- tig, bezogen oft ein niedrigeres Gehalt
Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise 5 Bei den Internetaktivitäten älterer Men- funden, sondern auch verstanden, be- schen, die Zugang zum Internet haben, wertet und für die eigene Situation an- dominieren Informationssuche und das gewendet werden können. (vgl. Nor- von Nachrichten per E-Mail, während man und Skinner 2006). In einer reprä- bei Jüngeren vor allem die Nutzung so- sentativen Schweizer Studie von 2014 zialer Medien im Vordergrund steht. gaben über 60 Prozent der Internetnut- Mittlerweile allerdings werden soziale zerinnen und -nutzer ab 65 Jahren an, Medien vermehrt auch von älteren dass sie in den letzten drei Monaten im Menschen genutzt: Der in Deutschland Internet nach Gesundheitsinformatio- am stärksten verbreitete Messenger- nen gesucht haben (Seifert und Schel- Dienst wird mittlerweile von 64 Prozent ling 2015). In der Stuttgarter SAMS- der 50- bis 64-Jährigen und von 29 Pro- Studie 1 lag dieser Wert bei 70 Prozent, zent der über 65-Jährigen verwendet wobei 15 Prozent mindestens wöchent- (Initiative D21 2019). Im höheren Le- lich das Internet nutzen, um sich mit bensalter besteht ein bedeutsames In- Gesundheitsthemen zu beschäftigen teresse an gesundheitsbezogenen The- (Doh & Rupprecht 2017). men im Internet. Dabei ist wichtig, dass Gesundheitsinformationen nicht nur ge- Zugang zum Internet und Nutzung von digitalen Technologien in (teil-) stationären Wohnformen Im Vergleich zu Privathaushalten sind gering fällt auch die Zahl der Bewohne- der Zugang und die Nutzung des Inter- rinnen und Bewohner stationärer Ein- nets in stationären Pflegeeinrichtungen richtungen aus, die mobile Endgeräte deutlich weniger verbreitet, nur wenige und PCs nutzen. Dieser Anteil wird auf Altenwohn- oder Pflegeeinrichtungen 20 bis 30 Prozent geschätzt (Isfort u.a. bieten dafür die Voraussetzungen. Oft 2016, Seifert u.a. 2017). Insgesamt ver- sind Internetanschlüsse nur in Gemein- fügen die Bewohnerinnen und Bewoh- schaftseinrichtungen verfügbar – wenn ner stationärer Einrichtungen oft nur es sie überhaupt gibt. Eine Grundaus- über eine geringe Anzahl von Medien- stattung der Bewohnerzimmer mit Inter- geräten. Hierbei handelt es sich häufig netanschlüssen oder WLAN ist längst um analoge Fernseh- und Radiogeräte nicht selbstverständlich: Im Jahr 2018 sowie um CD-Spieler und Mobiltele- verfügten nur 37 Prozent der in einer fone. Studie befragten 575 deutschen Pflege- Darüber hinaus sinkt mit zunehmendem heime über WLAN, das den Bewohne- Alter in stationären Einrichtungen der rinnen und Bewohner zur Nutzung zur Anteil von Bewohnerinnen und Bewoh- Verfügung stand. 2 In 80 Prozent der nern, die das Internet nutzen. Laut ei- Einrichtungen mit WLAN wird die Be- ner Studie, die im Raum Zürich durch- reitstellung als zusätzliche Leistung be- geführt wurde, nutzen in der Alters- rechnet. Kostenfreies WLAN boten nur gruppe der 65- bis 74-Jährigen nur drei 6 Prozent der Heime an. Entsprechend von zehn Personen das Internet, bei 1 SAMS steht für „Senioren, Alltag und Me- Wohnens, die vom Wohlfahrtswerk Baden- dien in Stuttgart“. Die Teilnehmerinnen und Württemberg unterhalten werden. Teilnehmer der Studie lebten zum Zeitpunkt 2 https://www.pflege- der Befragung entweder in Privathaushal- markt.com/2018/09/14/wlan-studie-zahlen- ten oder in Einrichtungen des betreuten pflegeheime-deutschland-2018/ [letzter Zu- griff am 02.04.2020]
6 Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise den ab 95-Jährigen ist es nur jeder als vielmehr darauf, dass diejenigen, Zehnte (Seifert u.a. 2017). 3 Die Autoren die kein Internet nutzen, in ihrem Le- betonen, dass die Internetnutzung von bensverlauf kaum mit Technik zu tun verschiedenen Faktoren beeinflusst hatten. wird: Neben dem Alter ist das Ge- Trotz des niedrigen Nutzungsniveaus schlecht, der Pflegegrad, das Erleben bei den ab 80-Jährigen wirkt sich der subjektiver Autonomie sowie die Le- Zugang zum Internet positiv auf die benszufriedenheit relevant. So nutzen Wahrnehmung des eigenen Altersbil- vor allem Männer, Personen ohne Pfle- des und das Erleben des subjektiven gebedarf sowie Personen mit hoher Le- Alters aus. Internetnutzerinnen und - benszufriedenheit und hoher subjektiv nutzer schätzen sich hier deutlich posi- erlebter Autonomie das Internet. Auch tiver ein als gleichalte Menschen, die die Stuttgarter SAMS-Studie zeigt, dass das Internet nicht nutzen. Zudem be- der Anteil der Hochbetagten unter den werteten die ab 80-Jährigen Internet- Internetnutzerinnen -nutzer in betreuten nutzerinnen und -nutzer in den betreu- Wohnanlagen gering ist (Doh und ten Wohnanlagen ihre Kenntnisse und Rupprecht 2017, Doh 2020). So nutzen ihre Selbstwirksamkeit mit dem Internet nur 25 Prozent der Befragten, die 80 ähnlich gut wie jüngere Nutzerinnen Jahre oder älter waren und in betreuten und Nutzer (65- bis 79-Jährige), die in Einrichtungen leben, das Internet und Privathaushalten leben. Es ist also dann auch nur selten. In Privathaushal- möglich, dass es einen Zusammenhang ten sind es 33 Prozent bei den ab 80- zwischen der Nutzung des Internets Jährigen. Die Studienautoren führen die und einem positiven Selbst- und Alters- geringe Nutzungsrate weniger auf eine bild gibt. kritische Einstellung zu Technik zurück, Implikationen Die hier berichteten Befunde über den Innerhalb der Gruppe der älteren Men- Zugang zum Internet und die Nutzung schen gibt es aber auch große Unter- des Internets durch ältere Menschen schiede. Vor allem älteren Menschen zeigen, dass vor allem in den Alters- mit wenigen Ressourcen, vulnerablen gruppen bis etwa Mitte 70 durchaus hochbetagten Menschen, älteren viele ältere Menschen Zugang zum In- Frauen (häufig allein lebend), älteren ternet haben und es auch nutzen. Ins- Migrantinnen und Migranten sowie besondere „jüngere Ältere“ (65- bis 79- Menschen in Alters- und Pflegeheimen Jährige) sowie Ältere mit einem hohen bleiben die digitalen Möglichkeiten weit- Bildungsstand können auf diese Weise gehend verschlossen. Sie sind während von den Potenzialen der Digitalisierung der Corona-Pandemie auf klassische profitieren. Diese Älteren können auch Kommunikationsmedien wie Telefon o- während der Corona-Pandemie das In- der Briefe angewiesen, um ohne Besu- ternet nutzen, um soziale Kontakte zu che ihre sozialen Kontakte zu pflegen. pflegen, sich zu informieren oder Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Dienstleistungen in Anspruch zu neh- die digitale Spaltung innerhalb der men. Gruppe der älteren Menschen, also die unterschiedlichen Möglichkeiten ver- schiedener älterer Menschen, digitale 3Repräsentativerhebung zu allen 24 Pfle- geeinrichtungen in Zürich (n=1.212, 65-104 Jahre, Ø 87,8 Jahre, 75 Prozent Frauen)
Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise 7 Technik und das Internet zu nutzen, als digital kompetent erleben, können durch die Ausgangsbeschränkungen möglicherweise negative Effekte der und reduzierten sozialen Kontakte ver- Pandemie auf ihre psychische Gesund- stärkt. Dies wäre der Fall, wenn diejeni- heit abgeschwächt werden. Anders gen, die auch vor der Corona-Pande- herum können in der Corona-Pandemie mie Zugang zum Internet hatten und diejenigen Älteren, die das Internet online aktiv waren, es nun verstärkt nut- nicht nutzen können, als Folge ihrer di- zen und damit die Einschränkungen gitalen Exklusion einem erhöhten Ri- kompensieren – und wenn gleichzeitig siko für Angst, Hilflosigkeit, Isolation o- diejenigen, die bislang keinen Zugang der Depression ausgesetzt sein. zum Internet hatten und von seinen Besonders belastend ist der Wegfall Möglichkeiten nicht profitieren können, persönlicher Kontakte während der nicht so schnell auf den digitalen Inter- Corona-Pandemie für Bewohnerinnen netzug aufspringen können. und Bewohner von Alten- und Pflege- Die Befunde zeigen außerdem, dass äl- heimen mit Besuchs- und Ausgehver- tere Menschen, wenn sie online aktiv bot. Insbesondere sie sind es, die eher sind, das Internet als Informationsquelle selten Zugang zum Internet haben und nutzen, etwa um Antworten auf Fragen den Wegfall sozialer Kontakte nicht mit zu einem neuen Produkt oder im Be- Hilfe digitaler Technik kompensieren reich der Gesundheit und Ernährung zu können. finden. Wenn sich ältere Menschen durch die Nutzung des Internets über die Pandemie gut informiert und zudem Empfehlungen Die Ausgehbeschränkungen und das net und seine Angebote allen älte- Kontaktverbot während der Corona- ren Menschen zur Verfügung steht Pandemie schränken die Möglichkeiten – gerade auch den schwer erreich- für persönliche Interaktionen und für die baren und materiell schlecht gestell- Organisation des Alltags stark ein. Die ten älteren Menschen. In diesem Nutzung digitaler Technologien und des Zusammenhang sollten leistungs- Internets bietet alternative Möglichkei- starke Internetzugänge, auch in ten, mit anderen Menschen zu kommu- ländlichen Regionen, ausgebaut nizieren und Dienstleistungen in An- werden. Zudem sollten, ähnlich wie spruch zu nehmen. Damit alle älteren in der Kinder- und Jugendhilfe (Auf- Menschen von diesen Möglichkeiten stockung des Kinderzuschlags), äl- profitieren können, sollten die folgen- tere Menschen finanziell unterstützt den Voraussetzungen geschaffen wer- werden, um sich einen Internetzu- den: gang leisten zu können und digitale Technologien zu erwerben. − Zugang zum Internet und seinen Möglichkeiten für alle älteren Men- − Informationen über klassische Me- schen: Viele ältere Menschen nut- dien: Da bislang noch längst nicht zen das Internet bereits; es gibt je- alle älteren Menschen Zugang zum doch auch viele, die dazu nicht die Internet haben, müssen Informatio- Möglichkeit haben. Auch wenn dies nen und Beratung über die Corona- wahrscheinlich nicht kurzfristig mög- Krise weiterhin auch über klassi- lich ist, sollte doch mittelfristig si- sche Medien bereitgestellt werden. chergestellt werden, dass das Inter- Fernsehen, Rundfunk und Zeitun-
8 Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise gen stellen wichtige Informationska- Dienstleistungen unterstützt wer- näle für ältere Menschen dar. In die- den. Auch hier wären entspre- sen Medien müssen Angebote ge- chende Kooperationen, mit einer macht werden, die ältere Menschen längerfristigen, also über die Krise gezielt ansprechen und ihnen in der hinausreichenden Verankerung aktuellen Lage Unterstützung anbie- sinnvoll. ten. − Hilfe bei der Bedienung von Tech- − Nutzung von digitaler Kommunikati- nik: Zugleich muss organisiert und onstechnik in Pflegeeinrichtungen: gewährleistet werden, dass die Be- Träger von stationären Alten- und wohnerinnen und Bewohner in Pfle- Pflegeeinrichtungen müssen darin geeinrichtungen darin unterstützt unterstützt werden, für die Bewoh- werden, die Geräte zu bedienen nerinnen und Bewohner in der und die Möglichkeiten des Internets Corona-Krise mittels digitaler Tech- auch tatsächlich zu nutzen, sofern nologien regelmäßigen Kontakt sie es noch nicht können. nach außen zu ermöglichen. Hier Trotz aller Vorteile sollten digitale Tech- sind Bund, Länder und Kommunen nologien nicht zum Selbstzweck wer- gefordert, an vertretbaren schnellen den. Auch während der Corona-Pande- Lösungen mitzuwirken und durch fi- mie und unter den Bedingungen von nanzielle und organisatorische Un- Ausgangs- und Kontaktbeschränkun- terstützung den Zugang zum Inter- gen sollten digitale Technologien nur net sowie die Verfügbarkeit entspre- eingesetzt werden, wenn ihre Qualität chender Geräte (vor allem Tablets) geprüft und ihr Nutzen abgewogen sicherzustellen. Zur Anschaffung wurde. Welche Angebote dauerhaft ei- von mobilen Endgeräten sind Part- nen alltäglichen Nutzen und Gewinn für nerschaften mit Anbietern denkbar, ältere Menschen darstellen, muss sich die finanziell durch die Kommunen erst noch zeigen. Hier fehlen Studien, gefördert werden. Auch ein Angebot die diese Aspekte evaluieren – auch an Geräten als Leihgabe wäre außerhalb der Krisenzeit. Insgesamt denkbar. Zudem müssen die Ein- gilt: Digitale Interaktion darf direkten so- richtungen bei der Einführung und zialen Kontakt nicht dauerhaft ersetzen. Etablierung von Geräten und Literatur Doh, M. (2020): Auswertung von empirischen Studien zur Nutzung von Internet, digita- len Medien und Informations- und Kommunikations-Technologien bei älteren Men- schen. Expertise zum Achten Altersbericht der Bundesregierung. Herausgegeben von C. Hagen, C. Endter und F. Berner (im Erscheinen). Doh, M. und Rupprecht, F. S. (2017): Digitalisierung im hohen Alter – Ergebnisse aus der Studie „Senioren, Alltag und Medien in Stuttgart“ (SAMS). Gemeinsame Jahres- tagung der Sektion III / IV der DGGG, Fulda, 28.-29.09.2017. Ehlers, A.; Heß, M.; Frewer-Graumann, S.; Olbermann, E. und Stiemke, Ph. (2020): Di- gitale Teilhabe und (digitale) Exklusion im Alter. Expertise zum Achten Altersbericht
Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona-Krise 9 der Bundesregierung. Herausgegeben von C. Hagen, C. Endter und F. Berner (im Erscheinen). Ehlers, A.; Bauknecht, J. und Naegele, G. (2016): Abschlussbericht zur Vorstudie „Wei- terbildung zur Stärkung digitaler Kompetenzälterer Menschen“. Forschungsgesell- schaft für Gerontologie e.V./Institut für Gerontologie an der TU Dortmund, Dort- mund. Frommert, D.; Hagen, C. und Himmelreicher, R. (2019): Alterseinkünfte und soziale Ungleichheit. In: J. Pundt und M. Cacace (Hrsg.): Diversität und gesundheitliche Chancengleichheit. Bremen: APOLLON University Press, 29–59. Huxhold, O. und Otte, K. (2019): Zugang zum Internet und Nutzung des Internets in der zweiten Lebenshälfte. DZA Aktuell: Deutscher Alterssurvey, 01/2019. Berlin: Deut- sches Zentrum für Altersfragen. Initiative D21 (Hrsg.) (2019): D21-Digital-Index 2018/2019. Jährliches Lagebild zur Di- gitalen Gesellschaft. Verfügbar unter: https://initiatived21.de/publikationen/d21-digi- tal-index-2018-2019/ [Letzter Zugriff: 03.04.2020] Isfort, M., Rottländer, R., Weidner, F., Tucman, D., Gehlen, D. und Hylla, J. (2016): Pflege-Thermometer 2016. Eine bundesweite Befragung von Leitungskräften zur Si- tuation der Pflege und Patientenversorgung in der ambulanten Pflege. Köln: Deut- sches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. Verfügbar unter: http://www.dip.de/fileadmin/data/pdf/projekte/Endbericht_Pflege-Thermome- ter_2016-MI-2.pdf [Letzter Zugriff: 03.04.2020] Norman, C. D., Skinner, H. A. (2006): eHealth Literacy: Essential Skills for Consumer Health in a Networked World, in: J Med Internet Res 8(2), e9. Seifert, A., Doh, M. und Wahl, H.-W. (2017): They Also Do It: Internet Use by Older Adults Living in Residential Care Facilities in Switzerland. In: Educational Geronto- logy, 43(9), 451–461. doi 10.1080/03601277.2017.1326224. Seifert, A. und Schelling, H. R. (2015): Digitale Senioren. Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) durch Menschen ab 65 Jahren in der Schweiz. Zürich: Pro Senectute. Vogel, C., Wettstein, M., und Tesch-Römer, C. (Hrsg.) (2019): Frauen und Männer in der zweiten Lebenshälfte. Älterwerden im sozialen Wandel. Wiesbaden: Sprin- ger VS.
Impressum Cordula Endter, Christine Hagen und Frank Berner: Ältere Menschen und ihre Nutzung des Internets. Folgerungen für die Corona- Krise Erschienen im April 2020. Das DZA-Fact Sheet ist ein Produkt der Wis- senschaftlichen Informationssysteme im Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA), Berlin. Das DZA wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. www.dza.de
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