DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN

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DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
DOLMETSCHEN FÜR
 LESBISCHE, SCHWULE,
BISEXUELLE, TRANS* UND
  INTER* GEFLÜCHTETE
     EINE HANDREICHUNG FÜR
       DOLMETSCHER*INNEN
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
INHALT
                 Vorwort  ....................................................................................................... 2

            1.   Einleitung ................................................................................................... 4

            2.   Geflüchtete LSBTI in Deutschland:
                 Begriffe, Fluchtgründe und rechtliche Situation ....................................... 6

            3.   Tipps für die Dolmetschung mit geflüchteten LSBTI ............................... 12

          4.     Trauma und Psychohygiene ....................................................................... 18

            5.   LSBTI-Terminologie:
                 Entwicklung und Verwendung – Ein Glossar für gute
                 Dolmetschung mit LSBTI ......................................................................... 22

            6.   Checkliste für Dolmetscher*innen .......................................................... 44

            7.   Angebote und Beratungsstellen für geflüchtete LSBTI in Berlin ............ 46                                        berufes. Dolmetschen ist eine komplexe, durch zahlrei-      bisch, Englisch, Farsi/Persisch, Französisch und Tür-
                                                                                                                                      che Einflussgrößen gekennzeichnete Handlung, die von        kisch. Besonders freuen wir uns, dass Dolmetscher*in-
            8.   Weiterführende Links / Literatur ............................................................. 48                    den Dolmetscher*innen höchste Konzentration und gute        nen auch Möglichkeiten geboten werden, wie sie sich
                                                                                                                                      Vorbereitung erfordert. Eine professionelle, adäquate       in Grenzfällen distanzieren und auf welche Werkzeuge
            9.   Landkarten zu LSBTI-Rechten / Diskriminierung weltweit .................... 50                                       Verdolmetschung fußt auf umfassendem Allgemeinwis-          zum Selbstschutz sie zurückgreifen können. Durch die
                                                                                                                                      sen, weitreichenden Erfahrungen und zahlreichen Kom-        klare Bestimmung ihrer Rolle wird ihnen ein Mittelweg
                                                                                                                                      petenzen, seien diese nun autodidaktisch oder auf akade-    zwischen einer an der Kommunikation vollkommen un-
                                                                                                                                      mischem Wege erlangt. Auf dem Dolmetschmarkt findet         beteiligten Position und einer emotionalen, persönlich
                                                                                                                                      sich eine Vielzahl von Akteur*innen mit verschiedenen       zu starken Involviertheit aufgezeigt. Auch Auftragge-

                                    VORWORT
                                                                                                                                      Profilen und Qualifikationen – von professionellen Dol-     ber*innen und andere Akteur*innen des Dolmetsch-
                                                                                                                                      metscher*innen mit entsprechender akademischer Aus-         prozesses finden hier hilfreiche Informationen, anhand
                                                                                                                                      bildung bis hin zu ehrenamtlichen Unterstützer*innen.       derer sie beispielsweise die Gesprächsführung besser
                                                                                                                                                                                                  und im Sinne aller Beteiligten steuern können. Dies gilt
                                                                                                                                      Wir freuen uns außerordentlich, dass in der vorliegen-      sicherlich in besonderem Maße vor dem Hintergrund
                           DES BUNDESVERBANDS DER DOLMETSCHER                                                                         den Broschüre die Besonderheiten der Sprachmittlung         der traumatischen Erfahrungen, die die am Gesprächs-
                                   UND ÜBERSETZER (BDÜ),                                                                              für geflüchtete LSBTI aufgegriffen werden. Es ist eine      prozess beteiligten Personen gemacht haben, aber auch
                          LANDESVERBAND BERLIN-BRANDENBURG E. V.                                                                      dringend notwendige Handreichung für dieses spezi-          für die Arbeit in schwierigen Settings, wie zum Beispiel
                                                                                                                                      fische Themenfeld gelungen, die Dolmetscher*innen in        im Asylverfahren oder in der Psychotherapie.
                                                                                                                                      ihrer wichtigen Arbeit unterstützt. Die Broschüre macht
    Die steigende Zahl der Menschen in Berlin ohne bzw.              anderen beteiligten Akteur*innen hier eine besondere             deutlich, wie entscheidend die richtige Wortwahl – allein   Eine lohnenswerte und erhellende Lektüre für alle Ak-
    mit geringen Deutschkenntnissen führt zu einem wach-             Verantwortung im Umgang mit ihnen zu. Nicht selten               schon die Verwendung der von den Menschen selbst-           teur*innen des Dolmetschprozesses!
    senden Mehrbedarf an Dolmetschleistungen in der                  werden in diesem Kontext die Grenzen zwischen der                gewählten Bezeichnungen! – und das notwendige Hin-
    Stadt. Sprachliche Hilfe bei der Verständigung in zahl-          beruflichen und der persönlichen Position der Dolmet-            tergrundwissen für eine idiomatische Verdolmetschung        Für den Vorstand
    reichen Lebensbereichen wird nötig – ob auf dem Amt,             scher*innen überschritten.                                       sind. Die richtige Einschätzung des Settings und eine
    bei Arzt/Ärztin, vor Gericht oder dem Standesamt.                                                                                 sensible, transparente Kommunikation bewirken einen
    Beim Dolmetschen im Gemeinwesen stehen demnach                   Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer                 großen Unterschied in dem gedolmetschten Gespräch.
    gesellschaftliche Teilhabe und Inklusion im Mittelpunkt.         (BDÜ) Landesverband Berlin-Brandenburg e. V., größ-                                                                          Isabel Frey                     Christin Dallmann
    Da Geflüchtete überdies oftmals von gewaltvollen Er-             ter Berufsverband in der Hauptstadt, engagiert sich für          In der vorliegenden, vollständig überarbeiteten Bro-        Referentin für Dolmetschen im   Erste Vorsitzende
                                                                                                                                                                                                  Gemeinwesen
    fahrungen in den Heimatländern oder auf der Flucht               hohe Qualitätsstandards und die Einhaltung fachlicher            schüre finden Sie ein umfassendes, von Expert*innen
    erzählen müssen, kommt den Dolmetscher*innen und                 und ethischer Normen bei der Ausübung des Dolmetsch-             erarbeitetes LSBTI-Glossar in sechs Sprachen: Ara-          BDÜ Landesverband Berlin-Brandenburg e. V.
2                                                                                                                                                                                                                                                            3
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
1.
                                                                                        Die meisten kommen aus Ländern, in denen ihnen die                     ken in der Arbeit mit geflüchteten LSBTI sowie Mög-
                                                                                        Todesstrafe oder strafrechtliche Verfolgung und Krimi-                 lichkeiten zum eigenen Schutz durch Psychohygiene
                                                                                        nalisierung drohen, sie Moralgesetzen oder Vorschriften                werden in Kapitel 4 erläutert. Kapitel 5 wirft einen Blick
                                                                                        ausgesetzt sind, welche die Rechte von LSBTI auf freie                 auf die Entstehung von Begriffen für und von LSBTI und
                                                                                        Meinungsäußerung und Privatsphäre beschränken, oder                    bietet ein Glossar mit Erklärungen und Einordnungen

                              EINLEITUNG
                                                                                        wo sie Gewalt und Diskriminierung in der eigenen Fami-                 derer auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Französisch,
                                                                                        lie und Gesellschaft erleben.                                          Farsi/Persisch und Russisch. Kapitel 6 umfasst eine
                                                                                                                                                               Checkliste, in der das Wichtigste für die Arbeit mit ge-
                                                                                        Bei ihrer Ankunft in Deutschland werden geflüchtete                    flüchteten LSBTI auf einen Blick zusammengefasst ist.
                                                                                        LSBTI mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Diese                    In Kapitel 7 befindet sich eine Übersicht von Beratungs-
                                                                                        Probleme umfassen insbesondere:                                        stellen in Berlin, die geflüchtete LSBTI mit Angeboten
                                                                                                                                                               unterstützen. In den Kapiteln 8 und 9 finden Sie wei-
                              LIEBE DOLMETSCHER*INNEN1 ,                                                                                                       terführende Links sowie Landkarten, die die menschen-
                              wir begrüßen Sie herzlich und möchten Ihnen unse-                die rechtlichen Beschränkungen durch das deut-                  rechtliche Situation von LSBTI in Europa und anderen
                              re (2020 vollständig überarbeitete und aktualisierte)            sche Asylrecht                                                  Weltregionen graphisch darstellen.
                              Broschüre vorstellen, mit der wir eine gute und diskri-          die häufig mangelhafte Qualifikation von Mit-
                              minierungsarme Dolmetschung für lesbische, schwule,              arbeiter*innen durch fehlende Fortbildungs-		                   Die Schwulenberatung Berlin berät verstärkt seit 2015
                              bisexuelle, trans* und inter* (LSBTI) Geflüchtete er-            möglichkeiten bei der Anerkennungspraxis von                    geflüchtete LSBTI und bietet seit 2016 Trainings für Men-

    Obwohl ich früher         möglichen möchten - ob in einer Unterkunft für Ge-
                              flüchtete, einer Beratungsstelle, dem Bundesamt für
                                                                                               Verfolgung auf Grund der sexuellen Orientie-
                                                                                               rung, der Geschlechtsidentität oder der körper-
                                                                                                                                                               schen an, die in diesem Bereich arbeiten bzw. sich ehren-
                                                                                                                                                               amtlich engagieren, u.a. für Dolmetscher*innen2. Diese
    sehr schlechte Erfah-     Migration und Flucht, dem Landesamt für Flüchtlings-             lichen Vielfalt                                                 Broschüre ist eine vollkommen überarbeitete Version der
                              angelegenheiten (LAF), bei Ärzt*innen oder andernorts.           Diskriminierung und Gewalt gegenüber LSBTI                      2017 erstmalig erschienenen gleichnamigen Veröffentli-
    rungen mit Dolmet-                                                                         in den Erst- und Gemeinschaftsunterkünften 		                   chung. Die vorliegende editierte Version basiert auf der

    scher*innen gemacht       Personen mit unterschiedlichen Profilen und Qualifi-
                              kationen - von professionellen Dolmetscher*innen mit
                                                                                               sowie im öffentlichen Raum
                                                                                               rassistische Diskriminierungen auf institutionel-
                                                                                                                                                               Praxiserfahrung der Trainings von und Zusammenarbeit
                                                                                                                                                               mit Dolmetscher*innen für LSBTI-Geflüchtete. Sie ist
    hatte, kann ich die       entsprechender Ausbildung bis ehrenamtliche Unter-               ler und gesellschaftlicher Ebene und zum Teil 		                in Kooperation mit der Berliner Initiative für gutes Dol-
                              stützer*innen, die mehrsprachig sind - dolmetschen               auch in LSBTI-Zusammenhängen                                    metschen3 entstanden, einem Zusammenschluss pro-
    Dolmetscherin in          tagtäglich für geflüchtete LSBTI. Diese Broschüre rich-          den erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt und                     fessioneller Dolmetscher*innen, die sich für das Recht
    meiner Asylanhörung       tet sich an alle Dolmetscher*innen in ihrer Vorwissens-
                              und Erfahrungsvielfalt und bietet sowohl Informationen
                                                                                               zu medizinischen Leistungen.                                    auf Partizipation im Zusammenhang mit mehrsprachiger
                                                                                                                                                               Kommunikation engagieren. Sie unterstützt Einrichtun-
    nicht vergessen. Sie      zur besonderen Situation von geflüchteten LSBTI als                                                                              gen und Menschen, die auf Verdolmetschung angewiesen
                              auch z. B. allgemeine Hinweise in Bezug auf die Rolle     Wir zeigen in Kapitel 2 die unterschiedlichen Begriffe                 sind, und setzt sich für die Aus- und Weiterbildung von
    war professionell und     der Dolmetscher*innen.                                    und Fluchtgründe auf und gehen auf die rechtliche Si-                  Dolmetscher*innen im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs-
    hat bei verschiede-       Im Kontakt mit Behörden, Unterkünften bzw. Bera-
                                                                                        tuation von lesbischen, schwulen und bisexuellen sowie
                                                                                        trans* und inter* Menschen in Deutschland ein. In Kapi-
                                                                                                                                                               und Verwaltungswesen ein.

    nen Begriffen nach-       tungsstellen sind viele Geflüchtete auf Dolmetschung      tel 3 werden konkrete Tipps für die Dolmetschung mit                   Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre und viel

    gefragt. Sie hat sich
                              angewiesen. Es braucht gut informierte und sensibili-     LSBTI vorgestellt. Das Thema Trauma und dessen Risi-                   Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit!
                              sierte Dolmetscher*innen, einerseits damit sie sich in
    entschuldigt, weil sie    der Lage sehen, die oft gewaltvollen Erfahrungen in den
                              Heimatländern und auf der Flucht überhaupt erzählen
    die Begriffe, die ich     zu können, und andererseits, damit diese Erfahrungen
                                                                                          Gleich zu Anfang zwei Anmerkungen zum Sprachgebrauch und zur Schreibweise: Übersetzung bedeutet die schriftliche Übertragung von
                                                                                        1

    benutzt habe, nicht       ins Deutsche richtig übertragen werden. In dieser Bro-
                              schüre werden die Besonderheiten in Bezug auf Dol-
                                                                                        		Texten von einer Sprache in eine andere. Beim Dolmetschen werden gesprochene oder schriftlich fixierte Texte mündlich von einer Sprache
                                                                                        		in eine andere übertragen. Sprachmittlung ist der Oberbegriff für beide Tätigkeiten. In der Alltagssprache werden die Bezeichnungen
    kannte. Es war erfri-     metschung für geflüchtete LSBTI dargestellt, die sich
                              aus deren Situation ergeben.
                                                                                        		Dolmetschen, Übersetzen und Sprachmittlung oft verwechselt bzw. falsch verwendet (s. a. https://berliner-initiative.org/dolmetschen/). In
                                                                                        		dieser Broschüre geht es um das Dolmetschen mit/für geflüchtete LSBTI, sodass wir den Begriff „Dolmetscher*innen“ verwenden. Zudem
    schend und beruhi-                                                                  		verwenden wir in dieser Broschüre die Schreibweise mit dem Asterisk* (z. B. Dolmetscher*innen), um das Spektrum geschlechtlicher Vielfalt
                                                                                        		auch in der Sprache deutlich zu machen. Dies zeigt und erkennt an, dass nicht nur die Pole ‚‚weiblich“ und ‚‚männlich“ existieren, sondern
    gend für mich.“           Es ist vorsichtig geschätzt davon auszugehen, dass min-
                              destens 5% der knapp 80 Millionen Menschen, die
                                                                                        		ein ganzes Kontinuum von Geschlecht und Geschlechtsidentitäten.

                              weltweit auf der Flucht sind, lesbische, schwule, bise-
                                                                                        2
                                                                                            https://schwulenberatungberlin.de/angebote/fortbildung

    (M., 40, schwuler Mann)   xuelle sowie trans* und inter* (LSBTI) Personen sind.     3
                                                                                            https://berliner-initiative.org
4                                                                                                                                                                                                                                      5
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
len. Andererseits wird die sexuelle Orientierung von bi-
                                                                                                                            sexuellen Menschen im Asylverfahren oft angezweifelt,
                                                                                                                            da davon ausgegangen wird, sie seien heterosexuell.

                                                                                                                            LESBISCHE FRAUEN                                            Ich wurde aufgrund
                                                                                                                            leiden häufig unter mehrfacher Diskriminierung auf-
                                                                                                                            grund ihres Geschlechts, ihres oft niedrigeren sozialen     von sozialen Tradi-
                                                                                                                            oder wirtschaftlichen Status, ihrer sexuellen Orientie-
                                                                                                                            rung und ihres Geschlechtsausdrucks. Sie sind nicht
                                                                                                                                                                                        tionen gezwungen,
                                                                                                                            selten Opfer von Gewalt durch nicht-staatliche Ak-          eine Frau zu heiraten.
                                                                                                                            teur*innen, darunter sogenannte „korrigierende Verge-
                                                                                                                            waltigungen“, Vergeltungsmaßnahmen durch ehemali-           Meine Frau hat mich
                                                                                                                                                                                        und meine Kinder in

                                                           2.
                                                                                                                            ge Partner oder Ehemänner, Zwangsverheiratung und
                                                                                                                            „Ehrenmorde“ durch Angehörige. Darüber hinaus kann
                                                                                                                            es lesbischen Müttern passieren, dass ihnen auf Grund       Syrien verlassen. Ich
                                                                                                                            homofeindlicher Gesetzgebung ihre Kinder weggenom-
                                                                                                                            men werden.                                                 hatte große Angst,
                                                                                                                                                                                        meine Situation zu

           GEFLÜCHTETE LSBTI                                                                                                    „Ich war eine LSBTI- und
                                                                                                                             Frauenrechtsaktivistin. Als die
                                                                                                                             Regierung damit begann, Bür-
                                                                                                                                                                                        erklären, weil der
                                                                                                                                                                                        Dolmetscher sehr
                                                                                                                                                                                        religiös war. Als die
            IN DEUTSCHLAND:                                                                                                 gerrechtsaktivist*innen zu inhaf-
                                                                                                                            tieren, musste ich fliehen, denn
                                                                                                                             als lesbische Frau hätte ich die
                                                                                                                                                                                        LSBTI-Organisation
                                                                                                                                                                                        dem Sozialarbei-
    BEGRIFFE, FLUCHTGRÜNDE UND RECHTLICHE SITUATION                                                                          Gefängnisse in Ägypten nicht                               ter meine Situation
                                                                                                                                        überlebt.“                                      schilderte, war der
     Die Einwanderungsgründe von Asylsuchenden und Ge-            Menschen, d. h. lesbische Frauen und schwule Männer,                  (S., 25, lesbische Frau)
                                                                                                                                                                                        Dolmetscher freund-
     flüchteten sowie ihre Wege nach Deutschland sind sehr        gehen Beziehungen mit Personen des gleichen Ge-                                                                       licher als ich gedacht
     unterschiedlich. Ihre Erfahrungen variieren stark und        schlechts ein. Bisexuelle Menschen fühlen sich sowohl
     sind von ihrem politischen, sozialen, familiären, religiö-   zu Frauen als auch zu Männern hingezogen.                 Im Jahr 2017 wurde das „Gesetz zur Einführung des           hätte. Das hat mir
     sen und wirtschaftlichen Umfeld geprägt. Diese Hinter-
     gründe können die Art und Weise beeinflussen, wie sie        GESCHLECHTSIDENTITÄT
                                                                                                                            Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge-
                                                                                                                            schlechts“ (EheöffnungsG) verabschiedet. Seit Okto-
                                                                                                                                                                                        sehr geholfen, beson-
     ihre sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsiden-          meint das gefühlte und individuelle Erleben einer Per-   ber 2017 können gleichgeschlechtliche Paare heiraten.       ders als ich in Trä-
     tität ausdrücken oder erklären, warum sie offen queer4       son von ihrem Geschlecht, z. B. als Frau, als Mann, so-   Jedoch ist die sogenannte „Ehe für alle“ rechtlich noch
     oder eben nicht als LSBTI leben. Auch können die ein-        wohl-als-auch, weder-noch oder etwas anderem. Dies        nicht vollständig der heterosexuellen Ehe gleichgestellt.   nen ausbrach, als ich
     zelnen unter dem Akronym LSBTI zusammengefassten
     Menschen völlig unterschiedliche Arten von Verfolgung
                                                                  kann, muss aber nicht mit normierenden gesellschaft-
                                                                  lichen Erwartungen an das Geschlecht übereinstimmen,
                                                                                                                            So muss bei der Geburt eines Kindes in eine homosexu-
                                                                                                                            elle Ehe der nicht-leibliche Elternteil eine sogenannte
                                                                                                                                                                                        anfing, über meine
     und Diskriminierung erleben.                                 das bei der Geburt festgelegt und eingetragen wird („Es   „Stiefkindadoption“ durchführen. Bei heterosexuellen        Kinder zu erzählen.“
                                                                  ist ein Mädchen!“ / „Es ist ein Junge!“).                 Paaren hingegen wird der Ehemann automatisch als Va-
     SEXUELLE ORIENTIERUNG                                                                                                  ter eingetragen, selbst wenn dieser nicht der leibliche
                                                                                                                                                                                        (M., 40, schwuler Mann)
     beschreibt, zu wem ein Mensch sich romantisch und/           BISEXUELLE MENSCHEN                                       Vater ist.5
     oder sexuell hingezogen fühlt. In unserer Gesellschaft       Die Verfolgung bzw. Diskriminierung bisexueller Men-
     wird von einer heterosexuellen Norm ausgegangen, bei         schen kann auf der Annahme beruhen, der Mensch sei        Im Asylverfahren laufen geflüchtete Lesben und bise-
     der erwartet wird, dass Frauen und Männer sich gegen-        schwul oder lesbisch, obwohl bisexuelle Menschen sich     xuelle Frauen, die nicht in das westlich-normative Bild
     seitig begehren, also heterosexuell sind. Homosexuelle       sowohl zu Frauen als auch zu Männern hingezogen füh-      einer lesbischen oder bisexuellen Frau passen, Gefahr,
6                                                                                                                                                                                                                 7
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
vorauszusetzen, dass alle          die Polizei oder unter dem Vorwand von Sexarbeit              in der Regel ohne vollumfassend informierte Zustim-
                                                                                        schwulen Männer ihre sexuel-       oder Drogenhandel verhaftet werden.                           mung der Person bzw. deren Eltern und oft schon im
                                                                                        le Orientierung offen leben                                                                      frühen Kindesalter statt.
                                                                                        oder „feminin“ seien. Außer-       Die rechtliche Lage für trans* Menschen wird seit 1981
                                                                                        dem identifizieren sich nicht      in Deutschland im Transsexuellengesetz (TSG) ge-              Manche inter* Menschen identifizieren sich mit dem
                                                                                        alle Männer, die Sex mit Män-      regelt. Das TSG wird angewendet, wenn der Wunsch              ihnen zugewiesenen Geschlecht, andere nicht. Man-
                                                                                        nern haben, als schwul. Indem      vorhanden ist, den Vornamen und/oder den Personen-            che nehmen selbstbestimmte geschlechtsangleichende
                                                                                        sie Rollen und Eigenschaften,      stand offiziell zu ändern. Es steht seit Jahren in der Kri-   Maßnahmen vor, andere nicht.
                                                                                        die als „weiblich“ gelten, ein-    tik von Trans*- und Menschenrechtsexpert*innen, da
                                                                                        nehmen, können schwule             es geschlechtliche Selbstbestimmung rechtlich massiv          PERSONENSTANDSGESETZ (PSTG)
                                                                                        Männer als „Verräter“ ange-        erschwert, u. a. weil Vornamens- und Personenstands-          Am 13. Dezember 2018 hat der Deutsche Bundestag
                                                                                        sehen werden, egal ob sie „fe-     änderungen nur mittels zweier „Begutachtungen“                ein neues Personenstandsgesetz („Gesetz zur Änderung
                                                                                        minin“ sind oder nicht.                                                                          der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“)
                                                                                                                                                                                         verabschiedet, mit dem neben „weiblich“ und „männ-
                                                                                      Schwule können besonders
                                                                                      beim Militär, im Gefängnis
                                                                                                                            „Ich habe mich immer als Frau                                lich“ sowie dem Offenlassen des Geschlechtseintrags
                                                                                                                                                                                         als weitere positive Bezeichnung „divers“ gewählt wer-
                                                                                      und in traditionell männlich         gefühlt, aber dies auszudrücken                               den kann.
                                                                                      dominierten Zusammenhän-             hätte zu meiner Hinrichtung ge-
    als unglaubwürdig bewertet zu werden. Allein die An-
                                                                                      gen gefährdet sein. Schwule
                                                                Männer können aufgrund des gesellschaftlichen Dru-
                                                                                                                           führt. Ich bin nach Deutschland                               Wenn ein Kind bei der Geburt „weder dem weiblichen
                                                                                                                                                                                         noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden“
    nahme, sexuelle Orientierung folge stets einer linearen     ckes auch heterosexuelle Partnerschaften/Ehen füh-         gekommen, um die Frau zu sein,                                kann, können dessen Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind
    Entwicklung, an deren Ende ein „Coming-Out“ und             ren und/oder Kinder haben.7                                                                                              als weiblich, männlich, divers oder ohne Geschlechtsan-
    eine klare Trennung von Hetero- und Homosexuali-
                                                                                                                                      die ich bin.“                                      gabe eintragen lassen möchten.
    tät sowie der Wunsch nach öffentlich ausgedrückter          TRANS* MENSCHEN
    Homosexualität steht, beruht auf einem westlichen           Bei trans* Menschen stimmt die Geschlechtsidentität                       (K., 23, trans* Frau)                          Für eine Änderung des Geschlechtseintrags im Ju-
    Modell von Sexualität. Gleiches gilt für die Vorstellung,   nicht oder nicht vollständig mit dem Geschlecht überein,                                                                 gend- oder Erwachsenenalter müssen Personen
    lesbische oder bisexuelle Frauen könnten nicht zuvor in     das bei der Geburt festgelegt und eingetragen wurde. Es                                                                  eine ärztliche Bescheinigung („Varianten der Ge-
    heterosexuellen Partnerschaften oder Ehen gewesen           gibt eine große Vielfalt an möglichen Trans*-Identitä-     durch vom Amtsgericht bestellte Gutachter*innen               schlechtsentwicklung“) vorlegen oder eine eides-
    sein oder Kinder haben und müssten direkt nach der          ten. Selbstbezeichnungen sind u. a. transgender, trans-    möglich sind, sowie wegen der Dauer und Kosten des            stattliche Erklärung abgeben. Bei Kindern und
    Ankunft in Deutschland mit der Suche nach einer Part-       ident, transsexuell, transgeschlechtlich, Crossdresser,    Verfahrens.8                                                  Jugendlichen bis 14 Jahre können nur die Erzie-
    ner*in beginnen.6                                           Drag Kings und Queens, Transvestiten. Manche trans*                                                                      hungsberechtigten die Erklärung abgeben. Nach
                                                                Personen möchten eine Geschlechtsangleichung (Tran-        INTER* MENSCHEN                                               Vollendung des 14. Lebensjahres geben die Jugend-
    SCHWULE MÄNNER                                              sition) machen, d. h. ihr Geschlecht medizinisch und/      Inter* oder Intergeschlechtlichkeit ist ein Sammelbe-         lichen selbst die Erklärung ab und ihre Erziehungs-
    sind in vielen Gesellschaften oft sichtbarer in der         oder rechtlich verändern.                                  griff für Menschen mit unterschiedlichsten, gesunden          berechtigten müssen zustimmen.
    Öffentlichkeit und können im Fokus von politischen                                                                     Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale,
    Hetzkampagnen stehen. Es ist jedoch wichtig, nicht          Trans* Personen werden in manchen Ländern krimi-           Geschlechtsorgane, Geschlechtschromosomen und/                Auch in Deutschland lebende Asylberechtigte, Ge-
                                                                nalisiert, wenn geschlechtsspezifische Regeln über-        oder Geschlechtshormone. Diese können sich vor                flüchtete sowie nicht-deutsche Staatsangehörige, in
                                                                schritten werden. Sie können auch erheblichen Dis-         bzw. bei der Geburt, in der Kindheit, während der             deren Herkunftsland keine vergleichbare Regelung
     „Ich wurde in meiner Nachbar-                              kriminierungen in der Familie, auf dem Arbeitsmarkt
                                                                und im Gesundheitswesen ausgesetzt sein. In man-
                                                                                                                           Pubertät oder zu einem späteren Zeitpunkt im Leben
                                                                                                                           zeigen oder auch unentdeckt bleiben.
                                                                                                                                                                                         existiert, können diese Möglichkeit nutzen.

    schaft geoutet. Mein Cousin hat                             chen Ländern gibt es keine sozialen, medizinischen                                                                       GEFLÜCHTETE LSBTI UND DISKRI-
      mich mit einem Messer atta-                               und rechtlichen Möglichkeiten zur Geschlechtsan-           In vielen Ländern inkl. Deutschland werden Opera-             MINIERUNG BZW. GEWALT
                                                                gleichung. Trans* Personen werden häufig margina-          tionen und andere medizinische Maßnahmen wie z. B.            LSBTI im Allgemeinen sind nicht selten mit Diskrimi-
      ckiert und mich fast getötet.                             lisiert – zum Teil auch in LSBTI-Zusammenhängen            Hormongaben an Inter*-Körpern vorgenommen, um                 nierungen, feindlichen Einstellungen bzw. verschie-
      Daraufhin hat meine Mutter                                – und können körperliche, psychische und sexuelle          diese an stereotyp normierende Vorstellungen von              denen Arten von Gewalt konfrontiert. Dies trifft in
                                                                Gewalt erleben. Wenn der Vorname und Personen-             „weiblichen“ oder „männlichen“ Körpern „anzupassen“.          noch höherem Maße auf geflüchtete LSBTI zu, bei
        meine Flucht arrangiert.“                               stand in amtlichen Dokumenten mit der Geschlechts-         Unter gesellschaftlichem bzw. medizinischem Druck             den oftmals mehrere Diskriminierungsformen zu-
                                                                identität der Person nicht übereinstimmt, sind trans*      willigen Betroffene oder deren Eltern ein, an gesunden        sammenkommen und sich gegenseitig verstärken
                (S., 23, schwuler Mann)                         Menschen besonders gefährdet. Sie können z. B. von         Genitalien zu operieren bzw. gesunde (z. B. hormonpro-        können.
                                                                nicht-staatlichen Akteur*innen belästigt oder durch        duzierende) Organe zu entfernen. Die Eingriffe finden
8                                                                                                                                                                                                                                                  9
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
HOMOFEINDLICHKEIT BZW. HOMOPHOBIE                               Geflüchtete LSBTI sind als besonders schutzbedürfti-                   rende und Flüchtlinge“10 vom 11. August 2015 anerkannt
     bezeichnet die negative Einstellung gegenüber homo-             ge Gruppe zu begreifen, da sie nicht nur in ihren Her-                 und dies im Masterplan für Integration und Sicherheit11
     sexuellen Menschen bzw. solchen, die als homosexuell            kunftsländern, sondern auch in Deutschland Homo-,                      bekräftigt. Dadurch haben geflüchtete LSBTI Anspruch
     wahrgenommen werden. Ausdruck dessen können sein:               Trans*- und Inter*feindlichkeit ausgesetzt sind. Diskrimi-             auf besondere Leistungen, wie zum Beispiel eine sichere
                                                                     nierungs- und Gewalterfahrungen machen sie darüber                     Unterkunft oder Hormonbehandlung bei trans* Geflüch-
          psychische und/oder körperliche Gewalt                     hinaus insbesondere auf der Flucht, wo sie im erhöhten                 teten.
          Beschimpfungen                                             Maße von sexualisierter Gewalt und Ausgrenzung betrof-
          rechtliche Benachteiligungen bzw. institutionelle          fen sind. In Deutschland angekommen, sind geflüchtete                  7-PUNKTE-PLAN DES LANDES
          Diskriminierungen (vgl. „Ehe für alle“)                    LSBTI in Gemeinschaftsunterkünften oftmals mit den                     BERLIN12
                                                                     gleichen homo-, trans*- bzw. inter*feindlich agierenden                Um geflüchtete LSBTI umfassend unterstützen zu kön-
     TRANS*/INTER*FEINDLICHKEIT BZW. TRANS*/                         Menschen konfrontiert, vor denen sie geflohen sind.                    nen, wurde das „Berliner Modell für die Unterstützung
     INTER*PHOBIE                                                    Diese Diskriminierungserfahrungen werden noch durch                    von LSBTI-Geflüchteten“ entwickelt, dessen 7-Punk-
      meint die negative Einstellung gegenüber trans* und in-        Homo-, Trans*- und Inter*feindlichkeit in der deutschen                te-Plan umfasst:
     ter* Menschen bzw. solchen, die als Trans*/Inter* wahr-         Gesellschaft verschärft, die nicht selten mit Rassismus
     genommen werden. Dies kann sich u. a. zeigen als:               gegenüber Geflüchteten verwoben ist.                                         gesonderte Unterbringung
                                                                                                                                                  schnelle Erstregistrierung und Vermittlung
          psychische und körperliche Gewalt                          Darüber hinaus haben geflüchtete LSBTI einen besonde-                        erweiterte Qualitäts- und Unterbringungsstandards
          Beschimpfungen                                             ren Bedarf an Gesundheitsversorgung. Dazu zählen die                         Gewaltschutzprogramme
          Infragestellen oder Aberkennen der Geschlechts             Prävention und Behandlung von sexuell übertragbaren                          Stärkung der Beratungs- und Hilfestrukturen
          identität (falsche Anrede bzw. Pronomen)                   Infektionen oder trans*- und inter*spezifische medizi-                       Handlungskompetenzen stärken
                                                                     nische Maßnahmen, wie z. B. geschlechtsangleichende                          Informationsmaterialien
     MEHRFACHDISKRIMINIERUNG                                         Operationen von trans* Menschen.
     Eine Mehrfachdiskriminierung liegt vor, sobald Perso-                                                                                  Im Land Berlin gibt es mittlerweile eine Reihe von spezi-
     nen gleichzeitig mehreren benachteiligten Gruppen               Das Land Berlin hat als erstes Bundesland die besondere                fischen Hilfsangeboten für geflüchtete LSBTI. Bereit-
     angehören und in Situationen geraten, in denen sie aus          Schutzbedürftigkeit von geflüchteten LSBTI in seinem                   gestellt werden diese von unterschiedlichen Trägern und
     mehr als einem Grund diskriminiert werden. Dies um-             „Versorgungs- und Integrationskonzept für Asylbegeh-                   Institutionen, die wir in Kapitel 7 aufgelistet haben.
     fasst eine Kombination aus verschiedenen Arten von
     Diskriminierung, z. B. aufgrund von:

          Sexismus/Frauenfeindlichkeit
          Rassismus
          Homo-/Trans*/Inter*feindlichkeit
          Armut
          Beeinträchtigung/Behinderung                                 Queer wird hier als Überbegriff für lesbische, schwule, bisexuelle sowie trans* und inter* Personen gebraucht, d. h. LSBTI und queer
                                                                     4

                                                                     		werden synonym verwendet. Eine genauere Begriffsdefinition von „queer“ befindet sich im Glossar (Kapitel 5).
     Diese Arten der Diskriminierung werden miteinander ver-           Zum Redaktionsschluss (Sep. 2020) hatte der Deutsche Bundestag noch nicht über das sogenannte “Adoptionshilfegesetz“
                                                                     5

     bunden und verstärken sich gegenseitig. So sind z.B. die häu-   		entschieden, das lesbische Mütter ebenfalls zu diskriminieren droht, mehr dazu hier: https://www.lsvd.de/de/ct/2857-bundesrat-
     figsten Opfer von (physischer) Gewalt Schwarze oder PoC         		verhindert-verschaerfung-der-diskriminierung-von-lesbischen-muettern
     (People of Colour) trans* Frauen und Sexarbeiter*innen.           Vgl. die Stellungnahme zur Situation lesbischer und bisexueller Frauen im Asylverfahren der Fachstelle für LSBTI Geflüchtete der
                                                                     6

                                                                     		Schwulenberatung Berlin: https://tinyurl.com/y6dbr3j9
     LSBTI ALS BESONDERS SCHUTZBE-                                     Im Kapitel 9 unter den LSBTI-relevanten Landkarten befindet sich der Rainbow Europe Country Index der International Lesbian, Gay,
                                                                     7

     DÜRFTIGE PERSONENGRUPPE                                         		Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA Europe), der u. a. die Gleichstellung von homosexuellen gegenüber heterosexuellen
     „Geflüchtete LSBTI haben [...] nicht nur in ihrem Hei-          		Personen in Deutschland misst.
     matland Repressalien, Diskriminierungen und Gewalt er-            Zur Kritik am TSG siehe u. a. hier: http://www.transinterqueer.org/allgemein/selbstbestimmter-geschlechtseintrag-fuer-alle-menschen
                                                                     8

     lebt, sondern häufig auch während der Flucht und sind           		-und-verbot-von-geschlechtsveraendernden-operationen-an-kindern-jetzt/
     dadurch oft zusätzlich traumatisiert. [...] Viele von ihnen     9
                                                                          http://www.berlin.de/sen/lads/schwerpunkte/gefluechtete/lsbti-gefluechtete/ (31.08.17)
     möchten sich aus nachvollziehbaren Gründen jedoch               10
                                                                          www.berlin.de/rbmskzl/_assets/dokumentation/versorgungs-_und_integrationskonzept_fur_fluchtlinge.pdf
     nicht outen und leben nach wie vor versteckt. Ob sicht-
     bar oder nicht, LSBTI-Geflüchtete benötigen gezielte
                                                                     11
                                                                          http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/politik-aktuell/2016/meldung.480539.php

     Unterstützung und Schutz.“9                                     12
                                                                          https://www.berlin.de/sen/lads/schwerpunkte/gefluechtete/lsbti-gefluechtete/
10                                                                                                                                                                                                            11
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
Die Frage des Vertrauens stellt dementsprechend in der
                                                                Zusammenarbeit mit geflüchteten LSBTI einen zentra-

                            3.
                                                                len Punkt dar. Darüber hinaus entstehen hierbei weitere
                                                                Herausforderungen für Dolmetscher*innen, die wir im
                                                                Folgenden stichpunktartig skizzieren. In den anschlie-
                                                                ßenden Absätzen „Vertrauen schaffen und Respekt
                                                                zeigen“, „Bewusstsein für die eigene Rolle entwickeln“,
                                                                „Dolmetschung ohne stereotype Vorstellungen von

     TIPPS FÜR DIE
                                                                LSBTI“ wird aufgezeigt, wie diesen verschiedenen He-
                                                                rausforderungen begegnet werden kann.
                                                                                                                          Ich als trans* Mann
                                                                                                                          hatte keine ge-
     DOLMETSCHUNG                                                                                                         schlechtsangleichen-
                                                                                                                          den Operationen
          MIT                                                      WELCHE FAKTOREN KÖNNEN
                                                                   DIE DOLMETSCHUNG FÜR
                                                                   ASYLSUCHENDE UND GE-
                                                                                                                          im Iran. Als ich dem
                                                                                                                          Dolmetscher erklär-
     GEFLÜCHTETEN                                                  FLÜCHTETE LSBTI ERSCHWE-
                                                                   REN?
                                                                                                                          te, dass ich das Bade-
                                                                                                                          zimmer nicht mit cis
         LSBTI
                                                                        psychische und körperliche Gewalt
                                                                        Die geflüchtete Person vertraut der*dem           Männern benutzen
                                                                        Dolmetscher*in nicht.
                                                                        Die*der Dolmetscher*in ist mit der beson-
                                                                                                                          kann, hat er mich mit
                                                                        deren Lebenssituation von geflüchteten            vielen persönlichen
                                                                                                                          Fragen bombardiert.
                                                                        LSBTI in ihren Herkunftsländern und in
                                                                        Deutschland nicht vertraut.
     Die meisten asylsuchenden und geflüchteten LSBTI in
     Deutschland sind aus Ländern geflohen, in denen sie
                                                                        Die*der Dolmetscher*in hat Vorurteile
                                                                        gegenüber LSBTI bzw. stereotype
                                                                                                                          Aus diesem Grund
     lebensbedrohlichen Zuständen aufgrund ihrer sexuellen              Vorstellungen von ihnen.                          entschied ich, lieber
     Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität bzw. ihres Ge-
     schlechtsausdrucks in der eigenen Familie und der Ge-
                                                                        Die*der Dolmetscher*in beherrscht die
                                                                        LSBTI-Terminologie in einer oder in beiden        mit dem Risiko in
     sellschaft ausgeliefert waren. Infolgedessen haben viele
     Angst, offen mit Themen wie Homosexualität, Trans-
                                                                        Sprachen nicht, ist mit den regionalen
                                                                        Varianten nicht vertraut und kennt keine
                                                                                                                          meiner Unterkunft
     oder Intergeschlechtlichkeit umzugehen. Dies gilt auch             respektvolle Bezeichnung für LSBTI.               weiterzuleben, als
     für ihren Kontakt mit Dolmetscher*innen, da diese häu-
     fig aus den gleichen Herkunftsländern stammen und
                                                                        Die*der Dolmetscher*in hat ein falsches
                                                                        Verständnis von ihrer*seiner Rolle.               seine Fragen zu be-
     damit in ihren Augen eine potenzielle „Gefahr“ bzw.                Die*der Dolmetscher*in verwendet das
                                                                        falsche Pronomen (z. B. „er“ statt „sie“),
                                                                                                                          antworten.“
     Quelle von Diskriminierung darstellen können. Darü-
     ber hinaus fürchten geflüchtete LSBTI zum Teil, in ihren           die falsche Ansprache (z. B. „Frau X“ statt
     Herkunftsländern oder vor anderen Asylsuchenden vor                „Herr X“) und den falschen Namen (z. B.           (A., 32, trans* Mann)
     Beendigung ihres Asylverfahrens geoutet zu werden.                 den offiziellen Geburtsnamen und nicht den
     Wenn geflüchtete LSBTI sich nicht in der Lage sehen,               von der geflüchteten Person
     ihre sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsidenti-             selbstgewählten Namen).
     tät offen zu thematisieren, birgt dies wiederum das Ri-            Die*der Dolmetscher*in hält sich nicht an
     siko, dass sie kein angemessenes Verfahren bzw. keine              die Regel der Vertraulichkeit.
     adäquate Beratung erhalten.

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DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
VERTRAUEN SCHAFFEN UND RES-                                 merken, dass die geflüchtete Person misstrauisch oder         werden, die nicht aus dem gleichen Land kommt wie            einflussen. Dabei ist dies schier unmöglich. Allein die
     PEKT ZEIGEN                                                 ängstlich wird, kann ein Satz wie „Ich bin hier, um für Sie   sie. Es ist gut, sich dessen bewusst zu werden, um klar      Präsenz einer dritten Person im Raum verändert die
     Wie am Anfang dieses Kapitels erläutert, spielt die Fra-    unabhängig von Ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Ori-       zu haben, dass es nichts mit Ihnen als Person oder mit       Kommunikationssituation. Wenn Sie sich zu stark aus
     ge des Vertrauens eine besondere Rolle in der Zusam-        entierung oder Geschlechtsidentität zu dolmetschen“           Ihren sprachlichen oder Kommunikationsfähigkeiten            dem Geschehen zurücknehmen und so tun, als wären
     menarbeit mit geflüchteten LSBTI. Wenn Sie auf einige       das Vertrauen fördern.                                        zu tun hat, wenn ein*e LSBTI-Geflüchtete*r von vorn-         Sie nicht da, kann dies sich sogar negativ auf die Kom-
     Punkte achten, können Sie der geflüchteten Person                                                                         herein nicht mit Ihnen arbeiten möchte. Sollten Sie als      munikation auswirken. Mittlerweile findet der Begriff
     leicht das Gefühl vermitteln, dass sie sich bei Ihnen si-   Als Dolmetscher*in unterliegen Sie in allen Situationen       Dolmetscher*in abgelehnt werden, akzeptieren Sie es,         der “Allparteilichkeit“ immer öfter Verwendung, um
     cher fühlen kann. Ein respektvoller Umgang bildet die       der Schweigepflicht. Diese spielt in der Zusammen-            ohne zu versuchen, die geflüchtete Person zu einer Zu-       die Rolle der Dolmetscher*innen adäquat zu beschrei-
     Grundlage dafür. Folgendes Zitat beleuchtet, dass eine      arbeit mit geflüchteten LSBTI eine noch brisante-             sammenarbeit mit Ihnen zu überreden.                         ben. Damit ist gemeint, dass der*die Dolmetscher*in
     korrekte Ansprache dabei eine zentrale Rolle spielt:        re Rolle als sonst. Geflüchtete LSBTI sind womöglich                                                                       ein ausgewogenes Nähe-Distanz-Verhältnis zu den ver-
                                                                 nicht überall geoutet und ein ungewolltes Outing kann         LSBTI müssen sich leider oft für ihre Geschlechts-           schiedenen Beteiligten aufrechterhält und für alle mit
                                                                 schwerwiegende Konsequenzen für sie haben. Achten             identität und/oder sexuelle Orientierung rechtfertigen       gleichem Engagement dolmetscht.
                                                                 auch Sie darauf, die Vertraulichkeit des Gesprächs zu         oder diese erklären. Verzichten Sie also darauf, ihnen
     „Während meiner Asylanhörung                                gewährleisten.                                                eigene Fragen zu diesen sehr intimen Themen zu stel-         Alles was im Raum gesagt wird, wird gedolmetscht.
       benutzte die Dolmetscherin                                                                                              len. Zur Erweiterung des eigenen Wissens können Sie          Wenn Sie Verständnisfragen stellen oder etwas mit
        während der gesamten An-                                 Machen Sie sich mit der Terminologie und den Lebens-
                                                                 realitäten von geflüchteten LSBTI in Deutschland und
                                                                                                                               sich an LSBTI-Organisationen wenden, die Ihre Fragen
                                                                                                                               beantworten werden. Im Internet findet sich ebenfalls
                                                                                                                                                                                            einer*m Beteiligten klären, sollten Sie dies auch für
                                                                                                                                                                                            die andere Partei dolmetschen. Indem Sie Ihr eigenes
      hörung das falsche Pronomen,                               in ihren Herkunftsländern vertraut. So kann die ge-           umfangreiches Aufklärungsmaterial (s. weiterführende         Handeln transparent machen, fördern Sie das Vertrau-
       weil mein Name in offiziellen                             flüchtete Person den Eindruck gewinnen, dass sie und          Links).                                                      en aller Beteiligten Ihnen gegenüber. So bekommt z. B.
                                                                 ihre Aussagen von Ihnen verstanden und respektvoll                                                                         keine*r den Eindruck, es wird über sie*ihn gesprochen,
     Dokumenten noch männlich ist.                               übertragen werden. Sie können ebenfalls Vertrauen             Schließlich ist eine Selbstreflexion der eigenen (potenzi-   ohne dass sie*er davon erfährt.
      Sie benutzte auch in der Kom-                              schaffen, indem Sie Ihre Unsicherheiten allgemein und         ellen) Vorurteile und normativen Vorstellungen wichtig,
      munikation mit mir die falsche                             insbesondere in Bezug auf Terminologie offenlegen. In
                                                                 vielen Ländern erfinden LSBTI-Communities ihre eige-
                                                                                                                               um die eigene Offenheit im Umgang mit geflüchteten
                                                                                                                               LSBTI zu garantieren: Bin ich voreingenommen? Habe
                                                                                                                                                                                            Die Aufgabe der Gesprächsführung (Strukturierung des
                                                                                                                                                                                            Gesprächs, Bestimmung der angesprochenen Inhalte,
     Ansprache, und nach einer Weile                             nen Sprachen und Begriffe, um sich gegenseitig zu er-         ich eine stereotype Vorstellung von LSBTI Menschen?          Worterteilung usw.) liegt bei der*dem Berater*in bzw.
      gab ich auf, sie fortlaufend zu                            kennen, ohne sich in Gefahr zu bringen. Wenn Ihnen ein        Wenn Sie feststellen, dass Sie sich in der Zusammen-         der*dem Anhörer*in und nicht bei Ihnen. Es ist nicht
                                                                 Wort nicht geläufig ist, fragen Sie nach Rücksprache          arbeit mit geflüchteten LSBTI befangen fühlen, sollten       Ihre Aufgabe, ins Gespräch zu intervenieren, indem Sie
      korrigieren. Dies führte dazu,                             mit der*dem Berater*in bzw. der*dem Anhörer*in die            Sie sich in dem Bereich weiter sensibilisieren .             z. B. eigene Fragen stellen, Nebenkonversationen mit
      dass ich im Interviewprotokoll                             geflüchtete Person, was damit genau gemeint ist und                                                                        Klient*innen beginnen und/oder diese auffordern, auf
     als männlich aufgeführt wurde.“                             wie das Wort verwendet wird. Seien Sie auch offen für         BEWUSSTSEIN FÜR DIE EIGENE                                   eine bestimmte Weise zu sprechen, sich zu verhalten
                                                                 Kritik, falls die geflüchtete Person sich mit den von Ih-     ROLLE ENTWICKELN                                             oder gar zu sitzen. Ein Eingreifen in das Gespräch ist
                                                                 nen verwendeten Begriffen nicht wohlfühlt. In diesem          Dolmetscher*innen kommt in der Begleitung von ge-            nur denkbar, wenn Sie den Eindruck haben, ein Miss-
                   (K., 24, trans* Frau)                         Fall sollten Sie sich entschuldigen, um Vertrauen und         flüchteten LSBTI eine wichtige Rolle und Verantwor-          verständnis liegt vor oder es fehlt der*dem Berater*in
                                                                 Respekt wiederherzustellen. Diese Unterhaltung zwi-           tung zu, da sie die Kommunikation zwischen Berater*in,       bzw. der*dem Anhörer*in oder der geflüchteten Person
                                                                 schen der*dem Klient*in und der Dolmetscher*in muss           Ärzt*in, Sozialarbeiter*in oder Anhörer*in und der ge-       an wichtigen Hintergrundinformationen, wodurch das
     In diesem Fall wurde offensichtlich die Antragstellerin     ebenfalls für die*den Berater*in bzw. Anhörer*in über-        flüchteten Person ermöglichen. Dies tun die meisten          Verständnis erschwert wird.
     sowohl von der Dolmetscherin als auch von der anhö-         setzt werden.                                                 nach bestem Wissen und Gewissen – nicht selten auch
     renden Person falsch angesprochen. Achten Sie selbst                                                                      unentgeltlich. Dabei verfügen viele über keine entspre-      Sowohl im Kontext von Beratung als auch beim Asyl-
     darauf, dass Sie stets das Pronomen („sie“, „er“ oder       Die meisten geflüchteten LSBTI kommen aus Ländern,            chende Ausbildung und haben somit kein klares Bild von       verfahren leisten Sie nicht nur eine zwischensprachliche
     auch kein Pronomen) und die Anrede (Frau X, Herr X          in denen keine nicht-medizinischen bzw. positiven Be-         ihrer Rolle, ihren Aufgaben bzw. deren Grenzen. Dies         Übertragung, sondern vermitteln auch wenn nötig In-
     oder Vor- und Nachname) anwenden, welche die ge-            griffe für ihre Lebensrealitäten existieren. So verwen-       führt nicht selten zu Missverständnissen und Schwierig-      formationen und Erklärungen über den jeweiligen Kon-
     flüchtete Person selbst verwendet, um über sich zu          den sie ggf. englische Bezeichnungen für ihre sexuel-         keiten zwischen den Beteiligten und kann mitunter gra-       text. Damit geflüchteten LSBTI ein angemessenes Asyl-
     sprechen. Verwenden Sie ebenfalls den Vornamen, den         le Orientierung bzw. Geschlechtsidentität bzw. ihren          vierende Folgen für die geflüchtete Person haben.            verfahren und effektive Beratung zuteilwerden, sollten
     die Person selbst im Gespräch benutzt und nicht auto-       Geschlechtsausdruck. Infolgedessen ist es ratsam, sich                                                                     Sie in der Lage sein, die Lebenswelt der geflüchteten
     matisch den Vornamen, der in offiziellen Papieren an-       ebenfalls die englischsprachige LSBTI-Terminologie an-        Als Dolmetscher*in sind Sie für das Funktionieren der        Personen in unterschiedlichen Bereichen interpretieren
     gegeben ist. Sollte die*der andere Gesprächspartner*in      zueignen (s. Glossar).                                        Kommunikation zuständig – mehr nicht (das reicht ja          zu können, z. B. soziale Themen, Arbeit, Alltag, Religion,
     die geflüchtete Person falsch ansprechen, ist es ratsam,                                                                  auch!). Oft wird betont, dass Dolmetscher*innen sich         eigene Biographie und Gesundheit. Sie sollten sich also
     ihn*sie darauf aufmerksam zu machen (um die Trans-          Aufgrund ihrer vorangegangenen Erfahrungen möchten            neutral zu verhalten haben. Der Begriff der Neutralität      über die rechtliche Situation, die gesellschaftliche Posi-
     parenz zu gewährleisten, dolmetschen Sie Ihre Anmer-        manche geflüchtete LSBTI nicht in ihrer Erstsprache           kann den Eindruck entstehen lassen, Dolmetscher*in-          tion und die Lebensrealitäten von LSBTI in Deutschland
     kung für die geflüchtete Person). Wenn Sie allgemein        sprechen oder möchten von einer Person gedolmetscht           nen würden den Verlauf des Gesprächs keineswegs be-          und in den Herkunftsländern informieren.
14                                                                                                                                                                                                                                                       15
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
Druck zu entkommen, was jedoch nicht ihre sexuelle
                                                                                                                                                                                                    Orientierung in Frage stellt.

                                                                                                                                                                                                    Ein trans* Mann, der noch kein Testosteron zu sich
                                                                                                                                                                                                    nimmt, hat vielleicht ein Kind geboren oder eine trans*
                                                                                                                                                                                                    Frau Kinder gezeugt. Trotzdem haben sie möglicherwei-
                                                                                                                                                                                                    se Gewalt im Heimatland und auf der Flucht erlebt, weil
                                                                                                                                                                                                    ihr geschlechtlicher Ausdruck nicht den klischeehaften
                                                                                                                                                                                                    Geschlechterbildern entspricht.

                                                                                                                                                                                                    Wenn einem schwulen Mann, der eine heterosexuelle
                                                                                                                                                                                                    Ehe im Heimatland eingehen musste, um vor Verfol-
                                                                                                                                                                                                    gung geschützt zu sein oder einer trans* Frau, die Kinder
                                                                                                                                                                                                    gezeugt hat, in der Anhörung nicht geglaubt wird, dass
                                                                                                                                                                                                    sie schwul oder trans* sind, erschwert das die Glaubhaft-
                                                                                                                                                                                                    machung des Asylantrags. Schlimmstenfalls verunmög-
                                                                                                                                                                                                    licht es ihn. Umso wichtiger ist eine klischeefreie Dol-
                                                                                                                                                                                                    metschung, die etwaige nur scheinbare „Widersprüche“
                                                                                                                                                                                                    in der Biografie nicht zu Ungunsten der geflüchteten
                                                                                                                                                                                                    Person dolmetscht, sondern genauso wiedergibt, wie der
                                                                                                                                                                                                    schwule Mann, die trans* Frau oder ein*e andere*r ge-
                                                                                                                                                                                                    flüchtete*r LSBTI es in der Ausgangssprache schildert.
                                                                                                                                                                                                    .

                                                                                                                                                                                                      „Als ich gefragt wurde, weswe-
                                                                                                                                                                                                     gen ich Asyl in Deutschland be-
     Wenn Sie für manche geflüchtete Personen öfter dol-          hat, können Sie sie an die Schwulenberatung oder an        Da Intergeschlechtlichkeit und die Existenz von Men-                     antrage, sagte ich, weil ich eine
     metschen und Sie sich möglicherweise vor oder nach           eine andere Beratungsstelle verweisen. Dort kann sie       schen, die nicht den normativen medizinischen Vorstel-
     Terminen zusammen unterhalten, kann sich ein nähe-           über die Beschwerdemöglichkeiten informiert wer-           lungen von Weiblichkeit und Männlichkeit entsprechen,
                                                                                                                                                                                                       lesbische Frau bin. Mein Dol-
     res Verhältnis entwickeln. Achten Sie darauf, dass diese     den, die ihr zustehen. Das Land Berlin verfügt z. B.       weltweit immer noch stark tabuisiert sind, werden in-                     metscher schlug mich ins Ge-
     Nähe nicht dazu führt, dass Sie in eine Helfer*innenrolle    seit 2020 über ein Landesantidiskriminierungsgesetz,       tergeschlechtliche Geflüchtete eher selten ihre Inter-                   sicht. Obwohl mein Asylantrag
     verfallen. Einerseits wäre dies der geflüchteten Person      das Personen vor Diskriminierungen aufgrund von u. a.      geschlechtlichkeit benennen oder als Fluchtgrund an-
     gegenüber bevormundend (auch wenn sie auf Unter-             Geschlecht, rassistischer Zuschreibung, sexueller oder     geben. Menschen, die inter* sind, können von anderen                    später bewilligt wurde, kann ich
     stützung angewiesen ist, weiß sie am besten, was für sie     geschlechtlicher Identität durch öffentliche Stellen des   fälschlich oder ausschließlich als trans* betrachtet wer-                 den emotionalen Schmerz nie
     gut ist), andererseits laufen Sie damit Gefahr, sich zu
     übernehmen und über Ihre eigenen Grenzen zu gehen
                                                                  Landes schützt. Auch die Landesstelle für Gleichbe-
                                                                  handlung - gegen Diskriminierung stellt eine mögliche
                                                                                                                             den, da es ein hohes Maß an Unkenntnis über die Exis-
                                                                                                                             tenz und Lebensrealitäten von inter* Menschen gibt.
                                                                                                                                                                                                     vergessen, welcher noch Monate
     (mehr dazu im Kapitel 4).                                    Anlaufstelle für Beschwerden von geflüchteten LSBTI                                                                                nach dem Ereignis spürbar war.“
                                                                  dar (s. a. weiterführende Links in Kapitel 7).             Lesbische Frauen, schwule Männer oder bisexuel-
     Es steht Ihnen in keinem Kontext zu, darüber zu urtei-                                                                  le Menschen können eine Person des anderen Ge-                                        (E., 35, lesbische Frau)
     len, ob die Geschichte einer geflüchteten Person glaub-      DOLMETSCHUNG OHNE STEREO-                                  schlechts geheiratet haben, also eine heterosexuelle
     würdig ist oder nicht – oder ob eine Person „wirklich“       TYPE VORSTELLUNGEN VON LSBTI                               Ehe eingegangen sein, z. B. um dem gesellschaftlichen
     lesbisch, bisexuell, schwul, trans* oder inter* ist. Dies    Haben Sie als Dolmetscher*in Klischees über LSBTI
     gehört nicht zu Ihrem Aufgabenbereich und nur die be-        oder stereotype Vorstellungen im Kopf? Solche Vor-
     troffene Person kann darüber bestimmen (siehe dazu           stellungen übersehen oft, dass LSBTI in Lebensumstän-
     auch in Folge „Dolmetschung ohne stereotype Vorstel-         den sein können, die sie dazu zwingen, z. B. zu heira-
                                                                                                                               Wir möchten an dieser Stelle noch einmal auf unsere Trainings für Dolmetscher*innen in Berlin, die mit LSBTI-Geflüchteten arbeiten,
                                                                                                                             13
     lungen von LSBTI“).                                          ten oder Kinder zu bekommen, einzig um zu überleben
                                                                                                                             		hinweisen. Aktuelle Informationen unter: https://schwulenberatungberlin.de/angebote/fortbildung
                                                                  und nicht verfolgt zu werden. Hier einige Beispiele für
     Falls die geflüchtete Person im Anschluss an ein Ge-         die Komplexität der Lebensrealitäten von geflüchteten
                                                                                                                             14
                                                                                                                                  Links zu entsprechenden Informationen finden Sie u. a. auf der Webseite https://www.queer-refugees.de/.

     spräch Ihnen mitteilt, dass sie sich diskriminiert gefühlt   LSBTI:                                                     15
                                                                                                                                  https://www.hwr-berlin.de/fileadmin/portal/Dokumente/HWR-Berlin/Organisation/Frauenbeauftragte/LADG.pdf
16                                                                                                                                                                                                                                                                   17
DOLMETSCHEN FÜR LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS* UND INTER* GEFLÜCHTETE - EINE HANDREICHUNG FÜR DOLMETSCHER*INNEN
Ein psychisches Trauma (griech.: Wunde) ist eine          könnte. Es ist allerdings davon auszugehen, dass 30-
                     schwere seelische Verletzung aufgrund von Über-           50  % der Geflüchteten unter Traumafolgestörungen
                     forderung der psychischen Schutzmechanismen.              leiden. Die häufigste Art ist die sogenannte Posttrau-
                     Dies stellt eine normale physiologische Reaktion auf      matische Belastungsstörung (PTBS), unter der mehrere
                     abnorme Ereignisse, die durch Menschen oder die           klinische Diagnosen zusammengefasst werden:
                     Umwelt verursacht werden, dar. Dabei kommt es zu
                     einem Gefühl von Überwältigung und/oder vollstän-             depressive Störungen
                     digem Kontrollverlust. Beispiele für (potenziell) trau-       dissoziative Störungen
                     matisierende Erfahrungen sind Unfälle, Naturkatas-            Angststörungen
                     trophen, Gewalt, Misshandlungen oder die indirekte            emotional instabile Persönlichkeitsstörung
                     Teilnahme an Traumaerlebnissen anderer.                       (Borderline)
                                                                                   Suchterkrankungen
                     Flucht stellt fast immer eine traumatische Erfahrung          somatoforme Störungen (körperliche Symptome,
                     dar. Sie ist verbunden mit dem Verlassen von Familien         die mit erheblichem Leid, Sorgen und
                     und sozialen Netzwerken und beinhaltet oftmals le-            Funktionsschwierigkeiten im Alltag einhergehen)
                     bensgefährliche Fluchtrouten. Viele Menschen sterben          Herz-Kreislauf-Erkrankungen (darunter
                     auf der Flucht, verlieren Angehörige oder Freund*innen        Herzinfarkt und Schlaganfall)
                     in der Wüste oder auf dem Mittelmeer oder werden              immunologische Erkrankungen (Asthma,
                     Opfer von Gewalt. Dazu kommen häufig Erfahrungen              Gelenkentzündungen, Ekzeme)
                     von politischer Unterdrückung und/oder kriegerischen
                     Handlungen im Herkunftsland, die seelische Wunden
                     zurücklassen können.                                      Für die Diagnose PTBS gibt es klar definierte Merkmale
                                                                               bzw. Symptome:
                     Traumatische Lebensereignisse unterscheiden sich im
                     Allgemeinen nach Dauer, Häufigkeit und Auslöser.           A. (potenziell) traumatisierendes Ereignis
                     Das Leben vieler Geflüchteter ist geprägt von einer
                     ganzen Reihe an lang andauernden Bedrohungssitu-           B. Wiedererleben (Flashbacks) / Intrusionen
                     ationen: Verfolgung, Morde und sexualisierte Gewalt           (unwillkürliche belastende Erinnerungen an das
                     gehörten für viele Geflüchtete zum Alltag, und das in         Trauma)
                     einer gesellschaftlichen Atmosphäre von Unsicherheit       C. Vermeidung bzw. allgemeiner emotionaler
                     und Bedrohung. Bei Menschen, die über einen länge-            Taubheitszustand
                     ren Zeitraum misshandelt wurden, Kriege miterlebten,       D. negative Veränderung von Denken und

           4
                     mehrmals inhaftiert oder gar gefoltert wurden, umfasst        Stimmungslage
                     das traumatische Erleben mehrere Ereignisse, die sich      E. Veränderung des Erregungslevels und der
                     häufen, wiederholen, länger andauern und damit gegen-         Reaktivität (anhaltende physiologische
                     seitig verstärken. Zu diesen traumatischen Erfahrungen        Übererregung (Hyperarousal)
                     gehört auch Gewalt gegenüber anderen miterlebt oder
                     Leichen gesehen zu haben.                                  F. Symptome dauern länger als einen Monat

      TRAUMA UND
                     TRAUMAFOLGESTÖRUNGEN /
                     POSTTRAUMATISCHE BELAS-                                   Basierend auf Beobachtungen der psychologischen
                     TUNGSSTÖRUNG (PTBS)                                       Beratung der Fachstelle für LSBTI* Geflüchtete der
                     Menschen, die Traumatisches erlebt haben, können          Schwulenberatung Berlin kann geschätzt werden, dass

     PSYCHOHYGIENE
                     sehr unterschiedlich auf diese psychische Belastung       80% der geflüchteten LSBTI Klient*innen, die ein Be-
                     reagieren. Nicht jede geflüchtete Person ist traumati-    ratungsgespräch vor Ort suchen, unter einer akuten
                     siert oder leidet unter einer Traumafolgestörung. Dies    PTBS-Symptomatik leiden.
                     ist nicht nur von der Art, der Schwere und der Häu-
                     figkeit der traumatischen Erfahrung abhängig, sondern     Bei vielen geflüchteten LSBTI liegt zudem eine komple-
                     insbesondere von der Zeit danach, in der eigentlich die   xe Traumatisierung vor. Diese basiert auf traumatisie-
                     Verarbeitung der traumatischen Erfahrungen beginnen       renden Erfahrungen, die zusätzlich zu den o.g. Erlebnis-
18                                                                                                                                        19
sen (Krieg, politische Verfolgung etc.) gemacht werden.     aversiven, d. h. stark abstoßenden Details von traumati-
     Diese LSBTI-spezifischen Erfahrungen umfassen u. a.         schen Erfahrungen anderer.                                                                                                        MASSNAHMEN IM BERUFLICHEN
                                                                                                                                                                                                   KONTEXT DER DOLMETSCHUNG:
         jahrelange gesellschaftliche Ausgrenzung,               Sogenannte helfende Berufe weisen ein besonders hohes                                                                             VOR UND NACH DEM GESPRÄCH:
         Diskriminierung, Kriminalisierung                       Risikopotential für sekundäre Traumatisierungen auf. Dazu                                                                           Maß halten: Dauer und Häufigkeit der Konfronta-
         sich wiederholende familiäre Gewalt                     zählen Feuerwehrleute, Sanitäter*innen, Katastrophen-                                                                               tion mit traumatischen Geschichten und trauma-
         Inhaftierung aufgrund von Homosexualität                helfer*innen, Polizist*innen, Ärzt*innen und Krankenhaus-                                                                           tisierten Klient*innen begrenzen
         Folter                                                  personal, Lehrer*innen sowie Menschen in psychosozialen                                                                             Distanz zu Klient*in schaffen (räumlich und
                                                                 Berufen wie Psychotherapeut*innen, Sozialarbeiter*innen                                                                             symbolisch)
     Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung             und nicht zuletzt auch Dolmetscher*innen, die beispiels-                                                                            für Entlastung sorgen (z. B. Gespräch mit
     (kPTBS) beschreibt ein Krankheitsbild, das sich infol-      weise mit queeren Geflüchteten arbeiten.                                                                                            Kolleg*innen nach Dolmetscheinsatz unter
     ge schwerer, langanhaltender, sich wiederholender und                                                                    PSYCHOHYGIENE                                                          Wahrung der Anonymität der*des Klient*in)
     in Teilen gegenseitig verstärkender Traumatisierungen       Risikofaktoren für sekundäre Traumatisierungen in der        Unter Psychohygiene werden alle Maßnahmen ver-                         Supervision
     entwickeln kann. Neben den o.g. Symptomen der PTBS          Arbeit mit geflüchteten LSBTI sind:                          standen, die dazu beitragen, die seelische Gesundheit
     können folgende Beschwerden auftreten:                                                                                   zu erhalten und somit belastungsbedingten psychi-                    WÄHREND DES GESPRÄCHS:
                                                                     Überidentifikation und Mitleiden mit                     schen Erkrankungen vorzubeugen. Um die eigene                         Distanz zu Klient*in schaffen (räumlich und
         Schwierigkeiten in der Emotionsregulation                   Klient*innen statt Mitgefühl                             Psyche zu reinigen bzw. sauber zu halten, können                      symbolisch)
         (Wutausbrüche, fremd- bzw. selbstverletzendes               mangelnde Abgrenzung bzw. persönliche                    Dolmetscher*innen Folgendes tun:                                      ggf. in der Verdolmetschung von der 1. Person
         Verhalten, „Selbstberuhigungsversuche“ mittels              Nähe zu Klient*innen bzw. deren Erfahrungen                                                                                    („ich“) in die 3. Person („sie“, „er“, „Frau/Herr X“,
         Alkohol oder Drogen, Suizidalität)                          (zu hohe) Verantwortungsübernahme z. B. für                                                                                    Vorname, „die*der Klient*in“) wechseln
         negatives Selbstkonzept (geringes                           Ausgang von Asylverfahren                                  PRIVATE MASSNAHMEN:                                                 bildliches Vorstellen (imaginieren) von zu dolmet-
         Selbstwertgefühl, Hilflosigkeit, Scham- und 		              Schuldübernahme für Misserfolge, Rückschläge                    keine überhöhten Erwartungen an sich selbst                    schenden Inhalten vermeiden
         Schuldgefühle, mangelnde Selbstwirksamkeit                  (z. B. Abschiebungen)                                           (Feierabend-)Rituale entwickeln                                sich kleine Pausen und kurze „Ausflüge“ gönnen
         (Gefühl, wenig Einfluss auf den Verlauf des                 möglicherweise Spiegelneuronen (Nervenzellen,                   (z. B. Arbeitshandy ausstellen, Arbeitsschlüssel               (z. B. einen Schluck trinken, aus dem Fenster
         eigenen Lebens nehmen zu können)                            die durch die Gegenwart anderer Menschen                        weglegen, Tee trinken)                                         gucken)
         interpersonelle Probleme (Konflikte,                        aktiviert werden und sozusagen spiegelbildlich                  in Freizeit nicht/wenig über Dienstliches reden                Blickkontakt ggf. vermeiden
         Vertrauensprobleme, Beziehungsunfähigkeit, 		               die Gefühle oder Körperzustände der anderen                     auf Warnsignale achten (z. B. Nervosität,                      tief ein- und ausatmen, sich auf den Körper
         Kontaktabbrüche)                                            wachrufen):                                                     Schlafstörungen)                                               fokussieren (Füße auf dem Boden, Rücken gegen
         erhöhte Dissoziationsneigung, v. a. Symptome der            emotionale Empathie bzgl. Traumatisierungen                     Selbstklärung (Was macht das Gehörte/                          die Stuhllehne spüren)
         Derealisation (Gefühl, dass die Umgebung unwirk-            der geflüchteten LSBTI, z. B. in Form von                       Gedolmetschte mit mir?)                                        bei Bedarf um eine Pause bitten
         lich ist) und der Depersonalisation (Gefühl, dass der       Hoffnungslosigkeit, selbstdestruktiven Impulsen,                Unterstützung annehmen (Versorgung eigener                     „Raumanzug-Technik“ verwenden: Stellen
         eigene Körper nicht vertraut oder fremd ist)                Unruhe, Stress, Schlafstörungen nach                            „verletzter Anteile“, z. B. eigene Therapie,                   Sie sich kurz vor dem Gespräch vor, wie Sie einen
         Somatisierung (körperliche Beschwerden, für die             Dolmetscheinsatz                                                Bearbeitung eigener Traumata)                                  Raumanzug anziehen. Überlegen Sie sich genau,
         keine organische Erklärung gefunden werden kann)                                                                            Selbstfürsorge (Zeit für sich selbst und Schönes)              wie dieser aussieht, und machen Sie beim
         Veränderungen von Lebenseinstellungen                   Sekundäre Traumatisierungen sind Belastungen von See-               Sport bzw. Bewegung (spazieren gehen)                          Anziehen die passenden Bewegungen dazu. Wenn
         (Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit)                      le und Körper der Helfenden und weisen Symptome auf,                Natur                                                          während des Gesprächs belastende Situationen
                                                                 die denen der primär Traumatisierten ähneln. Nicht sel-             Achtsamkeit, Yoga, Meditation                                  vorkommen, vergewissern Sie sich, dass Sie ganz
                                                                 ten äußern sie sich in einem sogenannten Burn-Out, also             Entspannung und Ruhe (schlafen, nichts tun)                    sicher in Ihrem Raumanzug sitzen und durch
     TRAUMAFOLGESTÖRUNGEN /                                      dem körperlichen und/oder psychischen Ausgebrannt-                  imaginative Übungen (z. B. Vorstellung von                     diesen geschützt werden. Vergessen Sie nicht,
     PTBS BEI NICHT-BETROFFENEN:                                 sein. Neben individuellen Auswirkungen können auch                  „sicherem Ort“)                                                am Ende des Gesprächs den Raumanzug wieder
     SEKUNDÄRE TRAUMATISIERUNG                                   schlechte Arbeitsbeziehungen bzw. Spannungen im Team                Phasen der Stille und Erholung (Auszeit, Urlaub)               auszuziehen.
     Sekundäre bzw. indirekte Traumatisierung bezeichnet         Anzeichen sein. Sekundäre Traumatisierungen bergen                  sozialen Rückzug vermeiden
     psychische Traumafolgestörungen, die bei Angehöri-          die Gefahr der Reaktivierung eigener Traumata. Dabei                Beziehungen halten und pflegen
     gen oder helfenden Personen durch die Begleitung von        sollten v. a. Dolmetscher*innen, die sich selbst als LSBTI
     direkt Traumatisierten oder die Zeugenschaft bei trau-      identifizieren, besonders auf sich und ihre Psychohygie-
     matischen Erfahrungen anderer entstehen können. Sie         ne achten, da ggf. eigene Traumatisierungen in Folge von
     kann beispielsweise dadurch entstehen, dass Menschen        Diskriminierungen oder Gewalterfahrungen aufgrund              Siehe http://www.baff-zentren.org/wp-content/uploads/2018/11/BAfF_Praxisleitfaden-Traumasensibler-Umgang-mit-Gefluechteten_2018.pdf
                                                                                                                              16

     von traumatischen Erlebnissen nahestehender Perso-          ihrer sexuellen Orientierung bzw. Geschlechtsidentität         Folgende Bezeichnungen werden zum Teil synonym verwendet: Sekundärtraumatisierung, sekundäre Traumastörung, stellvertretende
                                                                                                                              17

     nen erfahren. Ein weiterer Auslöser sekundärer Trau-        getriggert, sprich reaktiviert werden können.                		Traumatisierung (von engl. „vicarious traumatization“), Co-Traumatisierung, Mit-Traumatisierung, Begleitungs-Burn-Out, „emotionale
     matisierung besteht in der intensiven Konfrontation mit                                                                  		Ansteckung“, „transmissive Traumatisierung“, Mitgefühlserschöpfung (von engl. „compassion fatigue“), traumatische Gegenübertragung.
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