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Forum NSW Themenbereich „Unternehmensethik im Spannungsfeld von Globalisierung und Regionalisierung“ Bern, 6. Juli 2007 Dr. Thomas Streiff, Partner Andrea Müller Gut BHP – Brugger und Partner AG
Teil 1 Fragen – Thesen – Beispiele Teil 2 Relevanz der UN Global Compact Prinzipien für CH KMU - Diskussion
Frage 1 Wie beeinflusst die Globalisierung die Ethik eines Unternehmens? These 1 Unternehmen, ob klein oder gross, ob national oder international, müssen sich bewusster mit ihren Grundwerten auseinandersetzen, weil: • Transparenz aufgrund „globaler“ IT und Kommunikationstechnologien & Bewusstseinsbildung • Werte-Komplexität : Stakeholder mit unterschiedlichen unternehmensethischen Erwartungen • Anreize: Reputation (Zivielgesellschaftliche Organisationen, Medien) Premium-Märkte (Fair Trade Produkte), langfristig orientierte Investoren (Sozial verantwortliche Investoren SRI), Mitarbeiterloyalität & Attracting Talents • Verbindlichkeit : „Proliferation“ branchenspez. selbst-regulatorischer Auflagen wie Codices, Best Practices, Standards, Labels nebst Legal Compliance
Zentrale U-Ethikansprüche strategischer Stakeholder Lieferanten, Kontrakter Fairer Glaubwürdiger Arbeitgeber Geschäftspartner Kunden Menschenrechte Korruption Arbeitsnormen Absprachen Unternehmen Mitarbeitende Aktionäre, Investoren Zivilgesellschaftliche Besitzer Organisationen Guter Bürger Community, Ressourcen- Nutzung/-Schutz „Nachbarn“ Öffentliche Hand
Stakeholder-Influenz und Wirkung Aktionäre Investoren Zivilgesellschaftliche Besitzer Organisationen Konsumenten Medien S chla gzei len Firmenkunden U- Ethik Standards Standards & Codes & Codes Community, „Nachbarn“ Mitarbeitende Lieferanten, Öffentliche Hand Kontrakter
Frage 2 Wie weit wird die Ethik einer KMU, die überwiegend im (schweizerischen oder europäischen) Binnenmarkt produziert und handelt, von den ethischen Prinzipien und Handlungen multinationaler Unternehmungen mit weltweiten Aktivitäten und mit denen sie Geschäftsbeziehungen pflegt, beeinflusst oder vorgegeben? These 2 Multinationale Unternehmen delegieren zunehmend (selbst) auferlegte unternehmensethische Prinzipien an Ihre Zulieferer in Form von • Good/Best Practices Empfehlungen • Code of Conducts (als Teil eine Abnahmevertrags) Produktstandards, -labels ( • Unabhängige Zertifizierung
Beispiele 2 Branchenempfehlungen: z.B. Sustainable Agriculture Initiative Platform Labels: z.B. Faire Trade/Havelaar), Forstet Stewardship Council (FSC), Maritime Stewardship Council (MSC) Codex: BSCI Code of Conduct (Business Social Compliance Initiative) www.bsci-eu.org
BSCI – wichtigste Punkte 1.Legal Compliance Compliance with all applicable national laws and regulations, industry minimum standards, ILO and UN Conventions, and any other relevant statutory requirements whichever requirements are more stringent. 2. Freedom of Association and the Right to Collective Bargaining - In accordance with ILO conventions 87, 98, 135 and 154. 3. Prohibition of Discrimination - In accordance with ILO conventions 100, 111, 143, 158 and 159. 4. Compensation - In accordance with ILO conventions 26 and 131. 5. Working Hours - In accordance with ILO conventions 1 and 14. 6. Workplace Health and Safety - In accordance with ILO Convention 155 and ILO Recommendations 164 and 190. 7. Prohibition of Child Labour - In accordance with ILO Conventions 79, 138, 142 and 182 and Recommendation 146. 8. Prohibition of Forced Labour and Disciplinary Measures - In accordance with ILO Conventions 29 and 105. 9. Environment and Safety Issues 10. Management Systems
Frage 3 Führt die regionale bzw. globale Ausrichtung einer Unternehmung zu unterschiedlichen Modellen einer Unternehmensethik? Wie weit spielt die Branchenzugehörigkeit eine Rolle? und Geht es bei den Unterschieden um Grundsätzliches oder eher um unterschiedliche Anwendungsbereiche? These Modelle der Unternehmensethik sind ursprünglich kulturell kodiert, die sich hpts. in und mit multinationalen Konzernen zunehmenden vermischen. Wesentliche Unterschiede bestehen zwischen westlichen, Ostasiatischen und muslimischen Verständnis von Unternehmensethik und können zu Kontroversen führen Visibilität einer Industrie (Ressourcenverbrauch, Kundennähe) – beeinflussen Formalisierungsgrad der Unternehmensethik
Beispiele 3: Wesentliche Unternehmensethik-Modelle Amerikanisches „utilitaristisches“ Modell: auf empirische Weise Normen definiert, wenig ordnungspolitisch und eher reputationsorientiert ist Deutsche „kategorische Imperativ“ Modell (Kant): nach einer idealen und deduktiven Normenbegründung ausgerichtet, ökonomische Begründungen wird abgelehnt „Fairness“ Modell (Theory of Justice, John Rawls): formale Chancengleichheit und faire Chancen. Gesellschaftliche und ökonomische Ungleichheiten müssen so geregelt werden indem a) Ämter und Positionen jedermann offenstehen unter der Bedingung von „fairer Gleichheit der Möglichkeiten“ und b) sie dem am schlechtest gestellten Mitglied der Gesellschaft noch zu Vorteil gereichen Chinesisches Verständnis: Ethik = Etikette Begriff Menschenrecht erst kürzlich rechtlich verankert Japanisches Verständnis: Ethik = Ästhetik Muslimisches Verständnis: Ethik = „Halal“ (alles was nach Koran und Sunna erlaubt ist) Indisches Verständnis: Ethik = Philanthropie, Ablass
Beispiele 3 (subjektive Zuordnung T. Streiff!) Amerikanisches Modell Coop Starbucks Wall Markets Deutsches Modell Migros British Telecom ABB Fairness Modell Switcher Max Havelaar Novo Nordisk Chinesisches Modell: China Ocean Shipping Group
Drei philosophische Theorien und ihre Bedeutung für unsere Handlungsweisen Hintergrundinfo Immanuel Kant: Sein „Kategorischer Imperativ“ – Handle nur nach der Maxime, dass Du gleichzeitig wollen kannst, sie solle zu einem universellen Gesetz werden / Handle nur so, dass Du weder Dich noch andere Menschen nur als Mittel zum Zweck benützt – prägt vor allem Kontinentaleuropa, speziell den deutschsprachigen Raum. Für Kant galt, dass eine Handlung per Definition entweder gut oder schlecht ist; dies unabhängig von den Konsequenzen, den Menschen, Kulturen und Epochen. Ob eine Handlung nur gut oder schlecht ist, ist in der Realität natürlich oft nicht so einfach und eindeutig zu bestimmen. Dennoch ist seine Theorie wichtig für unser Verständnis von Gerechtigkeit. John Rawls hat zu Beginn der 70er Jahre eine politische Theorie formuliert (Theory of Justice), die sich mit der Frage von Gerechtigkeit und Fairness auseinandersetzt, und in der Tradition von Kant steht. Er verlangt nicht nur formale Chancengleichheit, sondern auch faire Chancen. Gesellschaftliche und ökonomische Ungleichheiten müssen so geregelt werden dass: a) Ämter und Positionen jedermann offenstehen unter der Bedingung von „fairer Gleichheit der Möglichkeiten“ b) sie dem am schlechtest gestellten Mitglied der Gesellschaft noch zu Vorteil gereichen Wir fühlen uns seiner Sicht auf Gerechtigkeit und Fairness verbunden, weil wir demokratische Teilhaberrechte (= Freiheiten im Sinne von Rawls) kennen. Wir empfinden es beispielsweise als ungerecht, wenn jemand allein aus Mangel an Talenten durch sämtliche sozialen Ränge fällt.
Hintergrundinfo Der Utilitarismus hat über die Zeit verschiedene Formulierungen hervorgebracht. Im Kern geht es dabei darum, dass Handlungen bevorzugt werden sollen, welche das Glück/Wohl aller Betroffenen fördern. Im Gegensatz zu Kant nehmen mögliche Folgen und reale Wirkungen eine zentrale Stelle in der Beurteilung von Handlungen ein. Es gibt also so etwas wie eine Präferenz von Handlungen in einer spezifischen Situation. (Utilitarismus der Neuzeit, eng mit Ökonomie verbunden, vgl. Thatcher, Reagan) Unsere heutige Vorstellung von Gerechtigkeit scheint stark von den Vorstellungen von Rawls (damit auch Kant) beeinflusst und fliesst in verschiedene Initiativen bezüglich fairen Handels, soziale Verantwortung von Unternehmen etc. ein. Schwierigkeiten können dabei im Austausch mit anderen Kulturen entstehen, in welchen demokratische Teilhaberrechte nicht denselben Stellenwert geniessen. Hier gälte es sich mit ethischen Vorstellungen anderer Kulturen näher auseinanderzusetzen und so Gemeinsamkeiten und Unterschiede in die Überlegungen einfliessen zu lassen (Zitat aus Vortrag von Albach: „Es könnte … darum gehen zu fragen, ob die „Allgemeine Ethik“, die ein Produkt abendländischen humanistischen Denkens ist, als ethisches Fundament der Allgemeinen Theorie der Unternehmung ausreicht, die auch für multinationale Unternehmen gilt. …)
Hintergrundinfo Ganz im Gegensatz zu Kant ist es in der Unternehmensethik (westlicher Prägung) bedeutsam, sich mit den Konsequenzen einer Handlung zu befassen. Die verschiedenen Handlungsoptionen sollten auf ihre Konsequenzen hin analysiert werden (inklusive auf die Konsequenzen hinsichtlich Ethik). Eine Möglichkeit der Entscheidung ist, sich am Nutzen/ Wohl der Mehrheit der Betroffenen zu orientieren (Util.), aber auch Kant kann wieder ins Spiel kommen, indem man sich fragt, ob die vorgesehenen Handlungen auch „universelles Gesetz“ werden sollten. (Die drei philosophischen Theorien bilden wohl so eine Art „unbewusste“ Basis, wie wir uns entscheiden, wie wir die Welt betrachten. Eins zu eins sind philosophische Theorien kaum umzusetzen, aber es könnte interessant sein, sich die eigene Basis einmal bewusst zu machen.) In der reinen Ausprägung existiert keine dieser Theorien. Aus allen haben sich verschiedene Ansätze der Unternehmensethik entwickelt, die heute nebeneinander bestehen. Am erfolgreichsten war/ist in der Wirtschaft sicher der utilitaristische Ansatz (Liberalismus etc.). Er muss sich aber immer wieder mit Kritik auseinandersetzen.
Fragen – Thesen – Beispiele (9) Frage 5 Welche Rolle spielt dabei der (unterschiedliche) Rahmen von Staat, Recht und Kultur im Wirkungsbereich der Unternehmung? These Rahmenbedingungen sind entscheidend für die Förderung von unternehmensethischer Praktiken Staat: Vollstreckung (Enforcement) und Anreize Recht: Case Law (US) vs. Römisches Recht. Da „ethische Codices“ lediglich als Orientierung oder Leitfaden dienen, ist eine Ahndung im Europäischen Kontext kaum möglich. Hingegen kann im US-Kontext mittels Class–Action ein Unternehmen angeklagt werden, falls es einen Code nicht einhält ( Harkin-Engel Protocol on Chocolate and Child Slavery) Kultur: Laissez-Faire Mentalität (Amerika) vs. Normatives Denken (UK, D, CH und Skandinavien)
Fragen – Thesen – Beispiele (10) Frage 6 Welche Rolle spielt die Tatsache, dass KMUs im Vergleich zu Grossunternehmen für die Umsetzung und Verankerung von unternehmensethischen Praktiken deutlich weniger Ressourcen (personell, finanziell) allozieren können? These Von zentraler Bedeutung ist das Bewusstsein und die Vorbildrolle der Geschäftsleitung sowie interne Anreizsysteme - Richtlinien und organisatorische Massnahmen sind von sekundärer Bedeutung!
Teil 1 Fragen – Thesen – Beispiele Teil 2 Relevanz der UN Global Compact Prinzipien für CH KMU - Diskussion
Relevanz der UN Global Compact Prinzipien für CH KMU Kategorien: A Aktivitäten in CH, Lieferanten in OECD-Ländern B Aktivitäten in CH, Lieferanten in Transitions- und Drittweltländern C Aktivitäten in Transitions- und Drittweltländern Rating: Prinzipien (UNGC) A B c Menschenrechte (1-2) Arbeitsnormen (3-6) Diskriminierung Ressourcennutzung-/schutz (7-9) Korruption (10)
Massnahmen zur Integration der UN Global Compact Prinzipien bei CH KMUs Grundsätzlich Einhaltung höchster CH-Standards, global! Prinzipien Massnahmen Menschenrechte (1-2) Code of Conduct, Kundenbefragung, Arbeitsnormen (3-6) Mitarbeitergespräche (MbO) Ressourcennutzung-/schutz (7-9) Ökologischer „Fussabdruck“ Korruption (10) Null-Toleranz, Whistle Blowing
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