Wohlstand, armut & umverteilung in Österreich - "NUR WER IM WOHLSTAND LEBT, SCHIMPFT AUF IHN"

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Wohlstand, armut & umverteilung in Österreich - "NUR WER IM WOHLSTAND LEBT, SCHIMPFT AUF IHN"
Wohlstand, Armut &
Umverteilung in Österreich
                             Fakten und Mythen

„NUR WER IM WOHLSTAND LEBT, SCHIMPFT AUF IHN“
                                   Ludwig Marcuse
Wohlstand, armut & umverteilung in Österreich - "NUR WER IM WOHLSTAND LEBT, SCHIMPFT AUF IHN"
Wohlstand, armut & umverteilung in Österreich - "NUR WER IM WOHLSTAND LEBT, SCHIMPFT AUF IHN"
INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort                                                                             4

Fakten zum Wohlstand                                                                6
 Wohlstand – das viertreichste Land der EU	                                         7
 Arbeitnehmerentgelte – die Arbeitskraft wird immer besser vergütet                 8
 Arbeitsplätze – Beschäftigungsrekorde durch EU-Beitritt und EU-Erweiterung         9
 Verfügbares Einkommen – wir haben mehr in der Tasche                              10
 Kaufkraft – wir können uns mehr leisten                                           11
 Mehr Freizeit durch mehr Produktivität                                            14
 Mehr Lebensqualität                                                               16

Fakten zur Armut                                                                  21
 Was bedeutet „Armutsgefährdung“?                                                 22
 „Armutsgefährdung“ ist nicht gleich „Armut“                                      25
 Wie kann Armut weiter verringert werden?                                         26
 Bereitschaft zu Leistung und Arbeit schwindet                                    29
 Der Mythos der sinkenden Reallöhne                                               30
 Der Mythos der Binnennachfrage durch Löhnerhöhungen                              31
 Der Mythos „Lohnquote“                                                           32

Fakten zur Umverteilung                                                           36
 Nettotransferzahler und Nettotransferbezieher                                    37
 Umverteilung historisch betrachtet                                               41
 Umverteilung durch das Steuersystem                                              42
 Mythos über die Besteuerung von Arbeit und Kapital                               44
 Fakten zur Vermögensbesteuerung                                                  46
 Umverteilung durch Staatsausgaben                                                47
 Umverteilung durch die Sozialversicherung                                        52
 Der stille Beitrag der Unternehmen                                               56
 Umverteilung einmal anders betrachtet                                            58
 Gespaltene Gesellschaft durch Schutzschirm des Staates                           60

Zusammenfassung: Die wichtigsten Fakten zur Umverteilung                           61

                                                                              Inhalt | 3
Vorwort
Ein zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik ist die Erhöhung des Wohlstandes und damit einhergehend die
Steigerung der Lebensqualität und die Verringerung von Armut. Der wichtigste Hebel zu mehr Wohlstand ist
eine höhere Produktivität als Ergebnis von Innovationsgeist, individueller Verantwortungsbereitschaft und
richtigen Rahmenbedingungen.

In Österreich existiert „Armut im Wohlstand“- um diese weiter zu verringern und damit den sozialen
Zusammenhalt in der Gesellschaft zu erhalten, bedarf es auch eines gewissen Maßes an Umverteilung.
Österreich gehört heute zu den am meisten umverteilten Ländern der Welt. Vor diesem Hintergrund stehen
wir vor zweierlei Herausforderungen:

Erstens werden die Mittel nicht immer dorthin verteilt, wo sie der Allgemeinheit im Sinne von mehr
Wohlstand für Alle am besten dienen.

Zweitens – und diesem Phänomen widmet sich die vorliegende Broschüre – wird der hohe Grad an Umver-
teilung von den Begünstigten nur selten wahrgenommen. Umverteilung kann nie die in jeder Gesellschaft
vorhandene Ungleichheit und Vielfalt zur Gänze nach oben nivellieren, und so bleibt trotz erheblicher
Umverteilungsmechanismen in den meisten Fällen immer noch ein subjektives Gefühl von Ungerechtigkeit
– das ist zumeist weder für die Transferzahler noch für die Empfänger zufriedenstellend.

Die vorliegende Broschüre soll einen Beitrag dazu leisten, die Fakten zum Thema Umverteilung in Öster-
reich transparenter zu machen. Sie zeigt den aktuellen Status quo von Wohlstand, Armut und Umvertei-
lung. Es zeigt sich dabei, dass eine Minderheit in Österreich die Masse des umzuverteilenden allgemeinen
Wohlstands erwirtschaftet und damit im Wesentlichen das Sozialsystem aufrecht erhält. Das vorliegende
IV-Papier ist frei von Forderungen oder normativen Zielvorstellungen, sondern verfolgt das Ziel, oft unwi-
dersprochenen politischen Mythen Fakten gegenüberzustellen.

           Mag. Markus Beyrer                                       Dr. Clemens Wallner
             Generalsekretär                                  Wirtschaftspolitischer Koordinator
       der Industriellenvereinigung                             der Industriellenvereinigung

                                                                                                     Vorwort | 5
Ausgaben für die lokale Polizei und das Feuerwehrwesen sAowie verschiedene andere Gemeinde-
  dienstleistungen.

       Fakten zum Wohlstand

6 | Aufgaben
Wohlstand – das viertreichste Land der EU

Österreich ist das viertreichste Land der EU und um 23 Prozent reicher als der EU-Duchschnitt. Nur Luxem-
burg, Irland (massives Aufholen durch EU-Fördermittel) und die Niederlande liegen in Punkto Wohlstand
(BIP pro Kopf in Kaufkraftstandards) laut Eurostat vor Österreich. Wenn man die Ausnahmefälle Luxemburg
(als sehr kleiner Staat profitieren sie übermäßig von Pendlern) und Irland (haben durch EU-Fördermittel
in den vergangenen Jahren massiv aufgeholt) wegrechnet, wäre Österreich sogar das zweitreichste Land
der EU. Weltweit hat sich Österreich vor allem durch die positiven Effekten der Ostöffnung im Wohlstands-
Ranking (Internationaler Währungsfonds) von Platz 15 (10,626 USD pro Kopf in KKP) im Jahr 1980 auf Platz
12 im Jahr 2008 (39,634 USD pro Kopf in KKP) verbessert (IWF Outlook vom April 2009). Laut Weltbank liegt
Österreich heute sogar weltweit auf Platz 7 weil Länder wie Katar, Brunei, oder Island nicht verglichen wer-
den oder hinter Österreich zurückfallen. Eines sollte auch nicht vergessen werden: Dieser Wohlstand wird
heute bereits zu fast 60 Prozent durch unsere Exporte erwirtschaftet.

       WOHLSTANDSENTWICKLING (BIP in Mrd. Euro)
       Mehr als jeder zweite Euro (59%) unseres Wohlstandes wird heute bereits durch
       die Exporte der österreichischen Unternehmen erwirtschaftet
300                                                                                 285 Mrd.
             BIP-pro-Kopf Entwicklung seit der Ostöffnung (in Tsd. Euro)
        36
                                                     Österreich
250     34                                                          Frankreich
                                                                      Japan
        32                                                            Deutschland
                                                                      Italien
200     30

        28                                                                                                      170 Mrd.
                                                                                                                   59 %
150     26

        24                                                                 BIP          davon Exporte
             1990
              1991
             1992
             1993
             1994
             1995
             1996
             1997
             1998
             1999
             2000
             2001
             2002
             2003
             2004
             2005
             2006
             2007

100                                                                                                46 %
                                                                                                                            Quelle: Statistik Austria

 50
                                                                                 37 %
       3,8 Mrd.              24 %
          14%                                 31 %                 33 %
   0
             1950

                             1960

                                              1970

                                                                  1980

                                                                                 1990

                                                                                                 2000

                                                                                                                  2008

                                                                                    Wohlstand – das viertreichste Land der EU | 7
Arbeitnehmerentgelte – die Arbeitskraft wird immer besser vergütet

  Die Arbeitnehmerentgelte (Bruttolöhne und Gehälter plus Sozialbeiträge der Dienstgeber) sind von 1986 bis
  heute um 80,4 Mrd. Euro auf 138,5 Mrd. Euro gestiegen. Das durchschnittliche Arbeitnehmerentgelt ist pro
  Arbeitnehmer teilzeitbereinigt von 1.810 auf 3.600 Euro pro Monat gestiegen und damit wurden die Leis-
  tungen der Arbeitnehmer um 99 Prozent oder um 21.500 Euro pro Jahr mehr vom Arbeitgeber entlohnt. Die
  Inflation (VPI) ist in diesem Zeitraum nur um knapp 63 Prozent gestiegen.

         ARBEITNEHMERENTGELTE PRO ARBEITNEHMER
         in Euro pro Monat (1/12 des Jahreseinkommens)
3.800                                                                                                         200

3.600
                                                            Arbeitnehmerentgelt pro Beschäftigten
3.400                                                                                                         180

3.200
3.000                                                                                                         160

2.800
                                                                                       Inflation (VPI 1986)
                                                                                                              140
2.600
2.400

                                                                                                                    Quelle: Statistik Austria
                                                                                                              120
2.200
2.000
                                                                                                              100
1.800
         1986
         1987
         1988
         1989
         1990
          1991
         1992
         1993
         1994
         1995
         1996
         1997
         1998
         1999
         2000
         2001
         2002
         2003
         2004
         2005
         2006
         2007
         2008

  Besonders vergütet werden die Arbeitnehmer übrigens in der Industrie: Laut Verdienststrukturerhebung
  der Statistik Austria liegen die mittleren Bruttostundenverdienste (ohne Mehr- und Überstunden) im produ-
  zierenden Bereich um 15 Prozent über den Verdiensten im Dienstleistungssektor.

8 | Arbeitnehmerentgelte – die Arbeitskraft wird immer besser vergütet
Arbeitsplätze – Beschäftigungsrekorde durch EU-Beitritt und EU-Erweiterung

  Die Arbeitnehmerentgelte sind insgesamt auch deswegen so stark gestiegen, weil sich die Beschäftigung
  ausgeweitet hat. Seit dem EU-Beitritt sind 350.000 neue Jobs in Österreich entstanden und seit der Ostöff-
  nung 1989 sogar über 550.000. Laut WIFO sind rund 170.000 Jobs allein auf EU-Beitritt und Ostöffnung (der
  „europäischen Globalisierung“) zurückzuführen und 237.000 Arbeitsplätze auf ausländische Investitionen in
  Österreich. Allein durch die gestiegene Exporttätigkeit der heimischen Unternehmen entstehen direkt und
  indirekt jährlich rund 37.000 zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich.

        BESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN ÖSTERREICH
        mit und ohne Ostöffnung und EU-Beitritt
        in Mio.
3.500
                                                                                       170.000 zusätzlich
3.400

3.300

3.200
                      unselbständige Beschäftigte insgesamt
3.100

                                                                                                                  Quelle: Hauptverband, WIFO, IV
3.000
                                                         ohne Ostöffnung und EU-Beitritt

2.900

2.800
        1989
        1990
                  1991
                  1992
                  1993
                  1994
                                     1995
                                     1996
                                               1997
                                               1998
                                                          1999
                                                          2000
                                                                      2001
                                                                      2002
                                                                                 2003
                                                                                 2004
                                                                                 2005
                                                                                 2006
                                                                                                       2007
                                                                                                       2008

                                         Arbeitsplätze – Beschäftigungsrekorde durch EU-Beitritt und EU-Erweiterung | 9
Verfügbares Einkommen – wir haben mehr in der Tasche

  Wir haben mehr Einkommen, müssen weniger Steuern zahlen und bekommen mehr Sozialtransfers. Daher
  ist das verfügbare Einkommen der Privathaushalte in Österreich seit dem EU-Beitritt 1995 von 112 Mrd. Euro
  auf 171 Mrd. Euro (2008) um über 59 Mrd. Euro gestiegen. Statistisch gesehen bedeutet das pro Österreicher
  im Durchschnitt über 7.000 Euro pro Jahr mehr an verfügbaren Einkommen seit dem Jahr 1995.

  An dieser Stelle sollte mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufgeräumt werden:

  Nicht die Veränderung der realen Nettolöhne (inflationsbereinigt und minus Steuern) einer Person – also
  das, was jeder Arbeitnehmer als Arbeitseinkommen erzielt, ist ausschlaggebend dafür, ob er mehr Kaufkraft
  und damit mehr Wohlstand besitzt als zuvor, sondern sein „verfügbares Haushaltseinkommen“ – also das
  was er inklusive sozialer Transfers in einem gemeinsamen Haushalt zur Verfügung hat (je mehr Personen
  in einem Haushalt wohnen, desto geringer sind die Lebenserhaltungskosten und desto höher ist die Kauf-
  kraft jedes Einzelnen).

  Der Unterschied zwischen diesen beiden Einkommensmesslatten ist bedeutend: Zwar stiegen die Netto-
  reallöhne laut WIFO seit 1999 nur um 2,2 Prozent (auf 1.710 Euro pro Monat im Jahr 2008), die „verfügbaren
  Haushaltseinkommen“ (ebenfalls inflationsbereinigt) jedoch bereits um 8,9 Prozent auf 3.381 Euro pro
  Monat im Jahr 2008).

           REALE EINKOMMENSENTWICKLUNG SEIT 1999
           (indexiert, 100=1999)
    110
                                                                                      3.381 Euro/Monat
    109                                                     verfügbares Haushaltseinkommen
    108
    107
    106
    105                                                                  plus
    104                                                                  Sozialtransfers
                                                                         und
    103                                                                  Haushaltsbereinigung

    102
                                                                                      Nettoreallohn
                                                                                                           Quelle: WIFO

    101                                                                               1.710 Euro/Monat

    100
             1999                                                                                  2008

10 | Verfügbares Einkommen – wir haben mehr in der Tasche
Kaufkraft – wir können uns mehr leisten

Die Österreicherinnen und Österreicher haben nach Irland und Dänemark mit rund 20.045 Euro pro Kopf an
verfügbaren Einkommen die dritthöchste Kaufkraft der EU. Der EU-Schnitt liegt bei rund 12.500 Euro (GfK-
Kaufkraft-Studie Europa 2008). Seit dem EU-Beitritt sind die Konsumausgaben der österreichischen Privat-
haushalte (laut VGR) von 97 Mrd. Euro auf 149 Mrd. Euro (2008) gestiegen. Die Österreicher können also im
Schnitt seit 1995 um 6.500 Euro pro Person mehr von den Angeboten der Wirtschaft profitierten.

           KAUFKRAFTVERGLEICH IN DER EU*
           So viel steht den Verbrauchern aus ihrem Haushalts-Nettoeinkommen für Konsumausgaben zur Verfügung
           (inkl. sozialer Transfers)                                        *in Euro pro Jahr (ohne Luxemburg)
25.000
22.500
20.000
17.500
15.000
12.500
10.000
 7.500
 5.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Quelle: GfK 2008
 2.500
       0
           Irland
                    Dänemark
                               Österreich
                                            Frankreich
                                                         Deutschland
                                                                       Großbritannien
                                                                                        Belgien
                                                                                                  Schweden
                                                                                                             Finnland
                                                                                                                        Italien
                                                                                                                                  Niederlande
                                                                                                                                                Spanien
                                                                                                                                                          Griechenland
                                                                                                                                                                         Zypern
                                                                                                                                                                                  Portugal
                                                                                                                                                                                             Slowenien
                                                                                                                                                                                                         Malta
                                                                                                                                                                                                                 Tschechien
                                                                                                                                                                                                                              Estland
                                                                                                                                                                                                                                        Lettland
                                                                                                                                                                                                                                                   Slowakei
                                                                                                                                                                                                                                                              Litauen
                                                                                                                                                                                                                                                                        Ungarn
                                                                                                                                                                                                                                                                                 Polen
                                                                                                                                                                                                                                                                                         Rumänien
                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Bulgarien

Mehr Kaufkraft bedeutet, dass immer neue und verbesserte Produkte zu einem immer niedrigeren Preis für
die Menschen erhältlich sind. Die vergangenen Jahre waren dabei äußerst erfolgreich: Für viele Leistungen
muss ein Industriearbeiter heute weniger arbeiten als noch im Jahr 1980: Aus der Tabelle auf der nächsten
Seit wird besonders gut sichtbar, dass vor allem Waren, die global gehandelt werden (und davon besonders
die Industrieprodukte) immer günstiger, und jene Dienstleistungen (vor allem öffentliche aber auch priva-
te), die international kaum handelbar sind, auf Grund der niedrigeren Produktivitätsentwicklung und hoher
Abgaben auf den Faktor Arbeit immer teurer wurden. Das ist ein deutlich sichtbares Plädoyer für Globali-
sierung und die internationale Arbeitsteilung zu Gunsten der Kaufkraft der Menschen.

Auch das IHS ist übrigens in der Studie „Wettbewerb und Wohlstand“ zum Schluss gekommen, dass in
Österreich die Kaufkraft beim Erwerb jener Produkte und Leistungen am stärksten gestiegen ist, die dem
Wettbewerb ausgesetzt sind. Wo kein Wettbewerb herrscht, gibt es die stärksten Preisanstiege (Wasser-
versorgung, Bahntarife, Krankenhäuser etc.). Billiger geworden sind vor allem jene Produkte, die auf stark
umkämpften Märkten abgesetzt werden.

                                                                                                                                                                                                                         Kaufkraft – wir können uns mehr leisten | 11
So viel musste ein Industriearbeiter in Österreich arbeiten, um sich folgende
Produkte leisten zu können (in Stunden bzw. Minuten, Quelle: WIFO):

                                                     1980             1985             1990             1995            19951)            2000            2005            2007            2008
  1 Stk. Semmel (maschinengeformt)                   1.2 min          1.2 min          1.1 min          1.1 min          1.1 min         1.2 min          1.3 min         1.4 min         1,4 min

  1 kg Mischbrot, Wecken                            9.8 min          10.2 min         10.5 min          10 min          9.8 min         10.3 min          11.1 min       11.4 min        11,8 min

  1 kg Rindfleisch, Beiried                       1 h 48.9 min     1 h 51.2 min     1 h 39.4 min     1 h 34.3 min     1 h 32.2 min     1 h 23.3 min     1 h 21.4 min   1 h 21.8 min    1 h 24,6 min

  1 kg Schweinefleisch, Schnitzel                 1 h 32.7 min      1 h 9.5 min       58.6 min         48.9 min         47.8 min        40.2 min         42.5 min        40.2 min        41,3 min

  1 Portion Wiener Schnitzel
                                                    50.3 min         50.7 min         44.7 min         42.5 min         41.5 min        40.8 min          40 min         39.8 min        40,2 min
   im Restaurant
  Spinat, tiefgekühlt 600 g                         12.9 min         12.6 min         9.6 min          10.3 min         10.1 min         8.6 min          8.6 min         8.1 min          8 min

  Dorschfilet, tiefgekühlt, 400 g                       -                -            26.5 min         21.1 min         20.6 min        23.2 min         19.8 min        20.9 min        20,7 min

  1 l Vollmilch                                     8.8 min           8 min           5.6 min          4.3 min          4.2 min          3.8 min          3.9 min         4.1 min         4,1 min

  250 g Teebutter                                    17 min          15.1 min          11 min           7.7 min         7.5 min          6.6 min          6.3 min        6.8 min           7 min

  Emmentaler                                            -                -            6.9 min          5.5 min          5.3 min          4.3 min          4.3 min        4.6 min           5 min

  Schmelzkäse                                       13.6 min         13.6 min         10.9 min         8.9 min          8.7 min          7.3 min          6.7 min            -               -

  1 kg Kartoffeln                                   4.4 min          4.5 min           5.1 min         5.3 min          5.2 min          4.2 min          3.9 min        4.7 min          4,4 min

  1 kg Feinkristallzucker                           10.8 min         11.5 min         8.2 min          6.5 min          6.4 min          5.8 min          5.2 min         5 min           4,8 min

  250 g Bohnenkaffee                                31.1 min         21.1 min         15.4 min         15.6 min         15.2 min         9.8 min          8.1 min        7.9 min           8 min

  2 l Weißwein                                      33.4 min         25.2 min         24.9 min         19.8 min         19.3 min        14.9 min         12.3 min        12.1 min        12,1 min

  Bier im Restaurant 0,5                                -                -            13.3 min         13.4 min         13.1 min         14.3 min        14.5 min        14.5 min        14,6 min

  1 Packung Filterzigaretten, Milde
                                                    15.5 min         17.1 min          14 min          12.8 min         12.5 min         13.7 min        16.4 min        16.4 min         17 min
  Sorte
  1 Damenkleid                                    19 h 2.3 min     16 h 38.1 min   15 h 24.5 min     13 h 4.7 min    12 h 47.2 min     13 h 3.1 min     7 h 23.3 min   6 h 50.9 min    6 h 53,3 min

  1 Herrenhemd                                     5 h 8 min       4 h 58.4 min     4 h 25.5 min     4 h 12.2 min     4 h 6.5 min     3 h 35.4 min      3 h 8.7 min     2 h 59 min     2 h 54,4 min

  1 Paar Herrenhalbschuhe                         8 h 11.7 min     8 h 41.6 min      8 h 3.7 min     7 h 42.9 min     7 h 32.5 min     8 h 11.7 min    6 h 53.3 min    6 h 16.8 min     6 h 11,2 min

  1 Stunde Arbeitszeit, Gas- und
  Wasserleitungs installateur:                    6 h 35.7 min     6 h 49.5 min     6 h 21.1 min     6 h 53.5 min     6 h 44.3 min     7 h 34.7 min    8 h 21.8 min    8 h 33.4 min    8 h 40,4 min
  Monteur und Helfer
  1 Stunde Arbeitszeit,
                                                        -          5 h 13.1 min      5 h 1.5 min     5 h 43.4 min     5 h 35.7 min    6 h 18.4 min     6 h 40.2 min    6 h 52.8 min    6 h 59,1 min
  Kfz-Mechaniker
  Putzerei (Anzug, chemische
                                                  1 h 22.6 min      1 h 7.2 min       58.6 min        1 h 3.7 min      1 h 2.3 min     1 h 1.5 min      1 h 1.2 min     1 h 0.6 min     1 h 0,8 min
  Reinigung)
  Farbfernsehgerät                               228 h 55.4 min 149 h 8.2 min      117 h 20.9 min   90 h 22.7 min    88 h 21.2 min     82 h 17 min     59 h 28 min     60 h 12.9 min   54 h 20,8 min

  Rezeptgebühr                                          -                -             14 min           15 min          14.7 min         18.7 min        21.5 min        21.6 min        21,3 min

  1 l Normalbenzin                                  7.5 min           7.9 min         4.9 min          4.6 min          4.5 min          5.1 min          4.9 min         5.1 min         5,5 min

  1 l Superbenzin                                       -                -            5.3 min          4.9 min          4.8 min          5.2 min              5 min      5.2 min          5,5 min

  1 l Diesel                                            -                -            4.4 min           3.7 min         3.6 min          4.3 min          4.6 min        4.8 min          5,7 min

  100 km Bahntarif 2. Klasse                      1 h 14.9 min     1 h 38.2 min      1 h 8.8 min      1 h 8.8 min      1 h 7.2 min     1 h 10.2 min     1 h 12.9 min   1 h 14.5 min    1 h 15.5 min

  Briefporto, Inland                                3.7 min           3.3 min          2.7 min         2.6 min          2.6 min          2.8 min          2.7 min        2.5 min          2.5 min

  Friseur, waschen und legen                      1 h 10.7 min     1 h 16.9 min     1 h 19.5 min     1 h 27.3 min     1 h 25.3 min     1 h 31.2 min     1 h 43.5 min   1 h 45.7 min    1 h 46,1 min

  Damenhaarschnitt                                      -                -                -                -                -                -          3 h 6.3 min     3 h 7.1 min     3 h 6,5 min

  Weißwein, Bouteille                                   -                -            21.6 min         18.5 min         18.1 min         15 min          16.4 min        16.1 min        16,2 min

Quelle: WIFO - Preisentwicklung lt. VPI, Stundenverdienste: Durchschnittlicher Netto-Stundenverdienst eines Industriearbeiters inklusive Sonderzahlungen. -
1) Umstellung der Datengrundlage für die Lohnentwicklung.

         12 | Kaufkraft – wir können uns mehr leisten
Die längerfristige historische Kaufkraftentwicklung wird durch den sogenannten „Mannerschnitten-Index“
am deutlichsten sichtbar: Die „10er Packung“ Mannerschnitte ist jenes Produkt der österreichischen Indus-
trie, das sich für die Darstellung der langfristigen Kaufkraftentwicklung der Österreicher am besten eignet,
weil sie seit ihrer Markteinführung im Jahr 1898 als einziges Produkt unverändert blieb. Das Ergebnis: Für
eine Stunde Arbeitszeit konnte sich ein männlicher Industriearbeiter im Jahr 1926 3,3 Packungen Manner-
schnitten leisten. Im Jahr 1953 konnte die Kaufkraft der Zwischenkriegszeit mit 3,2 Packungen pro Arbeits-
stunde wieder hergestellt werden. Nach den Wirtschaftswunderjahren stieg die Kaufkraft auf 15 Packungen
im Jahr 1975 und liegt heute (2007) bereits bei 24,1 Packungen.

Würde man allerdings die Sozialtransfers, die seit Anfang der 70er Jahre stark ausgeweitet wurden, zu den
Stundenlöhnen dazurechnen, würde die Säulen noch steiler anwachsen und im Jahr 2007 schon 33 Manner-
schnittenpackungen hoch sein1, also mehr als 10 Mal höher als noch in der Vorkriegszeit.

                                       inkl. sozialer Transfers

1) Um den verfügbaren Nettostundenlohn (das sogernannte Sekundäreinkommen (inkl. sozialer Transfers) des Industriearbeiters zu berechnen, müssten zu
den 13 Euro Nettostundenlohn im Jahr 2007 noch die durchschnittliche soziale Transferleistung der aktiven Bevölkerung (ohne Pensionen) dazugerechnet
werden. Das war laut OECD im Jahr 2007 27,4% des Nettolohns – also zusätzlich noch 4,9 Euro. Mehr zum Thema Primäreinkommen und Sekundäreinkom-
men inkl. sozialer Transfers siehe auch Kapitel „Umverteilung“.

                                                                                                   Kaufkraft – wir können uns mehr leisten | 13
Mehr Freizeit durch mehr Produktivität

   Mit der gestiegenen Produktivität der Unternehmen und der Arbeitnehmer können immer mehr und bessere
   Güter erzeugt werden, und wir müssen dafür immer weniger arbeiten. In Österreich wurden gemäß dem
   „europäischen Lebensmodell“ die Produktivitätszugewinne vor allem in mehr Freizeit investiert und weni-
   ger in einem Konsumzuwachs wie z.B. in den USA. Die gesetzliche Regelung hat sich in den vergangenen
   Jahrzehnten immer mehr in Richtung mehr Freizeit entwickelt. Mit 25 Mindesturlaubstagen liegt Österreich
   EU-weit an der Spitze, ebenso wie mit 13 gesetzlichen Feiertagen.

   Bei der tatsächlich geleisteten Jahresarbeitszeit rangieren Österreichs unselbstständig Erwerbstätige laut
   OECD bei einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit pro Erwerbstätigen von 1.483 Stunden (das sind durch-
   schnittlich 28,5 Stunden pro Woche) – mit stark sinkender Tendenz auf Rang 5 aller OECD-Staaten von
   unten gesehen. Nur Frankreich, Belgien und Deutschland und die Niederlande liegen unter dem österrei-
   chischen Durchschnittswert.

GESETZLICHER RAHMEN SEIT 1950                                                    TATSÄCHLICH GELEISTETE ARBEITSZEIT
                                                                            29,6
                                                                                 SEIT 1995*
  1950
             1960                   WENIGER WOCHENSTUNDEN
  48                                Wochenarbeitszeit in Stunden            29,4
             45            1970
                                                                                    29,3
                           43     1972

                                  42     1975                               29,2
                                         40                1986

                                                            38              29,0

                                                           1986             28,8
                                                   1985
                                          1984             30  1

                                  1977             28     TAGE              28,6
                                          26      TAGE
                    1965          24     TAGE                                                                                                         28,5
                                  TAGE                                      28,4
                    18
    1950            TAGE
                                                                                                                                                                Quelle: OECD, IV

                                    MEHR URLAUBSTAGE                        28,2
    12                              Jahresurlaub in Werktagen
   TAGE
                                                 1) In einzelnen Branchen
                                                                            28,0
                                                                                      1995                2000                 2005               2008
                                                                                   *durchschnittliche Wochenarbeitszeit inkl. Urlaub, Feiertage, Krankenstand
                                                                                    und Überstunden

14 | Mehr Freizeit durch mehr Produktivität
Aber auch die Lebensarbeitszeit hat sich im Laufe der vergangenen 40 Jahre dramatisch verkürzt. Heute ist
die Lebensarbeitszeit bereits kürzer als die Zeit der nicht Erwerbstätigkeit (unter Berücksichtigung der
durchschnittlichen Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren).

      ENTWICKLUNG DER LEBENSARBEITSZEIT IN ÖSTERREICH VON 1970-2005
      (in Jahre)
90
80
 70                                                                              24,6
                     8,8                            17,5
60
50

                                                                                                      Quelle: Hauptverband der Sozialversicherungen
40                  44,1                            38,1                         36,1

 30
 20
 10                                                 20                            22
                     17
  0                 1970                            1990                         2005

          durchschnittliche     durchschnittliche          durchschnittliche
          Ausbildungszeit       Lebensarbeitszeit          Pensionsbezugsdauer

                                                                          Mehr Freizeit durch mehr Produktivität | 15
Mehr Lebensqualität

  In Punkto Lebensqualität liegt Österreich laut World Competitiveness Report (2009) schon seit 10 Jahren
  ununterbrochen und unangefochten weltweit auf Platz 1 (außer in den Jahren 2005 und 2009, wo Österreich
  kurzfristig von Australien bzw. der Schweiz überholt wurde). Österreich ist somit das lebenswerteste Land
  der Welt. Außerdem ist Österreich laut World Competitiveness Report ununterbrochen seit dem Jahr 2000
  das Land mit den weltweit geringsten Umweltbelastungsproblemen (außer 2006 und 2009), dem zweitbes-
  ten Gesundheitssystem (außer 2005 und 2009 auf Platz 2) und ständig unter den Ländern mit der besten
  Verteilungsinfrastruktur der Welt.

  Anhand zahlreicher Parameter lässt sich nachweisen, dass sich Österreich diesen Platz an der Sonne redlich
  verdient hat, denn das Mehr an Wohlstand in Laufe der vergangen Jahrzehnte hat auch für ein beträchtli-
  ches Mehr an Lebensqualität gesorgt. Die folgenden Beispiele von mehr Lebensqualität werden von Vielen
  von uns entweder bereits als eine Selbstverständlichkeit angesehen und verschwinden daher allzu oft aus
  unserem Bewusstsein, oder wir waren uns ihrer noch gar nicht bewusst:

  Wir können großzügiger leben…		                                                                   Wir können den Lebensabend länger
  								                                                                                          genießen…

      WOHNFLÄCHE PRO PERSON                                                                              VERBLEIBENDE PENSIONSJAHRE
      (Hauptwohnsitz, in m2)                                                                             (Lebenserwartung mit 60 Jahren abzüglich durchschnittliches Pensionsantrittsalter)
50                                                                                                25,0
                                                                                                                                                                   24,2
45                                                                                                22,5
                                                            41,5 m2                                                                                                22,4
                                                                                                                                 Frauen
40                                                                                                20,0

                                                                                                                                  Männer
 35                                                                                               17,5
                                                                                                                                                                          Quelle: Hauptverband, Statistik Austria

                                                                                                           14,5
30                                                                                                15,0
                                                                      Quelle: Statistik Austria

25                                                                                                12,5     13,0

        22,5 m2
20                                                                                                10,0
                                                                                                                                                     2000

                                                                                                                                                                   2008
                                                                                                                                                            2005
                                                     2000

                                                             2005

                                                                                                                                              1995
                                              1995

                                                                                                                         1980

                                                                                                                                1985

                                                                                                                                       1990
                                                                                                                  1975
                         1980

                                1985

                                       1990

                                                                                                           1970
                  1975
        1970

16 | Mehr Lebensqualität
Wir haben mehr Jobs…				                                                                                              Wir sind mobiler geworden
 								                                                                                                              (v.a. im ländlichen Raum)…
     BESCHÄFTIGUNGSQUOTE SEIT 1960                                                                                     HAUSHALTE MIT AUTO
     (unselbstständig aktiv Beschäftigte in % der 15-64 Jährigen)                                                      (in % der Gesamthaushalte)
60                                                                                                                80
                                                                           58,6 %                                                                                                         76 %
                                                                                                                  75
58
                                                                                                                  70
56
                                                                                                                  65

54                                                                                                                60

                                                                                                                  55

                                                                                                                                                                                                  Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus
52
                                                                                                                  50
                                                                                                                        49 %
50
                                                                                                                  45
                                                                                      Quelle: WIFO

             48,3 %
48                                                                                                                40

                                                                                                                                                                                2000

                                                                                                                                                                                          2005
                                                                                                                                         1984

                                                                                                                                                 1989

                                                                                                                                                                      1998
                                                                               2008

                                                                                                                           1979

                                                                                                                                                        1993
      1960
             1965
                    1970
                             1975
                                    1980
                                           1985
                                                  1990
                                                         1995
                                                                 2000
                                                                        2005

 Wir können immer reisen…			                                                                                           Wir atmen eine sauberere Luft ein...

     REISEINTENSITÄT                                                                                                       LUFTVERSCHMUTZUNG
     (Personen mit mindestens einer Haupturlaubsreise, in % der Bevölkerung)                                               (Emissionen indexiert 100 = 1985)
70                                                                                                                100
                                                                                                                   90
                                                                           59 %
60                                                                                                                 80
                                                                                                                   70
50                                                                                                                 60
                                                                                                                                                                                    Kohlenmonoxid
                                                                                                                   50
40                                                                                                                 40
                                                                                                                   30
                                                                                                                                                                                                                                           Quelle: Umweltbundesamt

                                                                                                                                                                             Schwefel
                                                                                      Quelle: Statistik Austria

30                                                                                                                 20
                                                                                                                                                               Blei
       27,5 %
                                                                                                                   10
20                                                                                                                     0
        1969

                                                                           2007
                                                                1999
                      1975

                                                  1987
                                    1981

                                                                                                                                                                             2000

                                                                                                                                                                                           2006
                                                                                                                                                1990
                                                                                                                                  1985

                                                                                                                                                          1995

                                                                                                                                                                               Mehr Lebensqualität | 17
Wir haben sauberere Flüsse…			                                                                                Wir ernähren uns gesünder...
       WASSERQUALITÄT                                                                                           VERBRAUCH AN FISCH SEIT 1950
       (Güteklasse der Fließgewässer, in %)                                                                     (kg pro Kopf und Jahr)
 100                                                     1%                                                10
                               3/4 bis 4
                     11 %                               10 %
                                                                                                           9
  80                           2/3 bis 3                                                                   8
                     25 %                                                                                                                                                                      7,5
                                                                                                            7
  60                                                                                                       6
                                   GÜTEKLASSE
                                                       89 %                                                5
                                     1 und 2
  40                 64 %                                                                                  4

                                                                                                                                                                                                      Quelle: Österr. Ernährungsbericht 2008
                                                                                                            3
                                                                               Quelle: Umweltbundesamt

  20                                                                                                       2
                                                                                                                     2,0
                                                                                                            1
   0                                                                                                       0

                                                                                                                                                                                2000

                                                                                                                                                                                          2006
                                                                                                                                                                  1990
                                                                                                                                1960

                                                                                                                                                         1980
                                                                                                                    1850

                                                                                                                                           1970
                     1966                               2001

       Wir sind breiter gebildet…			                                                                            Wir sind breiter ausgebildet...

       ENTWICKLUNG DES BILDUNGSNIVEAUS                                                                              STUDIERENDE AN ÖFFENTLICHEN UNIVERSITÄTEN
       (in % der 25-64 jährigen)                                                                                    (in Tsd.)
 100                                                                                                       250
  90                                                                                                                                                                                             218

                                                                        81,5                                                                                     Gesamt
  80                                                                                                       200
                  mindestesten Sekundarstufe
  70
  60    57,8                                                                                               150
  50                                                                                                                                                                                             117
                                                                                                                                                                Männer
  40    42,2                                                                                               100
                                             Pflichtschulabschluss                                                                                                                               101
  30
                                                                                                                                                                  Frauen
                                                                               Quelle: Statistik Austria

                                                                                                                                                                                                                                           Quelle: Statistik Austria

  20                                                                    18,5                                50
  10                                                                                                                19
                                                                                                                    15
   0                                                                                                            0    4
                                                     2000

                                                                     2006
                        1990
           1985

                                      1995

                                                                                                                     1955
                                                                                                                            1960
                                                                                                                                   1965
                                                                                                                                          1970
                                                                                                                                                  1975
                                                                                                                                                          1980
                                                                                                                                                                 1985
                                                                                                                                                                         1990
                                                                                                                                                                                 1995
                                                                                                                                                                                        2000
                                                                                                                                                                                               2007

18 | Mehr Lebensqualität
Wir sind immer besser vernetzt…		                                                                                                       Wir können unseren Horizont
 								                                                                                                                                unmittelbarer erweitern...
     HAUSHALTE MIT INTERNETZUGANG                                                                                                        FLUGREISEN
     (in % der Gesamthaushalte)                                                                                                          (Anzahl der Flugreisen pro 100 Einwohner)
80                                                                                                                                  40
                                                                              76 %
75
                                                                                                                                                                                                            30
70                                                                                                                                  30

65

60                                                                                                                                  20

55

50                                                                                                                                  10
                                                                                       Quelle: Statistik Austria

                                                                                                                                                                                                                      Quelle: Statistik Austria
      49 %
45
                                                                                                                                            1
40                                                                                                                                   0
       2002

                 2003

                               2004

                                         2005

                                                       2006

                                                                2007

                                                                              2008

                                                                                                                                            1969

                                                                                                                                                                                                          2007
                                                                                                                                                       1975

                                                                                                                                                                                            1999
                                                                                                                                                                              1987
                                                                                                                                                                1981

 Wir werden besser versorgt…			                                                                                                          Wir leben in einem stabileren
 								                                                                                                                                politischen Umfeld…
      ÄRZTEDICHTE SEIT 1960                                                                                                               ANZAHL DER DEMOKRATIEN WELTWEIT
      (Ärztinnen und Ärzte pro 100.000 Einwohner)
500                                                                                                                                 100
                                                                                 453                                                                                                                             88
                                                                                                                                    90
                                                                                                                                    80
400
                                                                                                                                    70
                                                                                                                                    60
300                                                                                                                                 50
                                                                                                                                    40
                                                                                                                                                                                                                                       Quelle: Human Security Report 2005

                                                                                                                                    30
200
                                                                                                        Quelle: Statistik Austria

        159                                                                                                                         20      20
                                                                                                                                     10
100                                                                                                                                  0
                                                                       2000
                                                1985
                                                        1990
                                                               1995

                                                                                2007

                                                                                                                                                                                                   1995
                                                                                                                                                       1955
                                                                                                                                                1946

                                                                                                                                                                                                            2003
               1965
        1960

                                                                                                                                                                                     1988
                                                                                                                                                              1965
                                       1980

                                                                                                                                                                       1975
                        1970
                                1975

                                                                                                                                                                                             Mehr Lebensqualität | 19
Wir müssen nicht um unser			                                                                                Wir nutzen den Wohlstand
   Leben bangen...					                                                                                        immer verantwortungsvoller…
         OPFERQUOTE BEWAFFNETER KONFLIKTE                                                                            FORSCHUNGSAUSGABEN
         (Kampfopfer pro 1 Mio. Weltbevölkerung))                                                                    (F&E-Ausgaben in % des BIP)                                                  Prognose
   500                                                                                                         2,9
                                                                                                                                                                                                  2,73
           400                                                                                                 2,7
   400
                                                                                                               2,5
   300
                                                                                                               2,3
                                                                                                                                   Österreich
   200                                                                                                         2,1
                                                                          Quelle: Human Security Report 2005

                                                                                                                                                                                                          Quelle: Eurostat; Statistik Austria
                                                                                                               1,9                                                                         1,83
                                                                                                                     1,79
   100                                                                                                                                      EU Durchschnitt
                                                                                                                     1,78
                                                                                                               1,7
                                                                     30
     0
                                                                                                               1,5
                                                                  2002
                                                    1992

                                                           1997
                                  1982
                   1972
           1967

                                         1987
                          1977

                                                                                                                     1998
                                                                                                                            1999
                                                                                                                                   2000
                                                                                                                                          2001
                                                                                                                                                 2002
                                                                                                                                                        2003
                                                                                                                                                               2004
                                                                                                                                                                      2005
                                                                                                                                                                             2006
                                                                                                                                                                                    2007
                                                                                                                                                                                           2008
                                                                                                                                                                                                   2009

20 | Mehr Lebensqualität
Fakten zur Armut

                   Aufgaben | 21
Was bedeutet „Armutsgefährdung“?

  Armutsgefährdet ist laut EU jeder, dessen Haushaltseinkommen inkl. Sozialleistungen unter der Armutsge-
  fährdungsschwelle von 60 Prozent des Medianeinkommens seines EU-Mitgliedstaates liegt. Aus dem Ergeb-
  nis von EU-SILC 2007 wurde die Zahl der armutsgefährdeten Personen in Österreich auf knapp zwischen
  917.000 und 1.060.000 Menschen bzw. zwischen 11,2 Prozent und 12,9 Prozent (Mittelwert: 12,0 Prozent der
  Bevölkerung) hochgerechnet. 2006 waren es noch rund 40.000 Personen mehr. Der EU-Durchschnitt liegt
  bei 16 Prozent.

        ARMUTSGEFÄHRDUNGSQUOTEN IN DER EU 2007
        in %
   26                                                                                                             25
   24
                                                                                                             22
   22                                                                                                   21
   20                                                                                        20 20 20
                                                                                  19 19 19
                                                                          18 18
   18                                                                17
                                                                16
   16   EU-Durchschnitt: 16%                            15 15
                                                14 14
   14                                   13 13
                        12 12 12 12
   12           11 11
   10   10 10

    8

                                                                                                                       Quelle: Eurostat, EU-SILC 2007
    6
    4
    2
    0
            Tschechien
          Niederlande
             Schweden
              Slowakei
             Slowenien
             Österreich
                 Ungarn
             Dänemark
               Finnland
             Frankreich
            Luxemburg
                   Malta
          Deutschland
                Belgien
                 Zypern
                   Polen
                   Irland
               Portugal
        Ver. Königreich
                 Estland
                 Litauen
                Spanien
                  Italien
         Griechenland
                Lettland
              Bulgarien
             Rumänien

  Wichtig ist aber: Die Armutsgefährdung in Österreich sinkt tendenziell – vom Mittelwert 13,2 Prozent im
  Jahr 2003 (erste Erhebung nach EU-SILC) auf 12,0 Prozent 2007 obwohl sie im EU-15-Schnitt im gleichen
  Zeitraum sogar tendenziell steigt – von 15 Prozent auf 17 Prozent.

22 | Was bedeutet „Armutsgefährdung“?
ARMUTSGEFÄHRDUNG IN ÖSTERREICH UND EU-15
     (in % der Gesamtbevölkerung)
20

18
                                     EU-Durchschnitt                                             17,0 %

16
      15,0 %

14
       13,2 %                        Österreich

12                                                                                               12,0 %

                                                                                                           Quelle: Eurostat
10          2003                2004                2005                2006                  2007

Noch wichtiger ist aufzuzeigen, dass, selbst wenn die Armutsgefährdungsquote stagnieren würde, es uns
trotzdem immer besser ginge. Und das aus drei Gründen:

     1. Erstens zeigt die Armutsgefährdungsquote die „relative“ Armut an. Damit würde es aber selbst in
        einer fiktiven Volkswirtschaft, in der nur Millionäre leben, offiziell noch immer eine Armutsgefähr-
        dung geben. Faktum ist: Einem Armutsgefährdeten in Österreich geht es besser als einem Armutsge-
        fährdeten in Ungarn, wo das Medianeinkommen niedriger ist.

       Dazu die Vergleichszahlen: Während die Einkommensschwelle ab der ein Haushaltsmitglied als ar-
       mutsgefährdet gilt, in Österreich bei 912 Euro pro Monat liegt, gelten in weniger reichen EU-Mitglied-
       staaten wie z.B. in Griechenland Haushaltsmitglieder mit knapp 510 Euro oder in der Slowakei bereits
       mit 199 Euro als armutsgefährdet. Auch viele wohlhabende Volkswirtschaften der EU haben einen
       geringeren Schwellenwert als Österreich. In Deutschland liegt er bei 885 Euro, in Frankreich bei 828
       Euro, Italien bei 750 Euro und im Durchschnitt der EU25 bei knapp 700 Euro pro Monat. Damit ist man
       in Österreich bei gleichem Einkommen deutlich schneller armutsgefährdet als in anderen EU-Mit-
       gliedstaaten. Am Rande bemerkt: Sogar die Niederlande, die ein höheres BIP pro Kopf als Österreich
       aufweisen, haben mit 910 Euro eine etwas niedrigere Armutsgefährdungsschwelle als Österreich.

                                                                               Was bedeutet „Armutsgefährdung“? | 23
Ein/e armutsgefährdete/r Österreicher/in mit 912 Euro an verfügbaren
            Haushaltseinkommen, wäre nicht gefährdet in:
 1.000 (in Euro)
                                            Armutsgefährdet in Österreich = unter 912 Euro
   900            910
                                   885
   800                                           828
    700                                                          750
   600
   500
                                                                                 510
   400
    300
    200
                                                                                                  199
    100

                                                                                                            Quelle: k.A.
        0
            Niederlande Deutschland Frankreich                 Italien     Griechenland Slowakei

     2. Zweitens geht es einen Armutsgefährdeten heute deutlich besser als einen Armutsgefährdeten vor
        einigen Jahren. Allein von 1995 bis heute ist die Armutsgefährdungsschwelle von knapp 700 Euro mo-
        natlich auf rund 912 Euro gestiegen. Mit einem gewichteten Haushaltseinkommen von 800 Euro wäre
        man demnach vor 10 Jahren noch nicht armutsgefährdet, heute hingegen schon.

     3.	Drittens verzerrt die steigende Anzahl von Single-Haushalten die Armutsgefährdungsquote.
        Die Armutsgefährdungsschwelle wird nämlich vom Haushaltseinkommen – noch genauer: vom Äqui-
        valenzeinkommen berechnet. Dieses fiktive Einkommen wird durch die Zahl der Haushaltsmitglieder
        dividiert und gewichtet; mit dem Argument: Je mehr Personen in einem Haushalt wohnen, desto
        geringer sind die Lebenserhaltungskosten jedes Einzelnen – ein klassischer Effekt der „Economies
        of Scale“. Der kollektive Wohlstandsgewinn durch gemeinsame Haushaltführungen wird durch die
        Statistik Austria für Österreich übrigens mit sage und schreibe 48 Mrd. Euro berechnet – also sogar um
        10 Mrd. Euro mehr als die gesamten Transferleistungen durch den Staat (außer Pensionen). Die Haus-
        haltseinkommen führen laut IHS dazu, dass mehr als 900.000 individuell armutsgefährdete Personen
        nicht mehr armutsgefährdet sind. Durch immer mehr Single-Haushalte (von 450.000 im Jahr 1961 auf
        1,24 Mio. im Jahr 2007) und immer weniger Großfamilien sollte die Armutsgefährdungsquote seit Jahr-
        zehnten eigentlich rasant steigen. Aber sie tut es nicht – im Gegenteil. Es geht uns heute also besser
        obwohl wir uns seit Jahrzehnten freiwillig für mehr persönliche Freiheit und gegen mehr Sicherheit
        im Familienverbund entscheiden.

24 | Was bedeutet „Armutsgefährdung“?
„Armutsgefährdung“ ist nicht gleich „Armut“

In der Armutsdiskussion besteht auf EU-Ebene Konsens, dass Einkommen als alleiniger Indikator zur
Messung von Armut unzureichend ist. Armut ausschließlich über niedriges Einkommen zu definieren, be-
rücksichtigt nicht das subjektive Empfinden der sozialen Ausgrenzung. Von „manifester Armut“ wird daher
nur dann gesprochen, wenn zusätzlich zu niedrigem Einkommen gewisse Mängel oder Einschränkungen
in grundlegenden Lebensbereichen auftreten (wie keine angemessene Wohnung oder Heizmöglichkeit,
Kleidung oder Ernährung).

Wer ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle hat und in mindestens einem von fünf Berei-
chen (z.B. Lebensführung, Wohnung, Gesundheit) mindestens zwei Benachteiligungen hat (z.B. Lebensfüh-
rung: Wohnung kann nicht warm gehalten werden und unerwartet anfallende Ausgaben sind ein Problem.
Wohnung: kein Bad oder WC in der Wohnung und Belastung durch Schimmel und Feuchtigkeit), gilt als
„arm“. 2007 konnten bei 5 Prozent der Bevölkerung in Privathaushalten gleichzeitig niedriges Einkommen
(Armutsgefährdung) sowie Probleme in zentralen Lebensbereichen beobachtet werden. Hochgerechnet sind
also etwa 400.000 (und damit immerhin rund 60.000 weniger als im Jahr davor) Menschen in Österreich
„arm“, und nicht über eine Million, wie oft behauptet wird.

     ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „MANIFEST ARM“
     (in %)
14
      13,2 %

12                               Armutsgefährdet
                                                                                              12,0 %

10

 8

 6     6,0 %
                                                                                               5,0 %
                                                                                                         Quelle: Statistik Austria, EU-SILC

                                                             „manifest arm“
 4

 2

 0            2003           2004                2005               2006                   2007

                                                                  „Armutsgefährdung“ ist nicht gleich „Armut“ | 25
Die jährliche persönliche Haushaltsbefragung im Zuge der Erhebung der manifesten Armut (an der über
   4.500 Haushalte teilnehmen) macht aber im Umkehrschluss eines deutlich sichtbar: Der technische und
   soziale Fortschritt und der Wohlstand in Österreich ist bemerkenswert, wovon letztlich auch die armutsge-
   fährdeten Hauhalte profitieren: Von den 8,2 Millionen Österreicherinnen und Österreichern können sich
   laut EU-SILC Umfrage heute nur eine verschwindende Minderheit jene Produkte nicht leisten, die vor eini-
   ger Zeit noch unter die Kategorie „Luxus“ gefallen wären, heute aber laut EU-SILC ein Indikator für soziale
   Ausgrenzung sind: 471.000 Österreicher (nur 6 Prozent der Bevölkerung) können sich kein eigenes Auto;
   und 456.000 keinen eigenen PC leisten (5 Prozent der Bevölkerung). Überhaupt nur 91.000 können sich
   kein eigenes Handy und 37.000 keine eigene Waschmaschine leisten (1 Prozent bzw. sogar unter 1 Prozent
   der Bevölkerung). 2,1 Mio. Österreicher (26 Prozent der Gesamtbevölkerung) können es sich nicht leisten,
   Urlaub zu machen.

   SO VIELE ÖSTERREICHER/INNEN
   KÖNNEN SICH NICHT LEISTEN...

    ...Urlaub zu machen                         ...eigenes Auto                 ...eigenes Handy

                                                        6%                                   1%
                    26 %

                                                                                              Quelle: EU-SILC 2009

   Wie kann Armut weiter verringert werden?

   Ein direkter, kurzfristiger Hebel zur Verringerung von Armut sind soziale Transfers. Österreichs Sozialquote
   (Sozialausgaben in Prozent des BIP) ist mit 28,5Prozent eine der höchsten in der EU. Der Durchschnitt der
   EU-27 liegt bei 26,9 Prozent des BIP. Damit werden in Österreich fast drei Viertel aller heimischen Steuer-
   und Abgabeneinahmen im Sozialbereich ausgegeben. (Näheres dazu im Kapitel „Umverteilung“.)

26 | Wie kann Armut weiter verringert werden?
Sozialausgabenquoten in der EU (2006)
               (Quelle: Eurostat)
          35
                 31,1 30,7
          30                           30,1
                                                 29,3 29,1
                                                           28,7 28,5
                                                                                                     27,5 27,5
                                                                                                                        26,9 26,6 26,4
                                                                                                                                               25,4
          25                                                                                                                                              24,2
                                                                                                                                                                     22,8 22,3
                                                                                                                                                                                                20,9 20,4
          20                                                                                                                                                                                                       19,2 18,7
                                                                                                                                                                                                                             18,4 18,2 18,1
Prozent

                                                                                                                                                                                                                                                                      15,9
          15                                                                                                                                                                                                                                                                  15,0
                                                                                                                                                                                                                                                                                         14,0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     13,2
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                12,4 12,2

          10

          5

          0
               Frankreich
                            Schweden
                                       Belgien
                                                 Niederlande
                                                               Dänemark
                                                                          Deutschland
                                                                                        Österreich
                                                                                                     EU-15
                                                                                                             Eurozone
                                                                                                                        EU-27
                                                                                                                                Italien
                                                                                                                                          UK
                                                                                                                                               Finnland
                                                                                                                                                          Portugal
                                                                                                                                                                     Griechenland
                                                                                                                                                                                    Slowenien
                                                                                                                                                                                                Ungarn
                                                                                                                                                                                                         Spanien
                                                                                                                                                                                                                   Luxemburg
                                                                                                                                                                                                                               Polen
                                                                                                                                                                                                                                       Tschechien
                                                                                                                                                                                                                                                    Zypern
                                                                                                                                                                                                                                                             Irland
                                                                                                                                                                                                                                                                      Malta
                                                                                                                                                                                                                                                                              Slowakei
                                                                                                                                                                                                                                                                                         Bulgarien
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Rumänien
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Litauen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Lettland
Ohne Sozialtransfers würde die Armutsgefährdungsquote in Österreich statt bei 12 Prozent mehr als
doppelt so hoch bei 25 Prozent liegen. Ohne Sozialtransfers und Pensionen sogar bei 43 Prozent. Mit einer
Reduktion der Armutsgefährdungsquote um über 50 Prozent durch die Transfers ist das österreichische
Sozialsystem eines der effektivsten der EU. In nur fünf weiteren EU-Mitgliedstaaten wird die Armutsge-
fährdung durch soziale Transfers um über 50 Prozent verringert.

Langfristig muss aber vor allem an nachhaltigeren, strukturellen Schrauben gedreht werden, um die Ar-
mut weiter zu verringern.

     1. 	Mehr Beschäftigung:
         Bei Arbeitlosen liegt die Armutsgefährdungsquote in Österreich bei 35 Prozent (bei Langzeitarbeitslo-
         sigkeit sogar bei 52 Prozent bei Erwerbstätigen hingegen nur bei 6 Prozent (Vollzeit 6 Prozent Teilzeit
         9 Prozent) – im EU-Durchschnitt bei 8%. Ohne Sozialleistungen hätten Arbeitslose in Österreich
         sogar eine Armutsgefährdungsquote von 69 Prozent. In diesem Bereich hat Österreich mit der zweit-
         niedrigsten Arbeitslosenrate innerhalb der EU eine besonders gute Ausgangsposition.

     2. 	Mehr Bildung und Ausbildung:
         Eine gute Qualifikation gewährleistet eine besser bezahlte Erwerbsarbeit und verringert das Armuts-
         gefährdungsrisiko: Für Personen mit max. Pflichtschulabschluss liegt das Armutsgefährdungsrisiko bei
         20 Prozent, mit Lehre/mittlerer Schule bei 9 Prozent, mit Matura bei 10 Prozent, mit Universitätsab-
         schluss bei 6 Prozent.

     3. Bessere Integration und qualifizierte Zuwanderung:
        Für in Österreich geborene Menschen beträgt das Armutsrisiko 11 Prozent, bei eingebürgerten Perso-
        nen 22 Prozent, bei Migrantinnen und Migranten sogar 28 Prozent. Eine qualifizierte Zuwanderung
        würde daher nicht nur den heimischen Fachkräftemangel abmildern, sondern auch die Armutsgefähr-
        dungsquote in Österreich – vor allem bei Migrantinnen und Migranten – deutlich verringern.

                                                                                                                                                                                                                       Wie kann Armut weiter verringert werden? | 27
Außerdem: Mehr Zukunftsinvestitionen und mehr Eigenverantwortung

         Verantwortung für die eigene Zukunft liegt nicht nur bei der Allgemeinheit, sondern auch beim Einzel-
         nen selbst. Der in den Konsumerhebungen gemessene durchschnittliche Warenkorb der österreichi-
         schen Haushalte hat sich historisch betrachtet enorm verändert, wobei sich mit gestiegener Kaufkraft
         das Schwergewicht weg von den Grundbedürfnissen wie Ernährung und Bekleidung hin zu den
         Ausgaben für Freizeit und Verkehr verschoben hat. Während 1954 noch 64 Prozent des Haushaltsein-
         kommens für Ernährung und Bekleidung verwendet werden musste, waren es im Jahr 2004 nur noch
         27 Prozent.

         KONSUMAUSGABEN DER HAUSHALTE SEIT DER NACHKRIEGSZEIT
         in % der Gesamtausgaben
   70

   60
                                 Ernährung und Bekleidung

   50

                                                                                                          Quelle: Statistik Austria, Konsumerhebungen seit 1954
   40

   30
                                 Freizeit und Verkehr

   20

   10

     0
            1954                 1964           1974           1984           1994             2004

   Damit haben die Haushalte heute mehr denn je die Möglichkeit, die frei gewordene Kaufkraft in Regene-
   ration und Bildung zu investieren, um sich für Selbstfindung, für gesellschaftliche Aufgaben oder für den
   Arbeitsmarkt zu rüsten. Tatsächlich fallen jedoch unter den steigenden Ausgaben für Freizeit und Verkehr
   heute nur erschreckende 0,8 Prozent (20 Euro pro Monat) für die Zukunftsinvestition „Bildung“ an. Auffällig
   dabei ist (laut jüngster Konsumerhebung aus dem Jahr 2004), dass gerade der Bereich „Bildung“ die größ-
   te Schwankung je nach Qualifikationsgrad des Haushaltes aufweist. Bei niedrigqualifizierten Haushalten
   (Pflichtschulabgänger) werden nur 0,4 Prozent der Gesamtausgaben für Bildung aufgewendet, bei hoch-
   qualifizierten Haushalten (Akademiker) sind es mit noch immer schlappen 1,6 Prozent immerhin vier Mal
   mehr. Dabei sollten gerade niedrig Qualifizierte einen Aufholprozess bei der Weiterbildung starten, um der
   Armutsfalle zu entkommen. Konsumfähigkeit verhindert nur dann nachhaltig die Armut, wenn auch Teile
   des Konsums in Zukunftsinvestitionen fließen. Können sich die Menschen mehr leisten, steigt auch ihre
   Verantwortung dafür, wofür sie die zusätzlich gewonnene Kaufkraft ausgeben.

28 | Wie kann Armut weiter verringert werden?
Bereitschaft zu Leistung und Arbeit schwindet

Nicht nur mehr Eigenverantwortung, sondern auch eine gesunde Einstellung zu gesellschaftlicher Teilhabe,
Leistung und Arbeit würde die Neigung zur Armutsgefährdung verringern. Das Meinungsforschungsinstitut
GfK Fessel hat jedoch in einer Evaluierung der Lifestyle-Studien der vergangenen zwanzig Jahre festgestellt,
dass Arbeit und Beruf im Leben der Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr die zentrale, sinnstif-
tende Stellung haben. Die Zustimmung zu der Aussage „erst durch Arbeit bekommt das Leben einen Sinn“
sank von 60 Prozent in 1988 auf 54 Prozent in 2007. Dass ein sinnerfülltes Leben ohne Arbeit nicht möglich
ist, bestätigten noch 1997 84 Prozent 2007 dagegen nur mehr 58 Prozent. Jeder fünfte (1997: 15 Prozent)
glaubt bereits, nur in der Freizeit ein sinnvolles Leben führen zu können.

Dazu passt auch, dass klassische Leitsätze der Arbeits- und Leistungsgesellschaft offenbar vermehrt
hinterfragt werden. So schwand die Zustimmung zu der Aussage „man muss bereit sein, für seine Arbeit
auch private Opfer zu bringen“ von 71 Prozent in 1987 auf 34 Prozent in 2007, im gleichen Zeitraum stieg die
Ablehnung von 8 Prozent auf 28 Prozent. Rund die Hälfte der Bevölkerung stimmte sowohl 1987 als auch
1992 der Aussage „nur durch Leistung bringt man es wirklich zu was“ voll und ganz zu, 2007 war es lediglich
knapp ein Viertel. Auch davon, dass Wohlstand und Reichtum meist hart erarbeitet sind, waren vor 20 Jah-
ren noch 57 Prozent der Bevölkerung überzeugt (36 Prozent voll und ganz), 2007 aber nur mehr 48 Prozent
(davon 18 Prozent voll und ganz).

       WERTVERÄNDERUNG ÜBER DEN SINN DER ARBEIT

       „NUR DURCH LEISTUNG BRINGT MAN ES ZU ETWAS.“

1987                                                                   46 %

1992                                                                         48 %
                                                                                                               Quelle: GfK, Lifestyle Studien 1987-2007

2007                                24 %

          Stimme voll und ganz zu

                                                                    Bereitschaft zu Leistung und Arbeit schwindet | 29
Der Mythos der sinkenden Reallöhne

   Der wichtigste nachhaltige Hebel zur Reduktion der Armut ist natürlich der Anreiz zu einem steigenden
   Primäreinkommen – also jenes Einkommens, das durch persönliche Leistung und Arbeitslohn erwirtschaf-
   tet wird. Der wichtigste Anteil des Primäreinkommens der österreichischen Haushalte ist der Arbeitneh-
   merlohn und dementsprechend wichtig für den persönlichen Wohlstand der Haushalte ist der stetige Zu-
   wachs des (inflationsbereinigten) Realeinkommens. An dieser Stelle ist es Zeit, mit einem weitverbreiteten
   Mythos aufzuräumen, der die öffentliche Debatte über Wachstum und Wohlstand seit vielen Jahren geprägt
   hat: Der Mythos der „sinkenden Reallöhne“.

   Wenn behauptet wird, dass die „Reallöhne sinken“, dann bezieht man sich nur auf den Durchschnittslohn
   oder den Medianlohn, der u.a. deswegen sinkt, weil sich die Anzahl der Lohneinkommen vergrößert (Be-
   schäftigungszuwachs) und die neuen Arbeitnehmer eher mit Löhnen unter dem Durchschnitts- bzw. des
   Medianlohns in den Arbeitsmarkt einsteigen. Die kollektivvertraglichen Lohnabschlüsse (Mindestlöhne bzw.
   „Soll-Löhne“) waren, kumuliert betrachtet, immer über der kumulierten Inflationsrate (blaue Linie), wie die
   Graphik unten bestätigt. Daher kann keinesfalls von Reallohneinbußen für den einzelnen Arbeitnehmer die
   Rede sein. Die kumulierten Reallohneinkommen (d.h. die kumulierten Lohneinkommen im Vergleich zum
   kumulierten VPI) sind, im Gegenteil, in Österreich ohne Ausnahme ständig gestiegen. Die Industrie kann
   sogar auf höhere Lohnabschlüsse (sowohl für Facharbeiter, als auch für Hilfsarbeiter) verweisen als der
   Durchschnitt aller Kollektivverträge.

      ENTWICKLUNG DES TARIFLOHNINDEX (MINDESTLÖHNE)
      VERGLICHEN MIT DEM VPI 1988-2008
      Index 100 = 1988
220

200
                                                                                                                Hilfsarbeiter Industrie

180
                                                                      Facharbeiter Industrie

160
                                                                                                   Beschäftigte insgesamt
                                                                                                                                           VPI
140

120
                                                                                                                                                         Quelle: WIFO

100
                                                                                                                                    2006
                                                                                          2000

                                                                                                                      2004

                                                                                                                                                  2008
                                                                                                                             2005
                                                                                                        2002
                                                                                                               2003

                                                                                                                                           2007
      1988

                                                              1996
             1989

                                                                            1998
                    1990

                                                1994

                                                                                   1999
                                                       1995

                                                                                                 2001
                                  1992
                                         1993

                                                                     1997
                           1991

30 | Der Mythos der sinkenden Reallöhne
Der Mythos der Binnennachfrage durch Löhnerhöhungen

Ein kleiner Abstecher: Oft wird argumentiert, höhere Löhne seien nicht nur ein Mittel zur Bekämpfung der
Armut, sondern auch – über den Umweg einer steigenden Binnennachfrage – eine Maßnahme zu mehr
Wertschöpfung und mehr Wohlstand, und damit indirekt auch wieder ein Beitrag zur Verringerung der
Armut. Diese „kaufkraftorientierte Lohnpolitik“ ist jedoch ein Relikt aus der Zeit geschlossener „Binnen-
volkswirtschaften“ und hat in der heutigen Zeit nur mehr eine bedingte Aktualität. Bereits zwei Drittel einer
Lohnerhöhung in Österreich fließt nicht mehr direkt in den Konsum heimischer Produkte, wie die untenste-
hende Graphik erläutert:

EINE LOHNERHÖHUNG UM 1%...
 ergibt Kosten für Unternehmen von 1,1 Mrd. Euro
 (1 % der Arbeitnehmerentgelte der Unternehmen)

                                 Steuern und Abgaben
                                  Davon fließen 41 % in den Steuern- und Abgabentopf
                                  (implizierter Steuersatz auf Arbeit in Österreich laut OECD)

 650 Mio. Euro verbleiben den privaten
 Haushalten als verfügbares Einkommen
                                 Sparen
                                  Davon fließen 12 % ins Sparen
                                  (durschnittliche Sparquote)

 570 Mio. Euro beleben die Endnachfrage

                                 Ausland
                                  Davon wiederum fließen 32 % in den Import
                                  (durschnittliche Importlastigkeit des Konsums laut VGR)
                                                                                                           Berechnungen: IV

 390 Mio. Euro (35%)
 sind direkt in Österreich nachfragewirksam

...STEIGERT DIE BINNENNACHFRAGE IN ÖSTERREICH UM 0,35 %

Was Löhne und Wettbewerbsfähigkeit betrifft, so wird oft das unreflektierte Argument gebracht, dass die
Löhne in Österreich im Vergleich zu anderen Industriestaaten deswegen nicht hoch seien, weil die Lohn-
stückkosten gering sind (Produktivität höher als Löhne). Niedrige Lohnstückkosten besagen aber nur, dass
die Produktivität der vorhandenen Arbeitsplätze hoch ist und die Unternehmen damit konkurrenzfähig sind.
Wären sie es nicht, wären diese Arbeitsplätze verschwunden. Nach einer Verdoppelung der Löhne wären
die dann verbliebenen Arbeitsplätze zwar noch immer profitabel – es wären halt nur viel weniger. Die inter-
nationale Erfahrung zeigt, dass dauerhaftes Wachstum aus Investitionen in Kapital und Wissen resultiert.
Ein steigender Konsum steht erst am Ende dieser Kette. Auf dem Weg zu mehr wirtschaftlicher Dynamik
gibt es eben keine Abkürzung.

                                                            Der Mythos der Binnennachfrage durch Löhnerhöhungen | 31
Der Mythos „Lohnquote“

          Ein weiterer Mythos, der das Thema Löhne und Armutsgefährdung verbindet, ist die Debatte um die soge-
          nannte „Lohnquote“. Die „Lohnquote“ wird gerne als Spiegelbild einer angeblichen wachsenden Einkom-
          mensschere zwischen Arm und Reich missbraucht, obwohl sie nicht die Einkommensverteilung zwischen
          Arm und Reich misst, sondern die Verteilung zwischen Lohneinkommen und Kapitaleinkommen. Die
          sinkende Lohnquote der vergangenen Jahrzehnte bedeutet nicht, dass Arbeitnehmer weniger wohlhabend
          wurden als Unternehmen, oder dass die reale Lohnentwicklung mit der Produktivitätsentwicklung nicht
          mithalten konnte, sondern die sinkenden Lohnquote hat strukturelle Gründe:

          Die Lohnquote sinkt…

                … weil sie sich seit dem rasanten Anstieg der 70er Jahre wieder normalisiert. In den 50er und 60er
                 Jahren hatte die heimische Lohnquote einen ähnlichen Wert wie heute, bis überproportionale Lohner-
                 höhungen und höhere Steuern und Abgaben sie auf ein Rekordmaß aufblähten. Erst allmählich nähert
                 sie sich nun wieder einem Normalmaß. Heute hat Österreich immer noch eine wesentlich höhere
                 Lohnquote (Lohnsumme in Prozent des BIP) als der OECD- oder der Euroland-Durchschnitt (siehe
                 Graphik).

          	Lohnquote international
                    privater Sektor
               60

               58

               56
In % des BIP

               54

               52

               50

               48

               46
                        1970

                                            1980

                                                   1990

                                                           1995

                                                                      2000

                                                                                   2004

                                                                                               2005

                               Österreich
                               OECD
                               EURO-Land

32 | Der Mythos „Lohnquote“
 …weil es in einer modernen Gesellschaft bei Arbeits- und Kapitaleinkommen immer größere
    Überschneidungen gibt. Kapitaleinkommen (Zins-, Dividenden- und Mieterträge, private Pensions-
    vorsorge, Bausparen) werden in der Lohnquote den „Gewinnen“ zugerechnet, obwohl sie vermehrt
    das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmer erhöhen. In den vergangenen zehn Jahren haben sich
    alleine die Kapitalerträge der privaten Haushalten von 13 Mrd. Euro auf 26 Mrd. Euro verdoppelt.

   … weil sogar die private Nutzung einer Eigentumswohnung monetär bewertet wird („fiktive
    Mieterträge“) und in die Kategorie „Betriebsüberschüsse“ fällt. Da immer mehr Eigentumswohnungen
    privat genutzt werden, stiegen die „Betriebsüberschüsse“ alleine aus dieser Kategorie seit 1995 um
    mehr als 2,6 Mrd. Euro.

   … weil jedes zusätzlich geschaffene Unternehmen und jeder neue „Freiberufler“ dazu beiträgt, die
    Lohnquote zu senken. Heute werden jährlich bereits doppelt so viele Unternehmen neu gegründet wie
    noch vor zehn Jahren. Auch der Anteil der Einkommen der freien Berufe am Gesamteinkommen der
    Volkswirtschaft hat sich seit den 60er Jahren mehr als verdoppelt.

   …weil hingegen die steigenden Sozialtransfers (Pensionen, Arbeitslosen- und Familienleistungen)
    in der Lohnquote nicht enthalten sind. Mit der demographischen Entwicklung sinkt die Lohnquote
    schon allein dadurch, dass tendenziell immer mehr Löhne und Gehälter durch Pensionstransfers
    ersetzt werden. Ein Beweis: Während die Summe der Arbeitnehmerentgelte seit 1995 um 32 Prozent
    gestiegen ist, ist die Summe der Pensionstransfers (Pensionsleistungen plus Ausgleichszulage) um
    fast 50 Prozent regelrecht explodiert.

   … weil zunehmende Schwarzarbeit, die meist einen Zuverdienst für Arbeitnehmer oder Transferbe-
    zieher darstellt, die Gewinnquote (also die „Betriebsüberschüsse und Selbstständigeneinkommen“)
    und nicht die Lohnquote erhöht.

   … weil Unternehmensgewinne aus dem Ausland eins zu eins in die Gewinnquote einfließen, obwohl
    ein großer Teil davon im Ausland reinvestiert wird (Fiktion der Vollausschüttung). Daher steigt die
    heimische Gewinnquote statistisch gesehen, obwohl die Gewinne im Ausland erwirtschaftet werden,
    dort verbleiben und auch dort verbleiben müssen, um die hochwertigen Arbeitsplätze in Österreich zu
    sichern.

   … weil insbesondere Arbeitnehmerinnen vermehrt die Möglichkeit von Teilzeitbeschäftigung in
    Anspruch nehmen, die Berechung der Lohnquote aber nicht vollzeitbereinigt ist.

Um darzustellen wie die Wertschöpfung in Österreich zwischen privaten Haushalten und Unternehmen
tatsächlich verteilt wird, müsste man daher konsequenterweise jene drei Teile des Volkseinkommens zur
Lohnquote dazurechnen, die den privaten Haushalten zugute kommen, aber aus erhebungstechnischen
Gründen im „Restposten“ der Unternehmensgewinne erfasst werden:

  1. Die Vermögenseinkommen der privaten Haushalte (Einkommen aus Sparguthaben, Wertpapieren
     oder Anlagefonds) von 27,8 Mrd. Euro im Jahr 2007.

  2. Die Einkommen aus selbstständiger Arbeit (Freiberufler, neue Selbstständige, Nebeneinkommen aus
     Vermietung, Verpachtung oder sonstiger Nebenbeschäftigung) von 25,7 Mrd. Euro im Jahr 2007.

                                                                                  Der Mythos „Lohnquote“ | 33
3. Die „fiktiven Mieten“: Dabei wird unterstellt, dass jeder Eigenheimnutzer an sich selbst vermietet. Die
           so ermittelten, fiktiven Einnahmen werden den „Unternehmensgewinnen“ zugeschlagen, obwohl die
           privaten Haushalte die Nutznießer sind. Summe 2007: 6,8 Mrd. Euro.

      Gerade diese Einnahmen sind in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gewachsen und täuschen
      eine drastisch sinkende Lohnquote vor. Bereinigt man diese Werte und fügt sie dem Lohneinkommen hinzu,
      so sieht man, dass die dadurch neu geschaffene „Einkommensquote“ erstens mit 83 Prozent deutlich höher
      ist, und dass sie zweitens seit 1995 mit knappen 0,9 Prozentpunkte kaum gesunken ist, wie mit der her-
      kömmlich berechneten „Lohnquote“ fälschlicherweise vermittelt wird (seit 1995 um 6,5 Prozentpunkte
      gesunken).

      ANTEIL AM VOLKSEINKOMMEN
100

                                                                               Unternehmensgewinne 17 %
90
                                                                                                                "EINKOMMENS-
                                                                                                                 QUOTE"
80                                                                                                               83,0%
                                                     Vermögenseinkommen der privaten Haushalte 12,1 %

70
                                                       Nebenerwerb und selbstständige Einkünfte 11,2 %

60                                                             Fiktive Mieten der privaten Haushalte 2,7 %      "LOHNQUOTE"
                                                                                                                 56,8 %
                                                                                               Löhne 56,8 %
50
      1995

              1996

                      1997

                               1998

                                      1999

                                              2000

                                                        2001

                                                                2002

                                                                        2003

                                                                                 2004

                                                                                        2005

                                                                                                  2006

                                                                                                         2007

      Die geringe Abwärtsdynamik der „Einkommensquote“ hängt damit zusammen, dass durch die demographi-
      sche Entwicklung ein Struktureffekt eintritt: bei jedem zusätzlichen Pensionsantritt wird aus einem Lohn-
      einkommen ein Transfereinkommen (Pension), das statistisch nicht unter „Arbeitnehmerentgelt“ erfasst
      wird. Ohne diesen Struktureffekt wäre die „Einkommensquote“ in den vergangenen Jahren sogar konstant
      geblieben.

 34 | Der Mythos „Lohnquote“
Was sagt nun eine sinkende Lohnquote wirklich aus?

   Eine sinkende Lohnquote reflektiert eher eine steigende Krisenfestigkeit und die Expansionsfähig-
    keit der heimischen Unternehmen, die zwecks Absicherung gegen Globalisierungsrisken heute mehr
    in Forschung, Entwicklung und Innovation investieren. Da Fremdkapital weitgehend ungeeignet ist,
    die wachsenden Risken abzufedern, müssen die Unternehmen ihre Eigenkapitalausstattung verbes-
    sern, sodass die Lohnquote sinkt. Eine sinkende Lohnquote signalisiert auch eine Normalisierung der
    Selbstfinanzierungskraft der österreichischen Unternehmen. Unter der extrem geringen, nur noch
    von Frankreich unterbotenen Gewinnquote von unter 33 Prozent Anfang der achtziger Jahre hat die
    Krisenfestigkeit wie auch die Fähigkeit der Unternehmen in Österreich, internationale Märkte durch
    Direktinvestitionen zu erschließen, jahrzehntelang gelitten.

   Eine sinkende Lohnquote signalisiert außerdem einen konjunkturellen Aufschwung. Im aufstreben-
    den Konjunkturzyklus nehmen immer zunächst die Gewinne zu und erst später ziehen die Löhne nach.
    Dafür verhält es sich bei einem Abschwung umgekehrt: die Löhne sinken nicht so rasch wie die Gewin-
    ne, ja sie steigen sogar zunächst noch weiter, obwohl die Unternehmensgewinne und Kapitaleinkom-
    men bereits absolut zurückgehen. Die Finanzmarktkrise ist dafür leider ein erstes reales Beispiel: Das
    WIFO hat in seiner Prognose vom Juni 2009 ein Sinken der Betriebsüberschüsse und Selbstständigen-
    einkommen um 4,6% bzw. 6,4 Mrd. Euro (von 115,9 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 109,5 Mrd. Euro im Jahr
    2009) prognostiziert. Bei den Arbeitnehmerentgelten wurde hingegen sogar ein Anstieg von 1,67%
    (137,2 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 138,9 Mrd. Euro im Jahr 2009) prognostiziert. Die Lohnquote wird
    sich damit im Krisenjahr 2009 um mindestens 1,5 Prozentpunkte erhöhen. Damit beweist auch die
    Praxis, dass Arbeitsnehmerentgelte wesentlich krisenstabiler sind als Unternehmensgewinne.

   Eine sinkende Lohnquote bedeutet daher keinesfalls, dass die Löhne zu Lasten der Unternehmens-
    gewinne sinken. Bei anhaltendem Wachstum steigen beide: Löhne und Gewinne. Konkret: Obwohl die
    Lohnquote in den vergangenen 30 Jahren gesunken ist, sind im selben Zeitraum die Arbeitnehmerent-
    gelte in Summe um über 100 Mrd. Euro gestiegen (doppelt so schnell wie die Inflation). Eine sinkende
    Lohnquote bedeutet aber auch nicht, dass das Sozialversicherungssystem unfinanzierbar wird. Die
    Finanzierung der Sozialversicherung ist keine Frage der Lohnquote – also des Verhältnisses der Löhne
    zu „den Einkünften aus Besitz und Unternehmung“ – sondern eine Frage der absoluten Lohnsumme
    und der Erwerbs- und Beschäftigungsquote (wie viele Menschen in das System einzahlen) – beide
    Größen weisen eine positive Dynamik auf.

   Und schließlich bedeutet eine sinkende Lohnquote auf keinen Fall eine ungleichere Einkommens-
    verteilung unter den Arbeitnehmern selbst. Die Lohnquote vergleicht die Einkommen des Faktors
    Arbeit (alle Arbeitnehmer) mit jenen des Faktors Kapital und nicht die Einkommen der Beschäftig-
    ten untereinander, und schon gar nicht die verfügbaren Einkommen der Haushalte. Das relevante
    Maß hierfür ist der „Gini-Koeffizient“ bei dem Österreich in den vergangenen 10 Jahren von 27 auf 25
    gesunken ist. Die Einkommensverteilung wurde hierzulande also tendenziell gleicher, obwohl die
    Lohnquote sank. Aber näheres dazu im nächsten Kapitel zum Thema Umverteilung.

                                                                                    Der Mythos „Lohnquote“ | 35
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