Wirtschaft braucht MEER - SPECIAL - Schiff & Hafen
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SPECIAL 12. NATIONALE MARITIME KONFERENZ Mit neuer Kraft durchstarten Liebe Leserinnen, liebe Leser, Foto: BPA/Steffen Kugler herzliche Grüße zur 12. Nationalen Maritimen Konfe- renz (NMK) aus der Hanse- und Universitätsstadt Ros- tock! Es ist eine besondere Nationale Maritime Konferenz: Erstmalig findet sie digital statt. Ich bin froh, dass wir trotz der Covid-19-Pandemie die Konferenz austragen – direkt aus dem Studio an der Hafenkante von Rostock/ Warnemünde. Die Pandemie ist ein Lackmustest für die Bedeutung des Schiffbaus am Industriestandort Deutschland, der Schifffahrt und der Häfen für die Versorgung Deutsch- lands sowie für den Handel in Europa und der ganzen Welt. Die Prüfung wurde bisher bestanden. Doch es gibt keinen Grund, sich auszuruhen. Gerade für eine Handels- und Industrienation wie Deutschland sind Schiffsverkehr, Schiffbau und leis- tungsstarke Häfen wesentliche Grundlagen, um auch in Zukunft weiter auf Augenhöhe mit Ländern wie Chi- na, Südkorea oder den Vereinigten Staaten von Ameri- ka konkurrieren zu können. Hier gilt es, den Anschluss nicht zu verlieren. Die deutsche Industrie steht vor ei- nem verschärften internationalen Wettbewerb. Unsere Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie Antworten darauf sind verbesserte Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, neue Technologien und technologi- sche Souveränität. Deutschland ist jetzt schon Vorreiter zahlreicher schifffahrt eingesetzt: Die Bundesregierung stellt den maritimer Technologien. Hier liegt auch in Zukunft der Ländern in den Jahren 2020 bis 2024 insgesamt 176 Mil- Schlüssel für den Erfolg. Die digitale und ökologische lionen Euro für den Ausbau der Landstrominfrastruktur Transformation ist in vollem Gange. Diese muss wei- in den See- und Binnenhäfen zur Verfügung. ter forciert und bestärkt werden. Daher liegt nicht nur Nach Überwindung der Pandemie wollen wir mit neuer in den klassischen Feldern der maritimen Wirtschaft – Kraft durchstarten. Mit der Nationalen Maritimen Kon- Schifffahrt, Schiffbau und Häfen –, sondern insbeson- ferenz aus Rostock senden wir hierfür ein erstes positives dere in der Entwicklung und Herstellung umwelt- und Signal. Seien Sie daher am 10. und 11. Mai live dabei, klimafreundlicher maritimer Technologien ein großer wenn es heißt: „Wirtschaft braucht MEER“. Ich freue Wachstumsmarkt der Zukunft für deutsche Unterneh- mich auf Sie! men. Genau das macht die maritime Wirtschaft so reiz- voll. Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Auch Ihr für das Ziel hin zum Null-Emissions-Schiff und einer schadstofffreien Schifffahrt sind noch viele Schritte not- wendig. Einer davon sind saubere und sichere Häfen. Daher habe ich mich unter anderem für den Ausbau des Landstromangebots im Bereich der See- und Binnen- 2 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
Konstruktiver Dialog – auch virtuell Liebe Leserinnen, liebe Leser, Foto: Staatskanzlei MV herzlich willkommen zur 12. Nationalen Maritimen Konfe- renz (NMK). Sehr gern hätte ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses wichtigen Treffens der maritimen Wirt- schaft persönlich bei uns in Rostock begrüßt. Aufgrund der anhaltenden Pandemielage weltweit muss die NMK in die- sem Jahr leider als virtuelle Konferenz durchgeführt werden. Dennoch bin ich mir sicher, dass die zahlreichen Vertrete- rinnen und Vertreter aus der maritimen Wirtschaft, der Wis- senschaft und Politik in einen konstruktiven Dialog unter dem Motto „Wirtschaft braucht MEER“ zusammenkommen und die drängenden Fragen in der gegenwärtigen Lage diskutieren. Neben dem Schiffbau und der Zulieferindustrie, der Schifffahrt, den Häfen, der Meerestechnik und der Offshore-Windenergie wird als neuer Aspekt der Marineschiffbau eine Rolle spielen. Für unser Bundesland hat die maritime Wirtschaft eine sehr große Bedeutung. Im Bereich der maritimen Industrie beschäftigen etwa 300 Unternehmen derzeit ca. 11 500 Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter und generieren ein Umsatz- volumen von 1,5 Mrd. Euro. Im Schiffbau gibt es dabei ein breites Wertschöpfungsnetzwerk aus Werften aller Größen- klassen und deren Zulieferbetrieben. Unter ihnen befindet sich mit der Mecklenburger Metallguss GmbH aus Waren/ Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin des Landes Müritz ein Weltmarktführer bei der Herstellung von Schiffs- Mecklenburg-Vorpommern propellern – darauf sind wir sehr stolz. Auch maritime Kran- anlagen werden für den Weltmarkt gebaut: Liebherr-MCCtec Rostock GmbH entwickelt und fertigt Schiffs-, Hafenmobil- sierungsfonds, um den Werften an der Ostsee die Möglich- und Offshorekrane direkt an der Kaikante im Hafen Rostock. keit zu geben, neue Schiffstypen mit innovativen Antrieben Auch im Bereich maritime Dienstleistungen ist unser zu entwickeln und die Krise meistern zu können. Bundesland stark aufgestellt. Die Hafenwirtschaft bei uns In allen Bereichen der maritimen Wirtschaft sind die im Land entwickelt sich an insgesamt 13 Standorten wei- Auswirkungen der Corona-Pandemie ausnahmslos spürbar. ter positiv und unterstreicht die internationale Ausrichtung Ich bin mir sicher, dass von der 12. Nationalen Maritimen der Wirtschaft in unserem Bundesland. Dabei können sich Konferenz in Rostock starke Impulse für die zukünftigen sowohl große Universalhäfen wie Rostock als auch Spezi- wirtschaftspolitischen Herausforderungen ausgehen, um alhäfen wie Wismar als Holzwirtschaftsstandort oder der den Unternehmen und somit den Beschäftigten in der Bran- Hafen Sassnitz als Fährhafen und Logistik-Drehscheibe für che die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft Offshore-Projekte erfolgreich am Markt behaupten. zu sichern. In diesem Sinne wünsche ich der Konferenz span- Trotz der positiven Entwicklung weht der Branche nende Diskussionen zu den vielfältigen Themen rund um sprichwörtlich eine steife Brise entgegen. Insbesondere im die maritime Wirtschaft. Schiffbau, speziell im Segment der Kreuzfahrtschiffe, erle- ben wir gegenwärtig einen massiven Einbruch in der Fer- tigung. Darunter leidet nicht nur die Werftenindustrie in Ihre Mecklenburg-Vorpommern. Wir brauchen an dieser Stelle die Unterstützung des Bundes mit dem Wirtschaftsstabili- Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5 3
Wirtschaft braucht MEER INHALT Grußworte Branchenstatements 2 Peter Altmaier: Mit neuer Kraft 10 Blick nach vorne: Stimmen der maritimen durchstarten Branche 3 Manuela Schwesig: Konstruktiver Dialog – auch virtuell Unternehmen und Institutionen aus Mecklenburg-Vorpommern Digitaler Branchentreff 12 Das Labor unter dem Meeresspiegel 6 Zukunfts- und Wachstumsbranche 15 Kraftstoffe und Motoren für die präsentiert sich auf der 12. Nationalen Schiffe der Zukunft Maritimen Konferenz 18 Der moderne Schiffspropeller und sein digitaler Zwilling Interview 20 Nationales Testfeld Offshore-Windenergie 8 7 Fragen an Norbert Brackmann: „Ich habe großes Vertrauen in die Innovationskraft der deutschen maritimen Branche“ 4 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
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SPECIAL 12. NATIONALE MARITIME KONFERENZ Zukunfts- und Wachstumsbranche präsentiert sich auf der 12. Nationalen Maritimen Konferenz DIGITALER BRANCHENTREFF Am 10. und 11. Mai diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gewerkschaften auf der digitalen Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) über die zukünftigen Herausforderungen sowie die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen, auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Coronakrise. Unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin organisiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit Unterstützung des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern sowie der Hanse- und Universitätsstadt Rostock dieses bedeutende Branchenevent. schwerpunkte bildeten darüber hinaus die Nachhaltigkeit von Schifffahrt und Hafenbetrieb, die Potenziale, die sich daraus für den Schiffbau und die Zulieferindustrie ergeben, sowie der Beitrag der Offshore-Windenergie zur Energiewende und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit durch die Meeres- technik. In diesem Zusammenhang wurde die Digitalisierung als Querschnittsthema für die maritime Wirtschaft diskutiert. Die maritime Wirtschaft konnte im Anschluss eine Vielzahl der Handlungsempfehlungen der 11. NMK im Dialog mit der Po- litik konkretisieren und umsetzen, von denen einige nachfolgend exemplarisch genannt werden. Neben vorgezogenen Neubauten für staatliche Auftragge- ber sind es vor allem attraktive Anreize für privatwirtschaftliche Auftraggeber, die gebunden an Umwelt- und Klimaauflagen, die Basis für eine zunehmend emissionsfreie Schifffahrt schaffen. Ei- nige Maßnahmen, die auch gerade in der aktuellen Krise wichtige Initiativen darstellen, sind beispielsweise Förderprogramme für die Binnen- und die Küstenschifffahrt sowie eine zusätzliche Un- terstützung für den Bau von LNG- Bunkerschiffen. Von zentraler Bedeutung über alle maritimen Branchenseg- mente hinweg sind die bereitgestellten Mittel für Innovation, Forschung und Entwicklung wie die erhebliche Aufstockung des Wie hier auf der 11. Nationalen Maritimen Konferenz in Friedrichs- Maritimen Forschungsprogramms oder die Neuauflage der För- hafen wird Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auch auf der derrichtlinie Innovative Hafentechnologien sowie die Schaffung 12. NMK die Position der Bundesregierung zur maritimen Branche Deutschlands erläutern Foto: Schiff&Hafen der neuen Förderrichtlinie Digitale Testfelder in Häfen. Einen wichtigen Baustein stellt auch das Gesetz zur steuerlichen För- derung von Forschung und Entwicklung dar, das die steuerliche Begünstigung von Forschungsausgaben von Unternehmen er- möglicht. Das Forschungszulagengesetz ist Anfang 2020 in Kraft U nter der Überschrift „Deutschland maritim global . smart getreten. . green“ wurden auf der vergangenen 11. Nationalen Ma- ritimen Konferenz vor zwei Jahren die zentralen globalen, Auswirkungen der Corona-Pandemie europäischen und nationalen Herausforderungen thematisiert. Einige Monate nach der 11. NMK hat die Corona-Pandemie Mit der Wahl des Veranstaltungsortes, Friedrichshafen in Baden- die Welt und auch die maritime Wirtschaft erschüttert. Bis dato Württemberg, unterstrich die Bundesregierung die gesamtstaat- konnten sich die maritimen Unternehmen, insbesondere auch in liche Bedeutung der maritimen Branche. Vor dem Hintergrund Deutschland und Europa, in dem seit Jahren vorherrschenden kom- zunehmender protektionistischer Bestrebungen stand die Be- plexen Spannungsfeld aus Überkapazitäten, verhaltenem Weltwirt- deutung des offenen Welthandels und fairer Rahmenbedingun- schaftswachstum, geopolitischen Unsicherheiten und steigenden gen für alle Marktteilnehmer auf der Agenda. Weitere Themen- Anforderungen im Klima- und Umweltschutz recht erfolgreich be- 6 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
haupten. Nach nunmehr 14 Monaten im Covid-19-Krisenmodus Anfang März hatte Norbert Brackmann den „Bericht über zeichnet sich in den unterschiedlichen Branchensegmenten aktuell die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen ein differenziertes Bild ab. Während die Frachtraten und damit Wirtschaft in Deutschland“ vorgelegt, der alle zwei Jahre im auch die Umschlagzahlen in den Häfen sich in großen Teilen wie- Vorfeld der Nationalen Maritimen Konferenzen einen Über- der erholt haben und auch viele meerestechnische Unternehmen blick über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen der eine kaum beeinträchtigte Nachfrage nach Mess- und Umwelttech- Branche sowie wichtige Maßnahmen der Bundesregierung gibt. nik sowie technologischen Lösungen insbesondere für den Off- „Aktuell ist die Branche durch Corona stark betroffen, aber shore-Windbereich verzeichnen, sind andere Bereiche schwer von wir müssen die Krise auch als Chance begreifen. Die maritime der Corona-Pandemie betroffen. Die massivsten Auswirkungen Wirtschaft ist eine Zukunfts- und Wachstumsbranche. Das ver- verzeichnet die Kreuzfahrtbranche mit ihrer hohen Wertschöp- deutlicht der Bericht. Die Branche gestaltet die maritime Ener- fung im wirtschaftlichen europäischen Gesamtgefüge. Neben tou- giewende aktiv mit und investiert in Forschung und Entwick- ristischen Leistungsträgern, Einzelhandel und Gastgewerbe sind lung“, so Brackmann. hier vor allem Bereiche der maritimen Wirtschaft betroffen – von Das maritime Segment steht mit den Auswirkungen der den entsprechenden Reedereien über Schiffsausrüster, Häfen bis Corona-Pandemie vor großen Aufgaben. Somit sind die Erwar- hin zu Werften und Schiffbauzulieferern. Daraus folgt zwangsläu- tungen an die Politik mit Blick auf die 12. NMK entsprechend fig auch, dass vor allem Unternehmen, deren Hauptgeschäft mit hoch. Zusammen mit hochrangigen Gästen aus dem Aus- und der Kreuzfahrtbranche verknüpft ist, am härtesten betroffen sind, Inland haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Chance, während diversifiziert aufgestellte Akteure leichter Kompensati- die zentralen globalen, europäischen und nationalen Herausfor- onsmöglichkeiten erschließen können. Die Corona-Krise hat aber derungen der maritimen Branche zu diskutieren und eine Pers- auch eindrucksvoll die Systemrelevanz der maritimen Wirtschaft pektive für die Zukunft der maritimen Wirtschaft am Standort verdeutlicht. Die Handelsschifffahrt konnte – trotz der erheblichen Deutschland in Europa zu entwickeln. Probleme in Bezug auf den Crewwechsel - die Versorgung nahezu Um die Weichen für die Post-Corona-Zeit zu stellen, sollen lückenlos sicherstellen. unter dem Motto „Wirtschaft braucht MEER“ die Bedeutung und der Ausbau der maritimen Wertschöpfung in Deutschland Wirtschaft braucht MEER und Europa, die Relevanz von Forschung, Entwicklung und Der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirt- Innovation für eine maritime europäische Technologieführer- schaft, Norbert Brackmann, stimmt mit folgenden Worten auf die schaft sowie der Umwelt- und Klimaschutz für eine maritime digitale NMK ein: „Mit einer rein virtuellen Nationen Maritimen Energiewende im Fokus stehen. Des Weiteren werden Aspekte Konferenz zeigen wir einmal mehr, dass die maritime Wirtschaft wie der europäische und globale Wettbewerb, die Digitalisie- abseits aller Seefahrer-Romantik längst eine Hightech-Branche rung und Automatisierung der maritimen Wirtschaft sowie Be- ist und sich in der digitalen Welt genauso zuhause fühlt wie auf schäftigung und Ausbildung diskutiert. Die inhaltliche Arbeit den Weltmeeren“. Die Nationale Maritime Konferenz kehrt zu- für die maritime Zukunft findet in den Branchenforen Schiff- rück an die Küste. Gemeinsam mit dem Land Mecklenburg-Vor- fahrt, Schiffbau, Häfen, Meerestechnik, Offshore-Windenergie pommern und der Hanse- und Universitätsstadt Rostock freue und – erstmalig – Marine statt. sich die Bundesregierung, die maritime Branche zu Deutschlands Das detaillierte Programm der NMK 2021 ist unter folgen- bedeutendster maritimer Veranstaltung im digitalen Studio im dem Link verfügbar: Hafen von Rostock/Warnemünde zu begrüßen. www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/nationale-maritime-konferenz-2021.html Marikulturtechnik P l t h ik Polartechnik Meeresforschungs- Meeresforschun ngs- ngs technik Offshore hore Gebündelte Kompetenz Windenergie Windenergie Hydrographie e Meerestechnik Meer Mee erre e essste te ech e ch hnik k für eine nachhaltige Offshore Öl Öl und Gas Maritime Sicherheitstechnik Sicherheitstechnik Nutzung der Meere Maritime Küstenzonen- Umweltschutztechnik management Profitieren Sie von diesem Netzwerk! Meeresbergbau Meeres sbergbau u Gesellschaft für Maritime Technik e.V. Bramfelder Str. 164 · 22305 Hamburg · Telefon: 040-23 93 57 69 E-Mail: gmt@maritime-technik.de · www.maritime-technik.de AZ-gmt-0321d-183x83mm_v1.indd 1 05.03.21 11:45 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5 7
SPECIAL 12. NATIONALE MARITIME KONFERENZ Fragen an... »Ich habe großes Vertrauen in die Innovationskraft der deutschen maritimen Branche« NORBERT BRACKMANN Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft Bundesministerium für Wirtschaft und Energie >> ZUR PERSON Norbert Brackmann wollte schon als seit 11. April 2018 Koordinator der die Kommunalpolitik und seine ehren- Kind Rechtsanwalt werden. Dement- Bundesregierung für die maritime amtliche Tätigkeit in der Deutschen- sprechend konsequent hat er 1975 an der Wirtschaft; Lebens-Rettungsgesellschaft e.V. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (DLRG), der er bereits seit 1968 als das Jura-Studium aufgenommen, das er in der Bundespolitik bezeichnet sich Mitglied angehört, sind gleichzeitig 1979 mit dem ersten und 1982 mit dem Brackmann selber als „Späteinsteiger“. seine größten Hobbys. zweiten Staatsexamen abgeschlossen hat; In der Kommunalpolitik ist er bereits seit 1978 Abgeordneter des Lauenbur- seit 2009 Mitglied des Deutschen gischen Kreistages; Bundestages, wo er als direkt gewählter Abgeordneter den Wahlkreis Herzogtum Lauenburg und Stormarn-Süd vertritt; 8 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
1 Woher nehmen Sie Ihre Motivation? Was mich schon immer angetrieben hat, ist der Wille zur Gestaltung. Ich bin jemand, destag ist dann meinen Änderungsvorschlä- gen einstimmig gefolgt. Als Maritimer Koordinator habe ich einen wundernswert, auf der anderen Seite zeigt es, wie dringend wir uns selber strategisch aufstellen müssen. der anpacken kann und sich Ziele setzt, die wirklich guten Draht zur Branche und im- er auch erreichen will. Das gilt nicht nur für meine politischen Ämter, sondern auch in meinem Privatleben. Und es gilt auch im- mer ein offenes Ohr für die Sozialpartner und konnte bei den Themen Abgasreduzie- rung von Schiffen, Forschung und Entwick- 6 Welche Geschäftsidee würden Sie (mit un- begrenztem Kapital) umsetzen wollen? Ich würde eine ganze Flotte von Zero-Emis- mer wieder ganz praktisch in meiner ehren- lung sowie der Einstufung des gesamten sion-Schiffen bauen und über die Weltmee- amtlichen Tätigkeit bei der DLRG. Leben Marineschiffbaus zur Schlüsseltechnologie re fahren lassen. Zwar ist der Schiffsverkehr rettet man nun mal nicht durchs Zugucken. spürbare Akzente setzen. gemessen an der Menge der transportierten Güter bereits heute einer der umweltfreund- 2 Welche Lebenserfahrung war prägend für das, was Sie heute machen? Besonders geprägt hat mich meine Zeit bei 4 Welche Persönlichkeit würden Sie gern einmal treffen? Persönlichkeiten, die ich gerne einmal tref- lichsten Verkehrsträger, trotzdem: mit Zero- Emission-Schiffen würden wir den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens einen der Bundeswehr. Hier habe ich Menschen- fen würde, leben leider nicht mehr. großen Schritt näherkommen. führung gelernt. Die Fähigkeit, gerade auch Als Vorsitzender des Kuratoriums der Otto- in schwierigen Situationen als verlässlicher Anker, andere Menschen anleiten zu kön- nen und ihnen Halt und Orientierung zu von-Bismarck-Stiftung bewundere ich Otto von Bismarck. Er war ein kühler Lenker und begnadeter Stratege. Aber auch Konrad 7 Worin sehen Sie die zukünftigen Heraus- forderungen für Ihren Branchenzweig? Zunächst müssen wir Corona überwin- geben, ist etwas, was mir auch in meinem Adenauer bewundere ich sehr wegen seiner den und die wirtschaftlichen Verluste zivilen und politischen Leben immer wie- Aufbauarbeit, Ludwig Erhard als Vater der wieder aufholen. Dazu brauchen wir aber der weitergeholfen hat. Außerdem hat die Sozialen Marktwirtschaft und Martin Lu- mehr denn je auf europäischer und inter- Zusammenarbeit mit Menschen anderer ther King mit seinen Visionen und der Fä- nationaler Ebene ein Level-Playing Field. Nationen, anderer Kulturen und mit ande- higkeit, Menschen zu begeistern und mitzu- Gleichzeitig müssen wir alles daransetzen, ren Sichtweisen, meinen Blick geweitet und reißen. Diese Persönlichkeiten hätte gerne ein größtmögliches Maß an Umwelt- und meinen Erfahrungsschatz bereichert. einmal getroffen. Klimaschutz zu realisieren. Dafür müssen wir die Vorgaben des europäischen Green 3 Was betrachten Sie als Ihre größte Leis- tung? Neben meiner Familie, auf die ich sehr stolz 5 Welches Ereignis hat Sie zuletzt nachhal- tig beeindruckt? Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas, Deals der Internationalen Schifffahrtsor- ganisation IMO umsetzen. Darüber hinaus hat uns die Pandemie gezeigt, wie wichtig bin, ist politisch sicherlich eine meiner größ- sein Weg zu wirtschaftlicher Stärke, das gute Sozialstandards gerade in der Schiff- ten Leistungen gewesen, dass ich 2017 als ist schon sehr beachtlich. Mit der chine- fahrt sind. Wir müssen hier zu weltweit ein- Obmann im Haushaltsausschuss das vom sischen Strategie 2025 und dem Ausbau heitlichen Standards kommen. Bundeskabinett vorgelegte Infrastrukturge- der „Seidenstraße“ sind auch wir in Euro- Das hört sich vielleicht ein bisschen an wie sellschaftserrichtungsgesetz, mit dem der pa und Deutschland ein fester Bestandteil die „Eierlegende-Wollmilch-Sau“, aber auf Grundstein für die Autobahngesellschaft dieser Entwicklung. China verfolgt seine der anderen Seite habe ich großes Vertrauen des Bundes gelegt wurde, in ganz wesentli- Strategie sehr beharrlich und konsequent. in die Innovationskraft der deutschen mari- chen Punkten verändern konnte. Der Bun- Das ist auf der einen Seite schon sehr be- timen Branche. >> BUNDESWIRTSCHAFTSMINISTERIUM Das Bundesministerium für Wirtschaft und trieben. Dafür stehen im Haushalt des BMWi Energie (BMWi) setzt sich mit seinen elf Abtei- in 2021 rund 10,4 Mrd. Euro zur Verfügung. lungen dafür ein, die Soziale Marktwirtschaft Aufgabe des Maritimen Koordinators der Bun- „wetterfest“ zu machen, um so den zentralen desregierung ist es, Initiativen und Maßnah- Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu men zur Stärkung der internationalen Wett- begegnen. Die Bewältigung der Pandemie ist bewerbsfähigkeit des mariti men Standortes 2021 ein Schwerpunkt der Bundesregierung. Deutschland in den Bereichen Schiffbau, Mee- Gleichzeitig setzt das BMWi auf Zukunftsin- restechnik, Seeschifffahrt und Hafenwirtschaft Bundeskanzlerin alle zwei Jahre die Nationale vestitionen und stellt erhebliche Mittel bereit, zu koordinieren. Die Querschnittsthemen Maritime Konferenz durch. Die nächste Kon- um die Wirtschaft mittel- und langfristig zu Offshore-Windenergie-Nutzung, maritimer ferenz findet am 10. und 11. Mai 2021 in Ros- stärken. Schwerpunkte liegen auf Digitalisie- Klima- und Umweltschutz sowie maritime tock erstmalig als rein digitale Konferenz statt. rung, Zukunftstechnologien, das Voranbrin- Sicherheit sind hierin eingeschlossen. Der Ko- Bei seinen Aufgaben wird der Maritime Ko- gen der Energiewende und Strukturwandel im ordinator der Bundesregierung für die mari- ordinator durch die Geschäftsstelle Maritime Verkehrssektor hin zu klimafreundlichen An- time Wirtschaft führt zudem im Auftrag der Wirtschaft im BMWi unterstützt. Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5 9
SPECIAL 12. NATIONALE MARITIME KONFERENZ Blick nach vorne BRANCHENSTATEMENTS Im Vorfeld der 12. Nationalen Maritimen Konferenz hat Schiff&Hafen Vertreter der führenden maritimen Verbände und Vereine gefragt, warum die maritime Branche aus ihrer Sicht von gesamtstaatlicher Bedeutung ist und was sie von der diesjährigen NMK erwarten N atürlich hatten wir uns das anders vorgestellt. Härte der Realität in den Jahren nach 2009 gespürt. In Rostock, vor schöner Ostsee-Kulisse, Aber wir haben die Krise weitgehend hinter uns hunderte Teilnehmer, nicht in allem einig, gelassen und sind in vielen Bereichen bislang er- aber geeint von Teamgeist für Schifffahrt und ma- staunlich robust durch die Pandemie gefahren. ritime Wirtschaft. Gern hätten wir uns direkt bei Mehr noch: die Handelsschifffahrt hat gezeigt, der Bundeskanzlerin bedankt, der Schirmherrin welche bedeutende Rolle ihr zukommt. Wir sind dieser und vieler anderer Konferenzen. Sie und weitergefahren, wir haben geliefert. viele andere, darunter der Maritime Koordinator, Nach den Jahren ungewöhnlichen Wachstums, das Bundesverkehrsministerium oder die maritimen vor allem in der Containerschifffahrt Anfang der Sprecher der Regierungsfraktionen haben viel unter- Ralf Nagel, 2000er-Jahre und dem darauffolgenden Rückgang, nommen, um die Bedingungen für die Schifffahrt in Präsidiumsmitglied, haben wir jetzt eine neue Normalität. Die deutsche Verband Deutscher schwierigen Zeiten zu sichern und Impulse für die Reeder e.V. (VDR) Flotte ist ähnlich stark, in großen Teilen stärker als Zukunft zu geben. Foto: Bina Engel vor diesem Boom. Umso wichtiger sind deshalb wei- Nun kommt es anders. Die Entscheidung, die tere verlässliche und unterstützende Rahmenbedin- NMK virtuell abzuhalten, war richtig. Besonders gungen am Standort – für den Klimaschutz, für den in der Pandemie bewahrheitet sich der Satz: Je mehr Energie Wettbewerb mit anderen Schifffahrtsnationen. Darüber wollen man damit vertrödelt, der Realität vorzuwerfen, dass wir uns das wir auf der NMK sprechen. Unser Ehrgeiz sollte sein, maritime Ganze anders vorgestellt hätten, desto anstrengender wird es. Dienstleistungen am Standort nicht nur zu halten, sondern neue Das gilt auch für die deutsche Handelsschifffahrt. Wir haben die nach Deutschland zu holen. D er Kollaps der Kreuzfahrtnachfrage konfron- Milliarden-Subventionen in Asien regungslos und tiert den deutschen Schiffbau mit der bru- ohne Gegenwehr zur Kenntnis – und legen auch talen Realität, dass Kunden außer Yachten noch eigene Mittel obendrauf. und Behördenfahrzeuge kaum Schiffe noch in Allein das Desaster in der Schiffsfinanzierung Deutschland bestellen. Es stellt sich die Gret- verdeutlicht das. Deutsche Steuerzahler haften chenfrage: Wird Deutschland, schlimmer noch, mit geschätzten rund 50 Mrd. Euro für fehlgelei- wird Europa 2030 noch in nennenswertem Um- tete Schiffsfinanzierungen der Landesbanken – fang Seeschiffe bauen? Unsere Antwort ist klar: ermöglicht durch steuerliche Anreize, verbaut selbstverständlich! Es muss aber unmissverständ- ganz überwiegend in Asien, statt hier umfänglich lich klar sein, dass dafür neue Politikansätze erfor- Dr. Reinhard Lüken, für Wertschöpfung und Weiterentwicklung der derlich sind. Hauptgeschäftsführer, Technologie zu sorgen. Verband für Schiffbau und Europa verfügt über den größten Schifffahrts- Meerestechnik e.V. (VSM) Noch ist es nicht zu spät. Noch können wir vie- und, theoretisch, Schiffbau-Binnenmarkt der Foto: VSM les besser als unsere Wettbewerber. Deutschland Welt. Doch wir haben nichts getan, um diese braucht jetzt eine maritime Wachstumsagenda! Binnennachfrage durch Wertschöpfung im Bin- Durch eine gemeinsame Kraftanstrengung kön- nenmarkt zu bedienen, so wie Japan, Korea und China es selbst- nen wir die modernste, effizienteste, sicherste, sauberste und vor verständlich tun. Im Gegenteil, seit Jahrzehnten nehmen wir die allem klimaneutrale Flotte für Europa bauen. Auf geht’s NMK! 10 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
A ls Online-Veranstaltung ist die 12. Nationale Für die Schiffbau- und Offshore- Zulieferindus Maritime Konferenz 2021 in Rostock eine trie sind offene Grenzen und der weltweite freie Premiere für diesen traditionellen Treff- Handel ein absolut wichtiger Erfolgsgarant. Die punkt aller Akteure in der maritimen Wirtschaft. Durchsetzung weltweit fairer Wettbewerbsbe- Wir sind davon überzeugt, dass auch online ein dingungen steht deshalb ganz oben auf der Liste branchenübergreifender Erfahrungsaustausch unserer Forderungen an die Politik. Der Aufbau auf höchstem Niveau stattfinden kann. Gerade in von Handelsschranken und protektionistische der Corona-Pandemie zeigt sich, wie wichtig, aber Markteingriffe sind keine geeigneten Mittel, um auch empfindlich die internationalen Handels- und hochwertige Arbeitsplätze zu erhalten und neue Verkehrsströme sind, und welchen großen Anteil Dr. Jörg Mutschler, zu schaffen. die deutsche maritime Wirtschaft dabei für die Geschäftsführer, Die gewaltigen Möglichkeiten der fortschreiten- VDMA Marine Equipment Versorgung insgesamt leistet. Gleichzeitig sind die and Systems den maritimen Digitalisierung und die maritime Herausforderungen, z.B. im Kreuzfahrtschiffbau, Foto: HMC Energiewende bestimmen weiterhin die Chancen enorm und eine verlässliche Vorhersage derzeit der Branche für die nächsten Jahrzehnte. Die Po- schwer möglich. Der offene Austausch zwischen litik hat hier die Verantwortung, die passenden Politik, Unternehmen und Institutionen über diese und weitere unterstützenden Rahmenbedingungen sicherzustellen. Wir Themen sind das bewährte Konzept der NMK. freuen uns auf einen Schulterschluss dazu in Rostock. W ir Menschen sind zunehmend auf die Nut- zelne Unternehmen allein gestaltet und erreicht werden. zung der Meere angewiesen. Verantworten Neue Absatzmärkte verlangen eine enge Zusammen- lässt sich das aber nur mit einer nachhalti- arbeit in interdisziplinären, firmenübergreifenden gen maritimen Entwicklung, die ökologische, öko- und internationalen Initiativen. Um an der prognos- nomische und soziale Belange in Einklang bringt. tizierten Marktentwicklung teilhaben zu können Das geht nicht ohne die Meerestechnik. Sie entwi- und damit eine nachhaltige maritime Entwicklung ckelt, produziert und verwendet Technologien für zu fördern, sind Wirtschaft, Politik und Wissenschaft die Erforschung, den Schutz und die umwelt- und gleichermaßen aufgerufen, technische Innovationen ressourcenschonende Nutzung der Meere und ist bis zur Markteinführung voranzutreiben. Wirt- damit verbindendes Element für die verschiedenen Petra Mahnke, schaftspolitisch wirksame Rahmenbedingungen maritimen Branchensegmente. Geschäftsführerin, und flankierende Unterstützungsmaßnahmen sind Gesellschaft für Maritime An der Notwendigkeit zu globalen Veränderungen Technik e.V. (GMT) vordringlich, denn nur so können die deutsche mari- hin zu einem nachhaltigen Handeln besteht kein Foto: GMT time Wirtschaft im Allgemeinen und die Unterneh- Zweifel. Vor diesem Hintergrund wird das Bran- men der Meerestechnik im Besonderen langfristig chenforum Meerestechnik auf der 12. Nationalen im globalen Wettbewerb bestehen und neue Markt- Maritimen Konferenz den Beitrag der Meerestechnik an einer erfolg- potenziale erschließen. Ich erwarte hierzu vom Branchenforum Mee- reichen nachhaltigen Nutzung der Meere in den Fokus stellen. Die restechnik geeignete Handlungsempfehlungen, die dann von den damit einhergehenden Aufgabenstellungen können nicht durch ein- Verantwortlichen zeitnah aufgegriffen und umgesetzt werden. D ie Seehafenbetriebe stehen mitten in der Digita- erforderlich. Beim Wettbewerb der Unternehmen, lisierung und am Anfang weiterer großer Um- in dem neue Marktteilnehmer in die Hafenlogistik brüche bei der Energienutzung in Europa. drängen, sind wichtige Nachjustierungen im Kar- Die Veränderungen bieten viele Chancen, doch die tellrecht, Beihilferecht und Steuerrecht dringend Transformation in der Hafenlogistik vollzieht sich notwendig. in einem harten, globalen Wettbewerb zwischen Damit die Häfen die Energiewende aktiv mitge- Standorten und Unternehmen. Voraussetzungen stalten können, müssen hohe Investitionen in die für den Erfolg der deutschen Hafenwirtschaft sind Ausstattung und Entwicklung von Terminals und daher eine vertrauensvolle Sozialpartnerschaft und Verteilinfrastruktur für Energieträger wie Liquified eine Politik, die mit guter Infrastruktur, fairen L. Daniel Hosseus Natural Gas (LNG) und Wasserstoff getätigt wer- Wettbewerbsbedingungen und Fördermaßnah- Hauptgeschäftsführer, den. Aber auch die Umrüstung und Neuanschaf- Zentralverband der deutschen men diese Prozesse erleichtert. Seehafenbetriebe e.V. (ZDS) fung von Nutz- und Spezialfahrzeugen sowie Ge- Dementsprechend sind hohe Investitionen und Foto: ZDS rätschaften, die im Hafen zum Einsatz kommen, weitere Schritte zur Planungsbeschleunigung für muss in Förderprogrammen berücksichtigt wer- den Ausbau der digitalen Infrastruktur und der den. Erfolgreiche Maßnahmen wie IHATEC und Verkehrswege erforderlich. Beim Wettbewerb der Standorte sind digitale Testfelder in Häfen weisen hier den Weg und belegen das die Einführung des Verrechnungsmodells zur Erhebung der Ein- Streben der Hafenunternehmen, die Transformationsprozesse fuhrumsatzsteuer sowie wettbewerbsfähige Transportwegekosten proaktiv voranzutreiben. Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5 11
SPECIAL 12. NATIONALE MARITIME KONFERENZ Das Testfeld bietet die Möglichkeit, küstennah neue Unterwassertechnologien zu erproben Illustration: Fraunhofer IGD Das Labor unter dem Meeresspiegel TESTINFRASTRUKTUR Mit dem Großprojekt „Ocean Technology Campus“ (OTC) wird die Hansestadt Rostock in den kommenden Jahren zum führenden Standort der technologischen Unterwasserforschung ausgebaut. Auf dem Gelände des Rostocker Fracht- und Fischereihafens entsteht im engen Schulterschluss zwischen Industrie und Forschung ein Umfeld zur Entwicklung und Erprobung meerestauglicher Hochtechnologien. Dazu wird ein vielseitig einsetzbares Testfeld in Küstennähe errichtet, um neue Technologien unter kontrollierten Bedingungen in einem realen Umfeld erproben zu können. C a. 1,5 Kilometer von der Küste vor Nienhagen bei Rostock Plattform verbessert und die Breitbandverbindung sowie die markiert bereits seit 18 Jahren eine Plattform ein künstli- Stromversorgung ausgebaut – entscheidende Details, wenn es da- ches Riff, das aus hunderten Elementen aus Naturstein und rum geht, Technologie-Anbieter und Forschungseinrichtungen Beton besteht. Dieses künstliche Riff in mehr als zehn Metern von dem Unterwasserlabor als Ort für ihre Testreihen zu über- Tiefe diente bisher in erster Linie der Fischereiforschung. Nun zeugen. „Man muss unter anderem in Echtzeit auf große Daten- entsteht hier ein einzigartiges Testfeld für die Meerestechnik. mengen zugreifen können, die bei den Messungen entstehen“, er- klärt Prof. Uwe Freiherr von Lukas, Standortleiter des Fraunhofer Weltweit einmaliges Forschungszentrum an der Ostsee IGD in Rostock. „Jetzt im Frühjahr kann es mit ersten Missionen Innovationen, wie z.B. zur Erkundung des Meeresbodens und losgehen.“ zum Fisch-Monitoring, zur Wartung von Offshore-Anlagen und Im Laufe der Zeit werden anwendungsnahe Szenarien aufge- der Munitionsbergung, können derzeit nur von Schiffen aus ge- baut, beispielsweise Seekabel verlegt. Mit Sensoren kann dann testet werden, die Forscher und Unternehmen Jahre im Voraus geprüft werden, wie sie funktionieren und wie sie sich auf die buchen müssen. Mit dem Aufbau des Testfelds wird – weltweit Umwelt auswirken. Sogenannte Unterwasser-Gärten sollen wei- erstmalig – eine Möglichkeit geschaffen, nahe dem Festland, tere vielfältige Forschungen ermöglichen. „Uns geht es um die neue Unterwasser-Technologien zu erproben. Entwicklung meerestechnischer Lösungen, die die Nutzung der Als erster Schritt entsteht das Digital Ocean Lab, betrieben Meere in Zukunft so effizient und gleichzeitig ökologisch ver- vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD träglich wie irgend möglich gestalten“, betont von Lukas. Auf An- in Rostock. Zunächst werden die technische Ausstattung der wohner, Wassersportler und Touristen soll die Erweiterung der 12 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
Station wenig Auswirkungen haben, aber die Öffentlichkeit kann und produziert. Auch die EvoLogics GmbH aus Berlin, die sich mit an der Forschung teilhaben: „In Nienhagen könnte eine Multime- Unterwasser-Kommunikation beschäftigt, hat sich eingemietet. dia-Präsentation zeigen, welche Experimente gerade laufen. So Angesprochen sind auch Start-ups der Branche, hier können können wir auch Bedenken zerstreuen, die eventuell entstehen.“ Absolventen der Universität Rostock oder aus Forschungsinsti- tuten innovative Ideen zu Produkten entwickeln. Eines der ers- Als Zukunftscluster ausgezeichnet ten Beispiele: Frameworks Robotics. Die jungen Unternehmer Das küstennahe Testfeld ist Teil eines langfristigen Vorhabens, entwickeln hier einen neuen Standard für Unterwasser-Systeme, in dem Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten und damit Tauchroboter genau nach den Bedürfnissen ihrer Anwen- voneinander profitieren werden: auf dem Ocean Technology dung aufgebaut oder ergänzt werden können. „Man spürt die Campus (OTC) in Rostock. Von Lukas ist einer der Ideengeber, Sogwirkung so eines Campus“, meint von Lukas. „Das enge Mit- das Fraunhofer IGD maßgeblich am Aufbau beteiligt, zusammen einander von Forschung und Firmen trägt schon erste Früchte.“ mit der Universität Rostock und weiteren Partnern. Das Projekt Denn kurze Wege, Synergieeffekte und eine hohe Vernetzung wurde vom Bundesforschungsministerium als eines von sieben bieten riesige Vorteile für alle Beteiligten, auch das Unterwasser- Zukunftsclustern ausgezeichnet, verbunden mit einer Förde- Testfeld kann gemeinsam genutzt werden. rung von 15 Millionen Euro. „Damit wollen wir unter anderem die Strukturen des Campus weiterentwickeln“, sagt von Lukas. Forschung fachübergreifend „Wir wollen nicht nur Forschung im Elfenbeinturm betreiben, Die derzeitigen Nutzer bilden die Keimzelle für die Campus-Ent- sondern es ist uns wichtig, echte Wertschöpfung im maritimen wicklung. In einigen Jahren wird auch das Fraunhofer IGD kom- Sektor zu erreichen: Aus guten Ideen sollen Produkte zur nach- plett auf den Campus ziehen. Schließlich ist die Fraunhofer-Ge- haltigen Nutzung der Meere werden.“ sellschaft federführend für den wissenschaftlichen Teil des OTC. Neben dem Unterwasser-Forschungsfeld entsteht gerade ein Seit einigen Monaten arbeiten Wissenschaftler unterschiedlicher ganzer Komplex für Forschung und Produktion im Rostocker Fachgebiete in der Gruppe „Smart Ocean Technologies“ auf dem Fischereihafen an der Warnow. Die Firma Baltic Taucher hat ihren Campus. Initiiert vom IGD, kommt hier die Expertise von vier Sitz schon lange dort. Auch erste neue Unternehmen sind bereits Forschungsinstituten zusammen. „Da geht es zum Beispiel um auf das Gelände gezogen, etwa die Rostocker Firma Kraken Power, Produktionstechnik, IT, Sensorik und Systemtechnik“, erläutert die Hightech-Komponenten für Unterwasser-Roboter entwickelt der Standortleiter. „Das könnte ein Institut allein nicht abde- > Stützpunkt an der Ostsee für unsere MARINE, die Seenotretter, den Zoll, unsere Bundespolizei, die Wasserschutzbehörden, die lokale Fischereiaufsicht, die WSV
SPECIAL 12. NATIONALE MARITIME KONFERENZ >> STANDPUNKT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNG Verantwortungsvolle Nutzung, Nachhaltigkeit, Innovation – eng mit international agierenden maritimen Industrieunter- das sind Stichworte, die die Arbeit des Netzwerkes Subsea nehmen zusammen. der Fraunhofer Gesellschaft seit 2016 prägen. Beteiligt sind dreizehn Institute bzw. Einrichtungen, darin vertreten die Aus ihrer Arbeit leitet die Kompetenzgruppe schon jetzt Hand- gesamte Bandbreite der Meeres- und Unterwassertechnik. lungsempfehlungen ab. Dadurch könnten Forschung und Indus „Denn eine Forschungsdisziplin allein stößt bei der Entwick- trie in Deutschland langfristig einen Wettbewerbsvorteil erzielen. lung von Meerestechnik schnell an ihre Grenzen“, heißt es in einem Positionspapier. „Die Gruppe verfügt über Experten in >> Forschung und Entwicklung in der Unterwassertechnik in- IT, Materialwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Elek tensivieren. Neue Technologien müssen das Gleichgewicht tronik, Sensortechnik, Energietechnik, Robotik, Aquakultur zwischen wirtschaftlicher Nutzung der Meeresressourcen sowie Automatisierungs- und Systemtechnik. Die entwickel- und dem Schutz der Meeresumwelt wahren. ten Meerestechnologien müssen dabei beinahe entgegenge- >> Test- und Erprobungsmöglichkeiten ausbauen. Nur so kön- setzten Anforderungen nachkommen: Einerseits sollen sie so nen zuverlässige und robuste Systeme für den realen Einsatz wenig wie möglich in die ozeanischen Ökosysteme eingreifen, effizient entwickelt werden. andererseits jedoch vielfältige relevante Fragen beantworten und komplexe Zusammenhänge aufdecken. Diesen Spagat >> Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee flächendeckend er- fassen und beseitigen. Von diesen Altlasten gehen extreme wollen die Meeresforscher in unterschiedlichen Forschungs- Gefahren für Menschen und Umwelt aus, die wirtschaftli- schwerpunkten stemmen“, so das Papier weiter. Das Kompe- che Nutzung der Meere wird stark limitiert. tenznetzwerk bildet den führenden Verbund für angewandte Forschung in der Unterwassertechnik in Europa. Entwickelt >> Europäische Partnerschaft für den Tiefseebergbau initi- werden Basistechnologien, etwa Unterwasserfahrzeuge samt ieren und öffentlich anfinanzieren. Dadurch kann Euro- entsprechender Energieversorgung, neuartiger Sensoren so- pa – und damit auch die Meerestechnik in Deutschland – wie einer robusten, hochaufgelösten Bildgebung. Weitere For- Technologieführer im nachhaltigen, umweltschonenden schungsschwerpunkte liegen in der Kommunikation, der Navi- Tiefseebergbau werden und Deutschland als rohstoffarme gation und der Manipulation unter Wasser. Nation strategisch unabhängiger werden. >> Einführung internationaler Standards für Unterwassermis- Auch Querschnittstechnologien sind unabdingbar, so die Ent- sionen. Dadurch wird das Zusammenwirken unterschied- wicklung von Smart Services, die einen wichtigen Beitrag zur lichster Technologien bei komplexen Missionen effektiv Wertschöpfung in der maritimen Branche leisten, oder die Zu- möglich und die technische Entwicklung stark gefördert. verlässigkeit, beispielsweise für Offshore-Anwendungen. Bei- spiele für solche Technologien sind Infrastrukturen für Tests >> Schaffung eines Rechtsrahmens für den Einsatz autonomer und Inbetriebnahme oder auch die dreidimensionale Erfas- Unterwasserfahrzeuge. Dadurch entsteht Rechtssicherheit, sung und Überwachung großer Unterwasserstrukturen wie die die Nutzung autonomer Systeme im großen Maßstab für Offshore-Anlagen. Die Fraunhofer-Gesellschaft arbeitet dabei die wirtschaftliche Nutzung ermöglicht. cken.“ Noch in diesem Jahr soll die Gruppe auf etwa 20 Köpfe Spektrum erstreckt sich von autonomen Unterwasser-Fahrzeu- anwachsen. gen und unbemannter Schifffahrt über Systemtechnik und Visual Etliche weitere Institute und regionale Unternehmen sind am Computing, Sensorik, Simulation und Messtechnik bis hin zur OTC beteiligt. Besonders wichtig: die Universität Rostock, wo ein Nutzung von Algen oder Aquakulturen. Hiesige Forschungen be- breites Spektrum an Meerestechnik und Meeresbiologie abgedeckt schäftigen sich zum Beispiel damit, wie in den Aufzuchtstationen wird. Ebenso unverzichtbar ist die Kooperation mit Rostock Busi- die Belastung der Umwelt, aber auch der Fische selbst verringert ness, der lokalen Wirtschaftsförderer-Gesellschaft. Darüber kön- werden kann. Sogar künstliche Intelligenz spielt dabei eine Rol- nen Kontakte entstehen, auch zu internationalen Firmen. le. So könnten neue Geschäftsmodelle entstehen, in denen sich Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit verbindet. „Denn auch die Im Fokus: Nachhaltigkeit Aquakultur-Firmen merken, dass sie den Lebensraum erhalten Je intensiver die Meere genutzt werden, desto mehr geraten sie müssen, in dem sie arbeiten, sonst stellen sie sich selbst ein Bein“, auch in Gefahr – etwa durch Überfischung und Verschmutzung. meint von Lukas. Solche innovativen Konzepte könnten ein Ex- Nur Nachhaltigkeit garantiert, dass die Ozeane nutzbar bleiben. portschlager für deutsche Firmen werden. Daher arbeitet die Fraunhofer-Gesellschaft im Verbund mit an- Einen endgültigen Termin für die Fertigstellung des OTC deren europäischen Forschungseinrichtungen in der Innovati- gibt es nicht. „Das ist wie die Entwicklung einer Stadt: Die ist onsplattform „Sustainable Subsea Solutions“ zusammen. Digitale auch nie fertig“, sagt von Lukas. Es sind schon viele Ideen ent- Schlüsseltechnologien für tiefgreifende Innovationen sollen ent- standen, wie der Campus noch vervollständigt werden könnte: wickelt und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie eine bessere Verkehrsanbindung; ein Hotel für Menschen, die gestärkt werden – im Einklang mit der gerade gestarteten UN- dort nur zeitweise arbeiten; eine Kindertagesstätte; vielleicht so- Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung. Wis- gar eine Fährverbindung vom Campus an den Strand von Warne- senschaftler bei Fraunhofer entwickeln die nötigen Technologien münde. Die Geschichte dieses Ortes hat gerade erst begonnen. für Energiewirtschaft, Ernährung und Gesundheit, aber auch für die Beseitigung von Meeresmüll oder Munitionsaltlasten. Das Dörte Rahming, freie Autorin, wortlaut-rostock 14 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
Am Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren werden zukunftsweisende Kraftstoffe erforscht Foto: LKV/Holger Martens Kraftstoffe und Motoren für die Schiffe der Zukunft LKV UNIVERSITÄT ROSTOCK Der Klimawandel beherrscht die öffentliche Debatte und stellt auch die maritime Branche vor große Herausforderungen. Heute und in den kommenden Jahrzehnten werden technische und kommerzielle Entscheidungen maßgeblich von der Bewertung der resultierenden Klimaauswirkungen geprägt sein. Prof. Dr. Bert Buchholz, Karsten Schleef D er Beitrag der Schifffahrt an den weltweiten CO2-Emis- Forschungsziele des LKV sionen liegt bei etwa 2,7 Prozent. Trotz der hohen Effi- Ziel der Forschungen am LKV ist es daher, nachhaltige maritime zienz des Transportsystems „Schiff “ entsprechen diese Kraftstoffe zu entwickeln und in Schiffsantrieben zu nutzen, um CO2-Emissionen in etwa denen der gesamten Bundesrepublik auf diesem Wege die Treibhausgasemissionen deutlich zu redu- Deutschland, womit der Handlungsbedarf offensichtlich wird. zieren und im günstigsten Fall überhaupt kein zusätzliches CO2 Eine schnelle und drastische Reduzierung der Treibhausgas- freizusetzen. Deshalb wird intensiv an neuen, sauberen Kraftstof- Emissionen ist daher auch die zentrale Motivation für die Groß- fen und neuen Technologien geforscht, damit zukünftig deutlich motoren-Forschung am Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und anspruchsvollere Emissionsziele im Schiffsverkehr erfüllt werden Verbrennungsmotoren (LKV) der Universität Rostock. Auf See können. Die technischen Herausforderungen sind dabei kom- kommt dabei nach Auffassung der Forscher des LKV den einge- plex. So müssen die zukünftigen Schiffskraftstoffe zusätzlich zur setzten Kraftstoffen die entscheidende Schlüsselrolle zu. Denn notwendigen Klimaneutralität eine ganze Reihe weiterer Anfor- rein batterieelektrische Systeme werden voraussichtlich auch im derungen erfüllen. Schiffe sind in der Regel über zwanzig Jahre Jahr 2050 in der maritimen Welt aufgrund ihrer hohen Gewich- in Betrieb und müssen ihren Kraftstoff grundsätzlich weltweit te und Platzbedarfe sowie der notwendigen landbasierten Lade bunkern können. Deshalb ist es für eine schnelle Einführung infrastruktur nur einen kleinen Beitrag zur CO2-Vermeidung in klimaneutraler Kraftstoffe wichtig, dass diese neuen Kraftstoffe der Schifffahrt leisten können. mit bestehenden Schiffen weitgehend kompatibel und mit > Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5 15
SPECIAL 12. NATIONALE MARITIME KONFERENZ Der LKV verfügt über hochmoderne Labore mit einer speziell an Schiffsmotoren und zukünftige Kraftstoffe angepassten Ausstattung: >> Speziallabor für Kraft- und Schmierstoffforschung zur Analyse von aktuellen und Entwicklung zukünftiger Schiffskraftstoffe >> Einspritzlabor zur Bewertung der Einspritzung und Ge- mischbildung an CR-Injektoren für schnell- und mittel- schnelllaufende Schiffsmotoren sowie zum Test neuar- tiger Kraftstoffe >> Insgesamt drei Einzylinder-Forschungsmotoren für den Bereich vom schnelllaufenden Bootsmotor über den schweröltauglichen Mittelschnellläufer bis hin zum Du- al-Fuel Motor für Fähren und Kreuzfahrtschiffe >> Test von Vollmotoren von 80 kW bis 1 MW effektiver Leistung >> Abgasnachbehandlungstechnikum für SCR- und Me- thankatalysatoren sowie für Schwefelwäscher >> Umfassende Infrastruktur für flüssige Kraftstoffe: Die- sel, MDO, HFO, Biokraftstoffe, Methanol, LPG, PtL >> Hochflexible Infrastruktur für gasförmige Kraftstoffe: Erdgas (20 bar bis 550 bar), Propan, Wasserstoff, Gas- mischstrecke zur Anpassung von Heizwert und Methan- Kraftstoffforschung am LKV Foto: LKV/Holger Martens zahl den weltweit verfügbaren fossilen Kraftstoffen mischbar sind. Biomassebasierte Kraftstoffe können dabei eine wichtige Nische Diese zumindest anfänglich teureren Kraftstoffe bzw. Kraftstoff- besetzen, insbesondere weil sie in der Regel zu den synthetischen komponenten müssen außerdem Fortschritte beim Wirkungs- Zukunftskraftstoffen kompatibel sind. grad und beim Emissionsverhalten ermöglichen. In den kommenden Jahren sind hierzu intensive For- Forschungsprojekt TEME 2030+ schungsarbeiten notwendig, um die verschiedenen, zur Zeit Ein konkretes Beispiel für die Arbeit des LKV ist das gerade gestar- oft nur im Labormaßstab verfügbaren Zukunftskraftstoffe hin- tete Forschungsprojekt TEME2030+. Gemeinsam mit Partnern sichtlich ihrer Eignung und Auswirkungen auf Antriebstechno- aus Motorenherstellung, Abgasnachbehandlung, Sicherheits- logien, Umwelt, Sicherheit, Wertschöpfung und Infrastruktur technik, Entwicklungsdienstleistung und Komponentenher- bewerten und hieraus fundierte strategische Entscheidungen stellern will der LKV in diesem vierjährigen Forschungsprojekt ableiten zu können. Nur so lassen sich die globalen Klimaziele technische Lösungen aufzeigen, die die Treibhausgasemissionen erreichen und Umweltkonflikte vor allem in Hafen- und Küs- von Schiffsantrieben bis 2030 um 35 Prozent gegenüber dem tenregionen vermeiden. heutigen Stand senken. TEME2030+ wird aus Mitteln des Bun- desministeriums für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Anforderungen an die Kraftstoffe der Zukunft Maritimen Forschungsprogramms gefördert. Benötigt werden Kraftstoffe mit hoher volumetrischer und gra- Ausgehend vom Kraftstoff LNG, der bereits heute die ge- vimetrischer Energiedichte, um große Frachtschiffe auf weltwei- ringsten Partikel-, Stick- und Schwefeloxidemissionen aller ten Routen betreiben zu können. Zur Bewertung der praktischen Schiffskraftstoffe ermöglicht, sollen Lösungen untersucht Energiespeicherdichte ist dabei nicht nur der Kraftstoff selbst zu werden, die auch die Emission klimaschädlicher Gase erheb- betrachten, sondern auch Masse und Volumen der notwendigen lich reduzieren. Aufgrund des an aktuellen Dual-Fuel Motoren Tanksysteme, die je nach Kraftstoff erheblich differieren kön- auftretenden Methanschlupfes können die Potenziale des sehr nen. Im Ergebnis dieser Überlegungen kommen synthetische, sauberen Erdgases heute nicht vollständig ausgenutzt werden. auf Basis erneuerbarer Energien erzeugte Kraftstoffe (E-Fuels Deshalb sollen im Rahmen des Forschungsprojekts sowohl bzw. Power-to-X/PtX) in den Fokus. Grüner Wasserstoff aus neuartige innermotorische Maßnahmen zur Reduktion der erneuerbaren Energien bildet jeweils die Ausgangsbasis. Auf- Methanemissionen als auch spezielle Abgaskatalysatoren wis- grund der geringen Speicherdichte von Wasserstoff und der sehr senschaftlich analysiert und hinsichtlich ihres Systemverhal- aufwendigen Speichersysteme werden jedoch für viele maritime tens unter die Lupe genommen werden. Ziel ist eine effiziente Anwendungen weitere Syntheseschritte unumgänglich, um PtX- und praktisch gut umsetzbare Reduktion des Methanschlupfes Kraftstoffe mit guter Speicherbarkeit, hohem Gesamtwirkungs- um 90 Prozent. Das entspricht einer Gesamtreduzierung der grad und hoher Kompatibilität für die Schifffahrt bereitzustellen. Treibhausgasemissionen aus dem Motorbetrieb um 20 Prozent. 16 Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5
Durch gezielte Maßnahmen zur Steigerung des motorischen erhebliche Herausforderungen beim Zünd- und Brennverhalten Wirkungsgrades im Gasbetrieb sollen weitere Treibhausgas- sowie noch offene Emissionsfragen gegenüber. In diesem Span- emissionen eingespart werden. Dazu werden vor allem die Po- nungsfeld arbeitet der LKV mit Hochdruck an aktuellen For- tenziale grundsätzlich neuer Konzepte für Gemischbildung und schungsprojekten zur Analyse verschiedener Ammoniak-Brenn- Zündung analysiert und quantifiziert verfahren. Neben unterschiedlichen Zündverfahren wird dabei Eine Besonderheit des Projekts TEME2030+ ist, dass bei das Potenzial von Wasserstoffbeimischungen zur Beschleuni- allen untersuchten Lösungsansätzen und Systemoptimierungen gung der Ammoniak-Verbrennung in Einzylinder-Forschungs- auf deren schnelle praktische Übertragbarkeit in zukünftige Ge- motoren sowie in Vollmotoren systematisch untersucht werden. nerationen von Großmotoren geachtet wird. Zur Durchführung dieser komplexen Forschungsaufgaben hat der LKV in den vergangenen Jahren umfangreich in die Brücken in die Zukunft Kraftstoffinfrastruktur der Labore investiert. Die flexible Be- Ausgehend vom fossilen Erdgas und der Ausschöpfung der damit reitstellung von Erdgas, bei der sowohl der Druck als auch die erreichbaren Treibhausgasminderungen schlägt TEME2030+ Zusammensetzung in weiten Bereichen eingestellt werden kön- gleichzeitig eine wichtige Brücke zu einer vollkommen kli- nen, wurde durch ein Methanol-Kraftstoffsystem mit Bunkern maneutralen Schifffahrt. Mit Fortschreiten der Energiewende und Druckerzeugung ergänzt. Aktuell erfolgt die Erweiterung kann der fossile Treibstoff Erdgas, der im Wesentlichen aus Me- mit einer Wasserstoffversorgung für zwei Motorprüfstände. Als than besteht, schrittweise durch synthetisch erzeugtes Methan nächster Schritt werden bis zum Jahresende Ammoniaksysteme aus erneuerbaren Energiequellen abgelöst werden. für zwei Versuchsmotoren errichtet. Großmotoren finden im Zuge der Energiewende außerdem zunehmend Anwendung an Land, wo sie einen wichtigen Beitrag Maritimes Forschungsprogramm zur Absicherung der Stabilität der Stromnetze leisten können. Die Profilierung des LKV und die konsequente Weiterentwicklung Deshalb wird in TEME2030+ bei der Analyse und Bewertung der der Forschungsmöglichkeiten wären ohne eine Vielzahl von Ko- zukünftigen Motortechnologien eine potenzielle Zumischung operationsprojekten mit Industriepartnern aus der maritimen Bran- von bis zu 30 Prozent Wasserstoff zum Erdgas mit berücksichtigt. che nicht möglich. Eine ganze Reihe dieser Projekte wurde durch Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Ammoniak auf dem Prüfstand im Rahmen des Maritimen Forschungsprogramms realisiert. Die Aktuell wird insbesondere Ammoniak (NH3) verstärkt als ein Förderung wichtiger Forschungsprojekte zur Schaffung des wissen- alternativer, synthetischer PtX-Kraftstoff für die Schifffahrt schaftlichen Vorlaufs für innovative, zukunftsfähige Produkte wird diskutiert. Ammoniak kann aus erneuerbarem Wasserstoff mit für die maritime Branche vor dem Hintergrund der vielfältigen He- großtechnisch erprobten Verfahren effizient hergestellt werden, rausforderungen auch in Zukunft ein wichtiger Erfolgsfaktor sein. zumal der dafür benötigte Stickstoff energetisch günstig aus der Luft abgeschieden werden kann. Die Energiedichte von flüssi- gem Ammoniak ist gut und die notwendige Speichertechnologie Die Autoren: ist vergleichsweise einfach. Hinzu kommt, dass Ammoniak be- Prof. Dr.-Ing. Bert Buchholz, Leiter, und Dipl.-Ing. Karsten reits heute weltweit industriell genutzt wird und als Transport- Schleef, Teamleiter Großmotoren, Lehrstuhl für Kolbenmaschi- gut in der Schifffahrt bekannt ist. Diesen Vorteilen stehen aber nen und Verbrennungsmotoren an der Universität Rostock >> DIE MARITIME FORSCHUNGSSTRATEGIE Die Maritime Forschungsstrategie setzt seit ihrem Bestehen rangig werden daher industriegeführte Verbünde gefördert, in 2018 Anreize für Forschung und Entwicklung zur Unterstüt- denen Industrie und Wissenschaft fach- und sektorübergreifend zung der deutschen maritimen Branche bei der Erschließung zusammenarbeiten. Die Beteiligung von kleinen und mittleren von Wachstumspotenzialen und Stärkung ihrer internationa- Unternehmen (KMU) ist ausdrücklich gewünscht, da sie mit ih- len Wettbewerbsfähigkeit. Sie dient der Unterstützung der rer Innovationskraft den maritimen Standort sichern. Branche bei der Entwicklung nachhaltiger Technologien, bei Das Maritime Forschungsprogramm deckt das gesamte Tech- der Sicherung und beim Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit nologiespektrum der Branche ab. Im Fokus stehen Forschung sowie beim Aufspüren klima- und umweltverträglicher Lösun- und Entwicklung mit Beiträgen zu Umweltverträglichkeit gen. Das besondere Interesse liegt dabei in der Schaffung und und Mobilitätswende (MARITIME.green), zur Nutzung digita- Sicherung hochwertiger maritimer Arbeitsplätze sowie in der ler Technologien (MARITIME.smart), zur maritimen Sicherheit Verbesserung der maritimen Wertschöpfung in Deutschland. (MARITIME.safe) und zur nachhaltigen Erschließung maritimer Die Maritime Forschungsstrategie beinhaltet aktuell zwei För- Ressourcen (MARITIME.value). dermaßnahmen: Das „Maritime Forschungsprogramm“ und die Die Nachfrage an Forschungsförderung ist in den letzten Jah- Förderlinie „Echtzeittechnologien für die Maritime Sicherheit“. ren stark gewachsen, was sich an der Anzahl der eingereichten Mit dieser Strategie wurde ein Rahmen geschaffen, der die ma- Skizzen und Anträge sowie an dem bewilligten Gesamtbudget ritime Wirtschaft stärkt und es ermöglicht, Projekte sparten- gut erkennen lässt. übergreifend und entlang der gesamten Wertschöpfungskette Das Maritime Forschungsprogramm konnte moderat aufge- auszurichten. Außerdem trägt die Initiative dazu bei, die System- stockt werden und somit stehen für 2021 54 Mio. Euro an För- kompetenz deutscher Unternehmen weiterzuentwickeln. Vor- dermitteln für die Branche bereit. Schiff&Hafen | Mai 2021 | Nr. 5 17
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