ECKPUNKTE STRUKTURREFORM PFLEGE UND TEILHABE II - PFLEGEPOLITIK ALS GESELLSCHAFTSPOLITIK EIN BEITRAG ZUM PFLEGEPOLITISCHEN REFORMDISKURS
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Thomas Klie Michael Ranft Nadine-Michèle Szepan ECKPUNKTE Strukturreform Pflege und Teilhabe II Pflegepolitik als Gesellschaftspolitik Ein Beitrag zum pflegepolitischen Reformdiskurs ng su as zf ur K
Thomas Klie Michael Ranft Nadine-Michèle Szepan ECKPUNKTE Strukturreform Pflege und Teilhabe II Pflegepolitik als Gesellschaftspolitik Ein Beitrag zum pflegepolitischen Reformdiskurs ng su as zf ur K
Vorwort mas Klie, Nadine-Michèle Szepan und Michael Ranft erstellten Text „Strukturreform PFLEGE und TEILHABE II“2 mit Blick auf die kommende Legislatur ein Reformpapier vorgelegt – diesmal Vor gut 25 Jahren wurde die Pflegeversicherung in eingebunden in einen Diskussions- und Dialog- Deutschland eingeführt. Sie war und ist eine so- prozess, der seit Februar 2019 im Kuratorium zialpolitische Errungenschaft, die den Dynamiken Deutsche Altershilfe (KDA) verortet war und ist. des demografischen Wandels Rechnung trägt, in- dem sie „Pflegebedürftigkeit“ als allgemeines und Ebenso wie in dem Papier 2013 steht der auf Pfle- sozialstaatlich abzusicherndes Lebensrisiko ver- ge angewiesene Mensch und sein Umfeld im Fo- steht. Sie ist darauf angelegt, im Zusammenspiel kus der pflege- und teilhabepolitischen Überle- der unterschiedlichen staatlichen Ebenen – Bund, gungen: Es kommt darauf an, dass Menschen mit Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträ- Pflegebedarf und ihre An- und Zugehörigen Be- ger – gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, den dingungen guten Lebens vor Ort vorfinden, dass beteiligten Professionen und Leistungserbringern ihre Grund- und Menschenrechte gewahrt und (Verbänden) fachliche, infrastrukturelle und finan- ihnen ein sozial integriertes, ihren Präferenzen zielle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass und Weltanschauungen entsprechendes Leben Menschen mit Pflegebedarf gut versorgt und Teil ermöglicht wird – flankiert und ermöglicht durch der Gesellschaft sind und bleiben. gute professionelle Unterstützung. Pflegende An- gehörige dürfen nicht durch unzureichende Infra- Die Pflegeversicherung befindet sich in einem struktur und aus finanziellen Zwangslagen in ihrer Prozess der dauerhaften Weiterentwicklung und Entscheidung zur Übernahme von Pflegeaufga- Anpassung an fachliche, aber auch demografische ben bestimmt werden. Dynamiken. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt: Eine grundlegende Reform der Pfle- Die Bedeutung des Ortes, an dem Menschen geversicherung ist unabweisbar: mit Pflegebedarf leben, wird in den Vordergrund gerückt. Vor Ort, in den Kommunen und in den • Gleichwertige Lebensverhältnisse für auf Pfle- Lebenswelten von auf Pflege angewiesenen ge angewiesene Menschen und ihre An- und Menschen entscheidet sich, ob ein Leben mit Zugehörigen sind zu gewährleisten – das ist Pflegebedarf gelingt. aktuell nicht der Fall. • Die Menschenrechte von auf Pflege angewie- Eine dritte Kontinuität zwischen dem hier vorge- senen Menschen sind wirksamer zu sichern – legten und dem 2013 vorgestellten Papier liegt eine der Lektionen der Corona-Krise. in der Betonung sozialer Teilhabe. Inzwischen ist • Der neuen Professionalität und Eigenständig- das Bundesteilhabegesetz vollständig in Kraft keit der Pflege ist Rechnung zu tragen – das getreten. Die paradigmatischen Orientierungen verlangt etwa die generalistische Ausbildung. – Personenzentrierung, die methodische Aus- • Sektorengrenzen sind zu überwinden – sie richtung – aushandlungsorientierte Teilhabepla- stehen in der Praxis bedarfsgerechten Versor- nung, sowie die Perspektive der Partizipation, gungskonzepten im Wege. der sozialen Zugehörigkeit und sozialen Teilhabe • Ihre Finanzierung bedarf einer Revision – das spielen auch für ein Leben mit Pflegebedarf eine hat auch Bundesgesundheitsminister Spahn elementare Rolle: auch das ist eine Lektion der (an)erkannt. Corona-Pandemie. Bereits 2013 hat ein Autorenteam mit breiter Schließlich knüpft das Papier an Vorstellungen fachlicher und fachpolitischer Unterstützung sektorenübergreifender Versorgungs- und Infra- ein Papier zur „Strukturreform von PFLEGE und strukturen an, die auch beim Papier „Struktur- TEILHABE“ – unterstützt durch die Robert Bosch reform PFLEGE und TEILHABE I“ leitend waren. Stiftung – veröffentlicht.1 Anknüpfend an die sei- Insofern wird aufeinander bezogener Case und nerzeit vorgelegten Reformvorschläge, die eine Care Management-Strukturen, einer systema- breite Resonanz fanden, wird mit dem von Tho- tischen Sozialraumentwicklung und regionalen ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 1 Hoberg et al. 2013. 2 Klie et al. 2021. 2
und kommunalen Planung besondere Bedeutung zugemessen. 2 Professionelle Pflege stärken Das Papier erscheint mit Blick auf die kommende und nutzen Legislatur und enthält Bausteine für eine Pflege- politik der 20. Legislaturperiode, die – so ist zu Eine pflegefachliche Begleitung ist in jedem Pfle- hoffen – dem Thema Pflege das Gewicht gibt, das gesetting zu gewährleisten. Nicht zuletzt die Co- es verdient als eines der Top-Themen der Sozial-, rona-Pandemie hat gezeigt, wie maßgeblich ein Familien- und Gesellschaftspolitik. wirksamer Gesundheitsschutz für die Gewährleis- tung der gesundheitlichen Versorgung von dem eigenständigen Beitrag der Profession der Pflege abhängt. Jeder auf Pflege angewiesene Mensch hat – unabhängig vom Status der Pflegebedürf- Die neun Reformbausteine tigkeit – ein Recht auf pflegefachliche Begleitung. der Strukturreform PFLEGE Dies muss in jedem Pflegesetting gewährleistet werden und unabhängig sein von der gewählten und TEILHABE II Leistungsart oder -form. Die Steuerung des Pfle- geprozesses ist gem. § 4 Pflegeberufegesetz eine 1 Vorbehaltsaufgabe der Fachpflege. Sie ist als ei- gener Leistungstatbestand in ihrer Bedeutung für die Gewährleistung guter Pflege und des Gesund- Vom Objekt zum Subjekt: heitsschutzes im Leistungsrecht der gesetzlichen Der Mensch, seine Bedarfe, seine Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zu ver- Präferenzen und seine Rechte stehen ankern. im Mittelpunkt Jeder auf Pflege angewiesene Mensch ist anders. Jeder auf Pflege angewiesene Mensch hat ein Recht und einen Anspruch darauf, dass seine Menschen- 3 Sektorengrenzen überwinden: und Grundrechte gewahrt werden. Es kommt darauf Eine Pflegewelt ohne Barrieren an, so das Credo des Papieres, dass sich die Leistun- gen der Pflegeversicherung, aber auch der anderen Eine effiziente, bedarfsgerechte und auf den So- Leistungsträger konsequent an der Person orien- zialraum hin ausgerichtete pflegerische Versor- tieren, an seinen Ressourcen, seinen Präferenzen gung muss die bisher dominanten System- und und seinen Bedarfen. Es reicht nicht aus, auf Pflege Sektorengrenzen zwischen ambulant und statio- angewiesenen Menschen einen Pflegegrad zuzu- när, zwischen gesetzlicher Krankenversicherung weisen. 52 Prozent der Pflegebedürftigen beziehen und sozialer Pflegeversicherung überwinden. Pflegegeld. Sie, aber auch alle anderen auf Pflege Insofern gilt es, die Leistungen aus unterschied- angewiesenen Menschen, verdienen eine aufmerk- lichen Sektoren aufeinander zu beziehen, eine same Begleitung und Beratung, die Präventions- übergreifende Hilfeplanung zu institutionalisie- und Rehabilitationspotentiale ebenso in den Blick ren und auf diese Weise eine effiziente, perso- nehmen, wie die Überlastung von pflegenden An- nenzentrierte Versorgung zu ermöglichen. In der gehörigen, Risiken fachlich unangemessener Pflege Langzeitpflege wurden – nicht nur in den letzten und Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen. Jahren, sondern vor allem in der aktuellen Legis- Vorgeschlagen wird, dass die Aufgaben des Medi- latur – die Sektorengrenzen zwischen ambulant zinischen Dienstes (MD) erweitert werden. Durch und stationär vertieft: Die vollstationäre Pflege ein systematisches Risikoscreening der Lebens- und folgt anderen Finanzierungsregeln als die häusli- Pflegesituation im Begutachtungsverfahren lassen che und ambulante Versorgung. Auch diese Sek- sich rechtzeitig die benannten Risiken identifizieren, torengrenzen gilt es im Sinne einer Pflegewelt kann ihnen begegnet werden und kann man Men- ohne Sektoren zu überwinden. Dies kann durch schen mit Pflegebedarf die Hilfe und Unterstützung eine Angleichung der Finanzierungsbedingungen angedeihen lassen, die ihnen eine bedarfsgerech- und flexibilisierte, modularisierte respektive bud- te, an ihren Präferenzen orientierte und ihre Men- getbasierte Leistungen gelingen. In diesem Sin- schenrechte schützende Begleitung eröffnet. ne werden vier für alle Sektoren gleichermaßen 3
geltende Finanzierungssäulen der Langzeitpflege Versorgungsauftrag sich jeweils auf die Bedarfe vorgeschlagen. Auch aus diesem Grund kann einer der Regionen respektive des Sozialraums bezie- allein den stationären Bereich berücksichtigende hen. Der Sicherstellungsauftrag beschränkt sich Finanzierungsreform, die nur ihr Augenmerk auf nicht auf die Vorhaltung von Heimplätzen, son- eine Begrenzung der Eigenanteile richtet – nicht dern ist in dem Sinne einzulösen, dass auf Pfle- zugestimmt werden. Eine Finanzreform darf nicht ge angewiesene Menschen dort, wo sie leben, ohne eine Strukturreform bleiben (vgl. Abb. 1). auf entsprechende sie unterstützende vielfälti- ge Infrastrukturen zurückgreifen können. Dies 4 setzt voraus, dass die in den bisherigen Katego- rien als vollstationär, teilstationär und ambulant agierenden Akteure ihren Versorgungsauftrag Innovation fördern, das Leistungs erweitern können, dass neue und innovative recht flexibilisieren: Vom Leistungs Wohn- und Versorgungsformen unter zivilgesell- komplex bis zum Budget schaftlicher Beteiligung unterstützt und indivi- duelle Pflegearrangements ermöglicht werden. Das Ziel, die Sektorengrenzen zu überwinden, ist Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Flexibili- zu verbinden mit einer konsequent sozialraumo- sierung des Leistungserbringungsrechts vorge- rientierten Infrastrukturentwicklung, in der der schlagen (vgl. Abb. 2). Abb. 1: Strukturreform mit Finanzierungreform verbinden | Quelle: Klie 2021 Abb. 2: Leistungserbringungsrechtliche Optionen | Quelle: Klie 202o 4
5 Effektive Pflege- und Teilhabegover die Rechtsansprüche, die die Pflegeversicherung einräumt, einlösen können. Die Infrastrukturde- fizite sind eklatant. Keinesfalls ist eine bedarfs- nance: Case und Care Management deckende und präferenzorientierte pflegerische regional gewährleisten Infrastruktur gewährleistet. Die Einlösung des gesetzlich geregelten Sicherstellungsauftrages Eine subsidiär ausgerichtete Pflegesicherung un- wird im geltenden Recht der Pflegeversicherung terstützt solidarische Formen informeller Pflege nicht eingelöst. Ohne eine Gesamtkonzeption durch Beratung, Case Management und flankie- der Infrastrukturverantwortung und die Sanktio- rende sowie entlastende Unterstützung. Sie sorgt nierung derselben sind gleichwertige Lebensbe- schließlich für eine effiziente Kooperation der an dingungen in der Pflege in Deutschland nicht zu der Versorgung beteiligten Professionen und Ins- gewährleisten. Eine unzureichende Infrastruktur titutionen und dies in einer sektorenübergreifen- geht auf Kosten der auf Pflege angewiesenen den Perspektive. Um in diesem Sinne eine effizi- Menschen und der pflegenden Angehörigen. Von ente Governance vor Ort zu gewährleisten, sind daher wird es für dringend erforderlich gehalten, für besonders komplexe Fallkonstellationen Case im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Management-Angebote vorzusehen und weiter- Kommunen den Sicherstellungsauftrag auch und zuentwickeln, die verbunden mit einem systema- gerade dort, wo Marktmechanismen versagen tischen regional verankerten und kommunalen oder ihn gefährden, klar zu regeln, ein Monitoring Care Management auf eine qualitätsgesicherte über die bedarfsgerechte Infrastrukturentwick- und bedarfsgerechte Infrastruktur einerseits und lung und -prognose landesrechtlich zu verankern effiziente Kooperationsstrukturen und Koordina- und auf kommunaler Ebene Planungsverpflich- tion andererseits hinwirken. Schließlich sind auf tungen vorzusehen. Da es sich bei der Pflege um regionaler und kommunaler Ebene datenbasier- eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, te Planungsprozesse für die weitere Infrastruk- sie davon lebt, dass sich die jeweilige örtliche Zi- turentwicklung zu verankern. Die Länder haben vilgesellschaft an der Sorgepolitik beteiligt, ist die die Kommunen durch Aufbereitung relevanter Planung stets unter Beteiligung der Bürgerschaft Daten, die sich sowohl auf den Personalbedarf, und zivilgesellschaftlichen Akteure zu gestalten. als auch auf den Bedarf an unterschiedlichen 7 Versorgungsformen beziehen, zu unterstützen. Auf der Basis systematisch ausgewerteter Case Management-Fälle, der in Care Management-Zu- sammenhängen gewonnenen Erkenntnisse, mit Pflege findet vor Ort statt: Kommu Hilfe verlässlicher und prognostischer Daten wer- nale Handlungsebene stärken den die Grundlagen für eine bedarfsorientierte In- frastrukturentwicklung vor Ort geschaffen. Dies Ob Pflege gelingt, ob ein gutes Leben mit Pflege- gelingt im engen Zusammenwirken zwischen bedürftigkeit möglich ist, hängt zentral von den Pflege- und Krankenkassen, Kommunen, Leis- Lebensbedingungen, aber auch von den infra- tungserbringern und der örtlichen Bürgerschaft strukturellen Voraussetzungen vor Ort ab. Pflege und Zivilgesellschaft. Infrastrukturdefizite, die dient der Teilhabe, dient einem Leben, das dem einer bedarfsgerechten Versorgung entgegenste- pflegebedürftigen Menschen elementar bedeut- hen, und notwendige und erfolgversprechende same Dimensionen menschlichen Lebens sichert. Innovationen sind durch die Kommunen aufzu- Dazu gehört die Integration in Dorf- und Quar- greifen. tierszusammenhänge, dazu gehören Teilhabeop- tionen am kulturellen und gesellschaftlichen Le- 6 ben, der Zugang zur Natur und die Bedeutsamkeit in sozialer Interaktion. Ob und wie dies gelingt, ist abhängig von der Sorgekultur und -struktur vor Infrastrukturdefiziten begegnen: Ort. Insofern kommt den Gemeinden und Kreisen Gleichwertige Lebensbedingungen in im Rahmen der Daseinsvorsorge eine zentrale der Pflege schaffen Funktion für die Gestaltung von Lebensbedin- gungen für auf Pflege angewiesene Menschen zu. Die Bürger*innen in Deutschland können keines- Ihre Kompetenzen sind zu stärken und ihre Res- wegs sicher sein, dass sie überall in Deutschland sourcen zu verbessern. 5
8 Grenzen standardisierter Qualitäts 9 Digitalisierungspotentiale nutzen und sicherung: Investitionen in Innova vom Bedarf der Menschen her entwi tionen fördern ckeln Das deutsche System der Langzeitpflege braucht Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie Innovation. Dies wird auch von der Bevölkerung wichtig digitale Kommunikation und digitale Unter- gefordert und präferiert. Sowohl die Hospize als stützung in der Pflege sein können. Ob über Teleme- auch ambulant betreute Wohngemeinschaften dizin, digitale Beratungstools, Instrumente digitaler stehen für Innovationen in der Langzeitpflege. Kommunikation bis hin zur sozialen Plattform sind In ihnen verwirklichen sich Formen des Zusam- die Potentiale der Digitalisierung auch für Pflege- menwirkens von Profis, An- und Zugehörigen und haushalte zu erschließen und dies in einer Weise, dass der Zivilgesellschaft. In ihnen werden effiziente (möglichst) alle Bürger*innen von den Potentialen Formen gemeinsamer Sorge und geteilter Ver- der Digitalisierung in der Pflege profitieren können. antwortung experimentiert. Das Walzbachtaler Modell und Buurtzorg stehen für sozialraumori- Diese neun Reformbausteine bilden den Kern des entierte Konzepte, die die Solidaritätsressourcen Papiers „Strukturreform PFLEGE und TEILHABE des Ortes systematisch einbeziehen. Derartige II“. Fragen mit einer Strukturreform verbundenen Innovationen gilt es im Sinne der Einlösung der Finanzierungsreform werden in der Langfassung3 Infrastrukturverantwortung ebenso zu stärken, aufgegriffen. Dabei wird die Forderung erhoben, wie die Entwicklung von Angeboten für bisher keine Finanzierungsreform ohne Strukturreform vernachlässigte Zielgruppen, wie etwa FTD-Be- auf den Weg zu bringen. Der im Frühjahr 2021 vom troffene, für junge Pflegebedürftige und Men- BMG in die fachpolitische Diskussion beförderte Re- schen mit Pflegebedarf, die über eine Migrations- formvorschlag, der i.W. eine Deckelung des Eigen- geschichte verfügen. Die lokale Kultur, aber auch anteils von Heimbewohner*innen zum Gegenstand bestimmte Formen der Diversität (LSBTTIQ) hat, vernachlässigt den dringenden Reformbedarf verlangen nach besonderen Wohn- und Versor- in der häuslichen Pflege und hinsichtlich einer sek- gungsformen. Nicht die Investition des Staates in torenübergreifenden Versorgungsstruktur in der Heimplätze, sondern vielmehr die Investitionen Langzeitpflege. Auch Fragen der Personalgewin- in die Infrastruktur ergänzende und sicherstel- nung für die Langzeitpflege werden in der Langfas- lende Innovationen sind gefragt. Hierfür sollte sung behandelt. Dabei werden eine deutliche Erwei- im Zusammenhang mit Konzepten regionaler in- terung des Berufsgruppenkonzeptes und eine klare tegrierter Versorgung im Gesundheitswesen ein Profilierung der professionellen Pflege gefordert. Innovationsfonds jenseits von Modellprojekten Schließlich werden in der Langfassung auch die Be- geschaffen werden. lange pflegender Angehöriger in den Blick genom- men, auf denen bis heute das System der deutschen Pflegeversicherung kalkuliert ist. Das Thema Langzeitpflege ist eine der wichtigsten sozial-, gesellschafts- und familienpolitischen Fra- gen unserer Zeit. Die Corona-Pandemie hat dies allen vor Augen geführt. Wie schaffen wir im Gene- rationen- und Geschlechterverhältnis faire Voraus- setzungen für die soziale Sicherung von Pflege, wie gelingt es vor Ort das Thema Bedingungen guten Lebens für Menschen mit Pflegebedarf kulturell und politisch zu verankern, wie kann die Versorgung im Gesundheitswesen und der Langzeitpflege über die Sektorengrenzen hinweg regional effizient gestal- tet werden? Diese Themen sollten prominent auf die Agenda einer Bundesregierung der 20. Legisla- turperiode gehören. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 3 Klie et al. 2021. 6
Zum Autorenteam Prof. Dr. habil. Thomas Klie, geb. 1955 in Ham- Kontakt: burg, ist Professor für öffentliches Recht und Ver- AGP Sozialforschung waltungswissenschaften an der Evangelischen Bugginger Straße 38 Hochschule Freiburg, Privatdozent an der Alpen 79114 Freiburg Adria Universität Klagenfurt. Er leitet die For- klie@eh-freiburg.de schungsinstitute AGP Sozialforschung und das Tel. 0761-47812-696 Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung in www.thomasklie.de Freiburg und Berlin, arbeitet als Rechtsanwalt, ist Justitiar der VdPB in München und war Vorsitzen- der der Zweiten Engagementberichtskommisson, Mitglied in der 6. und 7. Altenberichtskommission der Bundesregierung sowie der Zukunftskommis- sion Niedersachsen 2030. Seit 2001 ist er Kurator beim KDA. Staatssekretär Michael Ranft, geb. 1957 in Bre- Kontakt: men, ist Verwaltungsjurist und politischer Beamter. Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration In den Jahren 1991 bis 2019 hatte Michael Ranft Lei- und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg tungspositionen im Landtag Brandenburg sowie im Henning-von-Tresckow-Straße 2-13 Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Frau- 14467 Potsdam en und Familie des Landes Brandenburg inne. sts.ranft@msgiv.brandenburg.de Seit Dezember 2019 ist Michael Ranft Staatsse- Tel. 0331-866-5007/5020 kretär für Soziales, Gesundheit und Integration im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Staatssekretär Michael Ranft ist seit 2019 Kurator beim KDA. Nadine-Michèle Szepan, geb. 1972 ist Diplom- Kontakt: Volkswirtin und seit 2010 Abteilungsleiterin für KDA e.V. den Bereich Soziale Pflegeversicherung und pfle- Michaelkirchstr. 17-18 genahe Themen der gesetzlichen Krankenversi- 10179 Berlin cherung im AOK-Bundesverband. nadine-michele.szepan@kda.de Tel. 030-2218298-0 Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die systemische, strategische und operative Gestaltung der sozi- alen Pflegeversicherung und von pflegenahen Themen der gesetzlichen Krankenversicherung. Nadine-Michèle Szepan ist u.a. Kuratorin im Zen- trum für Qualität in der Pflege (ZQP), Mitglied im Fachausschuss Qualität in der Pflege bei der Deut- schen Gesellschaft für Qualität (DGQ), Hauptaus- schussmitglied im Deutschen Verein, Mitglied der AG2/3/4 der Konzertierten Aktion Pflege, des 18c Begleitgremiums, in diversen AGs beim Bundes- ministerium für Gesundheit, beteiligt an der Pro- grammarbeit zum Deutschen Pflegetag und im Herausgeberbeirat Monitor Pflege. Seit 2019 ist Nadine-Michèle Szepan Kuratorin beim KDA. 7
Literaturverzeichnis Impressum Hoberg, Rolf; Klie, Thomas; Künzel, Gerd (2013): Kurzfassung des Strategiepapiers Strukturreform Pflege und Teilhabe. Langfas- „Strukturreform PFLEGE und TEILHABE II“, sung. Freiburg: FEL Verlag Forschung - Ent- erarbeitet im Rahmen des KDA Dialogs wicklung - Lehre. „Pflegereform als Gesellschaftsreform?!“ Berlin, Februar 2021 Klie, Thomas (2020): Eckpunkte einer Struktur- reform und Gestaltungsoptionen: So radikal Herausgeber kann man denken! Strukturreform Pflege und Kuratorium Deutsche Altershilfe Teilhabe II. Unveröffentlichte Präsentation im Wilhelmine-Lübke-Stiftung e. V. (KDA) Rahmen des KDA-Kongresses am 13.02.2020. Michaelkirchstraße 17-18 Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA). Berlin, 10179 Berlin 2020. www.kda.de Klie, Thomas; Ranft, Michael; Szepan, Nadine- info@kda.de Michèle (2021): Strukturreform PFLEGE und TEILHABE II. Pflegepolitik als Gesellschafts- Autoren und Autorin: politik. Ein Beitrag zum pflegepolitischen Re- Prof. Dr. habil. Thomas Klie, formdiskurs. Langfassung. Hg. v. KDA. Berlin. Staatssekretär Michael Ranft, Nadine-Michèle Szepan Gesamtgestaltung: H. J. Wiehr, Mainz Fotos: © H. J. Wiehr, Mainz 8
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