ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY

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ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY
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Schneider von Deimling, Jens; Feldens, Peter
ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer
und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren
Hydrographische Nachrichten

Verfügbar unter/Available at: https://hdl.handle.net/20.500.11970/108360

Vorgeschlagene Zitierweise/Suggested citation:
Schneider von Deimling, Jens; Feldens, Peter (2021): ECOMAP Habitatkartierung mittels
innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren. In:
Hydrographische Nachrichten 120. Rostock: Deutsche Hydrographische Gesellschaft e.V..
S. 13-22. https://doi.org/10.23784/HN120-02.

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ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY
Habitatkartierung                                                                                                 DOI: 10.23784/HN120-02

ECOMAP
Habitatkartierung mittels innovativer optischer und
akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren
Ein Beitrag von JENS SCHNEIDER VON DEIMLING und PETER FELDENS

Wie hilfreich sind neue Verfahren der optischen und akustischen Fernerkundung in
der Ostsee in Bezug auf Habitatkartierung im Flachwasser? Wie sensitiv reagieren die
Sensoren auf spezifische Flora und Fauna? Kann künstliche Intelligenz die Datenaus-
wertung und Datenklassifikation entscheidend voranbringen? Und welche natürlichen
Schwankungen lassen sich in den Habitaten beobachten? Diese und verwandte Fragen
stellte sich ein Forschungs- und Entwicklungsverbund unter Beteiligung von Deutsch-
land, Dänemark und Polen. Ein Teil der Fragen wurde innerhalb der dreijährigen Pro-
jektlaufzeit beantwortet, einige wichtige Ergebnisse möchten wir hier darstellen.

                                 Habitatkartierung | multispektrale Akustik | maschinelles Lernen | Fächerecholot |
                                 optische Fernerkundung | Ostsee
                                 habitat mapping | multispectral acoustics | machine learning | multibeam echo sounder |
                                 optical remote sensing | Baltic Sea

                                 How useful are new methods of optical and acoustic remote sensing in the Baltic Sea with regard to
                                 habitat mapping in shallow water? How sensitive are the sensors to specific flora and fauna? Can artificial
                                 intelligence decisively advance data evaluation and data classification? And what natural fluctuations can
                                 be observed in the habitats? These and related questions were asked by a research and development
                                 network with the participation of Germany, Denmark and Poland. Some of the questions were answered
                                 during the three-year project period; we would like to present some important results here.

Autoren                          Einleitung                                             auf der Grundlage einer soliden und exakt geore-
Dr. Jens Schneider von           Das 2020 abgeschlossene EU-Projekt ECOMAP              ferenzierten Datenbasis zu treffen. Im marinen Be-
Deimling lehrt und forscht       (www.bonus-ecomap.eu, Abb. 1) sondierte und            reich sind derartige Informationen selten flächen-
an der Christian-Albrechts-      optimierte Möglichkeiten zur Habitatkartierung         deckend vorhanden; im Falle von geschleppten
Universität zu Kiel (CAU).       in der Ostsee mit optischen und akustischen Ver-       Messsystemen sind sie zudem mit Positionsunge-
Dr. Peter Feldens forscht        fahren per Schiff, Flugzeug und Satellit. ECOMAP       nauigkeiten behaftet, die speziell in der automa-
am Leibniz-Institut              wurde in Kooperation zwischen Forschungsein-           tisierten Nachbearbeitung zu Problemen führen.
für Ostseeforschung              richtungen (Universität Kiel, Universität Kopenha-     Hauptgrund für die signifikant schlechtere Daten-
Warnemünde (IOW).                gen, Universität Danzig, Geomar, IOW), dem Geo-        basis als an Land ist die geringe Anwendbarkeit
                                 logischen Dienst von Dänemark (GEUS), Firmen           optischer Fernerkundung. Akustische Verfahren
jens.schneider@ifg.uni-kiel.de   (Norbit-Poland, Innomar, EOMAP) und Behörden           können Abhilfe leisten, erfordern jedoch den Ein-
                                 (BSH, LKN.SH, LLUR) durchgeführt und an den Er-        satz von Schiffen. Insbesondere im Flachwasser
                                 fordernissen des Habitatschutzes ausgerichtet, der     sind akustische Messungen zeitaufwendig, und
                                 in der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL)         noch heute werden die flachen, küstennahen
                                 verankert ist und darauf abzielt, die Meeresumwelt     Zonen aufgrund dieser Datenlücken als das un-
                                 in Europa wirksam zu schützen und zu verbessern.       kartierte »weiße Band« in der Küstenforschung be-
                                 Im Folgenden stellen wir einige Ergebnisse aus         titelt.
                                 dem dreijährigen Projekt vor, an dem ca. 40 Inge-         Um diesen Unzulänglichkeiten entgegenzuwir-
                                 nieure, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen       ken, haben wir in Kooperation mit unseren Indus-
                                 aus Deutschland, Dänemark und Polen beteiligt          triepartnern die am besten geeignete Erfassungs-
                                 waren.                                                 methode für spezifische Habitate im Flachwasser
                                                                                        (ca. 0 bis 20 m Wassertiefe) gesucht und an den
                                 Motivation und Methoden                                Schnittstellen zwischen optischen und akusti-
                                 Durch flugzeug- und satellitengestützte Ferner-        schen Verfahren gearbeitet (Abb. 2). Wir konzen-
                                 kundung sind Forscher, Behörden und politische         trierten uns hierbei auf eine Auswahl der wich-
                                 Entscheidungsträger im terrestrischen Bereich da-      tigsten Lebensräume aus ökologischer Sicht wie
                                 ran gewöhnt, Raumplanung und Umweltschutz              biologisch aktive Riffe aus Steinen und/oder Mu-

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ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY
Habitatkartierung

Abb. 1: Schemazeichnung zum ECOMAP-Projekt. Dargestellt sind optische Fernerkundung (Kamera, LiDAR) und akustische
Fernerkundung (Fächerecholot, In-situ-Scansonar, Sedimentecholot). Unsere Zielhabitate sind aktive Riffe aus Steinen und/
oder Muscheln, grabende Megafauna, Sandbänke und Seegraswiesen. Das Projekt wurde von der Christian-Albrechts-
Universität zu Kiel (CAU) koordiniert

scheln, Gebiete mit grabender Megafauna, Sand-                    Akustische Daten wurden mit verschiedenen
bänke und Seegraswiesen.                                        Frequenzen zwischen 6 und 700 kHz aufgezeich-
  Um die Kartierung der Flachwasserbereiche                     net. Wir setzten parametrische Sedimentecho-
voranzubringen, arbeiteten wir mit optischen Da-                lote (Innomar standard, medium), kalibrierte
ten aus dem Flugzeug (LiDAR, Kamera), mit kom-                  Einstrahl-Splitbeam-Sonare (Kongsberg EK60),
merziellen Satellitenszenen (EOMAP) sowie mit                   Side-Scan-Sonare (Edgetech, Klein) und moderne
schiffbasierten akustischen Verfahren (Sediment-                Fächerecholote (Norbit iWBMS, STX) ein, wobei
lot, Fächerecholot, Side-Scan-Sonar). Die einge-                der Schwerpunkt aus wissenschaftlicher Sicht auf
setzten Geräte wurden teilweise adaptiert und                   Habitatkartierung mittels Fächerecholot (multi-
während weit mehr als 100 Feldtagen von den                     beam echo sounder system), nachfolgend mit
Arbeitsgruppen aus Deutschland, Polen und Dä-                   MBES bezeichnet, lag. Als Chirp-basierte Systeme
nemark in der Ostsee eingesetzt. Die Datensätze                 wurden die Norbit-Fächerecholote mit 400 kHz als
wurden in einer klassischen Forschungs- und Ent-                Zentralfrequenz und 80 kHz Bandbreite betrieben.
wicklungsmanier bearbeitet, ausgewertet und                     Die Daten zeichneten wir teilweise mit Hypack auf
untersucht, wobei der Forschungsschwerpunkt                     (hsx) oder nativ in den Formaten wbm und s7k.
des Projekts auf der akustischen Habitatkartie-                 RTK-Korrekturen wurden uns durch die freundli-
rung lag. Die im Feld tätigen ECOMAP-Mitarbei-                  che Unterstützung der Axionet GmbH kostenfrei
ter meldeten ihre Anforderungen an die Unter-                   zur Verfügung gestellt. Die üblichen MBES-Nach-
nehmen, um die Arbeitsabläufe in Hinblick auf                   bearbeitungsschritte wie Patch-Test-Kalibrierung,
die Kartierung von Lebensräumen zu verbessern.                  Raytracing, Wasserstandskorrektur und die Ent-
Neben den wissenschaftlichen Errungenschaften                   fernung von Ausreißern aus den MBES-Daten wur-
führte dies zu technischer Weiterentwicklung                    den mit MBSystem und QPS Qimera durchgeführt.
von Hardware, Firmware und Software sowie                       Maßgeschneiderte Auswerteverfahren unter der
zu neuen Auswerteverfahren, einschließlich der                  Einbindung maschineller Lernverfahren erfolgten
Implementierung verschiedener Datenverarbei-                    mit eigens entwickelter Software (Programmier-
tungsschritte unter Einbindung maschineller                     sprachen Python, C++, D, MATLAB) der Arbeits-
Lernverfahren.                                                  gruppen der CAU, des IOW, der Universität Kopen-

Abb. 2: Darlegung der eingesetzten Methoden. Das Sternchen (*) deutet Methoden an, die im Projekt entscheidend
weiterentwickelt wurden; entsprechende Publikationen sind auf der Projektseite verlinkt (www.bonus-ecomap.eu)

HN 120 — 10/2021                                                                                                                          15
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Habitatkartierung

                                  hagen sowie der Universität Danzig und stehen                lateralen Auflösung von 2 bis 3 m und korrigierte
                                  teilweise auf GitHub zur freien Verfügung.                   die Szenen mit einem ausgefeilten atmosphäri-
                                     Darüber hinaus wurden »Nicht-Standard«-Da-                schen Korrekturmodell, um eine vom Satelliten
                                  ten aufgezeichnet und dafür maßgeschneiderte                 abgeleitete Bathymetrie zu erstellen, und erreich-
                                  Auswertealgorithmen implementiert, um z. B.                  te eine maximale Durchdringung des Wassers mit
                                  kalibrierte Fächerecholot-Rückstreudaten, multi-             Licht von 7 m.
                                  spektrale MBES-Daten oder Full-Wave-Form-Li-                    Des Weiteren erlauben Satelliten und Luft-
                                  DAR-Daten besser interpretieren zu können. Dies              bildaufnahmen eine fernerkundliche Habitat-
                                  sind vielversprechende Techniken, die jedoch aus             kartierung im Flachwasser, wie z. B. die Erfassung
                                  Gründen des derzeit noch komplexen Workflows                 subaquatischer Vegetation mittels multi- oder
                                  und unter Betracht von Kosteneffizienz für kom-              hyperspektraler Fernerkundung (Heege et al. 2003;
                                  merzielle Anwendungen zu aufwendig sind und                  Fritz et al. 2017). Die Technik wurde in der Ostsee
                                  bisher wenig zum Einsatz kommen.                             im Rahmen von satellitengestützten Auftragskar-
                                                                                               tierungen erstmalig 2017 vom LLUR zur Bestands-
                                  Optische und akustische Detektion                            aufnahme der gesamten schleswig-holsteinischen
                                  subaquatischer Vegetation                                    Küste eingesetzt (Hartmann et al. 2019). EOMAP
                                  Die Ostsee gilt als optisch trübes Gewässer, den-            erstellte eine Klassifizierung des Meeresbodens
                                  noch finden sich immer wieder Episoden mit gu-               für unsere Gebiete und zeigte, dass Seegras, rei-
                                  ten Sichtbedingungen und Secchi-Tiefen von 8 m               ne Sandgebiete, Restsedimente und Gebiete mit
                                  und mehr (Niemeyer et al. 2015). Optische Analy-             Muscheln unterschieden werden können. Weiter-
                                  sen wurden mit Hilfe kommerzieller Satellitensze-            gehende Studien, basierend auf frei verfügbaren
                                  nen, luftgestützter LiDAR- und Bildgebungssys-               Sentinel-Aufnahmen unter Einbindung von LiDAR,
                                  teme (Riegl VQ 820), luftgestützter Drohnen und              wurden durchgeführt (Kuhwald et al. 2021; Oppelt
                                  Dropdown-Unterwasseraufnahmen durchgeführt.                  et al., in dieser Ausgabe). Hier konnten die Klassen
                                  Unser KMU-Partner EOMAP untersuchte vier Spek-               »dichte Seegraswiesen«, »von Seegras dominier-
                                  tralbänder kommerzieller Satellitendaten mit einer           te Gebiete«, »reine Sandgebiete« und »Restsedi-
                                                                                               mentgebiete« unter Zuhilfenahme von Luftbildern
                                                                                               und Videoschlepptransekten bis in eine Wasser-
                                                                                               tiefe von 5 m mit ca. 82 % Verlässlichkeit ermittelt
                                                                                               werden.
                                                                                                  Direkt zu Projektstart am 1. September 2017 ge-
                                                                                               lang es uns in Kooperation mit dem LKN.SH, ein
                                                                                               »optisches Fenster« mit nahezu idealen Sichtbe-
                                                                                               dingungen unter Wasser abzupassen (Abb. 3a und
                                                                                               Abb. 3b). Bei einer Fluggeschwindigkeit von etwa
                                                                                               100 Knoten/h und einer Abdeckung von 200 m in
                                                                                               einem LiDAR-Streifen konnte die Bathymetrie mit-
                                                                                               tels Riegl VQ-820 bis zu 5 m Tiefe mit einer vertika-
                                                                                               len Auflösung von etwa 0,1 m und einer horizonta-
                                                                                               len Auflösung von 0,5 m erfasst werden (Abb. 3c).
                                                                                               Unter optimalen Bedingungen bei einem Überflug
                                                                                               im September 2019 zeigten die Riegl-VQ-880-Da-
                                                                                               ten eine LiDAR-Eindringung von bis zu 12 m Tiefe
                                                                                               vor Frederikshaven (Schneider von Deimling et al.
                                                                                               2020). Generell zeigen LiDAR-Daten systematisch
                                                                                               Seegrasvegetation auf dem Meeresboden in Form
                                                                                               von abnormalem Rückstreuverhalten an (Abb. 3).
                                                                                               Wie gut sich solche Daten für quantitative Biomas-
                                                                                               seanalysen eignen, wird derzeit untersucht.
 Abb. 3: a: Luftbildaufnahme aus dem Flugzeug vom 1. September 2017 zum Projektstart
                                                                                                  Darüber hinaus lieferten nachfolgende Überflü-
 von BONUS ECOMAP vor der Küste von Heidkate. Die Wassertiefen im Bildausschnitt reichen
                                                                                               ge Luftbilder mit einer Auflösung von 0,1 m und
 von 1,2 bis 2,1 m und wurden vor Heidkate bei Kiel mit einer Hasselblad H5Dc während eines
                                                                                               zeigen Steinfelder und einzelne Steine, Seegras-
 LiDAR-Überflugs mit Riegl VQ-820 erhoben, der in Kooperation mit dem LKN.SH durchgeführt
                                                                                               wiesen und Rotalgen bis zu einer Wassertiefe von
 wurde (DIMAP Spectral GmbH). Der Rotalgen-Patch umfasst ca. 10 × 70 m. Die dunklen
                                                                                               etwa 5 m. Fehlklassifizierungen entstehen insbe-
 Patches im Süden stammen von Seegras (inlet), der dunkle Streifen stellt allerdings einen
                                                                                               sondere bei Mischhabitaten. Probleme bereiten
 Bereich mit Pflanzenresten (Detritus) und Algen dar, die strömungsbedingt an der Sandbank
                                                                                               auch Vegetationsreste von abgestorbenem oder
 anlagern. Die Validierung erfolgte durch das wissenschaftliche Tauchteam der CAU (Wallmeier
                                                                                               ausgerissenem Pflanzenmaterial (Detritus), wel-
 2019; Schneider von Deimling et al. 2020). b: Benachbarte Luftbildaufnahme. c: Gleichzeitig
                                                                                               ches lokal akkumulieren kann und optisch und
 gewonnene topobathymetrische LiDAR-Daten. Im Vergleich zeigt sich eine sehr starke
                                                                                               spektral täuschend ähnlich wirkt wie gewachsene
 Korrelation zwischen Fehlechos (schwarz) und Vegetation
                                                                                               Vegetation (Abb. 3a).

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ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY
Habitatkartierung

   Gelingt es, Überflüge während optisch günsti-         Methode                        km2/h          Auflösung
ger Bedingungen durchzuführen, so können über-
                                                         In-situ-Video                   ~ 0,02            cm
raschend gute Ergebnisse eingefahren werden.
Unsere Messungen zeigen, dass luft- und welt-            MBES @ 5 m                      ~ 0,6         cm bis dm
raumgestützte optische Messungen zumindest
                                                         Airborne LiDAR/Imaging           20            dm bis m
episodisch eine flächendeckende Kartierung des
Meeresbodens im »weißen Band« (Flachwasserge-            Synthetic Aperture Radar        2 Mio            5m
biete) in der Westlichen Ostsee bis ca. 5 m ermög-       Sentinel-2                     10 Mio            10 m
lichen. Obwohl diese Technologie nicht die glei-
che Genauigkeit, Tiefenwirkung und Auflösung            Tabelle 1: Flächenleistung der optischen und akusti-
wie Fächerecholotsysteme oder LiDAR erreicht, ist       schen In-situ-Methoden (geschleppte Kamera) und
sie eine schnelle, kostengünstige und großflächige      Fernerkundungsmethoden (Satellit, Flugzeug, Schiff)
ergänzende Technik (Tabelle 1). Weltraum- oder
luftgestützte Daten können von enormem Wert             teten wir ein MBES-basiertes Verfahren (Abb. 4). Als
sein als Planungsgrundlage (Pre-Survey) für den         Fächerecholot setzten wir ein kalibriertes Norbit-
zeitaufwendigen Einsatz höher auflösender Mess-         ECOMAP-Prototyp-Sonar ein sowie das CAU-eige-
verfahren und für Probenahmen, welche für eine          ne Norbit iWBMS mit integriertem Applanix Wave-
erfolgreiche Klassifizierung nach wie vor notwen-       master INS und Online-c-keel-Sonde von AML.
dig ist. Die Möglichkeit, durch wiederholte Über-         Häufig werden für die akustische Habitatkartie-
flüge die zeitliche Entwicklung zu verfolgen, birgt     rung Rückstreudaten von Seitensichtsonaren ana-
großes Potenzial für die Kartierung und Überwa-
chung der Geo-Biodiversität und der benthischen
Lebensräume in solch flachen Gewässern (< 5 m).
   Ein Hauptaugenmerk lag darauf, das Seegras
Zostera marina mit opto-akustischen Methoden
besser zu erfassen. Seegraswiesen bilden in der
Ostsee das hinsichtlich Ökosystemfunktionen
wichtigste Habitat; deren Vorkommen wurde
bisher mittels geschleppter Kamera kartiert und
modelliert (Schubert et al. 2015). Ein Überflug am
ersten Projekttag, am 1. September 2017 zeigte,
dass Seegras aus Luftbildern und bis zu einer Tiefe
von 5 m optisch erfassbar erscheint (Abb. 3) und
von zeitgleich auftretenden Rotalgen anhand der
RGB-Werte bzw. entsprechenden Indizes getrennt
werden kann (Wallmeier 2019). Mögliche Interak-
tion von LiDAR mit Vegetation wurde bereits als
Problem in Bezug auf Kartierung des Gewässer-
bodens erkannt (Niemeyer et al. 2015). Erste Ergeb-
nisse zeigen, dass LiDAR vermutlich quantitative
Ergebnisse liefern kann in Bezug auf Seegrasvor-
kommen in der Ostsee, zumindest bis ca. 5 m
(Wallmeier 2019). Neuere Aufnahmen inklusive
Full-Wave-Form befinden sich in der Auswertung.
   Die optische Transparenz in unserem Referenz-
arbeitsgebiet vor Heidkate war besser als erwartet.
Folglich führten wir regelmäßig Drohnenüberflü-
ge durch, um einen Einblick in die saisonale Ent-
wicklung der Seegraswiesen zu erhalten (Gross et
al. 2020). Eine Analyse der Überflüge mit dem Flug-
zeug und der Drohne zeigte, dass optische Metho-
den jenseits von 5 oder 6 m Wasser nicht verläss-
lich arbeiten (Wallmeier 2019). Folglich ist für die
                                                        Abb. 4: Setup zur Kartierung von Seegras. Das Verfahren wurde in der Arbeitsgruppe Marine
Fernerkundung bis zu den maximalen Tiefenvor-
                                                        Geophysik und Hydroakustik am Institut für Geowissenschaften der CAU entwickelt.
kommen von Zostera marina – das in der westli-
                                                        a: Survey-Boot mit MBES-Adaption. b: Ablaufdiagramm für das an der CAU implementierte
chen Ostsee zwischen 7 und 9 m liegt (Schubert et
                                                        MBES-Punktwolkenverfahren zur Detektion subaquatischer Vegetation mittels opto-akustischer
al. 2015) – ein akustisches Monitoring erforderlich,
                                                        Kopplung zur Klassifizierung. c: Drohnenaufnahme unseres ECOMAP-Referenzgebietes vor
um die Bestände komplett abbilden zu können.
                                                        Heidkate. d: Resultierende MBES-Punktwolkendarstellung mit Seegrasvorkommen und Steinen
   Um auch Seegrasvorkommen jenseits der 5-m-
                                                        (Straßburger 2021) in der Geltinger Bucht. Projektion UTM 32N, WGS84, GCG 2016
Tiefenlinie verlässlich kartieren zu können, erarbei-

HN 120 — 10/2021                                                                                                                                17
ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY
Habitatkartierung

                    lysiert. Unser Ziel war es jedoch, nicht nur Seegras   die Generierung eines guten Trainingsdatensatzes.
                    akustisch zu detektieren, sondern dessen Vorkom-       Für dessen Aufbau integrierten wir optische Auf-
                    men exakt zu vermessen, um mögliche Bestands-          nahmen aus dem Flugzeug im Flachwasser in das
                    veränderungen in wenigen Jahren mittels eines          Training der akustischen Daten. Eine Validierung
                    wiederholten Surveys erfassen zu können. Eine          erfolgte durch die Forschungstaucher der CAU.
                    Kartierung mit Genauigkeiten im Bereich von we-        Anschließend trainierten wir das Datenmodell
                    nigen Zentimetern bis Dezimetern ist jedoch nur        mittels eines Random-Forest-Algorithmus und
                    mittels RTK-GPS-Navigation, Beamforming und            transferierten das fertige Model in optisch un-
                    Bewegungskompensation möglich und damit für            durchsichtiges Wasser auf akustische Daten. Die
                    Seitensichtsonare nicht erreichbar.                    resultierende Modellgenauigkeit erreichte eine
                       Aus der hydrographischen Vermessung per             Trefferquote von über 96 % für die Klasseneintei-
                    Echolot ist bekannt, dass Bodenfindungsalgorith-       lung »Vegetation« gegen »Meeresboden«. Nach-
                    men signifikant durch Vegetation gestört werden.       dem diese MBES-Verarbeitung durchgeführt wur-
                    Dies hat bis heute zur Folge, dass die Daten ma-       de, liefert das Verfahren bereinigte Bathymetrie,
                    nuell und zeitaufwendig editiert werden, um den        die räumliche Abdeckung von Seegras und die
                    Einfluss der Vegetation zu eliminieren. Für den        Bewuchshöhe in bisher nicht erreichter Genauig-
                    Fall von Zostera marina wurde dies im Arbeits-         keit. Momentan untersuchen wir die Verlässlichkeit
                    gebiet für Fächerecholotdaten bestätigt: Selbst        des Verfahrens unter Hinzunahme von Steinen als
                    Vorkommen von nur wenigen Sprossen Seegras             mögliche Verwechslungskandidaten; Details des
                    pro Quadratmeter führen bereits zu signifikanten       Verfahrens können in Held und Schneider von
                    akustischen Anomalien (Lübmann 2018). Auch in          Deimling (2019) eingesehen werden.
                    Sedimentecholotdaten erscheint Seegras als deut-
                    liche Anomalie in der Wassersäule (Innomar). Die       Vom Side-Scan-Sonar zum
                    Anomalien der Rückstreustärke durch Seegras            Multispectral-Snippet-Multibeam
                    sind spezifisch. Zum einen streut Seegras signifi-     Side-Scan-Sonar-Systeme sind für die geologische
                    kant zurück zum Sender, zum anderen ist es akus-       Kartierung des Meeresbodens in der Ostsee weit
                    tisch transparent und erlaubt teilweise die Sicht      verbreitet und werden von vielen nationalen Be-
                    auf den darunter befindlichen Meeresboden und          hörden aufgrund ihrer Benutzerfreundlichkeit, er-
                    führt zu multiplen Rückstreumustern. In MBES-          höhten Abdeckung und Zeiteffizienz bevorzugt
                    Daten treten Fehldetektionen durchgängig über          für die Kartierung von Habitaten eingesetzt. Die
                    den gesamten Fächer hinweg auf und erschei-            Ergebnisse aus ECOMAP legen dar, wie moderne
                    nen darüber hinaus recht unabhängig von der Art        Fächerecholotsysteme die klassischen Side-Scan-
                    der Bodenerkennung (Phase, Amplitude) zu sein.         Vermessungen ergänzen können, sowohl für die
                    Aufgrund dieses spezifischen Verhaltens mit dem        biotische als auch für die abiotische Kartierung
                    Ziel, die Problematik in den Griff zu bekommen         des Meeresbodens. Mit dem Aufkommen der so-
                    bzw. Seegras klar von der Gewässersohle trennen        genannten Snippet-Technologie, die in modernen
                    zu können, entwickelten wir spezifische Daten-         MBES implementiert ist, können side-scan-ähnli-
                    Merkmale (Features) in einem Punktwolken-Ana-          che Karten mit einer theoretischen Auflösung von
                    lyseverfahren, welches seinen Ursprung in der          bis zu 1 cm über die Spur hinweg erstellt werden,
                    Astronomie hat und bereits bei der Auswertung          während die Bathymetrie aufgezeichnet wird. Die
                    von LiDAR zum Einsatz kommt. Die bereinigte,           praktisch nutzbare Auflösung wird dabei weiterhin
                    nicht gerasterte dreidimensionale Punktwolke (3D       von der durch die Fahrtgeschwindigkeit kontrol-
                    PCL) wurde als kartesische Koordinaten exportiert      lierten Along-Track-Auflösung sowie der Wasser-
                    (XYZ-ASCII UTM 32 Nord). Anschließend wurde für        tiefe limitiert. Bis in Tiefen von etwa 20 m können
                    jeden individuellen Punkt bzw. für jedes Sounding      mit auf Schiffen installierten MBES allerdings Rück-
                    eine zylindrische Nachbarschaft innerhalb eines        streumosaike von ähnlich guter Anwendbarkeit
                    0,5-m-Suchradius ermittelt. Daraus ergibt sich eine    wie bei geschleppten Side-Scan-Sonaren erzielt
                    durchschnittliche Nachbarschaft von 88 Punkten.        werden. Ein wichtiger Vorteil von MBES ist die eng
                    Die Nachbarschaften der einzelnen Punkte wur-          gekoppelte RTK-GPS-Navigation mit cm-Genau-
                    den mit der sehr schnellen Open-Source-Biblio-         igkeit, die Bewegungskompensation des Schiffes
                    thek für maschinelles Lernen mlpack berechnet.         und damit die exakte geografische Co-Regis-
                    Der benachbarte Raumbezug jeder einzelnen              trierung von Bathymetrie und Rückstreuung, die
                    Echolotung wurde anschließend in Hinblick auf          darüber hinaus eine Voraussetzung für die Iden-
                    die Parameter Sphärizität, Linearität und Planari-     tifizierung kleiner Verschiebungen der Habitat-
                    tät und weiteren Ableitungen analysiert (Held und      grenzen sogar auf saisonaler Ebene ist. Metho-
                    Schneider von Deimling 2019). Durch die Berech-        disch konzentrierten wir uns auf die Erstellung von
                    nung der abgeleiteten Parameter erhöht sich die        MBES-Multifrequenz-Rückstreuungsmosaiken,
                    Datenmenge temporär um den Faktor neun.                Winkelantwortkurven und Spektraldaten, kombi-
                       Essenziell für den Erfolg maschineller Lernver-     niert mit einer intensiven biologischen Probenah-
                    fahren und das sogenannte überwachte Lernen ist        me. Multispektralverfahren sind in der optischen

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ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY
Habitatkartierung

Satellitenfernerkundung seit Dekaden im Einsatz.               vey technisch möglich). EGNOS-Korrekturdaten
Mittels speziell designter Indizes lassen sich damit           wurden empfangen, um die Navigation auf 0,5 m
vielfältige Erdbeobachtungen und Umweltana-                    Genauigkeit zu verbessern. Es wurde zudem an-
lysen an Land durchführen. Dahingegen gibt es                  gestrebt, die Surveylinien exakt zu wiederholen.
bisher nur sehr wenige Arbeiten, die sich mit dem              Wir registrierten die Rückstreustärke mit Hypack
Potenzial von multispektraler Meeresbodenkartie-               2016. Die Verarbeitung konzentrierte sich auf
rung befassen, entsprechende akustische Indizes                die Beseitigung der in den Daten vorhandenen
wurden bisher noch gar nicht entwickelt. In ECO-               Winkelabhängigkeiten durch Anwendung einer
MAP konnten erste Arbeiten zu spezifischen Habi-               winkelabhängigen Verstärkung (AVG) und den
taten durchgeführt und – mit Unterstützung unse-               Vergleich der relativen Rückstreuwerte zwischen
rer KMU Norbit und Innomar – konnte einer der                  den Frequenzen. Die Korrektur der Winkelab-
ersten multispektralen Datensätze generiert und                hängigkeit muss sehr exakt erfolgen, da bereits
analysiert werden (Feldens et al. 2018). Darüber hi-           kleine, in den Einzelfrequenzmosaiken nicht
naus sind bewegungskompensierte Daten für die                  sichtbare Artefakte in den Multifrequenzaufnah-
Berechnung von Karten spektraler Parameter er-                 men deutlich erkennbar sind (Abb. 5). Aufgrund
forderlich, die aus Rückstreu- und bathymetrischen             der Frequenzabhängigkeit von akustischer Ab-
Daten abgeleitet werden (Schönke et al. 2017) und              sorption in Wasser muss eine Korrektur erfolgen.
auch die Methodik der Texturanalyse unterstützen               Hierfür berechneten wir die Absorptionskoef-
(Feldens 2017).                                                fizienten gemäß der vorherrschenden Tempe-
   Für die Multispektralaufnahmen in ECOMAP                    ratur und des Salzgehaltes. Die Intensitäten der
kam das IOW-eigene Norbit iWBMSe-Fächer-                       Rückstreuung wurden normalisiert und linear
echolot, das im Moonpool von FS Heincke und FS                 auf ein Graustufenmosaik mit einer Auflösung
Elisabeth Mann Borgese montiert wurde, zusam-                  von 0,3 m dargestellt. Die endgültigen Mosaike
men mit einem Applanix SurfMaster-Trägheitsna-                 wurden mit einem 3 × 3-Box-Mittelwertfilter ge-
vigations- und Lagesystem zum Einsatz. Für die                 filtert. Multifrequenzmosaike wurden durch Ver-
drei Vermessungen im Bereich Sylter Außenriff                  wendung von drei Monofrequenz-Graustufen-
in der Nordsee und der Mecklenburger Bucht                     mosaiken als Eingangskanäle eines RGB-Bildes
in der Ostsee wurden die Frequenzen 200, 400                   mit Open-Source-GIS-Software erstellt (gdal).
und 600 kHz verwendet und das Surveygebiet                     Die 200-kHz-Frequenz stellt den roten Kanal dar,
dreifach überfahren (Anmerkung: Mittlerweile ist               die 400-kHz-Frequenz den grünen Kanal und die
eine Multispektralaufnahme mit nur einem Sur-                  600-kHz-Frequenz den blauen Kanal.

Abb. 5: Multispektral-Fächerecholot-Rückstreuung vor Sylt, die Muster resultieren von spärlich besiedelten
Röhrenwurmfeldern in einer Feinsandumgebung (Norbit iWBMse-MBES). Man beachte die erhöhte Empfindlichkeit
in niederfrequenten Mosaiken, während die Rückstreuungstrends in hochfrequenten Mosaiken ein teilweise inverses
Verhalten zeigen (siehe Linienplot 200 kHz vs. 600 kHz bei HBP, high backscatter patch). Abbildung adaptiert nach
Feldens et al. (2018)

HN 120 — 10/2021                                                                                                                  19
Habitatkartierung

                                                                                               nahmen eine verbesserte flächige Kartierung
                                                                                               möglich (Schneider von Deimling et al. 2013).
                                                                                                 Die Aufnahme von Multifrequenzmosaiken
                                                                                               im praktischen Einsatz setzt eine simultane Auf-
                                                                                               zeichnung aller Frequenzen (sodass keine Verlus-
                                                                                               te in der Auflösung der Karten entstehen) sowie
                                                                                               kalibrierte Messdaten voraus. Erste entsprechende
                                                                                               Fächerecholotsysteme sind derzeit am Markt ver-
                                                                                               fügbar (z. B. Norbit STX). Softwarelösungen für die
                                                                                               Anfertigung von Multifrequenzmosaiken sind da-
                                                                                               gegen in kommerziell verfügbare Softwarepakete
                                                                                               integriert (z. B. FMGT, SonarWiz).

                                                                                               Habitatkartierung im Zeitalter der
                                                                                               künstlichen Intelligenz
                                                                                               Eines der meistdiskutierten Themen im Bereich
                                                                                               der submarinen Habitatkartierung ist die automa-
                                                                                               tische Habitatklassifizierung und Objektdetektion.
                                                                                               In den letzten Jahrzehnten wurden viele Ansätze
                                                                                               in Betracht gezogen und verschiedene Klassifi-
 Abb. 6: Fächerecholot-Multispektralaufnahme der Rückstreustärke vor Hohe Düne, Rostock.
                                                                                               zierungstechniken implementiert. Diese Ansätze
 Die Multispektralaufnahmen erlauben eine einfache Unterscheidung der wesentlichen
                                                                                               funktionieren oft gut in begrenzten Testgebieten,
 Meeresbodenfazies. a: Von Seegras dominierte Bereiche (rötlich gefärbt, sensitiv gegen
                                                                                               lassen sich jedoch in der Praxis oft nur schwierig
 tiefere Frequenz). b: Glaziale Ablagerungen mit Muschelbedeckung (gräulich, ähnliche
                                                                                               anwenden, was hauptsächlich auf die Komplexi-
 Rückstreustärke in allen Frequenzen). c: Grobe Sande und Kiese (grünlich-bläulich, sensitiv
                                                                                               tät der Meeresbodenhabitate sowie der hydro-
 für mittlere und hohe Frequenzen). Der dynamische Range der einzelnen Frequenzen liegt
                                                                                               akustischen Kartierung zurückzuführen ist. Daher
 bei 20 dB. Akustische Daten wurden zur Verfügung gestellt von Inken Schulze vom IOW,
                                                                                               war der Blick eines Experten auf die Daten und
 Videoaufnahmen von der Arbeitsgruppe Ökologie benthischer Organismen des IOW
                                                                                               ihre Interpretation für die akustische Habitatklas-
                                                                                               sifizierung bisher meist unerlässlich. Seit einigen
                                      Im Allgemeinen wurde festgestellt, dass nied-            Jahren werden mit zunehmendem Erfolg automa-
                                   rigere Frequenzen eine bessere Empfindlichkeit              tisierte Verfahren unter Zuhilfenahme künstlicher
                                   für Unterschiede in der Zusammensetzung fein-               Intelligenz vorgestellt. Insbesondere überwachte
                                   sandiger und schluffiger Ablagerungen aufwei-               maschinelle Lernverfahren ermöglichen es heute,
                                   sen (Feldens et al. 2018). Dies wurde durch die             die Erfahrung des Experten in Datenmodelle zu
                                   zunehmende Volumenstreuung in diesen Sedi-                  integrieren und somit die menschliche Stärke von
                                   menten bei niedrigeren Frequenzen erklärt, was              der Interpretation zu bewahren, aber dennoch au-
                                   die Unterschiede zwischen den Lebensräumen                  tomatisiert zu klassifizieren. Einige Bespiele hierzu
                                   (z. B. Veränderungen im Niveau der Bioturbation             finden sich in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift
                                   bei ansonsten sedimentologisch homogenem                    (HN 119) und wurden von den verschiedenen Ar-
                                   Sediment) bei diesen niedrigen Frequenzen her-              beitsgruppen in ECOMAP publiziert (Janowski et
                                   vorhebt (Abb. 5). Die Bedeutung der Bioturbation            al. 2018; Held und Schneider von Deimling 2019;
                                   für die akustische Streuung sowohl im Volumen               Feldens et al. 2021). Mit schnellen Computern und
                                   als auch an der Oberfläche wurde durch Laborex-             Hochleistungsgrafikkarten wird die Analyse großer
                                   perimente bestätigt, die den Einfluss von Röhren-           Datensätze möglich. Insbesondere bei der Durch-
                                   würmern, vergrabenen Muscheln und Muschel-                  forstung hochdimensionaler Datensätze ist ein
                                   fragmenten, aber auch von Bioturbationsspuren               Mensch den Computern hoffnungslos unterlegen.
                                   in feinkörnigen Sedimenten bei Frequenzen über              In ECOMAP konnten wir durch mehrere Studien
                                   100 kHz zeigen (Schönke et al. 2019; noch unveröf-          zeigen, dass sich Habitate wie Seegraswiesen,
                                   fentlichte Daten von Inken Schulze, IOW). Auch für          Steinvorkommen, Gebiete mit unterschiedlichen
                                   abiotische Habitate bietet die Multispektralanaly-          Korngrößen durch gute Datenmodelle klar tren-
                                   se Vorteile (Abb. 6). Als Beispiel sei hier angeführt,      nen lassen. Unsere Daten deuten an, dass selbst
                                   dass – im Gegensatz zu den durch Volumenstreu-              kleinskalige Änderungen wie Bewuchs von Faden-
                                   ung beeinflussten biologischen Parametern in                algen ihren Abdruck in akustischen Daten hinter-
                                   feinkörnigen Sedimenten – ökologisch wertvolle              lassen könnten. In ECOMAP implementierten wir
                                   Grobsande und Kiesgrunde deutlich besser in                 daher verschiedene Ansätze zur Auswertung von
                                   hochfrequenten Mosaiken erkennbar sind (noch                Fächerecholotdaten unter Einbindung maschinel-
                                   unveröffentlichte Daten von Inken Schulze, IOW;             ler Lernverfahren (random forests, k-means, neuro-
                                   Abb. 6). Ein weiteres mikrobiell geprägtes Habitat          nale Netze) für verschiedene Habitate und Daten
                                   in der Ostsee stellen die anoxischen Becken dar.            und untersuchten darüber hinaus, welche Daten-
                                   Auch hier ist mittels multispektraler MBES-Auf-             merkmale möglicherweise für die gegebene geo-

20                                                                                                                Hydrographische Nachrichten
Habitatkartierung

bioakustische Umgebung prädiktiv sein könnten.                  Ausblick
Es ist seit Langem bekannt, dass die Bathymetrie                Unsere Ergebnisse zeigen Fallbeispiele, um neu-
selbst einer der wichtigsten Prädiktoren für ver-               artige Verfahren zu demonstrieren. Wir stehen in
schiedene Arten und Lebensräume ist. Auch dies                  direktem Kontakt mit den Behörden, um zu erör-
war ein Grund dafür, im Rahmen von ECOMAP                       tern, welche Verfahren möglicherweise zur verbes-
bevorzugt die Fächerecholottechnologie ein-                     serten Kartierung und Überwachung von marinen
zusetzen, da sie die Möglichkeit bietet, genaue                 Lebensräumen angewendet werden könnten. Da-
Bathymetrie zu erfassen und moderne Snippet-                    hingehend wurden Nachfolgeprojekte generiert,
Side-Scans zu co-registrieren. Dadurch konnten                  in denen wir anstreben, die Verfahren zu optimie-
wir neue Merkmale wie spektrale Ableitungen                     ren.
der Bathymetrie und Eigenwertmerkmale gene-                        Untersuchungen mit dem Ziel einer verlässlichen
rieren, welche die Morphologie und Punktwol-                    Fernerkundung von Seegraswiesen und Kelpwäl-
kenverteilung charakterisieren. Insgesamt wurden                dern werden von der CAU in dem Verbundprojekt
mehr als 40 Parameter abgeleitet. Darüber hinaus                sea4soCiety weiterentwickelt, welches im Rahmen
konnte gezeigt werden, dass die Erstellung hoch-                der Ausschreibung der Deutschen Allianz für Mee-
dimensionaler Datensätze und die Einrichtung von                resforschung (DAM, www.cdmare.de) »Blue Car-
Datenwürfeln und anschließende Auswertung mit                   bon – Ansätze zur Steigerung der CO₂-Aufnahme
Techniken des maschinellen Lernens erstaunliche                 und -Speicherung« für drei Jahre gefördert wird.
Ergebnisse liefern und zu einer zuverlässigen und               EOMAP führt seine Entwicklungen zu Cloud-ba-
sensitiven Lebensraumkartierung führen können                   sierten Flachwasser-Kartierungsdiensten mit Satel-
(Abb. 7). Die Bedeutung verschiedener Merkmale                  litendaten im Rahmen des 4S EU-H2020-Projektes
wurde bewertet. Die beiden wichtigsten Prädik-                  zusammen mit Industriepartnern (Fugro, QPS) und
toren waren hier die Rückstreuintensität, die acht              hydrographischen Behörden weiter. Die entspre-
nachfolgenden Prädiktoren waren jedoch allesamt                 chende Übertragung auf moderne drohnenge-
bathymetrischer Natur (Janowski et al. 2018). Daher             stützte Lösungen wurde kürzlich aus Mitteln des
ist anzunehmen, dass die Bathymetrie bzw. Mor-                  Nationalen Masterplans Maritime Technologien
phologie des Meeresbodens in ihren unterschied-                 (NMMT) des BMWi begonnen. Die Erfahrungen im
lichen Ausprägungen von entscheidender Bedeu-                   Hinblick auf die KI-Verarbeitung akustischer Daten
tung für die Entstehung spezifischer Lebensräume                sind in das Projekt ATLAS eingeflossen, in dem am
ist. Folglich erachten wir die Bedeutung hydrogra-              IOW von 2019 bis 2021 große Gebiete der Küsten-
phischer Messungen für die Habitatkartierung als                gewässer Mecklenburg-Vorpommerns geologisch
hoch.                                                           und biologisch kartiert wurden. Folgeprojekte be-

Abb. 7: a: Von unten nach oben: digitale Rasterdaten der korrigierten Rückstreuung bei 150 kHz, 400 kHz, gefolgt von
der Bathymetrie und ihren spektralen/räumlichen Ableitungen (adaptiert nach Janowski et al. 2018). b: Skizze, die
komplexe akustische 3D-Echopunktwolken zeigt, die besonders in Seegraswiesen vorkommen (Held et al. 2019).
c: Diagramm, welches die Bedeutung der Merkmale in einer Rangfolge zeigt, wobei die 400-kHz-Rückstreuung am
wichtigsten ist, gefolgt von 150 kHz, unmittelbar gefolgt von mehreren spektralen Ableitungen der Bathymetrie und
der Bathymetrie selbst (Y-Achse »bath«). Es ist zu beachten, dass es sich nicht um eine allgemeine Merkmalstabelle
handelt, die für alle Lebensräume gilt, sondern um eine spezifische

HN 120 — 10/2021                                                                                                                     21
Habitatkartierung

                    finden sich in Vorbereitung, unter anderem mit                      schen Multispektraldaten zu erhöhen und Verfah-
                    Einbindung des Ocean Technology Campus Ros-                         ren unter Einbindung intelligenter Algorithmen zu
                    tock. Weitere Forschung und Entwicklung wird                        optimieren für eine verbesserte Habitatkartierung
                    notwendig sein, um die Nutzbarkeit von akusti-                      in naher Zukunft. //

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