ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren - HENRY
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Article, Published Version Schneider von Deimling, Jens; Feldens, Peter ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren Hydrographische Nachrichten Verfügbar unter/Available at: https://hdl.handle.net/20.500.11970/108360 Vorgeschlagene Zitierweise/Suggested citation: Schneider von Deimling, Jens; Feldens, Peter (2021): ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren. In: Hydrographische Nachrichten 120. Rostock: Deutsche Hydrographische Gesellschaft e.V.. S. 13-22. https://doi.org/10.23784/HN120-02. Standardnutzungsbedingungen/Terms of Use: Die Dokumente in HENRY stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0, sofern keine abweichenden Nutzungsbedingungen getroffen wurden. Damit ist sowohl die kommerzielle Nutzung als auch das Teilen, die Weiterbearbeitung und Speicherung erlaubt. Das Verwenden und das Bearbeiten stehen unter der Bedingung der Namensnennung. Im Einzelfall kann eine restriktivere Lizenz gelten; dann gelten abweichend von den obigen Nutzungsbedingungen die in der dort genannten Lizenz gewährten Nutzungsrechte. Documents in HENRY are made available under the Creative Commons License CC BY 4.0, if no other license is applicable. Under CC BY 4.0 commercial use and sharing, remixing, transforming, and building upon the material of the work is permitted. In some cases a different, more restrictive license may apply; if applicable the terms of the restrictive license will be binding.
Habitatkartierung DOI: 10.23784/HN120-02 ECOMAP Habitatkartierung mittels innovativer optischer und akustischer Fernerkundungs- und Auswerteverfahren Ein Beitrag von JENS SCHNEIDER VON DEIMLING und PETER FELDENS Wie hilfreich sind neue Verfahren der optischen und akustischen Fernerkundung in der Ostsee in Bezug auf Habitatkartierung im Flachwasser? Wie sensitiv reagieren die Sensoren auf spezifische Flora und Fauna? Kann künstliche Intelligenz die Datenaus- wertung und Datenklassifikation entscheidend voranbringen? Und welche natürlichen Schwankungen lassen sich in den Habitaten beobachten? Diese und verwandte Fragen stellte sich ein Forschungs- und Entwicklungsverbund unter Beteiligung von Deutsch- land, Dänemark und Polen. Ein Teil der Fragen wurde innerhalb der dreijährigen Pro- jektlaufzeit beantwortet, einige wichtige Ergebnisse möchten wir hier darstellen. Habitatkartierung | multispektrale Akustik | maschinelles Lernen | Fächerecholot | optische Fernerkundung | Ostsee habitat mapping | multispectral acoustics | machine learning | multibeam echo sounder | optical remote sensing | Baltic Sea How useful are new methods of optical and acoustic remote sensing in the Baltic Sea with regard to habitat mapping in shallow water? How sensitive are the sensors to specific flora and fauna? Can artificial intelligence decisively advance data evaluation and data classification? And what natural fluctuations can be observed in the habitats? These and related questions were asked by a research and development network with the participation of Germany, Denmark and Poland. Some of the questions were answered during the three-year project period; we would like to present some important results here. Autoren Einleitung auf der Grundlage einer soliden und exakt geore- Dr. Jens Schneider von Das 2020 abgeschlossene EU-Projekt ECOMAP ferenzierten Datenbasis zu treffen. Im marinen Be- Deimling lehrt und forscht (www.bonus-ecomap.eu, Abb. 1) sondierte und reich sind derartige Informationen selten flächen- an der Christian-Albrechts- optimierte Möglichkeiten zur Habitatkartierung deckend vorhanden; im Falle von geschleppten Universität zu Kiel (CAU). in der Ostsee mit optischen und akustischen Ver- Messsystemen sind sie zudem mit Positionsunge- Dr. Peter Feldens forscht fahren per Schiff, Flugzeug und Satellit. ECOMAP nauigkeiten behaftet, die speziell in der automa- am Leibniz-Institut wurde in Kooperation zwischen Forschungsein- tisierten Nachbearbeitung zu Problemen führen. für Ostseeforschung richtungen (Universität Kiel, Universität Kopenha- Hauptgrund für die signifikant schlechtere Daten- Warnemünde (IOW). gen, Universität Danzig, Geomar, IOW), dem Geo- basis als an Land ist die geringe Anwendbarkeit logischen Dienst von Dänemark (GEUS), Firmen optischer Fernerkundung. Akustische Verfahren jens.schneider@ifg.uni-kiel.de (Norbit-Poland, Innomar, EOMAP) und Behörden können Abhilfe leisten, erfordern jedoch den Ein- (BSH, LKN.SH, LLUR) durchgeführt und an den Er- satz von Schiffen. Insbesondere im Flachwasser fordernissen des Habitatschutzes ausgerichtet, der sind akustische Messungen zeitaufwendig, und in der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) noch heute werden die flachen, küstennahen verankert ist und darauf abzielt, die Meeresumwelt Zonen aufgrund dieser Datenlücken als das un- in Europa wirksam zu schützen und zu verbessern. kartierte »weiße Band« in der Küstenforschung be- Im Folgenden stellen wir einige Ergebnisse aus titelt. dem dreijährigen Projekt vor, an dem ca. 40 Inge- Um diesen Unzulänglichkeiten entgegenzuwir- nieure, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ken, haben wir in Kooperation mit unseren Indus- aus Deutschland, Dänemark und Polen beteiligt triepartnern die am besten geeignete Erfassungs- waren. methode für spezifische Habitate im Flachwasser (ca. 0 bis 20 m Wassertiefe) gesucht und an den Motivation und Methoden Schnittstellen zwischen optischen und akusti- Durch flugzeug- und satellitengestützte Ferner- schen Verfahren gearbeitet (Abb. 2). Wir konzen- kundung sind Forscher, Behörden und politische trierten uns hierbei auf eine Auswahl der wich- Entscheidungsträger im terrestrischen Bereich da- tigsten Lebensräume aus ökologischer Sicht wie ran gewöhnt, Raumplanung und Umweltschutz biologisch aktive Riffe aus Steinen und/oder Mu- 14 Hydrographische Nachrichten
Habitatkartierung Abb. 1: Schemazeichnung zum ECOMAP-Projekt. Dargestellt sind optische Fernerkundung (Kamera, LiDAR) und akustische Fernerkundung (Fächerecholot, In-situ-Scansonar, Sedimentecholot). Unsere Zielhabitate sind aktive Riffe aus Steinen und/ oder Muscheln, grabende Megafauna, Sandbänke und Seegraswiesen. Das Projekt wurde von der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel (CAU) koordiniert scheln, Gebiete mit grabender Megafauna, Sand- Akustische Daten wurden mit verschiedenen bänke und Seegraswiesen. Frequenzen zwischen 6 und 700 kHz aufgezeich- Um die Kartierung der Flachwasserbereiche net. Wir setzten parametrische Sedimentecho- voranzubringen, arbeiteten wir mit optischen Da- lote (Innomar standard, medium), kalibrierte ten aus dem Flugzeug (LiDAR, Kamera), mit kom- Einstrahl-Splitbeam-Sonare (Kongsberg EK60), merziellen Satellitenszenen (EOMAP) sowie mit Side-Scan-Sonare (Edgetech, Klein) und moderne schiffbasierten akustischen Verfahren (Sediment- Fächerecholote (Norbit iWBMS, STX) ein, wobei lot, Fächerecholot, Side-Scan-Sonar). Die einge- der Schwerpunkt aus wissenschaftlicher Sicht auf setzten Geräte wurden teilweise adaptiert und Habitatkartierung mittels Fächerecholot (multi- während weit mehr als 100 Feldtagen von den beam echo sounder system), nachfolgend mit Arbeitsgruppen aus Deutschland, Polen und Dä- MBES bezeichnet, lag. Als Chirp-basierte Systeme nemark in der Ostsee eingesetzt. Die Datensätze wurden die Norbit-Fächerecholote mit 400 kHz als wurden in einer klassischen Forschungs- und Ent- Zentralfrequenz und 80 kHz Bandbreite betrieben. wicklungsmanier bearbeitet, ausgewertet und Die Daten zeichneten wir teilweise mit Hypack auf untersucht, wobei der Forschungsschwerpunkt (hsx) oder nativ in den Formaten wbm und s7k. des Projekts auf der akustischen Habitatkartie- RTK-Korrekturen wurden uns durch die freundli- rung lag. Die im Feld tätigen ECOMAP-Mitarbei- che Unterstützung der Axionet GmbH kostenfrei ter meldeten ihre Anforderungen an die Unter- zur Verfügung gestellt. Die üblichen MBES-Nach- nehmen, um die Arbeitsabläufe in Hinblick auf bearbeitungsschritte wie Patch-Test-Kalibrierung, die Kartierung von Lebensräumen zu verbessern. Raytracing, Wasserstandskorrektur und die Ent- Neben den wissenschaftlichen Errungenschaften fernung von Ausreißern aus den MBES-Daten wur- führte dies zu technischer Weiterentwicklung den mit MBSystem und QPS Qimera durchgeführt. von Hardware, Firmware und Software sowie Maßgeschneiderte Auswerteverfahren unter der zu neuen Auswerteverfahren, einschließlich der Einbindung maschineller Lernverfahren erfolgten Implementierung verschiedener Datenverarbei- mit eigens entwickelter Software (Programmier- tungsschritte unter Einbindung maschineller sprachen Python, C++, D, MATLAB) der Arbeits- Lernverfahren. gruppen der CAU, des IOW, der Universität Kopen- Abb. 2: Darlegung der eingesetzten Methoden. Das Sternchen (*) deutet Methoden an, die im Projekt entscheidend weiterentwickelt wurden; entsprechende Publikationen sind auf der Projektseite verlinkt (www.bonus-ecomap.eu) HN 120 — 10/2021 15
Habitatkartierung hagen sowie der Universität Danzig und stehen lateralen Auflösung von 2 bis 3 m und korrigierte teilweise auf GitHub zur freien Verfügung. die Szenen mit einem ausgefeilten atmosphäri- Darüber hinaus wurden »Nicht-Standard«-Da- schen Korrekturmodell, um eine vom Satelliten ten aufgezeichnet und dafür maßgeschneiderte abgeleitete Bathymetrie zu erstellen, und erreich- Auswertealgorithmen implementiert, um z. B. te eine maximale Durchdringung des Wassers mit kalibrierte Fächerecholot-Rückstreudaten, multi- Licht von 7 m. spektrale MBES-Daten oder Full-Wave-Form-Li- Des Weiteren erlauben Satelliten und Luft- DAR-Daten besser interpretieren zu können. Dies bildaufnahmen eine fernerkundliche Habitat- sind vielversprechende Techniken, die jedoch aus kartierung im Flachwasser, wie z. B. die Erfassung Gründen des derzeit noch komplexen Workflows subaquatischer Vegetation mittels multi- oder und unter Betracht von Kosteneffizienz für kom- hyperspektraler Fernerkundung (Heege et al. 2003; merzielle Anwendungen zu aufwendig sind und Fritz et al. 2017). Die Technik wurde in der Ostsee bisher wenig zum Einsatz kommen. im Rahmen von satellitengestützten Auftragskar- tierungen erstmalig 2017 vom LLUR zur Bestands- Optische und akustische Detektion aufnahme der gesamten schleswig-holsteinischen subaquatischer Vegetation Küste eingesetzt (Hartmann et al. 2019). EOMAP Die Ostsee gilt als optisch trübes Gewässer, den- erstellte eine Klassifizierung des Meeresbodens noch finden sich immer wieder Episoden mit gu- für unsere Gebiete und zeigte, dass Seegras, rei- ten Sichtbedingungen und Secchi-Tiefen von 8 m ne Sandgebiete, Restsedimente und Gebiete mit und mehr (Niemeyer et al. 2015). Optische Analy- Muscheln unterschieden werden können. Weiter- sen wurden mit Hilfe kommerzieller Satellitensze- gehende Studien, basierend auf frei verfügbaren nen, luftgestützter LiDAR- und Bildgebungssys- Sentinel-Aufnahmen unter Einbindung von LiDAR, teme (Riegl VQ 820), luftgestützter Drohnen und wurden durchgeführt (Kuhwald et al. 2021; Oppelt Dropdown-Unterwasseraufnahmen durchgeführt. et al., in dieser Ausgabe). Hier konnten die Klassen Unser KMU-Partner EOMAP untersuchte vier Spek- »dichte Seegraswiesen«, »von Seegras dominier- tralbänder kommerzieller Satellitendaten mit einer te Gebiete«, »reine Sandgebiete« und »Restsedi- mentgebiete« unter Zuhilfenahme von Luftbildern und Videoschlepptransekten bis in eine Wasser- tiefe von 5 m mit ca. 82 % Verlässlichkeit ermittelt werden. Direkt zu Projektstart am 1. September 2017 ge- lang es uns in Kooperation mit dem LKN.SH, ein »optisches Fenster« mit nahezu idealen Sichtbe- dingungen unter Wasser abzupassen (Abb. 3a und Abb. 3b). Bei einer Fluggeschwindigkeit von etwa 100 Knoten/h und einer Abdeckung von 200 m in einem LiDAR-Streifen konnte die Bathymetrie mit- tels Riegl VQ-820 bis zu 5 m Tiefe mit einer vertika- len Auflösung von etwa 0,1 m und einer horizonta- len Auflösung von 0,5 m erfasst werden (Abb. 3c). Unter optimalen Bedingungen bei einem Überflug im September 2019 zeigten die Riegl-VQ-880-Da- ten eine LiDAR-Eindringung von bis zu 12 m Tiefe vor Frederikshaven (Schneider von Deimling et al. 2020). Generell zeigen LiDAR-Daten systematisch Seegrasvegetation auf dem Meeresboden in Form von abnormalem Rückstreuverhalten an (Abb. 3). Wie gut sich solche Daten für quantitative Biomas- seanalysen eignen, wird derzeit untersucht. Abb. 3: a: Luftbildaufnahme aus dem Flugzeug vom 1. September 2017 zum Projektstart Darüber hinaus lieferten nachfolgende Überflü- von BONUS ECOMAP vor der Küste von Heidkate. Die Wassertiefen im Bildausschnitt reichen ge Luftbilder mit einer Auflösung von 0,1 m und von 1,2 bis 2,1 m und wurden vor Heidkate bei Kiel mit einer Hasselblad H5Dc während eines zeigen Steinfelder und einzelne Steine, Seegras- LiDAR-Überflugs mit Riegl VQ-820 erhoben, der in Kooperation mit dem LKN.SH durchgeführt wiesen und Rotalgen bis zu einer Wassertiefe von wurde (DIMAP Spectral GmbH). Der Rotalgen-Patch umfasst ca. 10 × 70 m. Die dunklen etwa 5 m. Fehlklassifizierungen entstehen insbe- Patches im Süden stammen von Seegras (inlet), der dunkle Streifen stellt allerdings einen sondere bei Mischhabitaten. Probleme bereiten Bereich mit Pflanzenresten (Detritus) und Algen dar, die strömungsbedingt an der Sandbank auch Vegetationsreste von abgestorbenem oder anlagern. Die Validierung erfolgte durch das wissenschaftliche Tauchteam der CAU (Wallmeier ausgerissenem Pflanzenmaterial (Detritus), wel- 2019; Schneider von Deimling et al. 2020). b: Benachbarte Luftbildaufnahme. c: Gleichzeitig ches lokal akkumulieren kann und optisch und gewonnene topobathymetrische LiDAR-Daten. Im Vergleich zeigt sich eine sehr starke spektral täuschend ähnlich wirkt wie gewachsene Korrelation zwischen Fehlechos (schwarz) und Vegetation Vegetation (Abb. 3a). 16 Hydrographische Nachrichten
Habitatkartierung Gelingt es, Überflüge während optisch günsti- Methode km2/h Auflösung ger Bedingungen durchzuführen, so können über- In-situ-Video ~ 0,02 cm raschend gute Ergebnisse eingefahren werden. Unsere Messungen zeigen, dass luft- und welt- MBES @ 5 m ~ 0,6 cm bis dm raumgestützte optische Messungen zumindest Airborne LiDAR/Imaging 20 dm bis m episodisch eine flächendeckende Kartierung des Meeresbodens im »weißen Band« (Flachwasserge- Synthetic Aperture Radar 2 Mio 5m biete) in der Westlichen Ostsee bis ca. 5 m ermög- Sentinel-2 10 Mio 10 m lichen. Obwohl diese Technologie nicht die glei- che Genauigkeit, Tiefenwirkung und Auflösung Tabelle 1: Flächenleistung der optischen und akusti- wie Fächerecholotsysteme oder LiDAR erreicht, ist schen In-situ-Methoden (geschleppte Kamera) und sie eine schnelle, kostengünstige und großflächige Fernerkundungsmethoden (Satellit, Flugzeug, Schiff) ergänzende Technik (Tabelle 1). Weltraum- oder luftgestützte Daten können von enormem Wert teten wir ein MBES-basiertes Verfahren (Abb. 4). Als sein als Planungsgrundlage (Pre-Survey) für den Fächerecholot setzten wir ein kalibriertes Norbit- zeitaufwendigen Einsatz höher auflösender Mess- ECOMAP-Prototyp-Sonar ein sowie das CAU-eige- verfahren und für Probenahmen, welche für eine ne Norbit iWBMS mit integriertem Applanix Wave- erfolgreiche Klassifizierung nach wie vor notwen- master INS und Online-c-keel-Sonde von AML. dig ist. Die Möglichkeit, durch wiederholte Über- Häufig werden für die akustische Habitatkartie- flüge die zeitliche Entwicklung zu verfolgen, birgt rung Rückstreudaten von Seitensichtsonaren ana- großes Potenzial für die Kartierung und Überwa- chung der Geo-Biodiversität und der benthischen Lebensräume in solch flachen Gewässern (< 5 m). Ein Hauptaugenmerk lag darauf, das Seegras Zostera marina mit opto-akustischen Methoden besser zu erfassen. Seegraswiesen bilden in der Ostsee das hinsichtlich Ökosystemfunktionen wichtigste Habitat; deren Vorkommen wurde bisher mittels geschleppter Kamera kartiert und modelliert (Schubert et al. 2015). Ein Überflug am ersten Projekttag, am 1. September 2017 zeigte, dass Seegras aus Luftbildern und bis zu einer Tiefe von 5 m optisch erfassbar erscheint (Abb. 3) und von zeitgleich auftretenden Rotalgen anhand der RGB-Werte bzw. entsprechenden Indizes getrennt werden kann (Wallmeier 2019). Mögliche Interak- tion von LiDAR mit Vegetation wurde bereits als Problem in Bezug auf Kartierung des Gewässer- bodens erkannt (Niemeyer et al. 2015). Erste Ergeb- nisse zeigen, dass LiDAR vermutlich quantitative Ergebnisse liefern kann in Bezug auf Seegrasvor- kommen in der Ostsee, zumindest bis ca. 5 m (Wallmeier 2019). Neuere Aufnahmen inklusive Full-Wave-Form befinden sich in der Auswertung. Die optische Transparenz in unserem Referenz- arbeitsgebiet vor Heidkate war besser als erwartet. Folglich führten wir regelmäßig Drohnenüberflü- ge durch, um einen Einblick in die saisonale Ent- wicklung der Seegraswiesen zu erhalten (Gross et al. 2020). Eine Analyse der Überflüge mit dem Flug- zeug und der Drohne zeigte, dass optische Metho- den jenseits von 5 oder 6 m Wasser nicht verläss- lich arbeiten (Wallmeier 2019). Folglich ist für die Abb. 4: Setup zur Kartierung von Seegras. Das Verfahren wurde in der Arbeitsgruppe Marine Fernerkundung bis zu den maximalen Tiefenvor- Geophysik und Hydroakustik am Institut für Geowissenschaften der CAU entwickelt. kommen von Zostera marina – das in der westli- a: Survey-Boot mit MBES-Adaption. b: Ablaufdiagramm für das an der CAU implementierte chen Ostsee zwischen 7 und 9 m liegt (Schubert et MBES-Punktwolkenverfahren zur Detektion subaquatischer Vegetation mittels opto-akustischer al. 2015) – ein akustisches Monitoring erforderlich, Kopplung zur Klassifizierung. c: Drohnenaufnahme unseres ECOMAP-Referenzgebietes vor um die Bestände komplett abbilden zu können. Heidkate. d: Resultierende MBES-Punktwolkendarstellung mit Seegrasvorkommen und Steinen Um auch Seegrasvorkommen jenseits der 5-m- (Straßburger 2021) in der Geltinger Bucht. Projektion UTM 32N, WGS84, GCG 2016 Tiefenlinie verlässlich kartieren zu können, erarbei- HN 120 — 10/2021 17
Habitatkartierung lysiert. Unser Ziel war es jedoch, nicht nur Seegras die Generierung eines guten Trainingsdatensatzes. akustisch zu detektieren, sondern dessen Vorkom- Für dessen Aufbau integrierten wir optische Auf- men exakt zu vermessen, um mögliche Bestands- nahmen aus dem Flugzeug im Flachwasser in das veränderungen in wenigen Jahren mittels eines Training der akustischen Daten. Eine Validierung wiederholten Surveys erfassen zu können. Eine erfolgte durch die Forschungstaucher der CAU. Kartierung mit Genauigkeiten im Bereich von we- Anschließend trainierten wir das Datenmodell nigen Zentimetern bis Dezimetern ist jedoch nur mittels eines Random-Forest-Algorithmus und mittels RTK-GPS-Navigation, Beamforming und transferierten das fertige Model in optisch un- Bewegungskompensation möglich und damit für durchsichtiges Wasser auf akustische Daten. Die Seitensichtsonare nicht erreichbar. resultierende Modellgenauigkeit erreichte eine Aus der hydrographischen Vermessung per Trefferquote von über 96 % für die Klasseneintei- Echolot ist bekannt, dass Bodenfindungsalgorith- lung »Vegetation« gegen »Meeresboden«. Nach- men signifikant durch Vegetation gestört werden. dem diese MBES-Verarbeitung durchgeführt wur- Dies hat bis heute zur Folge, dass die Daten ma- de, liefert das Verfahren bereinigte Bathymetrie, nuell und zeitaufwendig editiert werden, um den die räumliche Abdeckung von Seegras und die Einfluss der Vegetation zu eliminieren. Für den Bewuchshöhe in bisher nicht erreichter Genauig- Fall von Zostera marina wurde dies im Arbeits- keit. Momentan untersuchen wir die Verlässlichkeit gebiet für Fächerecholotdaten bestätigt: Selbst des Verfahrens unter Hinzunahme von Steinen als Vorkommen von nur wenigen Sprossen Seegras mögliche Verwechslungskandidaten; Details des pro Quadratmeter führen bereits zu signifikanten Verfahrens können in Held und Schneider von akustischen Anomalien (Lübmann 2018). Auch in Deimling (2019) eingesehen werden. Sedimentecholotdaten erscheint Seegras als deut- liche Anomalie in der Wassersäule (Innomar). Die Vom Side-Scan-Sonar zum Anomalien der Rückstreustärke durch Seegras Multispectral-Snippet-Multibeam sind spezifisch. Zum einen streut Seegras signifi- Side-Scan-Sonar-Systeme sind für die geologische kant zurück zum Sender, zum anderen ist es akus- Kartierung des Meeresbodens in der Ostsee weit tisch transparent und erlaubt teilweise die Sicht verbreitet und werden von vielen nationalen Be- auf den darunter befindlichen Meeresboden und hörden aufgrund ihrer Benutzerfreundlichkeit, er- führt zu multiplen Rückstreumustern. In MBES- höhten Abdeckung und Zeiteffizienz bevorzugt Daten treten Fehldetektionen durchgängig über für die Kartierung von Habitaten eingesetzt. Die den gesamten Fächer hinweg auf und erschei- Ergebnisse aus ECOMAP legen dar, wie moderne nen darüber hinaus recht unabhängig von der Art Fächerecholotsysteme die klassischen Side-Scan- der Bodenerkennung (Phase, Amplitude) zu sein. Vermessungen ergänzen können, sowohl für die Aufgrund dieses spezifischen Verhaltens mit dem biotische als auch für die abiotische Kartierung Ziel, die Problematik in den Griff zu bekommen des Meeresbodens. Mit dem Aufkommen der so- bzw. Seegras klar von der Gewässersohle trennen genannten Snippet-Technologie, die in modernen zu können, entwickelten wir spezifische Daten- MBES implementiert ist, können side-scan-ähnli- Merkmale (Features) in einem Punktwolken-Ana- che Karten mit einer theoretischen Auflösung von lyseverfahren, welches seinen Ursprung in der bis zu 1 cm über die Spur hinweg erstellt werden, Astronomie hat und bereits bei der Auswertung während die Bathymetrie aufgezeichnet wird. Die von LiDAR zum Einsatz kommt. Die bereinigte, praktisch nutzbare Auflösung wird dabei weiterhin nicht gerasterte dreidimensionale Punktwolke (3D von der durch die Fahrtgeschwindigkeit kontrol- PCL) wurde als kartesische Koordinaten exportiert lierten Along-Track-Auflösung sowie der Wasser- (XYZ-ASCII UTM 32 Nord). Anschließend wurde für tiefe limitiert. Bis in Tiefen von etwa 20 m können jeden individuellen Punkt bzw. für jedes Sounding mit auf Schiffen installierten MBES allerdings Rück- eine zylindrische Nachbarschaft innerhalb eines streumosaike von ähnlich guter Anwendbarkeit 0,5-m-Suchradius ermittelt. Daraus ergibt sich eine wie bei geschleppten Side-Scan-Sonaren erzielt durchschnittliche Nachbarschaft von 88 Punkten. werden. Ein wichtiger Vorteil von MBES ist die eng Die Nachbarschaften der einzelnen Punkte wur- gekoppelte RTK-GPS-Navigation mit cm-Genau- den mit der sehr schnellen Open-Source-Biblio- igkeit, die Bewegungskompensation des Schiffes thek für maschinelles Lernen mlpack berechnet. und damit die exakte geografische Co-Regis- Der benachbarte Raumbezug jeder einzelnen trierung von Bathymetrie und Rückstreuung, die Echolotung wurde anschließend in Hinblick auf darüber hinaus eine Voraussetzung für die Iden- die Parameter Sphärizität, Linearität und Planari- tifizierung kleiner Verschiebungen der Habitat- tät und weiteren Ableitungen analysiert (Held und grenzen sogar auf saisonaler Ebene ist. Metho- Schneider von Deimling 2019). Durch die Berech- disch konzentrierten wir uns auf die Erstellung von nung der abgeleiteten Parameter erhöht sich die MBES-Multifrequenz-Rückstreuungsmosaiken, Datenmenge temporär um den Faktor neun. Winkelantwortkurven und Spektraldaten, kombi- Essenziell für den Erfolg maschineller Lernver- niert mit einer intensiven biologischen Probenah- fahren und das sogenannte überwachte Lernen ist me. Multispektralverfahren sind in der optischen 18 Hydrographische Nachrichten
Habitatkartierung Satellitenfernerkundung seit Dekaden im Einsatz. vey technisch möglich). EGNOS-Korrekturdaten Mittels speziell designter Indizes lassen sich damit wurden empfangen, um die Navigation auf 0,5 m vielfältige Erdbeobachtungen und Umweltana- Genauigkeit zu verbessern. Es wurde zudem an- lysen an Land durchführen. Dahingegen gibt es gestrebt, die Surveylinien exakt zu wiederholen. bisher nur sehr wenige Arbeiten, die sich mit dem Wir registrierten die Rückstreustärke mit Hypack Potenzial von multispektraler Meeresbodenkartie- 2016. Die Verarbeitung konzentrierte sich auf rung befassen, entsprechende akustische Indizes die Beseitigung der in den Daten vorhandenen wurden bisher noch gar nicht entwickelt. In ECO- Winkelabhängigkeiten durch Anwendung einer MAP konnten erste Arbeiten zu spezifischen Habi- winkelabhängigen Verstärkung (AVG) und den taten durchgeführt und – mit Unterstützung unse- Vergleich der relativen Rückstreuwerte zwischen rer KMU Norbit und Innomar – konnte einer der den Frequenzen. Die Korrektur der Winkelab- ersten multispektralen Datensätze generiert und hängigkeit muss sehr exakt erfolgen, da bereits analysiert werden (Feldens et al. 2018). Darüber hi- kleine, in den Einzelfrequenzmosaiken nicht naus sind bewegungskompensierte Daten für die sichtbare Artefakte in den Multifrequenzaufnah- Berechnung von Karten spektraler Parameter er- men deutlich erkennbar sind (Abb. 5). Aufgrund forderlich, die aus Rückstreu- und bathymetrischen der Frequenzabhängigkeit von akustischer Ab- Daten abgeleitet werden (Schönke et al. 2017) und sorption in Wasser muss eine Korrektur erfolgen. auch die Methodik der Texturanalyse unterstützen Hierfür berechneten wir die Absorptionskoef- (Feldens 2017). fizienten gemäß der vorherrschenden Tempe- Für die Multispektralaufnahmen in ECOMAP ratur und des Salzgehaltes. Die Intensitäten der kam das IOW-eigene Norbit iWBMSe-Fächer- Rückstreuung wurden normalisiert und linear echolot, das im Moonpool von FS Heincke und FS auf ein Graustufenmosaik mit einer Auflösung Elisabeth Mann Borgese montiert wurde, zusam- von 0,3 m dargestellt. Die endgültigen Mosaike men mit einem Applanix SurfMaster-Trägheitsna- wurden mit einem 3 × 3-Box-Mittelwertfilter ge- vigations- und Lagesystem zum Einsatz. Für die filtert. Multifrequenzmosaike wurden durch Ver- drei Vermessungen im Bereich Sylter Außenriff wendung von drei Monofrequenz-Graustufen- in der Nordsee und der Mecklenburger Bucht mosaiken als Eingangskanäle eines RGB-Bildes in der Ostsee wurden die Frequenzen 200, 400 mit Open-Source-GIS-Software erstellt (gdal). und 600 kHz verwendet und das Surveygebiet Die 200-kHz-Frequenz stellt den roten Kanal dar, dreifach überfahren (Anmerkung: Mittlerweile ist die 400-kHz-Frequenz den grünen Kanal und die eine Multispektralaufnahme mit nur einem Sur- 600-kHz-Frequenz den blauen Kanal. Abb. 5: Multispektral-Fächerecholot-Rückstreuung vor Sylt, die Muster resultieren von spärlich besiedelten Röhrenwurmfeldern in einer Feinsandumgebung (Norbit iWBMse-MBES). Man beachte die erhöhte Empfindlichkeit in niederfrequenten Mosaiken, während die Rückstreuungstrends in hochfrequenten Mosaiken ein teilweise inverses Verhalten zeigen (siehe Linienplot 200 kHz vs. 600 kHz bei HBP, high backscatter patch). Abbildung adaptiert nach Feldens et al. (2018) HN 120 — 10/2021 19
Habitatkartierung nahmen eine verbesserte flächige Kartierung möglich (Schneider von Deimling et al. 2013). Die Aufnahme von Multifrequenzmosaiken im praktischen Einsatz setzt eine simultane Auf- zeichnung aller Frequenzen (sodass keine Verlus- te in der Auflösung der Karten entstehen) sowie kalibrierte Messdaten voraus. Erste entsprechende Fächerecholotsysteme sind derzeit am Markt ver- fügbar (z. B. Norbit STX). Softwarelösungen für die Anfertigung von Multifrequenzmosaiken sind da- gegen in kommerziell verfügbare Softwarepakete integriert (z. B. FMGT, SonarWiz). Habitatkartierung im Zeitalter der künstlichen Intelligenz Eines der meistdiskutierten Themen im Bereich der submarinen Habitatkartierung ist die automa- tische Habitatklassifizierung und Objektdetektion. In den letzten Jahrzehnten wurden viele Ansätze in Betracht gezogen und verschiedene Klassifi- Abb. 6: Fächerecholot-Multispektralaufnahme der Rückstreustärke vor Hohe Düne, Rostock. zierungstechniken implementiert. Diese Ansätze Die Multispektralaufnahmen erlauben eine einfache Unterscheidung der wesentlichen funktionieren oft gut in begrenzten Testgebieten, Meeresbodenfazies. a: Von Seegras dominierte Bereiche (rötlich gefärbt, sensitiv gegen lassen sich jedoch in der Praxis oft nur schwierig tiefere Frequenz). b: Glaziale Ablagerungen mit Muschelbedeckung (gräulich, ähnliche anwenden, was hauptsächlich auf die Komplexi- Rückstreustärke in allen Frequenzen). c: Grobe Sande und Kiese (grünlich-bläulich, sensitiv tät der Meeresbodenhabitate sowie der hydro- für mittlere und hohe Frequenzen). Der dynamische Range der einzelnen Frequenzen liegt akustischen Kartierung zurückzuführen ist. Daher bei 20 dB. Akustische Daten wurden zur Verfügung gestellt von Inken Schulze vom IOW, war der Blick eines Experten auf die Daten und Videoaufnahmen von der Arbeitsgruppe Ökologie benthischer Organismen des IOW ihre Interpretation für die akustische Habitatklas- sifizierung bisher meist unerlässlich. Seit einigen Im Allgemeinen wurde festgestellt, dass nied- Jahren werden mit zunehmendem Erfolg automa- rigere Frequenzen eine bessere Empfindlichkeit tisierte Verfahren unter Zuhilfenahme künstlicher für Unterschiede in der Zusammensetzung fein- Intelligenz vorgestellt. Insbesondere überwachte sandiger und schluffiger Ablagerungen aufwei- maschinelle Lernverfahren ermöglichen es heute, sen (Feldens et al. 2018). Dies wurde durch die die Erfahrung des Experten in Datenmodelle zu zunehmende Volumenstreuung in diesen Sedi- integrieren und somit die menschliche Stärke von menten bei niedrigeren Frequenzen erklärt, was der Interpretation zu bewahren, aber dennoch au- die Unterschiede zwischen den Lebensräumen tomatisiert zu klassifizieren. Einige Bespiele hierzu (z. B. Veränderungen im Niveau der Bioturbation finden sich in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift bei ansonsten sedimentologisch homogenem (HN 119) und wurden von den verschiedenen Ar- Sediment) bei diesen niedrigen Frequenzen her- beitsgruppen in ECOMAP publiziert (Janowski et vorhebt (Abb. 5). Die Bedeutung der Bioturbation al. 2018; Held und Schneider von Deimling 2019; für die akustische Streuung sowohl im Volumen Feldens et al. 2021). Mit schnellen Computern und als auch an der Oberfläche wurde durch Laborex- Hochleistungsgrafikkarten wird die Analyse großer perimente bestätigt, die den Einfluss von Röhren- Datensätze möglich. Insbesondere bei der Durch- würmern, vergrabenen Muscheln und Muschel- forstung hochdimensionaler Datensätze ist ein fragmenten, aber auch von Bioturbationsspuren Mensch den Computern hoffnungslos unterlegen. in feinkörnigen Sedimenten bei Frequenzen über In ECOMAP konnten wir durch mehrere Studien 100 kHz zeigen (Schönke et al. 2019; noch unveröf- zeigen, dass sich Habitate wie Seegraswiesen, fentlichte Daten von Inken Schulze, IOW). Auch für Steinvorkommen, Gebiete mit unterschiedlichen abiotische Habitate bietet die Multispektralanaly- Korngrößen durch gute Datenmodelle klar tren- se Vorteile (Abb. 6). Als Beispiel sei hier angeführt, nen lassen. Unsere Daten deuten an, dass selbst dass – im Gegensatz zu den durch Volumenstreu- kleinskalige Änderungen wie Bewuchs von Faden- ung beeinflussten biologischen Parametern in algen ihren Abdruck in akustischen Daten hinter- feinkörnigen Sedimenten – ökologisch wertvolle lassen könnten. In ECOMAP implementierten wir Grobsande und Kiesgrunde deutlich besser in daher verschiedene Ansätze zur Auswertung von hochfrequenten Mosaiken erkennbar sind (noch Fächerecholotdaten unter Einbindung maschinel- unveröffentlichte Daten von Inken Schulze, IOW; ler Lernverfahren (random forests, k-means, neuro- Abb. 6). Ein weiteres mikrobiell geprägtes Habitat nale Netze) für verschiedene Habitate und Daten in der Ostsee stellen die anoxischen Becken dar. und untersuchten darüber hinaus, welche Daten- Auch hier ist mittels multispektraler MBES-Auf- merkmale möglicherweise für die gegebene geo- 20 Hydrographische Nachrichten
Habitatkartierung bioakustische Umgebung prädiktiv sein könnten. Ausblick Es ist seit Langem bekannt, dass die Bathymetrie Unsere Ergebnisse zeigen Fallbeispiele, um neu- selbst einer der wichtigsten Prädiktoren für ver- artige Verfahren zu demonstrieren. Wir stehen in schiedene Arten und Lebensräume ist. Auch dies direktem Kontakt mit den Behörden, um zu erör- war ein Grund dafür, im Rahmen von ECOMAP tern, welche Verfahren möglicherweise zur verbes- bevorzugt die Fächerecholottechnologie ein- serten Kartierung und Überwachung von marinen zusetzen, da sie die Möglichkeit bietet, genaue Lebensräumen angewendet werden könnten. Da- Bathymetrie zu erfassen und moderne Snippet- hingehend wurden Nachfolgeprojekte generiert, Side-Scans zu co-registrieren. Dadurch konnten in denen wir anstreben, die Verfahren zu optimie- wir neue Merkmale wie spektrale Ableitungen ren. der Bathymetrie und Eigenwertmerkmale gene- Untersuchungen mit dem Ziel einer verlässlichen rieren, welche die Morphologie und Punktwol- Fernerkundung von Seegraswiesen und Kelpwäl- kenverteilung charakterisieren. Insgesamt wurden dern werden von der CAU in dem Verbundprojekt mehr als 40 Parameter abgeleitet. Darüber hinaus sea4soCiety weiterentwickelt, welches im Rahmen konnte gezeigt werden, dass die Erstellung hoch- der Ausschreibung der Deutschen Allianz für Mee- dimensionaler Datensätze und die Einrichtung von resforschung (DAM, www.cdmare.de) »Blue Car- Datenwürfeln und anschließende Auswertung mit bon – Ansätze zur Steigerung der CO₂-Aufnahme Techniken des maschinellen Lernens erstaunliche und -Speicherung« für drei Jahre gefördert wird. Ergebnisse liefern und zu einer zuverlässigen und EOMAP führt seine Entwicklungen zu Cloud-ba- sensitiven Lebensraumkartierung führen können sierten Flachwasser-Kartierungsdiensten mit Satel- (Abb. 7). Die Bedeutung verschiedener Merkmale litendaten im Rahmen des 4S EU-H2020-Projektes wurde bewertet. Die beiden wichtigsten Prädik- zusammen mit Industriepartnern (Fugro, QPS) und toren waren hier die Rückstreuintensität, die acht hydrographischen Behörden weiter. Die entspre- nachfolgenden Prädiktoren waren jedoch allesamt chende Übertragung auf moderne drohnenge- bathymetrischer Natur (Janowski et al. 2018). Daher stützte Lösungen wurde kürzlich aus Mitteln des ist anzunehmen, dass die Bathymetrie bzw. Mor- Nationalen Masterplans Maritime Technologien phologie des Meeresbodens in ihren unterschied- (NMMT) des BMWi begonnen. Die Erfahrungen im lichen Ausprägungen von entscheidender Bedeu- Hinblick auf die KI-Verarbeitung akustischer Daten tung für die Entstehung spezifischer Lebensräume sind in das Projekt ATLAS eingeflossen, in dem am ist. Folglich erachten wir die Bedeutung hydrogra- IOW von 2019 bis 2021 große Gebiete der Küsten- phischer Messungen für die Habitatkartierung als gewässer Mecklenburg-Vorpommerns geologisch hoch. und biologisch kartiert wurden. Folgeprojekte be- Abb. 7: a: Von unten nach oben: digitale Rasterdaten der korrigierten Rückstreuung bei 150 kHz, 400 kHz, gefolgt von der Bathymetrie und ihren spektralen/räumlichen Ableitungen (adaptiert nach Janowski et al. 2018). b: Skizze, die komplexe akustische 3D-Echopunktwolken zeigt, die besonders in Seegraswiesen vorkommen (Held et al. 2019). c: Diagramm, welches die Bedeutung der Merkmale in einer Rangfolge zeigt, wobei die 400-kHz-Rückstreuung am wichtigsten ist, gefolgt von 150 kHz, unmittelbar gefolgt von mehreren spektralen Ableitungen der Bathymetrie und der Bathymetrie selbst (Y-Achse »bath«). Es ist zu beachten, dass es sich nicht um eine allgemeine Merkmalstabelle handelt, die für alle Lebensräume gilt, sondern um eine spezifische HN 120 — 10/2021 21
Habitatkartierung finden sich in Vorbereitung, unter anderem mit schen Multispektraldaten zu erhöhen und Verfah- Einbindung des Ocean Technology Campus Ros- ren unter Einbindung intelligenter Algorithmen zu tock. Weitere Forschung und Entwicklung wird optimieren für eine verbesserte Habitatkartierung notwendig sein, um die Nutzbarkeit von akusti- in naher Zukunft. // Literatur Feldens, Peter (2017): Sensitivity of texture parameters to Kuhwald, Katja; Jens Schneider von Deimling et al. (2021): How acoustic incidence angle in multibeam backscatter. can Sentinel-2 contribute to seagrass mapping in shallow, IEEE Geoscience and Remote Sensing Letters, turbid Baltic Sea waters? Remote Sensing in Ecology and DOI: 10.1109/LGRS.2017.2756258 Conservation (in Begutachtung) Feldens, Peter; Inken Schulze et al. (2018): Improved Lübmann, Julia-Felicitas (2019): Hydroakustische interpretation of marine sedimentary environments using Untersuchung der Seegraswiesen in der Kolberger Heide. multi-frequency multibeam backscatter data. Geosciences, Master-Thesis, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 135 S. DOI: 10.3390/geosciences8060214 Niemeyer, Joachim; Yujin Song et al. (2015): Untersuchungen Feldens, Peter; Patrick Westfeld et al. (2021): Automatic zum Einsatz der Laserbathymetrie in der Seevermessung. detection of boulders by neural networks. Projektbericht, Institut für Photogrammetrie und Hydrographische Nachrichten, DOI: 10.23784/HN119-01 GeoInformation, Leibniz-Universität Hannover, 96 S. Fritz, Christine; Katja Dörnhöfer et al. (2017): Mapping Schneider von Deimling, Jens; Wilhelm Weinrebe et al. (2013): submerged aquatic vegetation using RapidEye satellite A low frequency multibeam assessment: Spatial mapping data: the example of Lake Kummerow (Germany). Water, of shallow gas by enhanced penetration and angular DOI: 10.3390/w9070510 response anomaly. Marine and Petroleum Geology, Gross, Felix; Kilian Etter et al. (2020): Shallow water UAV based DOI: 10.1016/j.marpetgeo.2013.02.013 habitat monitoring of seagrass meadows in the Baltic Sea. Schneider von Deimling, Jens; Verner Ernstsen et al. (2020): EGU, Vienna online, DOI: 10.5194/egusphere-egu2020-7510 BONUS ECOMAP final scientific report. Auf Anfrage unter: Hartmann, Knut; Kim Knauer et al. (2019): Aus der Ferne www.bonusportal.org, 29 S. in die Tiefe – Kartierung der Schleswig-Holsteinischen Schönke, Mischa; Peter Feldens et al. (2017): Impact of Lanice Ostsee durch Satellitendatenanalysen. Hydrographische conchilega on seafloor microtopography off the island Nachrichten, DOI: 10.23784/HN113-09 of Sylt (German Bight, SE North Sea). Geo-Marine Letters, Heege, Thomas; Clivia Häse et al. (2003): Airborne multi- DOI: 10.1007/s00367-016-0491-1 spectral sensing in shallow and deep waters. Backscatter, Schubert, Philipp; Wolfgang Hukriede et al. (2015): Mapping 14, S. 17–19 and modeling eelgrass Zostera marina distribution in Held, Philipp; Jens Schneider von Deimling (2019): New the western Baltic Sea. Marine Ecology Progress Series, Feature Classes for Acoustic Habitat Mapping – A DOI: 10.3354/meps11133 Multibeam Echosounder Point Cloud Analysis for Mapping Straßburger, Chris (2021): Kartierung von Seegras mit dem Submerged Aquatic Vegetation (SAV). Geosciences, Fächerecholot in der Ostsee mithilfe von maschinellem DOI: 10.3390/geosciences9050235 Lernen. Bachelor-Thesis, Christian-Albrechts-Universität zu Janowski, Lukasz; Karolina Trzcinska et al. (2018): Nearshore Kiel, 85 S. benthic habitat mapping based on multi-frequency, Wallmeier, Carolin (2019). Airborne Bathymetric LiDAR and its multibeam echosounder data using a combined object- Response to the Seagrass Zostera Marina in the Kolberger based approach: A case study from the Rowy site in Heide (Western Baltic Sea). Bachelor-Thesis, Christian- the southern Baltic Sea. Remote Sensing, DOI: 10.3390/ Albrechts-Universität zu Kiel, 45 S. rs10121983 22 Hydrographische Nachrichten
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