Ehrenamt, freiwilliges und bürgerschaftliches Engagement in Hessen - Ergebnisse der Freiwilligensurveys 1999 2004 2009

 
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Ehrenamt, freiwilliges und bürgerschaftliches
                     Engagement in Hessen

        Ergebnisse der Freiwilligensurveys 1999 – 2004 – 2009

TNS Infratest                               Hochschule Darmstadt
Sabine Geiss                                Prof. Dr. Gisela Jakob
                                            Christine Englert

München, Darmstadt, September 2010

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INHALT                                                                       Seite

Zusammenfassung                                                                 5
(Gisela Jakob, Christine Englert, Sabine Geiss)

Einleitung                                                                     13
(Sabine Geiss, Christine Englert, Gisela Jakob)

Teil 1: Zugang der Hessinnen und Hessen zum freiwilligen Engagement            15
(Sabine Geiss)

1.     Informelle Unterstützungsleistungen, öffentliche Aktivitäten
       und freiwilliges Engagement im Trend                                    15
1.1    Informelle Unterstützungsleistungen in Hessen                           15
1.2    Öffentliche Aktivitäten von hessischen Bürgerinnen und Bürgern          19
1.3    Erfassung von freiwilligem Engagement im Freiwilligensurvey             22
1.4    Engagement in verschiedenen Engagementbereichen                         25

2.     Freiwilliges Engagement nach Geschlecht, Alter und Erwerbsstatus 29
2.1    Freiwilliges Engagement nach Geschlecht und Alter                       29
2.2    Freiwilliges Engagement bei jüngeren und älteren Frauen und Männern     34
2.3    Freiwillig Engagierte nach Erwerbsstatus                                37
2.4    Freiwilliges Engagement bei Migrantinnen und Migranten                  38

3.     Freiwilliges Engagement in den Bundesländern
       und in Regionen Hessens                                                 40

4.     Engagementbereitschaft in Hessen                                        42
4.1    „Interne“ und „externe“ Engagementbereitschaft                          42
4.2    Interesse an Engagement nach Geschlecht, Alter und Erwerbsstatus        45
4.3    Interesse an Engagement nach Siedlungstyp                               49

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Teil 2: Freiwilliges Engagement in Hessen –
       Motive, Strukturen und Unterstützungsbedarfe            51
(Sabine Geiss)

1.     Motive und Erwartungen an das Engagement                51
1.1    Motive für freiwilliges Engagement                      51
1.2    Selbstverständnis des Engagements                       53
1.3    Persönliche Erwartungen an das freiwillige Engagement   54

2.     Strukturen des freiwilligen Engagements                 56
2.1    Organisatorische Strukturen                             56
2.2    Zeitliche Strukturen der freiwilligen Tätigkeiten       57

3.     Unterstützung des freiwilligen Engagements in Hessen    59
3.1    Unterstützung durch die Arbeitgeber                     59
3.2    Wünsche der Engagierten an die Organisationen           61
3.3    Wünsche an den Staat / die Öffentlichkeit               64

Teil 3: Empfehlungen für die Engagementförderung in Hessen     67
(Gisela Jakob, Christine Englert)

Anhang: Anlage der Untersuchung und methodisches Vorgehen      81

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Der 3. Freiwilligensurvey für Hessen – Zusammenfassung
Gisela Jakob, Christine Englert, Sabine Geiss

Was ist der Freiwilligensurvey?
Repräsentative Befragung zum freiwilligen Engagement
Bereits zum dritten Mal ist der Freiwilligensurvey vom Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegeben und vom Meinungsfor-
schungsinstitut TNS Infratest Sozialforschung durchgeführt worden. Nach den ersten bei-
den Erhebungen in den Jahren 1999 und 2004 wurde 2009 der 3. Freiwilligensurvey ge-
startet, so dass Aussagen über die Entwicklung des Engagements über einen Zeitraum
von zehn Jahren hinweg getroffen werden können. Als personenbezogenes Informations-
system gibt die repräsentative Befragung Auskunft über das freiwillige und ehrenamtliche
Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Dies enthält auch Informationen, wie sich aus
der Sicht der Befragten die organisatorischen Rahmenbedingungen ihres Engagements
darstellen und wo sich die Engagierten Veränderungen wünschen.

Landesstudie Hessen
Parallel zu der bundesweiten Erhebung hat das Land Hessen die hier vorliegende Lan-
desstudie in Auftrag gegeben. Der 3. Freiwilligensurvey für Hessen gibt Auskunft über das
freiwillige Engagement der hessischen Bürgerinnen und Bürger und liefert vielfältige Infor-
mationen über das Wo und Wie dieses Engagements, über die Zugänge, Erwartungen
und Motive der Engagierten sowie auch darüber, wo die Engagierten Probleme, Hinder-
nisse und Förderbedarf sehen. Darüber hinaus wird auch das Engagementpotenzial so-
wohl bei den bereits Engagierten („internes“ Engagementpotenzial) als auch bei (noch)
nicht Aktiven („externes“ Potenzial) ermittelt. Ausgehend von den Ergebnissen werden
Handlungsempfehlungen entwickelt, um die Bedingungen für das freiwillige Engagement
zu verbessern.

Wie viele Bürgerinnen und Bürger engagieren sich freiwillig?
Informelle Unterstützungsleistungen
Erstmals werden in der Landesstudie auch die sog. informellen Unterstützungsleistungen
in Hessen betrachtet. Hier wird der Tatsache Rechnung getragen, dass auf der nicht-
organisationsgebundenen Ebene engagementähnliche Strukturen bestehen, die beachtet
werden sollten. Dazu zählen Unterstützungsleistungen von Freunden, Nachbarn oder
sonstigen Personen, die Menschen empfangen, sowie Hilfeleistungen für Freunde, Nach-

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barn u.a., die Menschen an andere Personen außerhalb des familiären Umfeldes geben.
In Hessen konnten 2009 88 % der Menschen im Notfall auf Hilfe außerhalb ihres
Haushalts zurückgreifen (1999: 91 %). Geringer ist die Zahl von Menschen, die selbst ge-
legentlich oder regelmäßig Verwandten, Freunden, Nachbarn oder sonstigen Menschen
halfen (2009: 64 %). Informelle Hilfeleistungen für andere Menschen haben zwischen
1999 und 2009 an Bedeutung verloren (1999: 75 %, 2009: 64 %). Erfreulich ist, dass sich
immerhin 50 % der Hessinnen und Hessen auf nachbarschaftliche Unterstützung im Alltag
verlassen können (mit steigender Tendenz in den letzten zehn Jahren). Im Gegenzug
halfen auch immer mehr Menschen in Hessen ihrem Nachbarn gelegentlich oder regelmä-
ßig (1999: 41 %, 2004: 43 %, 2009: 45 %).

Einbindung in öffentliche Aktivitäten
Der Freiwilligensurvey schafft den Zugang zum freiwilligen Engagement über ein mehr-
stufiges Verfahren. Zunächst werden die Interviewten gefragt, ob sie außerhalb ihres
persönlichen und beruflichen Umfeldes öffentlich aktiv sind. Demnach waren 2009 72 %
der Bevölkerung über 14 Jahren in Hessen in einem Verein, einer Gruppe oder Initiative
aktiv. 1999 waren es 71 %, 2004 73 %, so dass davon ausgegangen werden kann, dass
die Beteiligung der hessischen Bevölkerung in zivilgesellschaftlichen Organisationen über
die letzten 10 Jahre hinweg stabil geblieben ist.

Freiwilliges Engagement
Im Anschluss an die Erhebung der öffentlichen Aktivität fragt der Freiwilligensurvey
danach, ob man in diesem Bereich auch freiwillig engagiert sei. 2009 war dies in Hessen
bei 36 % der befragten Bürgerinnen und Bürger ab 14 Jahren der Fall, d.h. sie haben über
ein „Mitmachen“ hinaus konkrete Aufgaben in Vereinen, Verbänden, Einrichtungen und
Initiativen übernommen. Damit liegt Hessen im Bundesdurchschnitt, wo die Engagement-
quote ebenfalls 36 % beträgt und platziert sich gemeinsam mit Bundesländern wie Bayern
und Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Mittelfeld. Im Vergleich zum Jahr 2004 mit
einer Engagementquote von 39 % hat das freiwillige Engagement in Hessen in den
letzten fünf Jahren allerdings abgenommen. Die Ursachen für diese Entwicklung sind
komplex und nur eingeschränkt erklärbar. Im Zusammenhang mit einer gesunkenen En-
gagementquote im Bereich Sport und Bewegung sowie eines Rückgangs beim freiwilligen
Engagement von Frauen im Alter bis zu 45 Jahren ergeben sich allerdings Hinweise auf
mögliche Hintergründe für die leicht gesunkene Engagementquote in Hessen.

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Engagementpotenzial
Zunächst noch einige Informationen zum Engagementpotenzial, das in den letzten fünf
Jahren gestiegen ist. Über ein Drittel der bereits Engagierten ist daran interessiert,
zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Auch bei den nicht (mehr) Engagierten lässt sich
ein gestiegenes (externes) Engagementpotenzial feststellen. Äußerten 1999 noch ein
Viertel der Befragten Interesse an einer freiwilligen Tätigkeit (26 %), waren es 2004
bereits 30 % und 2009 36 %. Das Engagementinteresse ist besonders bei Frauen (und
dies mit steigender Tendenz) und jungen Leuten stark ausgeprägt.

Auffällig ist jedoch, dass der Großteil der Interessierten ein eher unverbindliches Interesse
äußerte („wenn sich etwas Interessantes findet“). Der Anteil der verbindlich zu einem
Engagement Bereiten lag im Zeitverlauf konstant bei etwa zehn Prozent der Befragten.
Das bedeutet zwar, dass sich über die letzten zehn Jahre vor allem das Meinungsklima
zum Thema Engagement stark verbessert hat, was ein positiver Befund für die
Zivilgesellschaft ist. Gleichwohl ist es sicherlich schwieriger, einen Zugang zu dieser eher
locker und wenig konkret interessierten Gruppe zu finden, bzw. ein für sie passendes
Engagementangebot zu gestalten.

In welchen Bereichen und Regionen findet freiwilliges Engagement statt?
Engagementbereiche
Der weitaus größte Teil der engagierten Bürger ist im Bereich „Sport und Bewegung“ tätig.
Gut ein Zehntel der hessischen Bevölkerung (11 %) ist in diesem Bereich engagiert.
Gleichzeitig musste dieses Feld aber auch die stärksten Verluste verzeichnen, von 14 %
zu 11 % in den letzten zehn Jahren. Dieser Rückgang ist vor allem dem ausbleibenden
Engagement von Frauen und dabei ausschließlich der Frauen im jungen und mittleren
Lebensalter geschuldet. In den letzten fünf Jahren ist das Engagement von Frauen im
Sport von 11 % (2004) auf nur noch 7 % (2009) zurück gegangen.

Allein das Feld „Kirche und Religion“ konnte als einer der größeren Engagementbereiche
an Bedeutung gewinnen (2004: 6,5 %, 2009: 7,5 %). Erneut rückläufig waren die Bereiche
„Kunst und Kultur“ sowie „Freizeit und Geselligkeit“. Im Bereich „Kindergarten und Schule“
ist das Engagement in den letzten fünf Jahren um 3 % zurückgegangen. Dieser deutliche
Rückgang ist ebenfalls dem Rückzug von Frauen im jungen und mittleren Alter geschuldet
und konnte auch durch den gestiegenen Männeranteil in diesem frauendominierten
Bereich nicht kompensiert werden. Über die Gründe für den deutlichen Rückgang des
Engagements im Bereich „Schule und Kindergarten“ lassen sich auf der Basis des
Freiwilligensurveys keine gesicherten Aussagen treffen.
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Engagement in Städten, im Umland und auf dem Land
Bezogen auf die drei siedlungsstrukturellen Typen Hessens (Kernstädte, verdichtetes
Umland und ländliche Gebiete) ging das Engagement auf dem Land besonders stark
zurück. Lag die Engagementquote in ländlichen Gebieten 2004 noch bei 45 %, belief sie
sich 2009 nur noch auf 37 %. Möglicherweise wirken sich hier der demografische Wandel
und die Zunahme der älteren und hochaltrigen Bevölkerung in ländlichen Regionen aus.
Weitestgehend stabil blieben die Kernstädte und die Gebiete des verdichteten Umlandes.

In welchem Maße engagieren sich verschiedene Bevölkerungsgruppen?
Frauen und Männer
Betrachtet man die Engagementbeteiligung in Hessen geschlechterbezogen, sind Männer
mit einer Engagementquote von 41 % deutlich stärker engagiert als Frauen mit einer
Quote von 32 %. Im Jahr 2004 konnten die Frauen zwar aufholen (von 31 % auf 37 %)
und die Geschlechter hatten sich angenähert. 2009 zeigt sich allerdings, dass sie dieses
Wachstum nicht aufrechterhalten konnten und ihr Engagement wiederum auf 32 %
zurückging. Die Einbußen gehen dabei ausschließlich auf Frauen unter 46 Jahren zurück.
Wenn man weitere Informationen aus den Daten des Freiwilligensurveys hinzunimmt, so
ergibt sich ein komplexes Bündel von Faktoren, um diese Auf- und Ab-Bewegung im
Engagement von Frauen im jungen und mittleren Lebensalter zu erklären. Veränderungen
in der beruflichen und familiären Lebenssituation sowie berufsbedingte Mobilitäten wirken
sich auch auf das freiwillige Engagement aus. Hinzu kommt, dass in dieser Altersgruppe
zeitlich befristete Engagementaktivitäten in Kindergarten und Schule eine große Rolle
spielen. Und nicht zuletzt sind nach wie vor besonders die Frauen in dieser Altersgruppe
damit konfrontiert, die Anforderungen aus Familie, Beruf und Engagement miteinander zu
vereinbaren. Dabei ist dann das Engagement oft der Bereich, der (notgedrungen)
eingeschränkt wird. Dies heißt nicht, dass junge Frauen freiwilliges Engagement
ablehnen, sie sind im Gegenteil mit am stärksten an der Übernahme einer Aufgabe
interessiert. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen des Engagements an die
speziellen Bedürfnisse der Frauen angepasst sein.

Auch das männliche Engagement weist bei genauerer Betrachtung Unregelmäßigkeiten
auf. Zwar übten 2009 überdurchschnittlich viele Männer – ebenso wie 2004 – eine
freiwillige Tätigkeit aus (41 %). Allerdings zeigt sich mit Blick auf die Altersgruppen, dass
zwar wieder mehr Männer von 14-45 Jahren engagiert sind, sie aber ab 46 Jahren
weniger stark beteiligt sind als 2004 (von 44 % auf 35 %).

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Junge Leute
Die 14- bis 24-Jährigen verbleiben 2009 mit 34 % weitestgehend auf ihrem Niveau von
2004 (33 %) und konnten demnach den starken Rückgang von ehemals 40 % engagierter
junger Menschen im Jahr 1999 nicht ausgleichen. 25- bis 34-Jährige, die 2004 mit 11
Prozentpunkten (PP) Zuwachs (1999: 28 %, 2004: 39 %) noch zu den großen Gewinnern
zählten, haben einen Rückgang von 3 PP auf 36 % verzeichnen. Als bedenkliche
Entwicklung lässt sich beobachten, dass in Hessen wie auch im Bundesgebiet insgesamt
das freiwillige Engagement junger Leute zunehmend von schichtspezifischen Merkmalen
bestimmt wird. Je höher die Schulbildung, desto stärker ausgeprägt ist das Engagement.

Mittlere Altersgruppen und Ältere
In den drei mittleren Altersgruppen, die traditionell zu den am stärksten engagierten
Gruppen gehören, ging das Engagement 2004 zurück und stagniert 2009. In der Gruppe
der 35- bis 44-Jährigen verbleibt die Quote bei 42 % und liegt gleichauf mit der auf
Bundesebene, die 45- bis 54-Jährigen sind weiterhin zu 45 % engagiert und weisen damit
sogar eine höhere Engagementbeteiligung auf als im Bundesschnitt (2009: 41 %). Erneut
rückläufig war das Engagement der 55- bis 65-Jährigen (1999: 42 %; 2004: 40 %; 2009:
38 %).

Beim Engagement älterer Bürgerinnen und Bürger lässt sich bundesweit und auch in
Hessen eine interessante Tendenz beobachten, nach der sich die Altersgrenze, bis zu der
sich Menschen engagieren, in die älteren Jahrgänge (jenseits von 70 Jahren) verschiebt.
Erst in der Gruppe der über 75-Jährigen geht die Engagementquote deutlich zurück, was
vor allem mit gesundheitlichen und mobilitätsbezogenen Einschränkungen zusammen-
hängen dürfte.

Warum engagieren sich Bürgerinnen und Bürger freiwillig?
Motive und Erwartungen
Bei den Motiven für ein Engagement spielen gemeinwohlbezogene Haltungen eine eben-
so große Rolle wie selbstbezogene Faktoren. Eine Mehrheit der Befragten (58 %)
verbindet mit ihrem Engagement die Erwartung, damit die Gesellschaft mitgestalten zu
können. Fast genau so wichtig (56 %) ist den Befragten aber auch, mit dem Engagement
Kontakte zu anderen Menschen zu bekommen und gemeinsam etwas mit anderen zu tun.
Dabei steht für ältere Menschen stärker die gesellschaftliche Mitgestaltung im Vorder-
grund, bei jüngeren Engagierten steht hingegen der persönliche Kontakt an erster Stelle.

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Im Jahr 2009 wurden erstmalig interessenbezogene Motive abgefragt. Solche Faktoren
scheinen aber nur geringe Auswirkungen auf die Motivation der Engagierten zu haben.
Gerade mal 10 % stimmten der Aussage zu, durch ihre Tätigkeit auch beruflich voran-
kommen zu wollen und 13 % erhofften sich dadurch Ansehen und Einfluss. Ein Viertel der
Befragten – vor allem junge Leute – wollen auf diese Weise auch wichtige Qualifikationen
erwerben. Insbesondere für Engagierte ab 46 Jahren ist es wichtig, beim Engagement
auch mit Angehörigen anderer Generationen in Kontakt zu kommen. Für jüngere Befragte
spielt dies allerdings keine große Rolle.

In welchen Organisationsformen und zeitlichen Strukturen spielt sich
freiwilliges Engagement ab?
Organisationen des Engagements
Bei den Organisationsformen zeichnen sich Verschiebungen ab, die auf Veränderungen
in der Engagementlandschaft hindeuten. Eine ausgeprägte Stabilität gibt es bei Vereinen
und kirchlichen Vereinigungen. Der Verein stellt mit 46 % auch 2009 die häufigste Orga-
nisationsform des freiwilligen Engagements dar. 15 % sind in kirchlichen und religiösen
Vereinigungen tätig.

Deutliche Verschiebungen hat es allerdings bei den anderen Organisationsformen
gegeben: Die freiwillige Tätigkeit im Kontext von Verbänden, Parteien und Gewerk-
schaften ist von 16 % (2004) auf 12 % (2009) zurück gegangen. Auch das Engagement in
Gruppen und Initiativen geht seit 1999 kontinuierlich zurück (von 14 % auf 9 %).
„Gewinner“ dieser Verschiebungen sind staatliche und kommunale Einrichtungen wie
Schulen, Kindertageseinrichtungen etc. sowie private Träger wie (Bürger-) Stiftungen
u. a.: So ist der Anteil der Engagierten in staatlichen Einrichtungen in den letzten zehn
Jahren von 6 % auf 12 % im Jahr 2009 gestiegen. In den privaten Einrichtungen sind 6 %
der Engagierten aktiv und hier hat es vor allem in den letzten fünf Jahren eine Steigerung
gegeben.

Zeitliche Strukturen des Engagements
Auch bei den zeitlichen Strukturen zeichnet sich eine Veränderung ab. Über die letzten
zehn Jahre hinweg zeigt sich, dass regelmäßig ausgeführte Tätigkeiten zurück gingen.
Waren 1999 noch 70 % der Tätigkeiten mit regelmäßigen terminlichen Verpflichtungen
verbunden, so ging dieser Anteil bis 2009 um mehr als 10 PP auf 58 % zurück. Auch die
Häufigkeit, in der die Tätigkeiten ausgeführt werden, nimmt ab. Immer weniger Tätigkeiten
werden täglich oder mehrmals in der Woche ausgeübt.

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Wie hat sich die Unterstützung des Engagements seit 1999 entwickelt?
Unterstützung durch Arbeitgeber
Arbeitgeber können die erwerbstätigen Engagierten durch verschiedene Instrumente un-
terstützen: eine flexible Arbeitszeitgestaltung, eine zeitweise Freistellung für das Engage-
ment, eine Nutzung der Infrastruktur am Arbeitsplatz sowie eine betriebsinterne
Anerkennungskultur. Im zeitlichen Verlauf zeichnet sich hier eine erfreuliche Tendenz ab.
Mehr als ein Viertel der befragten Arbeitnehmer bekommt am Arbeitsplatz Unterstützung
für sein Engagement, und diese Unterstützung hat seit 2004 zugenommen. Dabei sind vor
allem Möglichkeiten für eine flexible Arbeitszeitgestaltung wichtig, die von 83 % der Be-
fragten genutzt werden, sowie die Nutzung der betrieblichen Infrastruktur, die von 73 %
der Befragten in Anspruch genommen wird.

Unterstützung durch Organisationen
Auch die Organisationen können ihre Engagierten unterstützen. Hatten die Befragten im
Jahr 2004 eine geringere Problemwahrnehmung, erklärten sie in 2009 wiederum einen
erhöhten Verbesserungsbedarf. Nach wie vor wünschen sich die Engagierten vor allem
mehr finanzielle Unterstützung, um Projekte umsetzen zu können (64 %). Während sich
die Unterstützung durch die Bereitstellung von Infrastrukturen der Organisation (Räum-
lichkeiten, Sachmittel etc.) in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, gibt es einen
hohen und in den letzten Jahren sogar gestiegenen Bedarf nach fachlicher Unter-stützung
und besseren Weiterbildungsmöglichkeiten. Zwar hat es in den letzten Jahren in einigen
Organisationen und forciert durch Programme des Bundeslandes neue Initiativen zur
Verbesserung der Qualifizierung der Engagierten gegeben. Offensichtlich reicht dies aber
nicht aus, dem ausgeprägten Qualifizierungsbedarf ausreichend nachzukommen, bzw.
wurde dieser durch die bereitgestellten Angebote möglicherweise erst geweckt.

Unterstützung durch Staat
Auch bei den Wünschen nach einer Unterstützung des Engagements durch den Staat
zeichnet sich 2009 im Vergleich zu 2004 wieder eine stärkere Problemwahrnehmung der
befragten Bürgerinnen und Bürger ab. Besonders der Wunsch nach mehr Informationen
über Engagementmöglichkeiten ist in Hessen stark ausgeprägt.

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Vorschläge zur Förderung des freiwilligen Engagements in Hessen
Aus den Erkenntnissen und Trends, die anhand des Freiwilligensurveys für Hessen ermit-
telt wurden, ergeben sich Handlungsbedarfe für die Landespolitik, Kommunen, zivilge-
sellschaftliche Organisationen und Unternehmen. Um das freiwillige Engagement zu stär-
ken und auszubauen, sind Initiativen in folgenden Bereichen empfehlenswert:

¾    Förderung des freiwilligen Engagements von Frauen im jungen und
     mittleren Lebensalter
     durch geeignete Angebote, die sich mit den vielfältigen Anforderungen privater,
     beruflicher und familiärer Art vereinbaren lassen.

¾    Gewinnung von mehr (jungen) Menschen mit mittlerem und niedrigem
     Bildungsabschluss bzw. Bildungsaspiration
     durch zivilgesellschaftliche Kooperationen mit Schulen und anderen Bildungs-
     einrichtungen.

¾    Verbesserung der Engagementförderung in ländlichen Gebieten
     durch besondere Angebote und neue Engagementstrukturen, die den spezifischen
     Anforderungen infolge des demografischen Wandels und der Abwanderung junger
     Bevölkerungsgruppen gerecht werden.

¾    Stärkere fachliche Unterstützung der Freiwilligen
     durch die Hauptamtlichen in den Organisationen und vermehrte Weiterbildungs-
     angebote.

¾    Passgenaue Angebote, die den Zeitressourcen der Engagierten gerecht
     werden
     durch projektbezogenes Engagement und niedrigschwellige Zugänge.

¾    Mehr Informationen über die Möglichkeiten zu freiwilligem Engagement
     um interessierte Menschen für freiwilliges Engagement zu gewinnen. Dies kann
     durch lokale Anlaufstellen zur Engagementförderung wie z.B. Freiwilligenagenturen
     sowie durch eine stärkere Nutzung des Internets erfolgen.

¾    Bessere Anerkennungskultur
     sowohl in den Organisationen als auch durch öffentliche Maßnahmen.

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Einleitung
Sabine Geiss, Christine Englert, Gisela Jakob

Das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest Sozialforschung erhielt 2009 zum drit-
ten Mal nach 1999 und 2004 den Zuschlag für die Durchführung des Freiwilligen-
surveys, einer repräsentativen Befragung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürger-
schaftlichem Engagement in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurden von Ende April bis Ende Juli
2009 ca. 18.000 telefonische Interviews mit deutschsprachigen Personen ab 14 Jah-
ren in der Bundesrepublik durchgeführt.

       „Steckbrief“:
       „Steckbrief“: Freiwilligensurvey
                     Freiwilligensurvey1999,
                                        1999, 2004,
                                              2004,2009
                                                    2009
        (Ehrenamt,
         (Ehrenamt,Freiwilligenarbeit,
                   Freiwilligenarbeit,Bürgerschaftliches
                                       BürgerschaftlichesEngagement)
                                                         Engagement)

           Auftraggeber:     BMFSFJ

           Erhebungszeit:    April-August 1999 / 2004 / 2009
           Methode:          Telefonische Befragung (CATI)
           Befragte:         1999 und 2004 je ca. 15.000, 2009 ca. 20.000
                             deutschsprachige Personen ab 14 Jahren, Zufallsauswahl
                             Hessen 1999: 901 Personen
                             Hessen 2004: 895 Personen
                             Hessen 2009: 1.073 Personen
           Ziele:            Umfragegestützte Dauerberichterstattung
                             durch repräsentative Erfassung des
                             freiwilligen Engagements in Deutschland

                            Quelle: Freiwilligensurvey Hessen 1999, 2004 und 2009   Sozialforschung

Der Freiwilligensurvey ist eine deutschlandweite repräsentative telefonische Befra-
gung, in der 1999 und 2004 jeweils 15.000 zufällig ausgewählte deutschsprachige
Personen ab 14 Jahren befragt wurden. 2009 konnte die Zahl der Befragten erstmals
auf 20.000 erhöht werden. 2.000 dieser Interviews konnten durch das Engagement
der Bertelsmann Stiftung sowie des Generali Zukunftfonds realisiert werden (1.000
davon bei 14- bis 24-Jährigen). Die hohe Anzahl von Befragten sowie die regelmäßige

                                                                                                      13
Durchführung nach einem einheitlichen Konzept und hohen Qualitätsstandards si-
chern eine gute Verlässlichkeit der Daten. Darüber hinaus ermöglicht eine Wieder-
holungsbefragung im Abstand von fünf Jahren einen Vergleich darüber, wie sich das
freiwillige Engagement in den letzten zehn Jahren entwickelt hat.

Einige Bundesländer, darunter auch Hessen, haben von der Möglichkeit der Länder-
auswertungen Gebrauch gemacht. Im Rahmen des Freiwilligensurveys wurden in
Hessen 1999 und 2004 jeweils ca. 900 Personen interviewt, im Jahr 2009 waren es
gut 1.000 Befragte.

Die Staatskanzlei des Landes Hessen hat TNS Infratest Sozialforschung mit der lan-
desspezifischen Auswertung des Freiwilligensurveys beauftragt. Die Hochschule
Darmstadt erhielt den Auftrag, auf der Basis der ausgewerteten Daten und in Koope-
ration mit der LandesEhrenamtsagentur die hessische Landesstudie zu erstellen. Die
nachfolgende Auswertung knüpft an die erste landesspezifische Auswertung für
Hessen an, die im Jahr 2005 von TNS Infratest Sozialforschung durchgeführt wurde.
Dies eröffnet den Blick darauf, wie sich das Engagement in Hessen in den letzten fünf
Jahren entwickelt hat.

Auf der Grundlage der Auswertungsergebnisse wurden Handlungsempfehlungen und
Hinweise erarbeitet, die darauf zielen, die Rahmenbedingungen für freiwilliges Enga-
gement zu verbessern und eine engagementförderliche Umgebung zu schaffen.
Dabei wurden Vorschläge integriert, die in einem Workshop gemeinsam mit
ausgewählten Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bereich der Engagementförde-
rung und gemeinnützigen Organisationen erarbeitet wurden.

Im Kontext des 3. Freiwilligensurveys erfolgt erstmals eine Untersuchung des freiwilli-
gen Engagements in zwei kommunalen Einheiten. Die Stadt Augsburg und der
Landkreis Offenbach gaben eine Stichprobe mit je 1.000 Befragten in Auftrag, die
zeitlich parallel zur Hauptstudie realisiert wurde. Die Ergebnisse der Befragung im
Landkreis Offenbach werden separat ausgewertet und in einem eigenen Bericht
aufbereitet. Dafür wird die Hochschule Darmstadt unter der Projektleitung von Prof.
Dr. Gisela Jakob zusätzliche Informationen zu den sozialstrukturellen Gegebenheiten
im Landkreis und zur Engagementförderung der Kommune einbeziehen.

14
Teil 1: Zugang der Hessinnen und Hessen zum freiwilligen
Engagement
Sabine Geiss

1.   Informelle    Unterstützungsleistungen,        öffentliche   Aktivitäten    und
     freiwilliges Engagement im Trend

Der Freiwilligensurvey ist eine personenbezogene Befragung, mit der erfasst wird, wie
sich zivilgesellschaftliche Aktivitäten und freiwilliges Engagement aus der Sicht der
Bürgerinnen und Bürger in Deutschland darstellen. Zivilgesellschaftliches Handeln
beginnt aber bereits damit, dass man sich jenseits seiner privaten Belange für andere
Menschen und öffentliche Dinge interessiert. Es zeichnet sich ferner durch ein aktives
Handeln der Menschen aus, die Gesellschaft in Richtung einer mitbürgerlichen
Gesellschaft weiterzuentwickeln.

1.1 Informelle Unterstützungsleistungen in Hessen

Neben öffentlichen Aktivitäten und freiwilligem Engagement in Organisationen, Verei-
nen, Gruppen oder Initiativen, zählen auch informelle Unterstützungsleistungen zum
zivilgesellschaftlichen Handeln. Dazu gehört, ob man sich bei Besorgungen, kleineren
Arbeiten oder Kinder- bzw. Krankenbetreuung ohne Probleme an Personen außerhalb
des Haushalts (z.B. Freunde, Bekannte, Verwandte, Nachbarn oder andere Men-
schen) wenden kann bzw. gelegentlich oder regelmäßig selbst für andere da ist.

Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Hessen und Deutschland kann, wenn
nötig, auf Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn oder sonstige Personen zu-
rückgreifen (bundesweit 87 %, in Hessen 88 %). Am häufigsten konnten die
Menschen 2009 in Hessen auf ihre Verwandten zählen, wenn sie Hilfe brauchen
(76 %). Freunde oder Bekannte waren in zwei von drei Fällen verfügbar (67 %).
Immerhin die Hälfte der Menschen in Hessen kann auf ihre Nachbarn zählen, wenn
sie mal Hilfe bei Besorgungen, kleineren Arbeiten oder Kinder- bzw. Kranken-
betreuung benötigen (50 %).

                                                                                   15
Grafik
         Grafik11
        Erhalt
         Erhaltinformeller
                informellerUnterstützungsleistungen
                            Unterstützungsleistungen(1999-2009)
                                                     (1999-2009)
        Bevölkerung
         Bevölkerungim
                     imAlter
                        Alterab
                              ab14
                                 14Jahren
                                    Jahren(Angaben
                                           (AngabenininProzent):
                                                        Prozent):Mehrfachnennungen
                                                                  Mehrfachnennungen

        Hilfe von Personen außerhalb
        des HH möglich
                                                                                                 91
              Hessen                                                                           87
                                                                                               88
                                                                                                89
              Bund                                                                             88
                                                                                               87

        Von Bekannten bzw. Freunden
                                                                               62
              Hessen                                                             66
                                                                                  67
                                                                                64
              Bund                                                               66
                                                                                   69

        Von Verwandten
                                                                               62
              Hessen                                                           63
                                                                                        76
                                                                             56
              Bund                                                             60
                                                                                       72

        Von Nachbarn
                                                                37
              Hessen                                              41
                                                                        50
                                                                 39
              Bund                                                41
                                                                       48

        Von anderen Personen
                                                                                            1999
                                                4                                           2004
              Hessen                            5
                                                     15
                                                                                            2009
                                                4
              Bund                              4
                                                    13

                                                                                    Sozialforschung

Das nachbarschaftliche Klima hat sich in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert,
und zwar sowohl in den Kernstädten Hessens, als auch im großstädtischen Umland
und im ländlichen Raum. Gleichwohl und kaum verwunderlich wird die Hilfsbereit-
schaft auf dem Land positiver beurteilt als in den Großstädten (2009: 54 % auf dem
Land, 43 % in Großstädten).

16
Grafik
         Grafik22
        Erhalt
         Erhaltinformeller
                informellerUnterstützungsleistungen
                            Unterstützungsleistungen(1999-2009)
                                                     (1999-2009)
        Bevölkerung
         Bevölkerungim
                     imAlter
                        Alterab
                              ab14
                                 14Jahren
                                    Jahren(Angaben
                                           (AngabenininProzent):
                                                        Prozent):Mehrfachnennungen
                                                                  Mehrfachnennungen

        Hilfe für Personen
        außerhalb des HH
                                                                                       75
              Hessen                                                           67
                                                                              64
                                                                                       74
              Bund                                                              68
                                                                              64

        Für Bekannte bzw. Freunde
                                                                            60
              Hessen                                                         61
                                                                            60
                                                                             61
              Bund                                                          60
                                                                              63

        Für Verwandte
                                                                              63
              Hessen                                                           66
                                                                                    71
                                                                            59
              Bund                                                           61
                                                                                  67

        Für Nachbarn
                                                                   41
              Hessen                                                43
                                                                    44
                                                                   41
              Bund                                                 41
                                                                    44

        Für andere Personen
                                                                                            1999

                                               2                                            2004
              Hessen
                                                       12
                                                                                            2009
              Bund                             2
                                                   9

                                                                                  Sozialforschung

Informelle Unterstützungsleistungen können darüber hinaus auch von anderen Perso-
nen erbracht werden. Diese externe Unterstützung außerhalb des nachbarschaftli-
chen und persönlichen Nahkreises ist seit 2004 deutlich wichtiger geworden, in Hes-
sen (von 4 % auf 15 %) wie auch auf Bundesebene (von 4 % auf 13 %).

Viele Menschen können nicht nur auf andere Menschen zählen, wenn sie im Alltag
Hilfe benötigen, sondern leisten auch selbst gelegentlich oder regelmäßig informelle
Hilfestellungen. 1999 erbrachten 75 % der Hessinnen und Hessen Hilfen für Nachbarn

                                                                                                    17
und andere Personen in ihrem Umfeld. Zehn Jahre später, 2009 betrug diese Quote
nur noch 64 %. Die abnehmenden realen Hilfstätigkeiten zeichnen sich in sämtlichen
Altersgruppen sowie auch in der Großstadt, im großstädtischen Umland und auf dem
Land ab. Diese Entwicklung sagt jedoch nichts über die Bereitschaft in der
Bevölkerung aus, helfen zu wollen. Die Tatsache, dass die Menschen in Hessen in
konstant hohem Umfang Zugang zu Unterstützungsleistungen haben, zeigt das
insgesamt gute zivilgesellschaftliche Klima in Hessen.

Sofern Menschen in Hessen gelegentlich oder regelmäßig anderen Menschen helfen,
kommt dies in 71 % der Fälle den Verwandten zugute, 60 % unterstützen ihre Freun-
de und Bekannte. In 44 % der Fälle können die Nachbarn auf Hilfe zählen. Interessant
ist die seit 2004 deutlich gestiegene Bedeutung der „anderen Personen“, die einer-
seits Hilfe leisten und denen die Befragten andererseits selbst helfen. Sowohl auf
Bundesebene als auch in Hessen reicht diese Form der informellen Unter-
stützungsleistung weit über den persönlichen und privaten Nahkreis hinaus und
könnte eine wichtige Grundlage zur weiteren Entwicklung der Zivilgesellschaft
darstellen.

18
1.2 Öffentliche Aktivitäten von hessischen Bürgerinnen und Bürgern

Für den Freiwilligensurvey wurde ein mehrstufiges Verfahren zur Messung von
freiwilligem Engagement entwickelt. In einem ersten Schritt gaben die Befragten an,
ob sie in einem der vierzehn thematischen Bereiche öffentlich aktiv waren. Die Quote
der öffentlichen Beteiligung wird im Freiwilligensurvey als „Reichweite der
Zivilgesellschaft“ bezeichnet. Öffentliche Aktivitäten werden öffentlich mit Anderen, in
einer organisatorischen Einbindung und regelmäßig ausgeübt und verlangen den
Menschen mehr ab, als nachbarschaftliche Hilfen oder Freundschaftsdienste.

              Erfassung von öffentlicher Aktivität im Freiwilligensurvey

               Fragetext
               Es gibt vielfältige Möglichkeiten, außerhalb von Beruf und
               Familie irgendwo mitzumachen, beispielsweise
               in einem Verein, einer Initiative, einem Projekt oder einer
               Selbsthilfegruppe.

               Ich nenne Ihnen verschiedene Bereiche, die dafür in Frage
               kommen. Bitte sagen Sie mir, ob Sie sich in
               einem oder mehreren dieser Bereiche aktiv beteiligen.

                              Quelle: Freiwilligensurvey Hessen 1999, 2004 und 2009   Sozialforschung

                                                                                                        19
Grafik
        Grafik33
        Öffentliche
         Öffentliche Aktivität
                     Aktivität in
                                in Vereinen,
                                   Vereinen, Gruppen,
                                             Gruppen, Organisationen
                                                      Organisationen
        (in
         (inmindestens
            mindestenseinem
                        einem Bereich)
                                Bereich)
        Bevölkerung
         Bevölkerungab
                     ab14
                        14Jahren
                           Jahren(Angaben
                                  (Angabeninin%)
                                              %)

                      FWS 1999 – Hessen                                      FWS 2009 – Hessen

         Nicht                                                 Nicht
         Beteiligte                                            Beteiligte

                      29%                                                      28%
                                      71%                                                   72%

                                              Öffentlich                                          Öffentlich
                                              Aktive                                              Aktive

                                    Quelle: Freiwilligensurvey Hessen 1999, 2004 und 2009   Sozialforschung

In Hessen waren im Jahr 2009 72 % der über Bevölkerung öffentlich aktiv (1999:
71 %, 2004: 73 %). D.h. eine seit 1999 konstant hohe Anzahl an Hessinnen und
Hessen machten in einem Verein, einer Einrichtung oder in einer Organisation mit. In
Hessen haben damit in etwa gleich viele Menschen wie im Bundesdurchschnitt die
Schwelle vom rein Privaten in Richtung Öffentlichkeit überschritten. Besonders aktiv
sind junge Leute und Familien. Ältere Menschen nehmen aber eine zunehmend aktive
Rolle in der Gesellschaft ein.

Zu allen drei Befragungszeitpunkten am häufigsten öffentlich aktiv waren die
Befragten im Bereich „Sport und Bewegung“ (42,5 %). Zu den bedeutendsten Ak-
tivitätsbereichen gehören ferner „Freizeit und Geselligkeit“ (21 %), „Kunst und Kultur“
(18 %), der „soziale Bereich“ (13,5 %) sowie „Schule und Kindergarten“ und „Kirche
und Religion“ (je 12,5 %).

Nach der Darstellung der öffentlichen Aktivitäten und deren Ausprägung in den ver-
schiedenen Bereichen, soll im folgenden Punkt das freiwillige Engagement im Mittel-
punkt stehen.

20
Grafik
 Grafik44
Öffentliche
ÖffentlicheAktivität
            Aktivität in
                       inHessen
                         Hessenin
                                in14
                                   14Bereichen
                                     Bereichen(1999-2009)
                                               (1999-2009)
Bevölkerung
 Bevölkerungim
             imAlter
                Alterab
                      ab14
                         14Jahren
                            Jahren(Angaben
                                   (AngabenininProzent):
                                                Prozent):Mehrfachnennungen
                                                          Mehrfachnennungen

                                                                                                 39,5
                 Sport und Bewegung                                                                  42,5
                                                                                                     42,5

                                                                                    27,0
             Freizeit und Geselligkeit                                             26,5
                                                                           21,0

                                                                            21,0
                  Kultur, Kunst, Musik                                   19,5
                                                                       18,0

                                                               14,0
                     Sozialer Bereich                           14,5
                                                              13,5

                                                           11,5
   Berufliche Interessenvertretung                        11,0
                                                        9,5

                                                          10,5
             Kindergarten und Schule                          13,0
                                                             12,5

                                                          10,5
                  Religion und Kirche                      11,0
                                                             12,5
                                                                                                1999
                                                           10,5
            Natur- und Umweltschutz                      9,5                                    2004
                                                        9,0
                                                                                                2009
                                                     8,5
   Politische Interessenvertretung                   8,5
                                                    7,5

                   Jugendarbeit und                 7,0
                                                      8,5
                Erwachsenenbildung                   8,0

                                                   7,0
       Lokales Bürgerengagement                    7,0
                                                     8,5

            Freiwillige Feuerwehr und             6,0
                                                     8,0
                       Rettungsdienste                8,5

                                                  5,5
                          Gesundheit            4,5
                                                 5,0

                                          1,5
                Kriminalitätsprobleme     1,5
                                         1,0

                                                                                           Sozialforschung

                                                                                                     21
1.3   Erfassung von freiwilligem Engagement im Freiwilligensurvey

Sofern die Befragten angaben, in einem oder mehreren Bereichen öffentlich aktiv zu
sein, wurden sie gefragt, ob sie in diesen Bereichen auch ehrenamtliche oder
freiwillige Aufgaben übernommen hatten. Bejahten die Befragten dies, wurden sowohl
die Tätigkeit als auch der Name der Organisation bzw. der Gruppe, in der die Tätigkeit
ausgeübt wurde, wortwörtlich erfasst.

                   Erfassung von freiwilligem Engagement im
                             Freiwilligensurvey (1)

            Fragetext

            Uns interessiert nun, ob Sie in den Bereichen, in denen Sie
            aktiv sind, auch ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben oder in
            Vereinen, Initiativen, Projekten oder Selbsthilfegruppen
            engagiert sind.

            Es geht um freiwillig übernommene Aufgaben und Arbeiten,
            die man unbezahlt oder gegen geringe
            Aufwandsentschädigung ausübt.

                           Quelle: Freiwilligensurvey Hessen 1999, 2004 und 2009   Sozialforschung

Demnach haben im Jahr 2009 in Hessen 36 % der Menschen ab 14 Jahren
mindestens eine freiwillige Tätigkeit ausgeübt. Ebenso viele Menschen engagierten
sich 2009 in Gesamtdeutschland. Im Vergleich zu den ersten beiden Freiwilligensur-
veys 1999 und 2004 ist allerdings die Engagementquote in Hessen damit etwas
zurückgegangen. Während sich 1999 und 2004 39 % der hessischen Bürger enga-
gierten, waren es 2009 noch 36 %.

22
Grafik
 Grafik55
 Freiwillige/ehrenamtliche
 Freiwillige/ehrenamtliche Übernahme
                           Übernahmevon
                                     von Aufgaben
                                         Aufgabenund
                                                  undArbeiten
                                                     Arbeiten
 (mind.
  (mind.eine
        eineAufgabe)
             Aufgabe)==„Freiwilliges
                        „FreiwilligesEngagement“
                                     Engagement“
 Bevölkerung
  Bevölkerungab
              ab14
                 14Jahren
                    Jahren(Angaben
                           (Angabeninin%)
                                       %)

                   FWS 1999 - Hessen                                          FWS 2004 - Hessen

                                            Freiwillig
                                                                                                           Freiwillig
                                            Engagierte
                                39%                                                                        Engagierte
                                                                                                  39%

                       61%                                                               61%
Nicht freiwillig                                               Nicht freiwillig
Engagierte                                                     Engagierte

                                                  FWS 2009 - Hessen

                                                                                  Freiwillig
                                                                                  Engagierte
                                                                     36%

                                                           64%

                                   Nicht freiwillig
                                   Engagierte

                                          Quelle: Freiwilligensurveys 1999, 2004 und 2009
                                                                                                        Sozialforschung

 Grafik
 Grafik66
 „Nur“
 „Nur“ öffentlich
       öffentlich Aktive
                  Aktiveund
                         und Freiwillige
                             Freiwillige
 Bevölkerung
  Bevölkerungab
              ab14
                 14Jahren
                    Jahren(Angaben
                           (Angabeninin%)
                                       %)

                   FWS 1999 - Hessen                                          FWS 2004 - Hessen

                                            Freiwillig
                                                                                                           Freiwillig
                                            engagiert
                                39%                                                                        engagiert
                                                                                                  39%
Nichts davon         28%
                                                                 Nichts davon
                                                                                       27%

                             33%                                                               34%

                   Aktiv, aber ohne                                                            Aktiv, aber ohne
                   freiwillige Aufgaben           FWS 2009 - Hessen                            freiwillige Aufgaben

                                                                               Freiwillig
                                                                               engagiert
                                                                     36%
                                Nichts davon
                                                         28%

                                                                  36%

                                                                           Aktiv, aber ohne
                                                                           freiwillige Aufgaben
                                        Quelle: Freiwilligensurveys 1999, 2004 und 2009
                                                                                                        Sozialforschung

                                                                                                                          23
Gemäß der zugrunde liegenden Definition von öffentlicher Aktivität und freiwilligem
Engagement lässt sich die Bevölkerung in drei Gruppen einteilen. Neben den „nur“
öffentlich Aktiven und den Engagierten verbleibt eine Gruppe, die weder öffentlich
aktiv noch freiwillig engagiert ist. Die Gruppe derjenigen, die die Schwelle zwischen
Privatem und Öffentlichkeit nicht überschreitet, umfasst, wie auch auf Bundesebene,
seit 1999 gut ein Viertel der Bevölkerung ab 14 Jahren (1999: 28 %, 2004: 27 %,
2009: 28 %). Während die Quote derjenigen, die nicht aktiv ist, in den letzten zehn
Jahren gleich geblieben ist, gibt es leichte Verschiebungen zwischen der Gruppe der
„Aktiven“ und der Gruppe der „freiwillig Engagierten“. Im Jahr 2009 haben zwar
weniger Menschen in Hessen eine freiwillige Tätigkeit ausgeübt, dafür waren aber
etwas mehr Menschen öffentlich aktiv (1999: 33 %, 2009: 36 %).

24
1.4 Engagement in verschiedenen Engagementbereichen

Freiwilliges Engagement spielt sich in einer großen Bandbreite von Engagement-
bereichen ab. Um Informationen über das Engagement in den verschiedenen
Bereichen zu erhalten, wurden die Befragten in einem weiteren Schritt nach ihren
übernommenen Aufgaben und der organisatorischen Einbindung befragt.

                   Erfassung von freiwilligem Engagement im
                             Freiwilligensurvey (2)

            Fragetext

            Sie sagten, Sie sind im Bereich Sport und Bewegung aktiv.
            Haben Sie derzeit in diesem Bereich auch Aufgaben oder Arbeiten
            übernommen, die Sie freiwillig oder ehrenamtlich ausüben?
            In welcher Gruppe, Organisation oder Einrichtung sind Sie da
            tätig? Sagen Sie mir bitte den Namen und ein Stichwort, um was
            es sich handelt.
            Und was machen Sie dort konkret? Welche Aufgabe, Funktion
            oder Arbeit üben Sie dort aus?

                           Quelle: Freiwilligensurvey Hessen 1999, 2004 und 2009   Sozialforschung

Eine Analyse der Engagementbereiche gibt einen Einblick in deren quantitative Be-
deutung und verweist zugleich auf Veränderungen in einzelnen Bereichen. Die Daten
enthalten gleichzeitig auf Ursachen für die gesunkene Engagementquote in Hessen.

Quantitativ am bedeutsamsten war 2009 in Hessen nach wie vor der Engagementbe-
reich „Sport und Bewegung“. Gut ein Zehntel der hessischen Bevölkerung hatte in
diesem Bereich eine freiwillige Tätigkeit übernommen.

                                                                                                     25
Grafik
 Grafik77
Freiwilliges
 FreiwilligesEngagement
              Engagement in
                          in14
                             14Bereichen
                               Bereichenin
                                         inHessen
                                           Hessen(1999-2009)
                                                  (1999-2009)
Bevölkerung
 Bevölkerungim
             imAlter
                Alterab
                      ab14
                         14Jahren
                            Jahren(Angaben
                                   (AngabenininProzent):
                                                Prozent):Mehrfachnennungen
                                                          Mehrfachnennungen

                                                                                                             14,0
                 Sport und Bewegung                                                                   13,0
                                                                                              11,0
                                                                                 7,0
                  Kultur, Kunst, Musik                                         6,5
                                                                         5,5

                                                                           6,0
             Kindergarten und Schule                                                   8,0
                                                                     5,0

                                                                         5,5
                  Religion und Kirche                                          6,5
                                                                                     7,5

                                                                       5,5
             Freizeit und Geselligkeit                               5,0
                                                               4,0

                                                                   4,5
                     Sozialer Bereich                                    5,5
                                                                   4,5

                                                               4,0
   Politische Interessenvertretung                       3,0
                                                         3,0
                                                                                                     1999
            Freiwillige Feuerwehr und                        3,5
                                                             3,5                                     2004
                       Rettungsdienste                       3,5
                                                                                                     2009
                                                         3,0
   Berufliche Interessenvertretung                         3,5
                                                 1,5

                                                       2,5
            Natur- und Umweltschutz                    2,5
                                                       2,5

                                                     2,5
        Lokales Bürgerengagement                   2,0
                                                     2,5

                   Jugendarbeit und          1,0
                Erwachsenenbildung                       3,0
                                                         3,0

                                           0,5
                          Gesundheit             1,5
                                                   2,0

                                         0,0
                Kriminalitätsprobleme      0,5
                                           0,5

                                                                                             Sozialforschung

   26
Zwischen 2004 und 2009 hat dieser Bereich allerdings an Bedeutung eingebüßt
(1999: 14 %, 2004: 13 %, 2009: 11 %), was in erster Linie an der geringeren Zahl
engagierter Hessinnen im Bereich Sport und Bewegung liegt. Im Gegensatz zu 2004,
als noch 11 % der hessischen Frauen eine freiwillige Tätigkeit in diesem Bereich aus-
übten, waren 2009 nur noch 7 % der Frauen dort engagiert (2009: 16 % Männer).

Weniger Menschen waren 2009 auch im Bereich „Schule und Kindergarten“ enga-
giert, der 2004 zu den Wachstumsbereichen gehörte und traditionell frauen-dominiert
ist. Von 8 % im Jahr 2004 ist der Bereich „Kindergarten und Schule“ auf 5 % 2009
zurück gegangen. Erstmals waren im Jahr 2009 nahezu gleich viele Männer (5,5 %)
und Frauen (5 %) in Schulen und Kindergärten engagiert. Der Rückgang der Enga-
gementquote in diesem Bereich ist insbesondere dem gesunkenen Engagement
junger Frauen geschuldet.

Leichte Rückgänge des Engagements hat es außerdem in den Bereichen „Kultur und
Musik“ sowie „Freizeit und Geselligkeit“ gegeben. In beiden Bereichen waren schon
2004 etwas weniger Menschen freiwillig engagiert; im Jahr 2009 setzte sich dieser
Trend in Hessen fort.

Als einziger größerer Engagementbereich konnte „Kirche und Religion“ (bereits seit
1999) mehr Freiwillige gewinnen. Dies könnte allerdings vor allem in dem forschungs-
methodischen Vorgehen begründet sein. So macht sich hier stärker als 1999 und
2004 ein sog. Vercodungseffekt bemerkbar. 2009 wurde im Anschluss an die Erhe-
bung eine höhere Zahl an Tätigkeiten als 1999 und 2004, die die Befragten irrtüm-
licherweise einem anderen Bereich zugeordnet hatten, nachträglich dem thematisch
passenderen Bereich „Kirche und Religion“ zugeschlagen. Dadurch erhöhte sich die
Größe dieses Bereichs.

Ungewöhnlich ist der 2009 etwas höhere Männeranteil im „sozialen Bereich“, in dem
bislang ähnlich wie bei den Bereichen „Schule und Kindergarten“ sowie „Kirche und
Religion“, mehr Frauen als Männer engagiert waren. Diese traditionelle Geschlechter-
verteilung hatte im „sozialen Bereich“ 1999 noch Bestand, änderte sich aber mit der
höheren Anzahl engagierter Männer 2004 bzw. mit der geringeren Anzahl engagierter
Frauen 2009.

Die folgende Grafik zeigt die Geschlechterverteilungen in den verschiedenen Enga-
gementbereichen:

                                                                                  27
Grafik
      Grafik88
     Freiwilliges
      FreiwilligesEngagement
                   Engagement in
                               in14
                                  14Bereichen
                                     Bereichennach
                                               nachGeschlecht
                                                   Geschlechtin
                                                              inHessen
                                                                 Hessen
     (1999-2009)
      (1999-2009)
     Bevölkerung
      Bevölkerungim
                  imAlter
                     Alterab
                           ab14
                              14Jahren
                                 Jahren(Angaben
                                        (AngabenininProzent):
                                                     Prozent):Mehrfachnennungen
                                                               Mehrfachnennungen

                                                                                                                 16,0
                      Sport und Bewegung                                                7,0

                                                                                        7,0
                       Kultur, Kunst, Musik
                                                                      4,0

                                                                                  6,0
                       Religion und Kirche
                                                                                              8,5

                                                                              5,5
                  Kindergarten und Schule                                   5,0

                                                                         5,0
                          Sozialer Bereich
                                                                       4,5

                 Freiwillige Feuerwehr und                                  5,0
                            Rettungsdienste               2,0

                                                                            5,0
        Politische Interessenvertretung
                                                    1,0
                                                                                                        Männer
                  Freizeit und Geselligkeit                             4,5
                                                                      4,0
                                                                                                        Frauen
            Lokales Bürgerengagement                                  4,0
                                                    1,0

                        Jugendarbeit und                         3,5
                     Erwachsenenbildung                   2,0

        Berufliche Interessenvertretung                    2,5
                                               0,5

                 Natur- und Umweltschutz                  2,0
                                                                3,0

                               Gesundheit                 2,0
                                                          2,0

                     Kriminalitätsprobleme    0,0
                                                    1,0

                                                                                                    Sozialforschung

28
Bei den mittelgroßen und kleinen Engagementbereichen wie „Feuerwehr /Rettungs-
dienste“, „Jugendarbeit und Erwachsenenbildung“, „Umwelt- und Tierschutz“ usw.
sind in der hessischen Studie zwischen 1999 und 2009 kaum Veränderungen
bezüglich der Engagementquoten und der Geschlechterverteilung erkennbar. Einzig
im Bereich der „beruflichen Interessenvertretung“ waren 2009 weniger Menschen
engagiert als 2004. Interessant ist die positive Entwicklung des Bereichs „Gesund-
heit“. Er gehört zwar nach wie vor zu den kleineren Bereichen, jedoch ist er seit 1999
sowohl in Hessen als auch bundesweit stetig gewachsen und liegt 2009 in Hessen bei
einer Engagementquote von 2 %. Diese Steigerung ist vor allem in dem seit 1999 zu-
nehmenden Engagement älterer Menschen in diesem Bereich begründet.

2.     Freiwilliges Engagement nach Geschlecht, Alter und Erwerbsstatus

Neben einer allgemeinen Betrachtung der Daten des Freiwilligensurveys, kann das
freiwillige Engagement auch mit unterschiedlichen soziodemografischen Aspekten in
Verbindung gesetzt werden, um Aussagen über das Engagement ausgewählter
Bevölkerungsgruppen treffen zu können.

2.1.   Freiwilliges Engagement nach Geschlecht und Alter

Schon die Ergebnisse des ersten und zweiten Freiwilligensurveys zeigten, dass
Männer in Hessen deutlich häufiger freiwillig engagiert waren als Frauen. Allerdings
hatte sich die 1999 weit auseinander liegende Engagementquote im Jahr 2004 erheb-
lich angeglichen, da die (jungen) hessischen Frauen zu den großen Wachstumsgrup-
pen des freiwilligen Engagements gehörten. So stieg die Engagementquote der Frau-
en von 31 % im Jahr 1999 auf 37 % 2004. Im aktuellen Freiwilligensurvey gaben 32 %
der befragten Frauen in Hessen an, eine freiwillige Tätigkeit übernommen zu haben
und lagen damit nur noch knapp über ihrem Engagementniveau von 1999. Die gerin-
gere Engagementbeteiligung der Frauen ging ausschließlich auf Frauen im Alter bis
zu 45 Jahren zurück.

                                                                                   29
Die Männer waren 2004, ausgehend von einer weit überdurchschnittlich hohen
Engagementbeteiligung 1999, zu 41 % freiwillig engagiert und haben dieses hohe
Engagementniveau auch 2009 gehalten. Allerdings sind in den Altersgruppen unter-
schiedliche Entwicklungen zu beobachten.

         Grafik
         Grafik99
         Freiwillig
         FreiwilligEngagierte
                    Engagiertenach
                              nachGeschlecht
                                   Geschlechtin
                                              inHessen
                                                Hessen
         Bevölkerung
          Bevölkerungab
                      ab14
                         14Jahren
                            Jahren(Angaben
                                   (Angabeninin%)
                                               %)

                                                                                      46

                Männer                                                          41

                                                                                41

                                                                     31                      1999

                                                                           37
                    Frauen                                                                   2004
                                                                      32
                                                                                             2009

                                     Quelle: Freiwilligensurvey Hessen 1999, 2004 und 2009    Sozialforschung

Freiwilliges Engagement in unterschiedlichen Altersgruppen

Mit der 3. Erhebung des Freiwilligensurveys ist es nunmehr möglich, die Entwicklung
der Engagementbeteiligung einzelner Altersgruppen über ein Jahrzehnt hinweg zu
betrachten. Die Ergebnisse können nun auf zwei Arten interpretiert werden: im direk-
ten Vergleich der Engagementquote einer Altersgruppe zwischen 1999 – 2004 – 2009
und bezogen auf die Entwicklung des freiwilligen Engagements einer Altersstufe, die
sich – zehn Jahre nach der ersten Erhebung – in der altersbezogen nächst höheren
Gruppe wiederfindet. Diese zweite Variante nennt sich Kohortenanalyse und wird in
der Grafik 10a dargestellt.

30
Grafik
Grafik10
       10
Freiwillig
FreiwilligEngagierte
           Engagiertenach
                     nach 66 Altersgruppen
                             Altersgruppenin
                                           inHessen
                                             Hessen
Engagierte
 Engagierteab
            ab14
               14Jahren
                  Jahren(Angaben
                         (Angabeninin%)
                                     %)

                                                                                                                             1999

                                                                                                                             2004

                                                                                                                             2009

         40      33    34       28    39     36         47    42     42     54    45     45   42      40    38     25      34    27

              14-24                  25-34                   35-44               45-54             55-64                   65+

                                                Quelle: Freiwilligensurveys 1999, 2004 und 2009
                                                                                                                  Sozialforschung

Grafik
Grafik10a
       10a
Freiwillig
FreiwilligEngagierte
           Engagierte nach
                      nach66Altersgruppen
                            Altersgruppen (Kohorteneffekte
                                           (Kohorteneffekte1999-2009)
                                                           1999-2009)
Engagierte
 Engagierteab
            ab14
               14Jahren
                  Jahren(Angaben
                         (Angabenin)
                                  in)

                                                                                       - 16 PP                   1999           2009
              PP = Prozentpunkte
                                                                   - 2 PP
                       - 4 PP                                                                               - 15 PP
                                       + 14 PP

            40        34         28        36            47        42        54        45        42        38         25        27

              14-24                  25-34                   35-44               45-54             55-64                65+

                                                Quelle: Freiwilligensurveys 1999, 2004 und 2009
                                                                                                                  Sozialforschung

                                                                                                                                       31
Für die beiden jüngsten Altersgruppen zeigt sich hier eine interessante Entwicklung.
Auf der einen Seite reduzierte sich das Engagement der 14- bis 24-Jährigen in den
letzten zehn Jahren um 6 PP von ursprünglich phänomenalen 40 % auf nunmehr
34 %. Dieser Rückgang fand jedoch bereits 2004 statt und blieb auch fünf Jahre
später auf diesem Niveau. Möglicherweise findet diese Altersgruppe aufgrund
zusätzlicher Verpflichtungen und Erwartungen in Schule, Ausbildung und Studium
immer weniger Zeit, sich freiwillig zu engagieren. Als bedenkliche Entwicklung lässt
sich beobachten, dass in Hessen wie auch im Bundesgebiet das freiwillige Engage-
ment der jungen Menschen zunehmend von schichtspezifischen Merkmalen bestimmt
wird. Das heißt, je höher die Schulbildung von jungen Menschen ist, desto häufiger
sind sie auch freiwillig engagiert. Damit setzt sich ein Trend fort, der bereits beim
ersten Freiwilligensurvey 1999 festgestellt wurde und sich seither in zunehmendem
Maße vollzieht.

Andererseits waren die Hessinnen und Hessen zwischen 25 und 34 Jahren 1999 mit
28 % vergleichsweise wenig engagiert. Ein Jahrzehnt später haben sie sich aber
enorm gesteigert und waren zu 42 % engagiert. Die 25- bis 34-Jährigen konnten 2004
mit 39 % auch deutlich aufholen und pendelten sich 2009 bei 36 % ein. Es scheint, als
hätten die 1999 stark engagierten jungen Menschen ihr Engagement 2009
weitestgehend beibehalten.

Das Engagement steigt mit zunehmendem Alter kontinuierlich an, erreicht bei den 45-
bis 54-Jährigen den Höhepunkt und geht dann wieder zurück. Jedoch ist das freiwil-
lige Engagement aller Altersgruppen rückläufig. Gerade in den mittleren Alters-
gruppen, einer traditionell hoch engagierten Gruppen, sind seit 2004 abnehmende
Engagiertenzahlen zu erkennen. Dieser Trend führt dazu, dass die ehemals über-
durchschnittlich hohe hessische Engagementquote in den beiden mittleren Alters-
gruppen nunmehr auf dem Bundesdurchschnitt liegt. Betrachtet man das Engagement
der Altersgruppen wiederum bezogen auf ihre Weiterentwicklung zwischen 1999 und
2009, zeigen sich die 35- bis 44-Jährigen auch ein Jahrzehnt später relativ stabil. Ihr
Engagement geht von 47 % nur um 2 PP zurück auf 45 %.

Aus dieser Perspektive besonders auffällig ist aber der starke Engagementverlust der
Gruppe zwischen 45 und 54 Jahren. 1999 waren sie mit 54 % die bei weitem am
stärksten engagierte Gruppe; zehn Jahre später haben sie als 55- bis 64-Jährige ei-
nen Rückgang von 16 PP zu verzeichnen. Die Ursachen hierfür sind fraglich. Zwar

32
haben die 1999 55- bis 64-Jährigen ihr Engagement 2009 ebenfalls stark zurück-
gefahren, hier scheint jedoch eine zunehmende Belastung durch gesundheitsbedingte
Einschränkungen eine plausible Erklärung zu sein. Dieser Aspekt sollte bei den 55-
bis 64-Jährigen aber noch keine so große Rolle spielen.

Die Grenze, bis zu der sich ältere Menschen noch aktiv in die Gesellschaft einbringen,
hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich in die älteren Jahrgänge (jenseits von 70
Jahren) verschoben. Besonders dynamisch, auch im Vergleich zum Bundesschnitt,
hatte sich zwischen 1999 und 2004 das freiwillige Engagement älterer Menschen in
Hessen entwickelt. Jeder dritte Befragte über 65 Jahre gab 2004 an, eine freiwillige
oder ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben (1999: 25 %). Fünf Jahre später waren
offenbar wieder weniger ältere Menschen, vor allem ältere Männer, in der Lage, eine
freiwillige Tätigkeit auszuführen, wodurch die hessische Engagementquote auch in
dieser Altersgruppe 2009 mit 27 % in etwa auf dem Bundesdurchschnitt lag.

Aufgrund der ausgeprägten Unterschiede und Veränderungen in den Altersruppen
wird im Folgenden das Engagement von Männern und Frauen auf ihre alters-
gruppenspezifischen Besonderheiten hin untersucht.

                                                                                   33
2.2 Freiwilliges Engagement bei jüngeren und älteren Frauen und Männern

Bei den Frauen bis 45 Jahre zeigt sich in Hessen über den Zeitverlauf einer Dekade
eine uneinheitliche Engagemententwicklung. Im Gegensatz zu 1999 waren 2004
deutlich mehr Frauen bis 45 Jahre freiwillig engagiert (1999: 30 %, 2004: 39 %). Fünf
Jahre später ist die Engagementbeteiligung der Frauen bis 45 Jahre wieder auf 29 %
zurückgegangen, während in der Altersgruppe über 45 Jahren zwischen 1999 und
2009 Stabilität herrscht.

       Grafik
       Grafik11
              11
       Weibliche
       WeiblicheEngagierte
                 Engagierte nach
                            nach Alter
                                 Alter in
                                        in Hessen
                                           Hessen(1999,
                                                  (1999,2004,
                                                        2004,2009)
                                                              2009)
       Bevölkerung
        Bevölkerungab
                    ab14
                       14Jahren
                          Jahren(Angaben
                                 (Angabeninin%)
                                             %)

                            Frauen                                                       Frauen
                          14-45 Jahre                                               46 Jahre und älter

                                 39

                                                                               34             35         35

                    30                           29

                   1999         2004            2009                         1999             2004       2009

                                      Quelle: Freiwilligensurvey Hessen 1999, 2004 und 2009          Sozialforschung

Diese Auf-und-Ab-Bewegung im Engagement von Frauen im jungen und mittleren
Lebensalter ist wohl zum einen den sich häufig ändernden Lebensumständen in
dieser Altersgruppe geschuldet. Faktoren wie eine für die Gruppe typische ausbil-
dungs- und berufsbedingte Mobilität sowie Veränderungen im familiären und privaten
Bereich wirken sich auch auf das Engagement aus. Zum anderen spielen auch
tätigkeitsspezifische Besonderheiten eine Rolle. Gerade in dieser Altersgruppe haben
2004 deutlich mehr Frauen als Männer eine zeitlich befristete freiwillige Tätigkeiten
ausgeübt (z.B. Tätigkeiten in der Schule, an der Hochschule, im Kindergarten usw.).
Offenbar gelang es vielen der 2004 engagierten jüngeren Frauen nicht, eine neue
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