Ein Blick in die Mitte - Zur Entstehung rechtsextremer und demokratischer Einstellungen
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Ein Blick in die Mitte - Zur Entstehung rechtsextremer und demokratischer Einstellungen Dr. Oliver Decker Dr. Katharina Rothe Prof. Dr. Elmar Brähler Universität Leipzig Im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung Forum Berlin
Gliederung Ausgewählte Ergebnisse der Erhebung 2006 „Vom Rand zur Mitte“ Ergebnisse der Gruppendiskussionen „Ein Blick in die Mitte“ Konsequenzen
Ausgewählte Ergebnisse der
Erhebung 2006
„Vom Rand zur Mitte“„Vom Rand zur Mitte“
Rechtsextreme Einstellungen in
West- und Ostdeutschland
Anteil derjenigen, die durchschnittlich allen Aussagen je Skala zustimmen in %
Gesamt West Ost
Befürwortung Diktatur 4,8 4,4 6,5
Chauvinismus 19,3 20,1 16,1
Ausländerfeindlichkeit 26,7 25,7 30,6
Antisemitismus 8,4 9,5 4,2
Sozialdarwinismus 4,5 4,0 6,2
Verharmlosung Nationalsozialismus 4,1 4,6 2,0„Vom Rand zur Mitte“
Verteilung der Antworten
Beispiel Ausländerfeindlichkeit
lehne stimme stimme
über- teils zu, über- stimme
lehne wiegend teils wiegend voll und
völlig ab ab nicht zu zu ganz zu
% % % % %
Die Ausländer kommen nur hierher,
01 14 17,2 31,9 21,7 15,2
um unseren Sozialstaat auszunutzen.
Wenn Arbeitsplätze knapp werden,
02 sollte man die Ausländer wieder in 17,7 18,2 29,3 19,9 15,0
ihre Heimat zurückschicken.
Die Bundesrepublik ist durch die
03 vielen Ausländer in einem 16,5 15,9 28,5 23,4 15,7
gefährlichen Maß überfremdet.„Vom Rand zur Mitte“
Einstellung zur Demokratie
Zufriedenheit mit der Demokratie
80% 75% West
70% Ost
60% 57%
51%
50%
40%
30% 27%
20%
10%
0%
Was w ürden Sie allgemein zur Demokratie in der Und w as w ürden Sie allgemein zur Demokratie in
BRD, also zu unserem ganzen politischen System der BRD, also zu unserem ganzen politischen
sagen, so w ie es in der Verfassung steht** System sagen, so w ie es tatsächlich funktioniertEin Blick in die Mitte Zur Entstehung rechtsextremer und demokratischer Einstellung
„Ein Blick in die Mitte“
Fragestellung und Vorgehen
Fragestellung Vorgehen
Gruppendiskussionen mit
Ausländerfeindlichkeit als Teilnehmenden der
Einstiegsdroge: Funktion und Repräsentativerhebung
Hintergrund? 12 Gruppendiskussionen
Teils/Teils-Antworten? bundesweit (60 Teilnehmende)
Unzufriedenheit mit Qualitative Auswertung
Demokratie? Fragebogen: Antworten, auf
Stellenwert von Gruppen- und Fragen, die gestellt worden
Gesellschaftsfaktoren, Soziali- sind; Gruppendiskussion:
Antworten auf Fragen, die man
sations- und Erziehungserfahr- nicht gestellt hat
rungen sowie intergeneratio-
Einstiegsfrage: Wie ist das hier
neller Weitergabe für in der Stadt/Gegend XY zu
rechtsextreme Einstellungen? leben?„Ein Blick in die Mitte“ Orte der Gruppendiskussionen (anonymisiert) Berlin-Mitte Neuss Dortmund Dresden-Johannstadt Gießen Eutin Niedernhausen Berlin-Hohenschönhausen Herdecke Dresden-Neustadt Renningen Berlin-Bohnsdorf
„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Chauvinismus
Ausländerfeindlichkeit
Kulturalistische Argumentation in fast allen Gruppen
vorhanden, auch bei
Stigma und Gewaltandrohung niedrigen oder teils/teils
Werten im Fragebogen
Projektion Vorherrschen von
kulturalistischen Argu-
Sprache und Fremdheit menten („Passen nicht zu
uns“), keine Argumente
Empathie
wg. Arbeitsplatzbe-
drohung oder Rassismus
Religion als zentrales
Abgrenzungsmotiv
„gute“ vs. „schlechte
Ausländer“„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Chauvinismus
Ausländerfeindlichkeit und
Kulturalistische Argumentation Antisemitismus: Sonderfall
einer allgemeinen
Stigma und Gewaltandrohung
Stigmatisierung in der
Gesellschaft
Projektion
Psychischer Ausschluss:
Sprache und Fremdheit aus dem Gruppen-Wir
Sozialer Einschluss:
Empathie Verlust der Schutzrechte
gewaltvoller Zugriff
Kann sich wie auf
MigrantInnen auch auf
Arbeitslose oder andere
„Abweichende“ richten„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Chauvinismus
Kulturalistische Argumentation
MigrantInnen sind
Stigma und Gewaltandrohung diejenigen, die das „Glück
ohne Arbeit haben“
Projektion Aggressionen werden
bei den MigrantInnen
Sprache und Fremdheit ausgemacht, dabei treten
Empathie sie in der GD und in den
Berichten bei den Pro-
banden deutlich zu Tage„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Chauvinismus
Kulturalistische Argumentation Fähigkeit zur
Empathie schützt vor
Stigma und Gewaltandrohung
ausländerfeindlichen
Projektion Ressentiments
Fähigkeit zum
Sprache und Fremdheit Positionswechsel („Wie
Empathie geht es dem Anderen?“)
Anerkennung des
Anderen, kein Zwang
zur Assimilation„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Diktatorische und sozialdarwinistische Einstellungen
Gewaltvolle Erziehung
Häufig Gewalterfahrung
Autoritäre Aggression als Kind fördern antide-
Wahrnehmung
mokratischer Einstellung
Wahrnehmung der
der Politik
Politik als
als
„Mafia“ Keine Anerkennung des
kindlichen Phantasieraums
„Hartz 4“ Ideal der Härte für die
Erziehung
Diktatur als apokalyptische und
Rettungsphantasie Vornehmlich bei
Älteren, aber auch in der
Demokratie bleibt äußerlich jüngsten Generation„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Diktatorische und sozialdarwinistische Einstellungen
Gewaltvolle Erziehung
Wunsch nach „Radi-
Autoritäre Aggression kalem“, „anständiger
Ordnung“ und „Härte“
Wahrnehmung der Politik als gegenüber Schwächeren
Auch in GD: Aggression
„Mafia“ gegenüber Abweichung
„Hartz 4“
und Schwäche
Unterwerfung unter
Diktatur als apokalyptische und Autorität
Rettungsphantasie
Hoher Konventionalis-
mus
Demokratie bleibt äußerlich
Bei jüngeren postauto-
ritär-destruktive Struktur„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Diktatorische und sozialdarwinistische Einstellungen
Gewaltvolle Erziehung Ohnmachtserfahrung und
empfundene
Autoritäre Aggression Ausweglosigkeit wegen
Arbeitslosigkeit
Wahrnehmung der Politik als
„Mafia“ Ein-Euro-Jobs werden als
Entwertung der Arbeit
„Hartz 4“ wahrgenommen
Diktatur als apokalyptische und Forderung nach einem
Rettungsphantasie „Arbeitszwang“
Folge: Resignation oder
Demokratie bleibt äußerlich Forderung nach noch mehr
Härte„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Diktatorische und sozialdarwinistische Einstellungen
Gewaltvolle Erziehung Über die Generationen
hinweg wird Demokratie
Autoritäre Aggression nicht als eigenes Projekt
begriffen
Wahrnehmung der Politik als Bei Älteren: antidemokra-
„Mafia“ tische Einstellung
Bei Jüngeren: nur aktives
„Hartz 4“ Wahlrecht gesehen, das aber
wertlos sei
Diktatur als apokalyptische und („Augenwischerei“)
Rettungsphantasie Zwei Haltungen gegenüber
Politik: Resignation oder
Demokratie bleibt äußerlich Forderung nach „anständiger
Ordnung“, die Abweichung
sanktioniert„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Gegenwart der nationalsozialistischen Vergangenheit
NS-Vergangenheit
ausgeblendet, auch wenn
Täter/Opfer-Umkehr das Thema diese Zeit
voraussetzt
Wohlstand als narzisstische Deutsche Täterschaft
Plombe und nicht-deutsche Opfer
werden in der gemeinsa-
Vertreibung als Sühne statt men Erzählung zum
Aufarbeitung der Verschwinden gebracht
Vergangenheit Betonung „eigener“
Opfer bei nicht-jüdischen
Deutschen„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Gegenwart der nationalsozialistischen Vergangenheit
„Wohlstand für alle“ in
den fünfziger Jahren als
Täter/Opfer-Umkehr
Ersatz für verlorenes
Gefühl der Größe
Wohlstand als narzisstische
Unfähigkeit zu Trauern
Plombe
und Schuld anzuerkennen
Gedanke:
Vertreibung als Sühne statt Demokratie=Wohlstand
Aufarbeitung der
Verlust des Wohlstands
Vergangenheit
legt antidemokratische
Einstellung frei„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse: Gegenwart der nationalsozialistischen Vergangenheit
Vertreibung wird auch
von Teilnehmenden ohne
Täter/Opfer-Umkehr entsprechende familiäre
Erfahrung thematisiert
Wohlstand als narzisstische Vertreibung wird unter
Plombe Auslassung der
Vorgeschichte (Angriffs-
und Vernichtungskrieg)
Vertreibung als Sühne statt diskutiert
Aufarbeitung der Vertreibung erhält den
Vergangenheit Stellenwert einer Sühne
„Ostgebiete“ als „Ur-
Heimat“ angesehen„Ein Blick in die Mitte“
Ergebnisse
Im
Im Hintergrund
Hintergrund einer
einer Im
Im Hintergrund
Hintergrund einer
einer
demokratischen
demokratischen Einstellung
Einstellung rechtsextremen
rechtsextremen Einstellung
Einstellung
Möglichkeit,
Möglichkeit, gesellschaftliche
gesellschaftliche Gesellschaftlicher
Gesellschaftlicher Normierungs-
Normierungs-
Gewaltverhältnisse
Gewaltverhältnisse zu zu hinter-
hinter- druck
druck und
und Zugriff
Zugriff auf
auf das
das
fragen,
fragen, ohne
ohne den
den Normierungs-
Normierungs- Individuum.
Individuum.
druck
druck durch
durch Stigmatisierung
Stigmatisierung aufauf Ausländerfeindlichkeit
jeweilige
jeweilige „Andere“
„Andere“ (z.(z. B.
B. „die
„die Ausländerfeindlichkeit als als weit
weit
Ausländer“, verbreitetes
verbreitetes und
und daher
daher scheinbar
scheinbar
Ausländer“, „die
„die Arbeitslosen“)
Arbeitslosen“) zu zu akzeptiertes
akzeptiertes Ressentiment.
Ressentiment.
verschieben.
verschieben.
Sozialisatorische Unkenntnis
Unkenntnis undund Geringschätzung
Geringschätzung
Sozialisatorische Bedingungen,
Bedingungen, die die des
des demokratischen
demokratischen Systems.
Systems.
sich
sich durch
durch Gewaltverzicht
Gewaltverzicht sowie
sowie
durch
durch Anerkennung
Anerkennung des des Kindes
Kindes Gewaltvolle
Gewaltvolle sozialisatorische
sozialisatorische
bzw.
bzw. „des
„des Anderen“
Anderen“ im im Bedingungen
Bedingungen (Autoritarismus
(Autoritarismus oder
oder
Allgemeinen
Allgemeinen auszeichnen.
auszeichnen. in
in dessen
dessen Nachfolge
Nachfolge dasdas
Eine „Postautoritär-Destruktive“).
„Postautoritär-Destruktive“).
Eine sowohl
sowohl inhaltliche
inhaltliche als
als auch
auch
emotionale
emotionale Auseinandersetzung
Auseinandersetzung Die
Die fortwirkende
fortwirkende Bedeutung
Bedeutung derder
mit
mit der
der NS-Vergangenheit
NS-Vergangenheit auf auf historischen
historischen Nationalsozialismus,
Nationalsozialismus,
Seiten
Seiten der
der Täter/
Täter/ Mitläufer/
Mitläufer/ die
die zu
zu spezifisch
spezifisch deutschen
deutschen
Unterlasser
Unterlasser und
und ihrer
ihrer Nach-
Nach- Dynamiken
Dynamiken des des
kommen
kommen (familiäre
(familiäre Verstrickung).
Verstrickung). Rechtsextremismus
Rechtsextremismus beiträgt.
beiträgt.„Ein Blick in die Mitte“
Konsequenzen„Ein Blick in die Mitte“
Konsequenzen
Demokratisierung der Gesellschaft, Stärkung der Menschen:
- Individuelle Schutzrechte bewahren
- Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen
- Partizipation fördern
- Interkulturelle Erfahrungen in der Erziehung (Schule, Kita)
ermöglichen
Veränderung des politischen Klimas:
- Demokratisierung der Institutionen
- Demokratisierung der Schulen
- Demokratisierung der Betriebe„Ein Blick in die Mitte“
Konsequenzen
Öffentlichkeit als Ort der Demokratie:
- Bannung von Ungleichwertigkeitsdiskursen und
Stigmatisierung
-Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
stärken
Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit:
-Klare Trennung zwischen NS-Vergangenheit und DDR,
keine Rede von „zwei Diktaturen“
- Vertreibung nicht als deutsches Sühneopfer darstellen
- Kontextualisierung und Auseinandersetzung mit histori-
scher deutscher Schuld und gegenwärtiger VerantwortungWir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Informationen zur Studie und Download des Textes:
www.fes.de/rechtsextremismus
Kontakt:
Dr. Dietmar Molthagen,
Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin
Hiroshimastr. 17, 10785 Berlin
Mail: dietmar.molthagen@fes.deSie können auch lesen