Einfach mal machen, könnte ja gut werden - Psychologie online lehren? Ein Erfahrungsbericht

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Einfach mal machen, könnte ja gut werden - Psychologie online lehren? Ein Erfahrungsbericht
Einfach mal machen,

                                                                                                                                        Foto: Jan Baborak – unsplash.com
könnte ja gut werden
Psychologie online lehren? Ein Erfahrungsbericht

                Nicht nur an den Universitäten, sondern in fast allen Bereichen, in denen Psychologie gelehrt wird, stellte im Früh-
                jahr 2020 die Corona-Pandemie bestehende Planungen in Frage, musste die Präsenzlehre kurzfristig auf Online-Lehre
                umgestellt werden. Dies war und ist verbunden mit einer Reihe von Unsicherheiten, Fragen und Herausforderungen.

                Ausgehend von bestehenden Lehrkonzepten, einge-                   Ausgangskonzept: Kooperatives Arbeiten im
                bunden in Studien- und Prüfungsordnungen, erschien                Mittelpunkt
                eine 1:1-Umsetzung sinnvoll, d. h., das Online-Seminar            Das geplante und bewährte Seminarkonzept »Psycho-
                sollte inhaltlich und methodisch so realisiert werden,            logie des Überzeugens« richtet sich an Master-Studie-
                wie das Präsenzseminar geplant war. Doch mit welchen              rende des Lehramts mit Grundlagenwissen in Psycholo-
                Werkzeugen (»Tools«), in welchen Settings und Abläu-              gie. Neben einer Auffrischung und Erweiterung einiger
                fen? Wie kann ein Seminargefühl aufkommen, wenn                   zentraler Konzepte (soziale Kognition, Einstellungen
                sich Lehrende und Lernende nicht kennen? Welche An-               und Einstellungsänderung) steht das Buch »Psycholo-
                teile sollten synchron, also zeitgleich, welche asynchron,        gie des Überzeugens« (Cialdini, 2017) im Mittelpunkt.
                also mit individueller Zeiteinteilung, realisiert werden?         Die Inhalte werden durch eine kooperative Arbeits-
                Und handelt es sich um ein Webinar oder um ein On-                form (Methode des Gruppenpuzzles; siehe z. B. Hoch-
                line-Seminar?1 Im Folgenden wird am Beispiel eines                stein, Förster & Souvignier, 2011) in einer Verbindung
                dreitägigen, kompakten Psychologieseminars an der                 von Selbstlernphasen, Diskursen über die Inhalte, in-
                Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU;                  teraktivem Wissensaustausch und Anwendungsphasen
                Lehramtsausbildung) dargestellt, wie mit Hilfe verschie-          erschlossen. Ziele sind der Erwerb des Wissens über
                dener Tools ein Präsenzseminar »ersetzt« wurde.                   psychologische Persuasionsstrategien einschließlich des
                                                                                  Verständnisses der zugrunde liegenden psychologischen
                                                                                  Phänomene auf Basis empirischer Befunde sowie die
                                                                                  reflektierte Anwendung und Wiedererkennung solcher
                1 Webinare sind typischerweise interaktive Online-Seminare,       Strategien in (beruflichen) Alltagssituationen.
                die dem »One-to-many«-Prinzip unterliegen: Teilnehmende
                                                                                                                                                                           reportpsychologie ‹45› 6|2020

                können sich zwar beteiligen, dies jedoch in eher untergeord-
                neter Funktion. Einsatz finden Webinare häufig im kommer-         Technische Werkzeuge
                ziellen Bereich, u. a. für Produkteinführungen. Dabei werden      Aufgrund des Zeitdrucks erfolgte keine umfassende
                auch die Daten der Teilnehmenden gesammelt und analysiert.        Recherche sämtlicher technischer Möglichkeiten, mit
                Im zu »übersetzenden« Seminar soll die verwendete Technik
                den Teilnehmenden eine aktive Rolle ermöglichen. Im Vorder-       denen sinnvoll unterrichtet werden kann. Stattdessen
                grund steht alleine ihr Lernfortschritt, und es werden darüber    fiel die Wahl recht schnell auf fünf von der WWU zur
                hinausgehend keine Daten erhoben oder analysiert. Somit           Verfügung gestellte Tools: die Moodle-basierte Lehr-
                trifft die Bezeichnung »Webinar« im vorliegenden Fall nicht zu.

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Einfach mal machen, könnte ja gut werden - Psychologie online lehren? Ein Erfahrungsbericht
r e p o r t fokus
                                Lern-Plattform »Learnweb«, den Cloud-Speicherdienst        zeichnungen am heimischen Computer vornehmen und
                                »Sciebo«, »OpenCast« zur Erstellung von Lehrvideos, das    somit Instruktionsvideos erstellen, die Studierende vor-
                                Videokonferenz-Tool »Zoom« und das Chat-Programm           zugsweise asynchron bearbeiten.
                                »Mattermost«. Alle Programme (mit Ausnahme von
                                »Zoom«) basieren auf Open-Source-Software, die von         Miteinander interagieren: Und es hat »Zoom« gemacht
                                und für den Bildungsbereich entwickelt wurde. Damit        Das Frühjahr 2020, als reale Face-to-face-Interaktionen
                                sind die Programme nicht nur passgenau und preiswert,      nicht mehr erlaubt waren, brachte vor allem den Durch-
                                sondern werden von der wissenschaftlichen Community        bruch für Videokonferenz-Tools, da Telefonkonferen-
                                auch stetig weiterentwickelt, sodass Nachhaltigkeit ge-    zen zu wenig Information transportieren und somit für
                                währleistet ist.                                           Gruppeninteraktionen nicht ausreichend sind. In einer
                                                                                           initialen Phase wurden überall zunächst unterschied-
                                Ausgangsbasis: Moodle-basierte Lehr-Lern-Plattform         lichste Programme ausprobiert, die alle eine oder meh-
                                ­»Learnweb«                                                rere Schwächen haben, z. B. instabile Verbindungen,
                                 Wie an vielen anderen Universitäten wird die Moodle-      Probleme bei Akustik und Bildübertragung, Datensi-
                                 basierte2 Lehr-Lern-Plattform »Learnweb«, die sowohl      cherheit oder mangelnder Komfort. An der WWU fiel
                                synchrones als auch asynchrones Arbeiten ermöglicht,       recht bald die Entscheidung für »Zoom«5. Das Problem
                                an der WWU bereits seit Jahren genutzt, vor allem um       der unzureichenden Datensicherheit wurde durch Ab-
                                Lehrmaterialen (Folien zu den Lehrveranstaltungen, Li-     schluss eines entsprechenden Sondervertrages mit spe-
                                teratur, Aufgaben usw.) zur Verfügung zu stellen und die   zifischen Einstellungen für die WWU gelöst.6
                                Kommunikation mit den Studierenden (z. B. über die
                                Nachrichtenfunktion) zu unterstützen. Die darüber hin-     »Zoom« zeichnet sich durch ausreichend stabile Ver-
                                ausgehenden vielfältigen Möglichkeiten (z. B. Diskussi-    bindungen aus und enthält eine Reihe von Funktionen,
                                onsforen, Wiki-Erstellung, Umfragen, Tests, gegenseitige   die für die Durchführung von Meetings im Rahmen von
                                Beurteilungen usw.) werden in Präsenzveranstaltungen       Lehrveranstaltungen hilfreich sind. So ist z. B. das Ein-
                                jedoch typischerweise selten verwendet. Obwohl es An-      wählen sehr einfach, die Teilnehmenden können sich
                                leitungen und FAQ-Listen für Lehrende und Lernende         per Ton und Video oder auch nur telefonisch einklinken,
                                gibt, braucht es ein erhebliches Zeitbudget zur intensi-   die Namen der Teilnehmenden sind sichtbar, und die
                                ven Auseinandersetzung, um diese Funktionen nicht nur      jeweils sprechende Person wird hervorgehoben. Eine
                                irgendwie, sondern didaktisch sinnvoll zu nutzen.          Bildschirmfreigabe ermöglicht die gemeinsame Arbeit
                                                                                           an Dateien auf dem Computer einer der teilnehmenden
                                Begleitend: Campus-Cloud »Sciebo«                          Personen oder an einem Whiteboard. Die Verwendung
                                Cloud-Speicherdienste ermöglichen es, von verschie-        sogenannter »Breakout-Sessions« erlaubt die Aufteilung
                                denen Geräten und Orten aus auf große Datenmengen          der Gesamtgruppe in Kleingruppen. Weitere hilfreiche
                                zuzugreifen. So können Dateien geteilt werden, ohne        Funktionen sind die Möglichkeit zur Erstellung einer
                                sie transferieren zu müssen, lediglich die Nutzungsbe-     Umfrage, eine begleitende Chat- und Untertitelfunk-
                                rechtigung wird weitergegeben. Da also an denselben        tion oder Feedback-Signale (z. B. Meldung, Bestätigung,
                                Dateiversionen gearbeitet wird, sind Clouds vor allem      Ablehnung). In der kostenfreien Version besteht die
                                für die kollaborative Arbeit sinnvoll. Bei kommerziellen   Möglichkeit, das Tool für Gespräche mit bis zu 30 Teil-
                                Anbietern von Cloud-Speicherlösungen gibt es mitunter      nehmenden bis zu 40 Minuten lang zu testen.
                                datenschutzrechtliche Bedenken. Daher wurde von den
                                Hochschulen in Nordrhein-Westfalen das gemeinsame          Noch mal Chat: »Mattermost«
                                Projekt »Sciebo«3 gestartet. In diesem Rahmen wird         Obgleich sowohl in »Learnweb« als auch in »Zoom«
                                Lehrenden und Studierenden individueller Speicherplatz     bereits Chat-Funktionen integriert sind, fiel meine Ent-
                                zur Verfügung gestellt. Zusätzlich ermöglicht die An-      scheidung für den zusätzlichen Einsatz des Chat-Pro-
                                bindung von »Sciebo« an »Learnweb« die Bereitstellung      gramms »Mattermost«7. Bei diesem Programm erfolgt
                                von Cloud-Speicherkapazitäten für Kleingruppen.            die Kommunikation nicht nur in der Großgruppe, son-
                                                                                           dern es kann ein komplexeres Interaktionsgeschehen
                                Materialien erstellen: Lehrvideos mit »OpenCast« auf-      abgebildet werden: Die Seminargruppe kann sich als
                                nehmen                                                     Plenum auf dem »Marktplatz« austauschen, für Klein-
                                Unter der Bezeichnung »eLectures« ist es seit einigen      gruppen können aber auch private Kanäle eröffnet
                                Jahren etabliert, Vorlesungen auf Video aufzunehmen        werden, und darüber hinaus sind Direktnachrichten
                                und Studierenden z. B. zur Prüfungsvorbereitung zur        zwischen einzelnen Teammitgliedern möglich. Neben
                                Verfügung zu stellen. In diesen Videos stehen üblicher-    Chats können auch Links und Dateien versendet wer-
                                weise die Präsentationsfolien (oder Whiteboard-Auf-        den. Zudem lässt sich individuell einstellen, ob bzw. bei
                                zeichnungen bzw. andere Demonstrationen auf dem            welchen Ereignissen man wie benachrichtigt werden
reportpsychologie ‹45› 6|2020

                                Computer) im Mittelpunkt, das Kamerabild der Leh-          möchte. Wichtige Einträge können durch »Anpinnen«
                                renden ist klein am Bildschirmrand zu sehen. Mit der
                                Software »OpenCast«4 können Lehrende solche Auf-           5 www.zoom.us
                                                                                           6 Eine ausführliche Analyse etwaiger Datenschutzprobleme
                                                                                           und ihre differenzierte Einschätzung seitens der WWU ­findet
                                2 https://docs.moodle.org                                  sich hier (19.05.2020): www.uni-muenster.de/IT/­services/­
                                3 www.sciebo.de                                            kommunikation/wwuzoom
                                4 www.opencast.org                                         7 www.mattermost.com

                                                                                                                                                          5
hervorgehoben werden, und die Team-Administration             Kleingruppe) einzuklinken, um z. B. Fragen zu beant-
hat stets den Überblick über den Kommunikationsver-           worten oder Hilfen zu geben.
lauf in Groß- und Kleingruppen.
                                                              In der letzten Phase des Seminars sollten die Studieren-
Dann lehren wir eben online                                   den ihr Wissen anwenden, indem sie zu selbst gewähl-
Die Studierenden erfuhren per E-Mail von der Möglich-         ten aktuellen Fragestellungen (z. B. Werbung für das
keit, online am Seminar teilzunehmen, und erklärten ihr       Tragen eines Mundschutzes) eigene »Produkte« erstell-
Einverständnis durch Anmeldung im »Learnweb«-Kurs.            ten, z. B. ein Video oder einen Erklärfilm. Die Ergebnisse
Die angemeldeten Teilnehmenden wurden instruiert,             wurden am Ende des Seminars im »Zoom«-Meeting
bereits vor Seminarbeginn »Zoom« und »Mattermost«             über »Bildschirm teilen« oder über die Freigabe von
zu installieren sowie den ihnen zugewiesenen Experten-        »Sciebo«-Dateien präsentiert, und im Seminargespräch
text zu lesen. Die Zuordnung zu einer Expertengruppe          wurden die verwendeten Strategien analysiert.
wurde in der »Learnweb«-Teilnehmendenliste vermerkt.
                                                              Online- vs. Präsenzlehre
Der »Learnweb«-Kurs wurde in acht Blöcke strukturiert.        Die Studierenden wurden am Ende des Seminars ge-
Im ersten Block fanden sich allgemeine Hinweise und           beten, Online- und Präsenzlehre zu vergleichen: Wie
Instruktionen, im zweiten wurden Lehrvideos mit Folien        wurden einzelne Elemente beurteilt? Was fehlte? Was
und Zusatzmaterialien bereitgestellt. In weiteren sechs       war besser?
Blöcken fanden die Expertengruppen die zugeordnete
Literatur sowie den Zugriffslink auf ein »Sciebo«-Verzeich-   Die »Zoom«-Meetings zu Beginn und am Ende des Semi-
nis, das von der Kleingruppe genutzt werden konnte.           nars sowie zu den Phasenübergängen brachten Orientie-
                                                              rung und gaben ein Seminargefühl. Obwohl die Video-
Am Tag des Seminarstarts waren die Teilnehmenden um           vermittlung nur einen Teil der nonverbalen Kommuni-
zehn Uhr online in »Mattermost« und erhielten auf dem         kation zwischen den Teilnehmenden ermöglicht, wurde
»Marktplatz« die Einladung zu einem »Zoom«-Meeting.           dies als ausreichend im Kontext des Seminars angesehen.
So begannen alle gemeinsam das Seminar und hatten             Insbesondere die kollaborative Arbeit in den Kleingrup-
die Möglichkeit, sich den anderen kurz vorzustellen. Zu-      pen mittels Videokonferenz und geteiltem Bildschirm
sätzlich wurden über »Mattermost« kurze Steckbriefe           wurde als hoch effektiv (und besser als im Präsenzfor-
versendet. Im Eröffnungsmeeting wurden vor allem der          mat) eingeschätzt, da stets alle Kleingruppenmitglieder
besondere Charakter der Situation und die damit verbun-       auf demselben Informationsstand waren. Die verwende-
denen Chancen betont, Fehler und Pannen wurden ex-            ten Tools waren insgesamt leicht installierbar und intuitiv
plizit als Lernmöglichkeiten deklariert. Ein gemeinsames      bedienbar, sodass kaum Zeit für die Behebung von Pro-
Ausprobieren der Funktionen von »Zoom« baute Ängste           blemen aufgewendet werden musste. Die verfügbaren
ab, und schnell etablierten sich feste Regeln, z. B. dass     Grundlagenvideos konnten asynchron (mit individueller
die Mikrofone standardmäßig ausgeschaltet sind und            Zeiteinteilung) bearbeitet werden, was vom Großteil der
nur diejenigen, die sprechen wollen, diese aktivieren. Es     Seminargruppe als hilfreich angesehen wurde.
wurde ein Überblick über die einzelnen Seminarphasen
gegeben und erläutert, welche Teile synchron (Plenums-        Die digitale Durchführung des Seminars ermöglichte
»Zoom«-Meetings), asynchron (Bearbeitung der Lehr-            auch einer Studentin, die während des Seminars in einer
videos) und vorzugsweise synchron (Arbeit in Kleingrup-       Klinik war, die erfolgreiche Teilnahme. Das inhaltliche
pen in bestimmten Zeitfenstern) ablaufen sollten.             Lernziel wurde auf vergleichbarem Niveau wie in einem
                                                              Präsenzseminar erreicht. Zusätzlich wurde von allen Be-
Im weiteren Verlauf des Seminars arbeiteten die Klein-        teiligten ein deutlicher Anstieg der individuellen digita-
gruppen in verschiedenen Konstellationen und mit              len Kompetenz erlebt.
wechselnden Instruktionen miteinander. Im Übergang
zwischen den verschiedenen Phasen wurden »Zoom«-              Am Ende der drei Seminartage (jeweils von zehn bis 18
Meetings von jeweils ca. 15 bis 20 Minuten Dauer in           Uhr) waren alle Teilnehmenden sehr erschöpft. Dies ist
der Großgruppe anberaumt. Lediglich die Start- und die        natürlich (auch) eine Folge der Fokussierung auf den
Abschluss-Meetings dauerten deutlich länger. Während          Bildschirm mit den entsprechenden Belastungen für
des gesamten Seminars überbrückte die Kommunika-              Augen, Rücken und das gesamte kognitive System.
tion über »Mattermost« sowohl im Plenum als auch in           Die Erfahrung lehrt allerdings, dass Studierende nach
den Kleingruppen die Zeiten zwischen den »Zoom«-              einem dreitägigen Präsenzkompaktseminar mindestens
Meetings. Damit erwies sich »Mattermost« als das wich-        genauso erschöpft sind. Hier wirken andere Stressoren:
tigste Instrument, um den Überblick über das inter-           z. B. der Lärm durch andere Kleingruppen oder die feh-
aktive Geschehen in der Seminargruppe zu behalten.            lende Möglichkeit, sich in Pausen zurückzuziehen.
                                                                                                                            reportpsychologie ‹45› 6|2020

Lehrende können mit diesem Instrument nachvollzie-
hen, an welchem inhaltlichen Punkt die Studierenden           Was bleibt?
der jeweiligen Kleingruppen stehen, ob sie in Einzel-         Noch ist unklar, ob die Corona-Pandemie über das
arbeit oder in einem »Zoom«-Meeting sind. Das Posten          Sommersemester 2020 hinaus digitale Lehre auch an
der Meeting-Einladungen in den Kleingruppenkanälen            Präsenzuniversitäten notwendig macht. Jedoch hat
ermöglicht den Lehrenden, sich (auch auf Bitten einer         sie genau den Digitalisierungsschub bewirkt, der von

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r e p o r t fokus
                                Politik sowie Bildungsexpertinnen und -experten schon                unbegründet. Sie sollte jedoch gegen gesundheitliche
                                länger gefordert wurde. Die Situation erlaubte es, Un-               Belastungen abgewogen werden, die im Präsenzlehr-
                                sicherheiten zu akzeptieren und Konzepte auszutesten,                format bestehen, etwa langes Sitzen auf mitunter ergo-
                                die nicht zu 150 % ausgereift waren. In dieser Situation             nomisch nicht optimalem Mobiliar, fehlende Erholungs-

                                                                                                                                                                                                                          Foto: Thomas Rosenthal
                                erschien es möglich und sinnvoll, Teilnehmenden auch                 möglichkeiten in Pausen, Lärm usw.
                                Pannen und technische Probleme zuzumuten. Die sich
                                daraus ergebenden Chancen wurden höher eingeschätzt                  Eine Erhöhung von Online-Anteilen in der Lehre und
                                als die Risiken.                                                     darüber hinaus sollte vor allem für die Umwelt vor-
                                                                                                     teilhaft sein. Die ersparte Zeit kommt im günstigsten
                                Spannend ist die Frage, welche bzw. wie viele digitale               Fall Sportaktivitäten zugute. Auf diese kann und sollte                        Dr. Ute-Regina
                                Elemente in den Lehralltag z. B. der Präsenzhochschulen              durchaus in Online-Seminaren hingewiesen werden. Im                            ­Roeder ist wissenschaft-
                                integriert werden. Sicher lassen sich nicht alle Inhalte             durchgeführten Seminar wurden z. B. Impulse zur »be-                           liche Mitarbeiterin und
                                                                                                                                                                                    Studienkoordinatorin am
                                und Lehrkonzepte auf digitale Art und Weise vermitteln.              wegten Pause« durch Videos gegeben.                                            Institut für Psychologie
                                So wäre u. a. die Frage nach Soft Skills zu stellen, die                                                                                            in Bildung und Erziehung
                                typischerweise über Präsenzlehre vermittelt werden. Da               Die Verwendung von Online-Lehranteilen kann je nach                            der Westfälischen Wil-
                                                                                                                                                                                    helms-Universität Müns-
                                sich gesamtgesellschaftlich aber ein Trend dahin gehend              Inhalt einen Mehrwert bringen, sollte allerdings mit                           ter. Im BDP engagiert sie
                                abzeichnet, dass ein Teil der Präsenz-Meetings durch                 Bedacht und passend zum Inhalt und den zu vermit-                              sich als Vorsitzende der
                                Video-Meetings ersetzt wird, und somit eine zu erwer-                telnden Kompetenzen geplant werden. Der Ausbau                                 Sektion Aus-, Fort- und
                                                                                                                                                                                    Weiterbildung.
                                bende Kompetenz darin besteht, solche Meetings zu                    der technischen Möglichkeiten (allen voran die Güte
                                leiten bzw. sich darin zu behaupten, lassen sich in On-              der Internetverbindungen in den Homeoffices) und der                           E ute.roeder@uni-muenster.de

                                line-Lehrveranstaltungen ebenfalls relevante Soft Skills             Tools sollte weiter vorangetrieben werden, wobei vor
                                erwerben. Auch die direkte Berufsausübung könnte di-                 allem der Datensicherheit Rechnung zu tragen ist. Mit
                                gitaler werden, indem z. B. Gespräche mit Klientinnen                der Entwicklung und Einbettung von Programmen, die
                                und Klienten videobasiert stattfinden oder Lehrkräfte                auch den Erwerb von prozeduralem Wissen digital ver-
                                ihre Schülerinnen und Schüler digital unterrichten.                  mittelt unterstützen, könnten weitere Vorteile der On-
                                                                                                     line-Lehre ausgeschöpft werden.
                                Die Befürchtung gesundheitlicher Einschränkungen
                                durch noch mehr Bildschirmarbeit ist sicherlich nicht                Dr. Ute-Regina Roeder

                                                                                                                                                                                    Literatur:
                                                                                                                                                                                    Cialdini, R. B. (2017). Psychologie
                                                                                                                                                                                    des Überzeugens (8. Aufl.). Göttin-
reportpsychologie ‹45› 6|2020

                                                                                                                                                                                    gen: Hogrefe.
                                                                                                                                                                                    Hochstein, L., Förster, N. & Sou-
                                                                                                                                                        Foto: Burkhard Roeder

                                                                                                                                                                                    vignier, E. (2011). Verbesserung
                                                                                                                                                                                    der Lerneffektivität beim Grup-
                                                                                                                                                                                    penpuzzle in universitären Semi-
                                                                                                                                                                                    naren [Improving effectiveness
                                                                                                                                                                                    of the Jigsaw in university edu-
                                                                                                                                                                                    cation]. In M. Krämer, S. Preiser
                                                                                                                                                                                    & K. Brusdeylins (Hrsg.), Psycho-
                                                                                                                                                                                    logiedidaktik und Evaluation VIII
                                                                                                                                                                                    (S. 231–239). Aachen: Shaker.
                                Seminar mal anders: Dr. Ute-Regina Roeder in ihrem »Garten-Office«

                                                                                                                                                                                7
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