Einführung in die molekulare Zellbiologie - JGW eV
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Einführung in die molekulare Zellbiologie Uta Hardt, 2018 Dogma der Molekularbiologie Desoxyribonukleinsäure (DNS, engl. DNA) trägt die genetische Information einer Zelle und besteht aus tausenden von Genen (Bakterien/Archaeen: 1.000 - 6.000; Maus/Mensch: 20.000 - 25.000). Jedes Gen bestimmt, wie ein bestimmtes Protein (Synonym: Eiweiß) aussehen soll. Proteine übernehmen wichtige Aufgaben für die Funktion und Struktur einer Zelle. Somit bestimmt der genetische Informationsfluss von der DNA zum Protein die Komposition und dabei die Funktion der Zelle. Diese Informationskette bezeichnen wir als das Dogma (griech. Lehrsatz, Meinung) der Molekularbiologie (Abbildung 1). Die DNA der Eukaryoten (siehe Abschnitt Was ist ein Eukaryot?) befindet sich im Zellkern und ist in Chromosomen organisiert. Die DNA wird vor der Zellteilung verdoppelt, damit jede Tochterzelle einen vollständigen Gensatz besitzt. Wenn ein bestimmtes Protein benötigt wird, wird gezielt das entsprechende Gen in Ribonukleinsäure (RNS, engl. RNA) umgeschrieben (Transkription). Die RNA wird zuerst weiterverarbeitet, indem nicht codierende Teile entfernt werden und der entscheidende Teil gegen Abbau geschützt wird (Prozessierung), und dann aus dem Zellkern heraus geschleust. Außerhalb des Zellkerns werden entsprechend dem genetischen Code Proteine synthetisiert (Translation), die durch komplexes Falten eine Struktur bekommen, die die Funktion des Proteins bestimmt. Was ist ein Eukaryot? Als Eukaryo(n)ten (griech. echter Kern) bezeichnet man alle Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern (lat. Nukleus) besitzen. Im Gegensatz zu Prokaryo(n)ten (griech. vor-Kern), die keinen Zellkern besitzen und die Bakterien und Archaeen umfassen, sind Eukaryoten häufig mehrzellig. Die eukaryotische Zelle ist außerdem größer und in komplexen membranumhüllten Subkompartimenten organisiert. Diese spezialisierten Einheiten nennt man Organellen. Abbildung 1 Stark vereinfachte Übersicht über den Lehrsatz der Molekularbiologie. Beachte: Lehrsätze müssen nicht zwingend der Wahrheit entsprechen! 1
DNA Das DNA-Gerüst formt eine Doppelhelix und besteht aus Basen und einem Zuckerphosphatrückgrat. Die beiden Stränge der Helix sind zueinander komplementär. Das bedeutet, dass jeder Strang als Vorlage für die Synthese des anderen Strangs herreicht. Die strukturgebenden Bausteine der DNA sind Pentosen (Zucker mit 5 Kohlenstoffatomen), Desoxyribosen, die über Phosphodiesterbindungen miteinander verknüpft sind. Diese formen die zwei Stränge des Zuckerphosphatrückgrats an der Außenseite der Doppelhelix. Jede Ribose bindet genau eine der vier Basen: Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) oder Thymin (T). Die komplementären Stränge werden durch Basenpaarung zusammengehalten: G ist immer mit C über drei Wasserstoffbrückbindungen und A ist immer mit T über zwei Wasserstoffbrückenbindungen gepaart (siehe Abbildung 2). Eine Base mit einem Zucker wird als Nukleosideinheit bezeichnet, fasst man die Phosphatgruppe noch mit spricht man von einem Nukleotid. Abbildung 2 Die chemische Struktur der DNA. Das Rückgrat besteht aus Phosphatgruppen (violett) und Zuckern (blau), die in sich wiederholenden Einheiten aneinandergehängt sind und deren Atombindungen eine Helixstruktur, also eine Wendelung des Rückgrates erzeugen (siehe Illustration am linken Rand). Am Zucker hängen Basen, die entweder aus einem Ring (Pyrimidine) oder zwei Ringen (Purine) bestehen. Über Wasserstoffbrückenbindungen (positiv polarisierter Wasserstoff wir von negativ polarisiertem Sauerstoff angezogen) bindet immer eine kleinere Pyrimidinbase an ein größere Purinbase. Cytosin (C, grün) paart mit Guanin (G, gelb), Thymin (T, grau) paart mit Adenin (A, gelb-orange). Chromosomen Denkaufgabe 1: Das Genom einer menschlichen Zelle besteht etwa aus 3,2 x 109 Nukleotiden. Der Abstand zwischen den Zentren von zwei benachbarten Nukleotiden beträgt etwa 0,34 nm. Wir nehmen an, dass der Nukleus einer Zelle kugelförmig ist und einen Durchmesser von 6 μm hat. Suche einen makroskopischen Vergleich für diese mikroskopischen Größenverhältnisse. Wie würdest du den Strang im Raum organisieren? Die Zelle löst dieses Problem mit spezialisierten Proteinen, die DNA binden können und dabei Schleifen und Windungen bilden. Viele dieser Proteine gehören zu der Klasse der sogenannten Histone, die in so großen Mengen vorhanden sind, dass sie der Masse der DNA nicht nachstehen. Den Komplex aus (Histon-)Proteinen und DNA nennt man Chromatin. Ein Oktamer (griech. acht) aus Histonen bildet das Nukleosom, auf das die DNA aufgewickelt ist. Diese Nukleosomen bilden einen elektronenmikroskopisch sichtbaren Chromatinfaden. Dieser Chromatinfaden ist wiederum organisiert in einer Serie von Schlaufen, die letztlich Chromosomen (griech. Farbe, Körper) bilden (siehe Abbildung 3). Ein diploider (griech. doppelt) menschlicher Chromosomensatz enthält im Regelfall 46 Chromosomen inklusive 2
der zwei Geschlechtschromosomen (XX bei Frauen oder XY bei Männern). Die Chromosomen werden oft als X-förmige Strukturen dargestellt. Die beiden Teile oder Arme des Chromosoms werden als Chromatiden bezeichnet und tragen die gleiche genetische Information. Tatsächlich existieren Chromosomen aber nur für einen sehr kurzen Moment in dieser X-Form im Lebenszyklus einer Zelle. Der genaue Zustand der Chromosomen während des Zellzyklus wird im Abschnitt Zellteilung beschrieben. Abbildung 3 Illustration der Verpackung der DNA in Chromosomen. Beschreibung im Text. Quelle: Purves et al., Life: The Science of Biology, 7th edition. Zellteilung Zellteilung ist eine grundlegende Eigenschaft von Zellen und ist die Voraussetzung für Wachstum, Reproduktion (lat. Vervielfältigung) und Regeneration (lat. Erneuerung). Zellteilung erfolgt nach einem einheitlichen Mechanismus. In tierischen Zellen können zwei Teilungsmechanismen beobachtet werden, die Mitose (griech. Faden) und die Meiose (griech. Verminderung), die im Folgenden näher erläutert werden. Mitose Mitose ist ein Teilungsmechanismus, bei dem somatische Zellen verdoppelt werden. Die Periode von einer bis zur nächsten Zellteilung bezeichnet man als Zellzyklus. Der Zellzyklus kann in zwei Phasen unterteilt werden, die Interphase (lat. Zwischenphase) und die Mitose. In der Interphase nimmt das Zellvolumen zu und das genetische Material wird verdoppelt. Die zelluläre Aktivität dieser Phase zeichnet sich durch vielfältige Syntheseprozesse aus, die morphologisch (Morphologie, griech. Gestaltenlehre) unscheinbar sind. Im Gegensatz dazu ist die Mitose morphologisch erkennbar. Bei der Mitose werden die Chromatiden jedes Chromosoms unter Aufbau eines mikrotubulären Spindelapparates auf die Tochterzellen verteilt. Die Mitose wird durch die Durchschnürung des Cytoplasmas, die Cytokinese (griech. 3
Zellteilung), beendet. Die Gesamtdauer des Zellzyklus variiert sehr stark in verschiedenen Zelltypen. Die meisten Säugerzellen teilen sich alle 12 bis 36 Stunden. Somatische (griech. körperliche) Säugerzellen sind diploid, d.h. sie besitzen zwei Chromosomensätze, einen paternal (lat. väterlich) und einen maternal (lat. mütterlich) vererbten Chromosomensatz. Diese Chromosomensätze sind zueinander homolog, d.h. sie besitzen die gleichen Loci (lat. Genorte), aber nicht zwingend die gleichen Allele (griech. gegenseitig) eines Gens. In der Interphase besitzen Zellen einen intakten Kern, dessen Chromosomen nicht als eigenständige Elemente erkennbar sind. Die Interphase ist in drei Stadien eingeteilt: In der G1-Phase (gap, engl. Lücke) findet vermehrt RNA- und Proteinbiosynthese statt. Während dieser Phase liegt jedes der 46 Chromosomen als einzelne Chromatide vor. Jede Chromatide existiert dabei zweimal, eine maternal und eine paternal vererbte. Die DNA-Menge wird mit 2c (copies, engl. Kopien) angegeben. In der darauffolgenden S-Phase (synthesis, engl. Synthese) wird die DNA re(du)pliziert (lat. verdoppelt). Die DNA-Menge steigt dabei kontinuierlichen von 2c auf 4c. Am Ende der S- Phase liegt jedes der 46 Chromosomen damit mit zwei Chromatiden vor. Die G2-Phase ist wieder durch RNA- und Proteinbiosynthese gekennzeichnet. Die DNA-Menge von 4c bleibt während der G2-Phase bis zur Mitose erhalten. Zellen, die nach der G1-Phase keine DNA- Replikation und damit keine Mitose einleiten, verbleiben in der sogenannten G0-Phase. Beispiele für Zellen im G0-Stadium sind die Lymphozyten im Blut, die sich nur vorübergehend nicht teilen, oder Nervenzellen, die ihre Teilungsfähigkeit weitesgehend verloren haben. Das Mikrotubulinzytoskelett wird von den sogenannten Centrosomen organisiert (engl. Microtubule organizing centers, MTOCs). Der Grundbaustein der Mikrotubuli ist das Protein Tubulin. Durch die Anlagerung von zwei verschiedenen Tubulinen enstehen Heterodimere, die wiederum durch Aneinanderlagerung fadenförmige Aggregate, Protofilamente, bilden. Mikrotubuli sind Röhrchen, die meistens aus 13 Protofilamenten bestehen. Diese Mikrotubuli sind im Centrosom verankert. Das Centrosom besteht aus einem Centriol, das in das perizentrioläre Material (PCM) eingelagert ist. Das Centriol besteht wie das Zytoskelett aus Mikrotubuli. Die Zusammensetzung des PCM ist komplex und über den Zellzyklus hinweg variabel. In der G1-Phase von tierischen Zellen liegen die beiden Centriolen eines Centrosoms im rechten Winkel zueinander und in der Nähe des Zellkerns. Im weiteren Verlauf entfernen sich die sogenannten Elterncentriolen voneinander. In der S-Phase wird senkrecht zu den zwei Elternzentriolen kontinuierlich je eine Tochtercentriole ausgebildet, die als Diplosomen aus je zwei Centriolen in der G2-Phase bis zur Mitose erhalten bleiben. Der Zellzyklus wird auf komplexe Art von Proteinen reguliert. Eine zentrale Rolle wird dabei den Cyclinen zugeschrieben, die zyklisch in ihrer Konzentration variieren. Im Zellzyklus gibt es zwei konzeptionelle Restriktionspunkte in der G1- und der G2-Phase, wo über das weitere Schicksal der Zelle entschieden wird. Diese Restriktionspunkte stellen sicher, dass keine geschädigte bzw. unvollständig replizierte DNA vorliegt, bevor die S-Phase bzw. die Mitose eingeleitet wird. Die Mitose in höheren Eukaryoten lässt sich konzeptionell in 5 Stadien einteilen: die Prophase (griech. vor), die Prometaphase (griech. vor/zwischen), die Metaphase (griech. zwischen), die Anaphase (griech. auf/auseinander) und die Telophase (griech. Ziel). 4
Während der Prophase kondensieren die Chromosomen, die als individuelle Einheiten innerhalb des intakten Zellkerns vorliegen. Die Centrosomen wandern entlang der Kernmembran bis sie an gegenüberliegenden Polen des Zellkerns zu liegen kommen, von wo sie den Spindelapparat aus Mikrotubuli organsieren. Dabei werden die polaren Mikrotubuli auch als Astern bezeichnet. In der Prometaphase beginnt sich die Kernmembran aufzulösen und die Mikrotubuli strahlen in den Kerninnenraum ein. Spindelmikrotubuli weisen eine sehr hohe dynamische Instabilität auf. Das heißt, dass das gesamte Mikrotubuligerüst des Spindelapparates binnen 20-30s vollständig umgebaut ist (siehe Video). Diese Eigenschaft macht die Suche nach Chromosomen zur Anheftung sehr effizient. Der Kontakt zwischen Chromosom und Mikrotubulus wird durch Proteine im Chromatin stabilisiert. In der Metaphase ist die Kernmembran vollständig zerfallen und man spricht von der offenen Mitose. Die Chromosomen sind während der Metaphase in der Äquatorialebene zwischen den Spindelpolen angeordnet. Man bezeichnet diese Anordnung, die senkrecht zur Spindelachse liegt, auch als Metaphaseplatte. Bei genauerer Betrachtung liegen insbesondere die Centromere der Chromosomen, die als Einschnürung erkennbar sind, in dieser Ebene. Die Centromere sind die Chromosomensegmente, die mit dem Spindelapparat interagieren. Sie bestehen in der Regel aus repetitiven nicht transkribierten DNA Abschnitten. Ähnlich wie die Centrosomen sind auch die Centromere in Proteine eingelagert. Diese sogenannten Kinetochore (griech. Bewegungsort) sind platten- oder kugelförmig und dienen den Spindelmikrotubuli als Ansatzstellen. Die polwärtige Ausstattung von Kinetochoren auf beiden Chromatiden eines Chromosoms wird für die Anordnung in der Äquatorialebene zwischen den Centrosomen verantwortlich gemacht. In der Anaphase wird jede Chromatide eines Chromosoms über den Spindelapparat polwärtig zu den entgegengesetzten Spindelpolen mit einer Geschwindigkeit von 1 µm/min transportiert. Die zwei wandernden Chromatidensätze werden analog zur Metaphaseplatte auch als Anaphaseplatten bezeichnet. Außerdem vergrößert sich während der Anaphase der Abstand zwischen den beiden Spindelpolen, der zu einer Spindelstreckung führt. Das Spindelmikrotubulinsystem im Bereich der Äquatorialebene ist so streng angeordnet, dass der Eindruck eine Parakristalls entsteht. Schließlich beginnt mit der Telophase der Abbau der Kinetochormikrotubuli, es bilden sich die Kernmembranen der Tochterkerne und das Chromatin dekondensiert. Die Cytokinese setzt am Ende der Mitose ein. Die Teilungsebene wird durch die Lage der Spindelpole festgelegt und liegt in der Ebene, in der auch die Metaphaseplatte entsteht. Man vermutet, dass jede Zelle etwa gleiche Anteile der cytoplasmatischen Zellbestandteile erhält. Zu diesen Bestandteilen gehören die Mitochondrien, der Golgi Apparat (nach dem Entdecker Camillo Golgi) und das endoplasmatische (griech. Eigenplasma) Reticulum (lat. Netz). Die enstehende Einstülpung der Zellmembran wird als Teilungsspalt bezeichnet. Die Cytokinese verläuft in der Regel symmetrisch, d.h. dass beide Tochterzellen das gleiche Volumen erhalten. Es gibt aber auch Ausnahmen, z.B. während der Embryogenese von Invertebraten (lat. Wirbellose). Der kontraktile Ring, der zur Cytokinese führt, besteht aus Aktinfilamenten (lat. Aktinfäden), die mit dem Motorprotein Myosin überlappen. Aktin ist ein Protein, das ähnlich wie Tubulin fadenförmig polymerisiert. Der kontraktile Ring liegt unmittelbar unterhalb der Zellmembran. Durch Kontraktion dieses Rings schnüren sich die Tochterzellen voneinander ab. Allerdings kann der Ring die streng angeordneten Mikrotubulibündel des Spindelapparates nicht zertrennen, sodass die Reste dieses Bestandteils auf eine Tochterzelle übertragen werden. 5
Abschließend lässt sich feststellen, dass die Mitose die Zahl der Chromosomen während des Zellzyklus konstant hält. Im obigen Text sind einige Begriffe durch Unterstreichen hervorgehoben. Beschriftet die folgenden Abbildungen mit diesen Begriffen! 6
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Meiose Im Gegensatz zur Mitose wird die genetische Information bei der Meiose halbiert. Bei der Meiose betrachtet man zudem nicht den Teilungsmechanismus während eines Zellzyklus, sondern während des sexuellen Entwicklungszyklus. Dieser erstreckt sich über Generationen beginnend mit der Befruchtung der Eizelle bis zur Produktion von eigenen Nachkommen. Das Bedeutungsgewicht, das der sexuellen Fortpflanzung dabei zukommt, wird dadurch verdeutlicht, dass der Fortpflanzung ein komplettes Organsystem zugeordnet ist, das für das Individuum andernfalls völlig nutzlos ist. In den Geschlechtsorganen entwickeln sich die Gameten (griech. Keimzellen), die ohne die Hilfe von den umliegenden somatischen Zellen zu Grunde gingen. Gameten enstehen im Zuge einer Meiose und tragen reduzierte Information in einem haploiden (griech. einfach) Chromosomensatz. Durch die Befruchtung der Eizelle entsteht wieder eine Zygote (griech. vereint) mit einem diploiden Chromosomensatz (Abbildung 4), die das Potenzial hat, einen vollständigen Organismus zu bilden. Denkaufgabe 2: Warum kann die asexuelle Fortpflanzung mitotisch ablaufen, wohingegen die sexuelle Fortpflanzung meiotisch ist? Der Meiose geht eine Interphase voraus, während der jedes Chromosom sein genetisches Material verdoppelt. Dieser Vorgang ist der Chromosomenreplikation vor der Mitose ähnlich. Aus jedem Chromosom gehen zwei genetisch identische Schwesterchromatiden hervor, die durch ihre Centromere miteinander verbunden sind. Die Centrosomen replizieren sich ebenfalls. Die meiotische Prophase I dauert länger und ist komplexer als die Prophase der Mitose. Die Chromosomen beginnen sich zu verdichten, und die homologen Chromosomen – jede bestehend aus zwei Schwesterchromatiden – paaren sich. Dieser Vorgang wird Synapsis bezeichnet. Dabei verbindet eine Proteinstruktur – der Synaptonemal-Komplex – die beiden homologen Chromosomen entlang deren Längsachse. Wenn der Synaptonemal-Komplex in der späten Prophase verschwindet, wird jedes Chromosomenpaar im Mikroskop als Tetrade sichtbar, einem Komplex aus vier Chromatiden. Über das ganze Chromosom verteilt überkreuzen sich die Chromatiden homologer Chromosomen. Diese Überkreuzungen werden Chiasmata genannt. Die Chiasmata halten die homologen Chromosomenpaare bis zur Anaphase I zusammen. Die Chromosomen tauschen an den Chiasmata Segmente aus. In der Zwischenzeit bereiten sich andere zelluläre Komponenten für die Kernteilung in ähnlicher Weise vor, wie dies bei der Mitose zu sehen ist. Die Centromere weichen voneinander, und Spindelmikrotubuli werden zwischen ihnen ausgebildet. Die Kernmembran löst sich auf. Schließlich nehmen die Spindelmikrotubuli Kontakt mit den Kinetochoren auf und die Chromosomen beginnen die Ausbildung der Metaphaseplatte. Die Prophase I belegt typischerweise 90% der Zeit, die für die Meiose benötigt wird. Die Chromosomen sind nun auf der Metaphaseplatte angeordnet, und noch immer sind die Homologen gepaart. Die Kinetochormikrotubuli des einen Zellpols sind mit je einem 8
Chromosom jedes Paares verbunden, während Mikrotubuli des anderen Zellpols mit dem jeweils anderen Chromosom Kontakt aufnehmen. Wie bei der Mitose transportiert der Spindelapparat die Chromosomen während der Anaphase I zu den Polen. Die Schwesterchromatiden bleiben jedoch über ihr Centromer miteinander verbunden und bewegen sich als eine Einheit zum selben Pol. Die homologen Chromosomen bewegen sich zum entgegengesetzten Pol. Dies ist anders als während der Mitose. In der Mitose erscheinen die Chromosomen eher einzeln auf der Metaphaseplatte anstatt in Paaren, und es werden die Schwesterchromatiden jedes Chromosoms getrennt. Während der Telophase I fährt der Spindelapparat fort, die homologen Paare zu trennen, bis die Chromosomen schließlich die Zellpole erreichen. An jedem Pol sammelt sich nun ein haploider Satz, aber jedes Chromosom – die jetzt in Wirklichkeit nicht mehr einzeln zu erkennen sind – besteht immer noch aus zwei Chromatiden. Gewöhnlich ereignet sich die Cytokinese gleichzeitig mit der Telophase I, wobei zwei Tochterzellen gebildet werden. Bei Tierzellen ensteht durch Einschnüren der Plasmamembran eine Teilungsfurche. Vor dem Abschluss der Meiose II erfolgt nun keine weitere Replikation des genetischen Materials. In der Prophase II bildet sich ein neuer Spindelapparat, und die Chromosomen bewegen sich zur Metaphaseplatte. Die Chromosomen ordnen sich auf der Metaphaseplatte an wie bei einer Mitose, wobei die Kinetochore der Schwesterchromatiden jedes Chromosoms zu entgegengesetzten Polen zeigen. In der Anaphase II trennen sich die Schwesterchromatiden am Centromer und bewegen sich zu entgegengesetzten Zellpolen. Während der Telophase II beginnen sich an den beiden Zellpolen die Kerne zu bilden, und es findet Zytokinese statt. Es sind nun vier Tochterzellen vorhanden, wovon jede einen haploiden individuellen Chromosomensatz trägt. Abbildung 4 Der menschliche Chromosomensatz oder Karyotyp (griech. Kerngepräge) mit 23 diploiden Chromosomen. Beachte, dass die Chromosomen verschieden gefärbt/ gebändert sind und unterschiedlich groß sind. Auch die Lage des Centromers ist unterschiedlich. 9
Denkaufgabe 3: Wie sieht das Karyogramm eines Patienten mit Downsyndrom aus und wie heißt die entsprechende Chromosomenabberation (lat. Abweichung)? In welcher Phase der Meiose kann eine solche Chromosomenabberation entstehen? Recherchiere gerne im World Wide Web. Zum Abschluss sollen hier noch einmal die grundlegenden Unterschiede der Mitose und der Meiose zusammengefasst werden: Die Chromosomenzahl wird bei der Meiose auf die Hälfte reduziert, nicht aber bei der Mitose. Die genetischen Konsequenzen dieses Unterschiedes sind wichtig. Während durch die Mitose zwei Zellen entstehen, die genetisch identisch mit der elterlichen somatischen Zelle sind, gehen aus der Meiose vier Zellen hervor, die sich genetisch sowohl von der elterlichen Gameten und als auch untereinander unterscheiden. RNA RNA besteht genauso wie DNA aus Nukleotiden, die miteinander verbunden sind. Ein Nukleotid besteht aus einer Base, einem Zucker und einem Phosphatrest. Trotzdem gibt es Unterschiede zwischen DNA und RNA: - Während DNA aus zwei komplementären Strängen besteht und eine Doppelhelix bildet, ist RNA einzelsträngig und nimmt verschiedene Formen an. - Die vier Basen der DNA Nukleotide sind Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin. Bei RNA wird Thymin durch Uracil (U) ersetzt. - Die Pentose in DNA ist Desoxyribose, wohingegen die Pentose in RNA Ribose ist. Es gibt drei Haupttypen von RNA: 1. messenger-RNA (mRNA), eine Blaupause der DNA, die die DNA Information zur Proteinsynthese übermittelt. 2. ribosomale RNA (rRNA), die zusammen mit Proteinen Ribosomen (siehe Proteinbiosynthese/Translation) bilden. 3. transfer-RNA (tRNA), die zur Proteinsynthese Aminosäuren zum Ribosom liefern. Proteinbiosynthese Die drei Teile der Proteinbiosynthese, postuliert im Dogma der Molekularbiologie, werden in den folgenden Videos näher beschrieben. Transkription: https://www.youtube.com/watch?v=Fy_3gpIkoNs Prozessierung: https://www.youtube.com/watch?v=HSdK7l9Qk1w Translation: https://www.youtube.com/watch?v=3wFfj6D0_nQ Proteine Proteine (=Eiweiße) sind wichtige Effektormoleküle und entscheidend für die Expressionsregulation des verfügbaren genetischen Materials. Sie stabilisieren Zellen, lesen Gene ab oder werden als Signale an andere Zellen versandt. In diesem Abschnitt wird 10
erklärt, wie ein Protein aufgebaut ist, welche Strukturen es annehmen kann und in welche Klassen wir Proteine einteilen können. Aminosäuren Wie in den Videos zur Proteinbiosynthese gezeigt, bilden Ketten von Aminosäuren (engl. amino acid, AA) die Peptide. Längere Peptide mit mehr als 100 AA werden als Proteine bezeichnet. In Proteinen verbinden sich Aminosäuren derartig, dass ein repetitives Stickstoff-Kohlenstoff-Kohlenstoff-Rückgrat das gesamte Protein durchzieht. An diesem Rückgrat stehen in regelmäßigen Abständen Reste ab, die je nach AA variieren können (Abbildung 5). Diese Reste sind es, die durch ihre chemische Eigenschaften einen wesentlichen Teil der Struktur des Proteins bestimmen. So gibt es zum Beispiel hydrophile Reste, die mit einer wässrigen Lösung interagieren können (z. B. Serin, Glutamin) und deshalb bevorzugt auf Proteinoberflächen liegen, denn die zelluläre Umwelt ist zumeist wässriger Natur. Auch gibt es hydrophobe Reste, die von Wasser abgestoßen werden (z. B. Valin und Alanin), die bevorzugt im Inneren von Proteinen und in Membranproteinen (zelluläre Membrane sind Lipiddoppelschichten) positioniert sind. Weitere Reste bilden starke Ionenbindungen (z. B. Glutamat, Arginin) oder sogar echte Atombindungen (ausschließlich Cystein). Menschliche Zellen verwenden 20 Aminosäuren in ihren Proteinen. In der wissenschaftlichen Literatur werden sie in einer Kurzschreibweise dargestellt, die entweder aus drei oder sogar nur aus einem Buchstaben besteht. Alanin mit dem Rest -CH3 zum Beispiel wird als Ala oder schlicht mit A abgekürzt. Solche Tabellen muss man nicht wissen, denn es gibt sie tausendfach im Web abzurufen. Abbildung 5 Das Rückgrat eines Proteins. Die gestrichelten Kästchen grenzen einzelne Aminosäuren voneinander ab, die an den Stellen der Peptidbindung (roter Kreis) miteinander verbunden sind. Die Aminosäuren unterscheiden sich voneinander durch die chemischen Gruppen, die an der Reststelle (grauer Kreis) angehängt sind. Struktur der Proteine Die Abfolge der Aminosäuren bestimmt die Form oder Konformation des Proteins. Dabei ist der Faltungsvorgang selbst derart komplex, dass selbst mit Hochleistungscomputern nicht die endgültige Konformation aus der Aminosäuresequenz bestimmt werden kann. Die Konformation wird durch vielerlei Wechselwirkungen zwischen Resten des Proteinrückgrates festgelegt, wobei das fertige Protein zumeist ein energetisches Minimum erreicht. Die komplexe Form der Proteine wurde der Einfachheit halber in verschiedene Strukturklassen unterteilt, die in Abbildung 6 dargestellt sind. Die Primärstruktur beschreibt die bloße Abfolge der Aminosäuren. Um die beiden Enden der AA-Kette unterscheiden zu können, sprechen wir von einem N-Terminus (dort, wo die Kette mit einem Stickstoff- Atom beginnt, siehe Abbildung 5) und einem C-Terminus (dort, wo die Kette mit einem 11
Kohlenstoffatom endet). Die Sekundärstruktur ergibt sich aus Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den AA, die nicht von den Resten erzeugt werden, sondern vom Sauerstoff am C-terminalen Kohlenstoff einer jeden AA und dem Wasserstoff am Stickstoffatom. Aus diesen Wechselwirkungen resultieren zwei mögliche Formen der AA- Kette: die α-Helix und das β-Faltblatt. Die Wechselwirkungen zwischen den Resten der AA, die oben geschildert wurden, spielen auf der nächsten Komplexitätsebene die entscheidende Rolle, der Tertiärstruktur. Abbildung 6 Konfigurationen eines Proteins. Primärstruktur = Abfolge der AA; Sekundärstruktur = alpha-Helix und beta- Faltblatt; Tertiärstruktur = Interaktion der AA-Reste. Wenn wir als Forscher mehr über die Struktur oder Funktion eines Proteins erfahren wollen, so verwenden wir häufig die Seite http://uniprot.org. Mit dieser Seite lassen sich folgende Aufgaben lösen: Welche Primärstruktur oder Sequenz besitzt die Homeobox protein Hox- B13? Suche nach dem Protein, indem du die Abkürzung HXB13_HUMAN im Suchfeld von Uniprot eingibst. Welche Strukturelemente der Sekundärstruktur erkennst du wieder? Schaue dir auch die gefaltete Struktur als Bild unter https://www.ebi.ac.uk/pdbe/entry/pdb/5EGO an. Findest du die α-Helices und die DNA? Welches andere Homeobox Protein heterodimerisiert mit dem Homeobox Protein B13? Proteinfunktion Proteine sind die zentralen Bausteine jeder Zelle. Eine Übersicht über die mannigfaltigen Proteinfunktionen gibt folgende Tabelle. Klasse Funktion Beispiel Strukturproteine Bausteine von Zellen und Aktin ist ein Strukturprotein Geweben des Zytoskeletts Signalproteine Signalübertragung zwischen Wnt-Faktoren regulieren eine oder innerhalb von Zellen Vielzahl von Entwicklungsprozessen Regulatorische Proteine Transkriptionsfaktoren, die Oct-4 ist Teil eines Cocktails DNA binden und dabei Gene mit dem Stammzellen an und ausschalten induziert werden Transportproteine Transport kleiner Moleküle Connexine tragen zum oder Ionen interzellulären Signalaustausch über die Membran hinweg bei Enzyme Katalyse biochemischer Hyaluronidase kann Reaktionen extrazelluläre Matrix des Bindegewebes verdauen 12
Denkaufgabe 4: Welcher Klasse in dieser Tabelle ist das oben genannte Homeobox Protein B13 zuzuordnen? Recherchiere gerne auf Uniprot! Einführung in die Immunologie Die konstante Interaktion mit der Umwelt hat zur Ausbildung eines komplexen Immunsystemes geführt. Das menschliche Immunsystem besteht konzeptionell aus zwei Teilen, dem angeborenen Immunsystem, das eine erste unspezifische Barriere bildet, und dem adaptiven Immunsystem, das ein Gedächtnis besitzt. Angeborenes Immunsystem Das angeborene Immunsystem dient der schnellen Abwehr jeglicher Erreger. Die ersten Barrieren, die vor Erregern schützen, sind physikalischer, chemischer und mechanischer Natur: die Haut trennt uns physikalisch von unserer Umwelt, die Magensäure zersetzt mögliche Erreger, die mit der Nahrung aufgenommen werden chemisch, und der Niesreiz hält unsere Lunge von Partikeln mechanisch frei. Wenn ein Erreger diese Barrieren überquert hat und in das Gewebe eindringt, werden spezielle Immunzellen aktiv. Zu diesen Immunzellen gehören Granulozyten, Makrophagen (griech. Fresszellen) und natürliche Killerzellen (Abbildung 7). Zu den Hauptaufgaben der Granulozyten und Makrophagen gehört es, einen Entzündungsherd zu etablieren und mit Enzymen die Erreger anzugreifen und zu verdauen. Die primäre Aufgabe natürlicher Killerzellen ist es, infizierte körpereigene Zellen abzutöten, sodass sich ein Erreger nicht weiter ausbreiten kann. Abbildung 7 Granulozyt (links), Macrophage (mittig) und natürlicher Killerzelle (rechts) gehören zum angeborenen Immunsystem. Quelle: https://images.fineartamerica.com/images-medium-large-5/immune-cells-illustration-spencer- sutton.jpg Adaptives Immunsystem Das adaptive Immunsystem ist ein individuell spezialisiertes Immunsystem, das Erreger- spezifisch reagiert. Es entwickelt sich erst nach der initialen Immunantwort des angeborenen Immunsystems, hilft aber bei einer wiederkehrenden Infektion schnell und gezielt die Immunabwehr zu verstärken. Zu den spezialisierten Zellen des adaptiven Immunsystems gehören die dendritischen (griech. Baum) Zellen, zwei Arten von T- Lymphozyten (griech. weiße Blutzellen) und die B-Lymphozyten (Abbildung 8). Dendritische 13
Zellen haben eine vergrößerte Oberfläche, mit der sie Antigene des Erregers aufnehmen können. Nach der Prozessierung der Antigene präsentieren sie den T-Helfer Lymphozyten Erreger-spezifische Peptide. T-Helfer Lymphozyten, die diese Erreger erkennen, werden positiv selektioniert und helfen die Immunantwort der B-Lymphozyten zu verstärken. Die Hauptaufgabe von B-Lymphozyten ist die Produktion von Antikörpern. Diese können extrazellulär Erregerantigene spezifisch binden, sodass der Organismus den Erreger schneller erkennen und eliminieren kann. Zytotoxische T-Lymphozyten identifizieren Erreger-spezifisch infizierte Zellen und töten sie ähnlich wie natürliche Killerzellen ab. Abbildung 8 Dendritische Zelle (links), T-Zelle (mittig), B-Zelle (rechts) gehören zum adaptiven Immunsystem. Quelle: https://images.fineartamerica.com/images-medium-large-5/immune-cells-illustration-spencer-sutton.jpg Motivation! Geschafft! Raucht euch jetzt der Kopf? Macht euch keine Sorgen, wenn ihr irgendwo nicht weitergekommen seid. Mit Sicherheit habt ihr jetzt mehr Fragen als zuvor. Entweder ihr hebt euch eure Fragen bis zur Akademie auf, wo wir unser bestes geben werden, sie gut zu beantworten. Oder ihr schreibt uns eure Fragen an uta-hardt[at]msn[dot]com. Bis zum 23. Juli 2018 in Papenburg! Viele Grüße, Eure Kursleiter Uta und Johanna 14
Quellen und Anmerkungen Molecular Biology of the Cell; Alberts, Johnson, Lewis, Raff, Roberts, Walter; 52008, Garland Science. http://www.nobelprize.org/educational/medicine Taschenlehrbuch Biologie; Munk; 12008, Thieme. Biologie; Campbell, Reece, Markl; 62006, Pearson Studium. http://www.jörn-online.de/ https://study.com/academy/course/high-school-biology-help-course.html http://www.zum.de/ Anmerkungen: - Der Text zur Mitose orientiert sich stark am Taschenlehrbuch Biologie, der Text zur Meiose ist beinahe gänzlich einer Abbildung aus dem Lehrbuch Biologie entnommen. - Florian Schober hat den Text zu den Proteinen verfasst. 15
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