Von "Abendmahl" bis "Zwei-Quellen-Theorie" - Wörterbuch für Mitarbeitende in Verkündigung und Gottesdienst

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Von „Abendmahl“
bis „Zwei-Quellen-Theorie“

   Wörterbuch für Mitarbeitende
         in Verkündigung
         und Gottesdienst

              Herausgegeben von der
     Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste
                      Berlin
Impressum
               Herausgegeben von der
    © Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste
             im Diakonischen Werk der
        Evangelischen Kirche in Deutschland
               Reichensteiner Weg 24
                   14195 Berlin
                  ( 030/83001 309
                  2 030/83001 333
          email: amd.roschke@diakonie.de
   Redaktion: Peter von Baggo, Hermann Birschel,
Hermann Kiedaisch, Ursula Schamberger, Elke Wöllner
          Verantwortlich: Volker Roschke

                                                      2
Herstellung: Grafische Werkstätte der Gustav Werner Stiftung, Reutlingen
                            1. Auflage 1998

                                                                           3
Inhaltsverzeichnis

 Impressum                                                           2
 Inhaltsverzeichnis                                                  4
 Vorwort                                                             6
 Zum Gebrauch                                                        7

I. BIBEL UND BIBELAUSLEGUNG                                         8
 Biblische Bücher                                                    9
 Charisma                                                           10
 Christologie                                                       11
 Eschatologie                                                       13
 Exegese                                                            14
 Formen und Gattungen                                               15
 Gottesnamen                                                        17
 Hermeneutik                                                        17
 Offenbarung                                                        19
 Pentateuch                                                         19

II. GOTTESDIENST UND LITURGIE                                       22
 1. Gottesdienstformen                                              23
    a) Der Gottesdienst an Sonn- und Festtagen                      23
    b) Andere Gottesdienste                                         23
 2. Die Liturgie                                                    27
    a) Grundlegende und allgemeine Begriffe                         27
    b) Der Gottesdienst nach der Grundform I                        28
 3. Die Kirche und die sakralen Gegenstände                         39
    a) Die Kirche als Bau mit ihrer Einrichtung                     39
    b) Die sakralen Dinge bei Taufe und Abendmahl: die Vasa sacra   41
    c) Die Kleidung                                                 42
 4. Lieder und Musik im Gottesdienst                                42
    a) Musikalische Übersicht für den Gottesdienst                  42
    b) Die Zusammenarbeit mit dem Chor                              43
    c) Die Zusammenarbeit mit dem Organisten                        45
 5. Das Kirchenjahr                                                 45

III. PREDIGT                                                        49
 Predigtaufbau                                                      50
 Homiletik                                                          51
 Perikope                                                           51
 Predigttypen                                                       52
 Rhetorik                                                           53

IV. THEOLOGIE UND KIRCHE                                            55
 Ämter                                                              56
  Das Amt                                                           56
                                                                     4
Die Ämter                         56
  Laien                             57
Bekenntnis                          57
Dogmatische Begriffe                58
  Anthropologie                     58
  Dogma                             59
  Ethik                             59
  Theologie                         60
  Rechtfertigung                    61
  Sakrament                         61
Kirchen / Konfessionen              62
  Freie Gemeinden                   62
  Freikirchen                       62
  Katholische Kirche                63
  Lutherische Kirchen               63
  Orthodoxe Kirchen                 64
  Reformierte Kirchen               64
  Unierte Kirchen                   65
Religiöses                          65
  Esoterik                          65
  Säkularisation, Säkularisierung   66
  Synkretismus                      66
Theologische Strömungen             66
  Befreiungstheologie               66
  Charismatische Bewegung           67
  Chiliasmus                        67
  Feministische Theologie           67
  Fundamentalismus                  67
  Liberale Theologie                68
  Lutherische Orthodoxie            68
  Pietismus                         68
Liste der Mitarbeitenden            69
Literatur                           70
Stichwortverzeichnis                71

                                     5
Vorwort

„Wir haben vor, ein Heft mit Erklärungen theologischer Fachausdrücke für Lektoren herauszubrin-
gen. Welche Begriffe hätten Sie gerne erklärt?“ So fragte einer von uns in einer Lektorenrunde.
Nicht wenige Fachausdrücke wurden genannt. Nur einer scherte aus der Reihe und grummelte: „Re-
det Ihr Theologen so, daß es ein normaler Mensch versteht. Dann braucht Ihr kein Wörterbuch für
Laien herzustellen.“
Recht hat er. Weshalb haben wir uns trotzdem an ein „Lektorenlexikon“ gemacht?
Es war in Görlitz. Wir Beauftragten für die Lektoren- und Prädikantenarbeit in den Landeskirchen
der EKD haben uns bei unserem jährlichen Treffen gefragt: Gibt es eine spezifische Lektoren-
Homiletik? Also eine Art zu predigen, die den Lektorinnen und Prädikanten eigen ist und durch die
sie sich in Predigtansatz und Predigtweise von den Theologen unterscheiden?
Wir fanden weder zu einem Ja noch zu einem Nein. Wir waren uns lediglich einig, daß die Lektoren
meistens weniger bei der Theologie ansetzen, sondern eher bei der Frage: Was sagt dieser Text uns?
Wo hat er mit unserem Leben zu tun? Das ist die Stärke der Lektoren. Wir wollen es fördern, daß
sie weiterhin ihren besonderen Beitrag zur Verkündigung der Kirche leisten können. Wir waren uns
jedoch ebenso einig, daß für diese wichtige Art der Verkündigung eine fachliche Qualifizierung
nötig ist.
Zu ihr gehört auch die Kenntnis von Fachausdrücken, die im Lauf der Zeit im Umfeld der Verkün-
digung und des Gottesdienstes entstanden sind. Manche gehen schon auf die alte Kirche zurück
(z.B. Perikope). Andere Begriffe (z.B. das Nicaenische Glaubensbekenntnis) heißen nach Städten
und sind beim besten Willen nicht nach einer uns näher liegenden Stadt zu benennen. Wieder ande-
re Begriffe stammen aus anderen Fachgebieten (z.B. Rhetorik), in denen die Theologie keinen
Einfluß auf die Namensgebung nehmen konnte. So läßt es sich gar nicht vermeiden, daß auch
Nichttheologen im Verkündigungsdienst mit Fachausdrücken zu tun bekommen. Damit aber die
Prädikantinnen und Lektoren nicht auf Lexika angewiesen sind, die sie nur mit Hilfe anderer Lexika
lesen können, haben wir uns zur Herausgabe dieses Wörterbuches entschlossen.
Wir hoffen, damit eine Form gefunden zu haben, die dem Bedürfnis nach verständlicher Grundin-
formation nachkommt. Literaturangaben sollen zu gründlicherer Weiterarbeit anregen.
Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen, die Artikel für dieses Lexikon geschrieben haben. Und
wir danken allen Prädikantinnen und Lektoren, die zum Gegenlesen der Artikel bereit waren. Haben
Sie Anregungen für eine evtl. Neuauflage oder Ergänzungslieferung, so bitten wir Sie, diese an die
„Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste“ zu senden.
Viel Freude am biblischen Wort und seiner Verkündigung, an Gottesdienst und Liturgie, an Theolo-
gie und Kirche wünscht Ihnen das Redaktionsteam

       Peter von Baggo
       Hermann Birschel
       Hermann Kiedaisch
       Ursula Schamberger
       Elke Wöllner

       Für die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste:
       Volker Roschke

                                                                                                    6
Zum Gebrauch

Das Lexikon ist nach vier Sachgebieten geordnet:
       − Bibel und Bibelauslegung
       − Gottesdienst und Liturgie
       − Predigt
       − Theologie und Kirche
Die inhaltliche Gliederung dieser vier Themenbereiche finden Sie am Anfang des Buches. Dieses
Inhaltsverzeichnis kann Ihnen helfen, bestimmte Sachgebiete zu erschließen. Suchen Sie einen
bestimmten Begriff, so hilft Ihnen das Stichwortverzeichnis am Schluß des Buches. Alle Begriffe,
die im Stichwortverzeichnis stehen, sind auf der angegebenen Seite fett gedruckt. So ist die Stelle,
an der sie erklärt werden, leicht zu finden. Kommen in der Beschreibung Fachausdrücke vor, die in
diesem Heft erläutert werden, so sind diese mit einem à gekennzeichnet. Der Ort der Erklärung ist
wiederum über das Stichwortverzeichnis zu finden.
Häufig wiederkehrende Hilfswörter haben wir in der üblichen Weise abgekürzt (z.B. = zum Bei-
spiel). Biblische Bücher sind ebenfalls abgekürzt und zwar so, wie es in der revidierten Lutherbibel
praktiziert wird. Den meisten Bibelausgaben ist ein Verzeichnis der Abkürzungen biblischer Bücher
vorangestellt. Deshalb erschien uns ein Abkürzungsverzeichnis überflüssig.
An die inklusive Redeweise haben wir auch gedacht. Begriffe, die es in beiden Geschlechtern gibt,
sind in der Regel bei ihrem ersten Vorkommen in der weiblichen und der männlichen Form ge-
schrieben, an weiteren Stellen aber in der bisher üblichen Weise.
Über die Geschäftsstelle der „Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste“ ist auch eine Disketten-
version erhältlich.

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I. Bibel und Bibelauslegung

                              8
Biblische Bücher
Das griech. Wort „Bibel“ bedeutet auf deutsch „Buch“. Die christliche Bibel wird eingeteilt in das
Alte und das Neue Testament (lat. = Verfügung, Bund). Man nennt die Bibel auch „Wort Gottes“.
Zum Verhältnis von Gotteswort und Menschenwort à Hermeneutik.
Einige Bücher der Bibel haben neben den uns bekannten Namen noch weitere, so z.B. die fünf Bü-
cher Mose. Die letzteren werden zusammengefaßt unter dem Begriff à Pentateuch.
Den Verfasser des à Deuteronomiums (à Pentateuch) nennt man den Deuteronomisten, die Bü-
cher Josua bis 2. Könige entsprechend deuteronomistisches Geschichtswerk, da sie einen gemein-
samen theologischen Hintergrund haben und vermutlich im Zusammenhang mit dem Deuteronomi-
um entstanden sind.
In späterer Zeit entstand ein weiteres Werk, das Chronistische Geschichtswerk. Es besteht aus den
beiden Büchern der Chronik sowie den Büchern Esra und Nehemia.

Am Anfang der à Propheten stehen die drei großen Bücher: Jesaja, Jeremia und Hesekiel. Letzte-
rer heißt nach einer anderen sprachlichen Überlieferung auch Ezechiel. Das Jesajabuch enthält Ü-
berlieferungen von zwei oder drei Propheten, die man entsprechend (Proto-) Jesaja (proton; griech.
= erster; Kap. 1-39), Deuterojesaja (griech. = zweiter Jesaja; Kap. 40-55) und Tritojesaja (griech.
= dritter Jesaja; Kap. 56-66) nennt.
Die zwölf ‘kleinen Propheten‘ von Hosea bis Maleachi wurden ebenso wie die drei ‘Jesaja-
Bücher’ gemeinsam auf einer Schriftrolle zusammengefaßt. Darum nennt man sie auch Dode-
kapropheton (griech. = zwölf Propheten).
Unter Schriftpropheten versteht man jene, deren Prophetie in eigenen Büchern überliefert ist; etwa
Jeremia (vgl. Jer 36) im Unterschied zu Elia.
In den Weisheitsschriften (etwa Hiob, Sprüche, Prediger) hat sich jüdische Lebenserfahrung und
Weltbeobachtung niedergeschlagen. Das Buch Prediger wird manchmal auch mit seinem hebräi-
schen Namen Kohelet oder mit dem griechischen Ecclesiastes angegeben, Hiob in der Schreibwei-
se Ijob, Sprüche mit Proverbia (lat. = Sprichwörter). Canticum Canticorum (lat. = Lied der Lie-
der) ist eine andere Bezeichnung für das Hohelied. Auch einige Psalmen (griech. = geistliches Lied)
stehen in weisheitlicher Tradition (z.B. Ps 1 oder Ps 119).
Apokryphen (griech. = verborgene Schriften) sind jüdische Schriften, die zwischen 300 v. Chr. und
70 n. Chr. entstanden sind. Sie finden sich in der griechischen à Septuaginta, nicht jedoch in der
älteren hebräischen Fassung des AT. In der röm.-kath. Kirche werden die Apokryphen zum à Ka-
non gezählt, in der Tradition der Septuaginta und der von ihr abhängigen lateinischen à Vulgata.
Die Apokryphen bilden eine wichtige Brücke zwischen der Welt des AT und der Zeit des NT. Es
handelt sich um die Bücher Judit, Weisheit Salomos, Tobias, Jesus Sirach, Baruch, die beiden Bü-
cher der Makkabäer, Stücke zu den Büchern Ester und Daniel sowie das Gebet Manasses.
Das NT beginnt mit den vier Evangelien (Evangelium, griech. = frohe Botschaft, gute Nachricht).
Es folgt die Apostelgeschichte, die auch mit dem lat. Namen Acta (lat. = Taten) zitiert wird.

Unter den Briefen stehen an erster Stelle die Paulusbriefe. Bei einigen ist die Verfasserschaft um-
stritten (z.B. Kolosserbrief oder àPastoralbriefe), sie werden dann auch Deuteropaulinen (griech.
= „zweiter Paulus“, gemeint sind unbekannte Paulusschüler) genannt. Zu den Pastoralbriefen zählt
man die beiden Timotheusbriefe und den Titusbrief.
Als Kirchenbriefe oder Katholische Briefe (katholisch: griech. = allgemein) faßt man den Jako
                                                                                                     9
busbrief, die beiden Petrus- und die drei Johannesbriefe sowie den Judasbrief zusammen, weil sie
an keine bestimmten Adressaten bzw. an einen sehr allgemein gehaltenen Adressatenkreis gerichtet
sind.
Apokalypse (griech. = Offenbarung; à Apokalyptik) nennt man u.a. das Buch der Johannes-
Offenbarung. Apokalyptischen Charakter hat auch im AT das Buch Daniel.

Charisma
Charisma (griech. = Gnadengabe; Mehrzahl: Charismata oder Charismen; à auch Art. Charismati-
sche Bewegung) bezeichnet die von Gott einzelnen Menschen verliehene Gnadengabe. Der Begriff
kommt im NT nur in den Briefen, am häufigsten bei Paulus, vor. Der Grundgedanke ist, daß es die
verschiedensten Gnadengaben gibt und jeder seine eigene Gabe, sein ihm von Gott geschenktes
Charisma, hat. Es ist falsch, die Begabungen gegeneinander auszuspielen und darüber zu streiten,
welche die wichtigere sei. Sie alle kommen von Gott und sollen zur Erbauung der Gemeinde, des
„Leibes Christi“ (1. Kor 12,12ff), eingesetzt werden. In dem „einen Geist“ oder im „Leib Christi“
sind die so unterschiedlichen Gnadengaben gewissermaßen zu einer übergeordneten Größe verbun-
den: Röm 12,4ff; 1. Kor 12,4ff.
Es gibt bei Paulus aber auch Charismen sehr viel grundsätzlicherer Art: Die Berufung Israels ist
eine unwiderrufliche Gnadengabe (Röm 11,29), die Gnadengabe Gottes bedeutet ewiges Leben
(Röm 6,23), sie ist Hoffnung in Todesnot (2. Kor 1,10f). Im Charisma ist Gottes lebenschaffender
Geist am Werk, der den Tod überwunden hat und neues Leben schenkt.
„Charisma“ ist also eine allgemeine und eine persönliche Gabe Gottes. Sie bedeutet Berufung, ewi-
ges Leben, Hoffnung in Todesnot. Sie ist zugleich die persönliche, gottgeschenkte bzw. geistge-
wirkte Fähigkeit des einzelnen Menschen.
Ein besonderes Charisma ist das der Prophetie (Prophet, griech. = Sprecher, Seher, Dolmetscher),
das Paulus in Röm 12,6 erwähnt. Prophetisch reden bedeutet „weissagen“, also Aufdecken des
Willens Gottes und/oder menschlicher Verfehlung. Auch prophetische Rede bedarf der Prüfung (1.
Kor 14,29).
Vision (lat. = Gesicht, Schau) ist eine Form der Wahrnehmung, die über das Offensichtliche hi-
nausgeht. In ihr kann Gott zukünftiges Handeln enthüllen.
Glossolalie (griech. = Zungenreden) ist nach 1. Kor 14 ein Beten in nicht verständlicher Sprache,
die der Übersetzung bedarf.
Für Paulus macht erst die Liebe (griech. = Agape) die Gaben zum Charisma. Gott hat seine Liebe in
Christus erwiesen (Röm 5,8); er ist ein Gott der Liebe (2. Kor 13,11). Von Gottes Liebe kann keine
Macht der Welt uns trennen (Röm 8,38f). Liebe zwischen Menschen, also die Weitergabe dessen,
was Gott uns schenkt, ist für Paulus „Frucht des Geistes“ (Gal 5,22). Sie kommt darin einem Cha-
risma sehr nahe. Liebe hat Vorrang vor allen anderen Gaben (1. Kor 13)!
Auch im Johannesevangelium und den Johannesbriefen ist „Liebe“, „Agape“ der zentrale Begriff,
um das Verhältnis zwischen Gott und Jesus, Gott und den Menschen, Christus und den Seinen zu
beschreiben.
Im Liebesgebot beschreibt Jesus die Liebe als das Verhältnis des Gläubigen zu Gott, zu sich selbst
und zum Nächsten (Mt 22,37.39). Sie ist auch Maßstab des Verhältnisses zum Feind (Mt 5,44).
Eine andere Frucht des Geistes ist der Frieden (hebr. = Schalom). Das deutsche Wort „Friede“ gibt
die Bedeutungsfülle des bibl. Friedensbegriffes nur unzureichend wieder. Schalom beschreibt im

                                                                                                     10
AT nicht nur einen Zustand ohne Streit und Krieg. Zu ihm gehört alles, was Menschen zum Leben
brauchen, daß ihnen Recht und Gerechtigkeit widerfährt, und daß die Gemeinschaft heil ist, in der
sie leben. Schalom beschreibt die Rahmenbedingungen heilvollen, gelingenden Lebens der Gemein-
schaft und des einzelnen.
Zu den Charismen gehört auch die Weisheit (griech. = Sophia). Der Begriff kommt im NT in unter-
schiedlichen Bedeutungsvarianten vor: Sophia bezeichnet die persönliche Eigenschaft der Weisheit
als eines geistigen Vermögens (Lk 2,52). Sie kann in diesem Sinn gar Eigenschaft Gottes sein (Röm
11,33). Sophia kann aber auch als Gabe des Geistes bezeichnet werden (Apg 6,3.10; 1. Kor 12,8;
Kol 1,9).
Spr 8,22ff erzählt von der Weisheit, die als Gottes „Liebling“ schon vor der Schöpfung lebendig
war und eine enge Beziehung zu ihm hat.
Schließlich kann Sophia in Wort und Schrift Gestalt annehmen. Mose war unterrichtet „in aller
Weisheit der Ägypter“ (Apg 7,22).
Paulus grenzt die Weisheit dieser Welt von der verborgenen Weisheit Gottes ab (1. Kor 2,6f).
Menschliche Weisheit muß freilich an der Erkenntnis Gottes scheitern. Im Christusgeschehen wird
sie als Torheit offenbar (1. Kor 1,20).
Zu den Gaben der glaubenden Gemeinde gehört schließlich auch die Erkenntnis, das Wissen
(griech. = Gnosis). In 1. Kor 12 zählt Paulus unter den Geistesgaben auch die Gabe auf, „von der
Erkenntnis zu reden“ (V.8; vgl. auch 1. Kor 14,6).
Von dem ntl. Gebrauch des Wortes zu unterscheiden ist die „Gnosis“ als Oberbegriff philosophi-
scher und religiöser Strömungen (vgl. 1. Tim 6,20). Viele ntl. Forscher glauben, bei den Gegnern
des Paulus in einigen Briefen gnostisches Gedankengut identifizieren und damit den religionsge-
schichtlichen Hintergrund des Johannesevangeliums, des Epheser- und Kolosserbriefes erklären zu
können.

Christologie
In der Christologie geht es um Aussagen über Jesus als den von Gott gesandten Erlöser. Der christ-
liche Glaube bekennt Jesus von Nazareth als den Erlöser der Welt. Schon die Bezeichnung „Jesus
Christus“ ist Bekenntnis: Jesus ist der von Gott gesandte Christus (à Messias).
Die Evangelien berichten davon, wie Menschen in der Begegnung mit Predigt und Wirken des Jesus
von Nazareth Gottes Nähe erfuhren. Das anbrechende Reich Gottes, das Jesus verkündigte, wurde
zeichenhaft sichtbar: Kranke wurden gesund, Menschen, die mit und ohne eigene Schuld aus der
Gemeinschaft mit Gott und mit anderen gedrängt oder von ihr ausgestoßen waren, erlebten in der
Zuwendung von Jesus, daß Gott ihnen die Möglichkeit gab, neu zu beginnen. Hungrige wurden satt.
In den Tischgemeinschaften mit Jesus leuchtete etwas von dem für die Endzeit verheißenen Frie-
densmahl auf. Im Licht von Karfreitag und Ostern bekamen diese Erfahrungen dann beispielhaften
Charakter für sein Wirken als universalen und endgültigen Weg in Gottes Gnade.
Was Menschen mit Jesus erlebten, drückten sie aus, indem sie auf Vorstellungen und Erwartungen
zurückgriffen, mit denen in der jüdisch-hellenistischen Welt das befreiende und erlösende Eingrei-
fen Gottes erwartet wurde. Gemeinsam ist diesen Hoffnungen eine am Ende der Zeit erwartete Erlö-
sergestalt. Bereits Johannes der Täufer fragt Jesus: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir
auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3) Auch Jesus selbst fragt seine Jünger, für wen die Leute ihn
halten und wer er für sie selbst ist (Mt 16,13-16).
Die wichtigsten Würdetitel im NT, die die göttliche Hoheit Jesu ausdrücken, sind:
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• Menschensohn
In vielen Worten bezeichnet Jesus sich selbst als Menschensohn. Ursprünglich meint der Ausdruck
   „Menschenkind“. Doch ist in Dan 7,13f von einem die Rede, der „mit den Wolken des Himmels
   wie eines Menschen Sohn“ kommt und die ewige Herrschaft über die Welt erhält. Jesus nimmt
   diese Hoffnung auf den Menschensohn auf und führt sie weiter: Der Menschensohn muß leiden
   und sterben und wird auferstehen am dritten Tag (Mk 8,31). In der Bezeichnung Jesu als Men-
   schensohn schwingen daher sowohl seine Hoheit wie seine Erniedrigung - als Weg Gottes zur
   Erlösung der Welt - mit. Im Judentum z. Zt. Jesu gehörte zur Vorstellung vom „Menschensohn“
   die des Weltenrichters (vgl. Joh 5,27f).
• Sohn Gottes
An zentralen Stellen der Evangelien wird Jesus Sohn Gottes genannt: bei der Taufe (Mk 1,11), beim
  Bekenntnis des Petrus (Mt 16,16), bei der Verklärung (Mt 17,5), bei der Kreuzigung (Mt 27,54).
  Jesus spricht von sich selbst immer wieder als „dem Sohn“ (z.B. Mt 11,27).
In der Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes kommen unterschiedliche Aussagen über ihn zusammen.
   Zunächst wird damit die enge Beziehung zwischen Gott und Jesus beschrieben. Bereits im AT
   werden die Könige oder das ganze Volk Israel Söhne Gottes genannt. Darin kommt die Erwäh-
   lung zum Ausdruck. Wird Jesus als Sohn Gottes bezeichnet, dann wird damit weiter seine Her-
   kunft aus Gott hervorgehoben. So ist auch die Erzählung von der Ankündigung der Geburt Jesu
   zu verstehen. Schließlich ist Jesus als Sohn Gottes auch der, dem Gott am Ende der Zeit Macht
   und Herrlichkeit gibt (Röm 1,3-4; Offb 2,18).
• Davids Sohn
Daß Jesus Davids Sohn genannt wird, hängt zunächst damit zusammen, daß der Stammbaum seiner
  Familie auf David zurückgeht (vgl. Mt 1,1ff). Damit wird an eine alte Erwartung des Volkes Is-
  rael angeknüpft, die den Erlöser am Ende der Zeit als einen Nachkommen des Königs David er-
  sehnt (Sach 9,9). Allerdings entspricht Jesus in seinem Auftreten nicht einem König im her-
  kömmlichen Sinn. Sein Wirken ist nicht von Pracht- und Machtentfaltung, sondern von Erbar-
  men mit den Menschen gekennzeichnet. Gerade darin kommt Gottes rettendes Handeln zum
  Ausdruck.
• Kyrios
Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Herr“. So wurden die weltlichen Herrscher
  genannt. Zog ein solcher Herrscher in eine Stadt ein, huldigte man ihm mit dem Ruf „Kyrie elei-
  son“ (Herr, erbarme dich!).
Schon in der griechischen Übersetzung des AT, der à Septuaginta, wurde das hebr. à JHWH mit
  Kyrios wiedergegeben. Indem Jesus Kyrios genannt wird, wird er Gott gleichgesetzt (vgl. Joh
  20,28: „Mein Herr und mein Gott!“).
• Messias / Christus (hebr. / griech. = Gesalbter)
Gesalbt wurden zur Zeit des AT Könige und Hohepriester. Sie wurden damit Gott geweiht und in
  ihr Amt eingeführt. Zur Zeit Jesu erwartete man in der Gestalt des Gesalbten den endzeitlichen
  Erlöser, der allem Elend und Unrecht ein Ende machen und sein weltweites Reich gründen wird
  (à Schalom). Man erwartete den Messias aus der Nachkommenschaft des Königs David (à
  Sohn Davids).
Jesus selbst war mit der Selbstbezeichnung Messias zurückhaltend (Mt 26,63). Sein bevorstehendes
   Leiden paßte nicht zum verbreiteten Bild vom Messias (Mk 8,27-33). Wenn die urchristliche
   Gemeinde dennoch bevorzugt den Christustitel für Jesus wählte, dann wollte sie damit bezeugen,
   daß durch Jesu Kreuz und Auferstehung die für alle gültige Erlösung gekommen ist.

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Eschatologie
Eschatologie (griech. = „Lehre von den letzten Dingen“) befaßt sich mit dem „Ende der Tage“. Ihr
Thema ist die Vollendung der Welt und darin die Zukunft des Einzelnen.
Wesentliche Aussagen biblischer Eschatologie sind: Die Welt ist nicht sich selbst überlassen, ihr
Schicksal ist nicht Zufall, sondern Erfüllung des Weges Gottes von Beginn der Schöpfung an. Ge-
nauso ist der einzelne Mensch in seinem Sterben nicht einem schicksalhaften Naturgeschehen preis-
gegeben, sondern darin in der Obhut Gottes. Im Mittelpunkt stehen Kreuz und Auferstehung Jesu
Christi, die geschehene Rechtfertigung und Erlösung. Die darin begründete neue Beziehung zwi-
schen Mensch und Gott trägt in sich die Verheißung bleibender Gemeinschaft. Darauf gründet sich
unsere Hoffnung und Erwartung der Vollendung (Röm 8,31-39).
Präsentische (lat. = gegenwärtige) Eschatologie geht von der erfahrenen Gegenwart Gottes aus. Sie
wird so intensiv erlebt, daß sie durch kein Geschehen der Zukunft überboten werden muß. Vor al-
lem im Johannes-Evangelium finden sich solche Aussagen (z.B. Joh 3,16.18; 5,24-25) . Das Anlie-
gen der präsentischen Eschatologie ist, die Wirklichkeit des Heils jetzt und hier auszusagen und zu
erfahren.
Futurische (lat. = zukünftige) Eschatologie heißt: die biblischen Verheißungen finden ihre Erfül-
lung in der Zukunft des Reiches Gottes. Alles, was jetzt schon an Heil erfahren wird, weist zugleich
noch über sich hinaus auf das endgültige Heil. Alles, was jetzt schon an Zeichen, an Verwirklichung
des Reiches Gottes geschieht, ist noch vorläufig. Erst in der Parusie (griech. = Wiederkunft) Jesu
Christi in Herrlichkeit wird die volle Verwirklichung des Reiches Gottes offenbar. Die Vollendung
des Reiches liegt in einem Jenseits, jenseits des individuellen Todes und jenseits der geschichtlich
beschreibbaren Zukunft der Welt.
Die Gefahr der präsentischen Eschatologie liegt im Überspringen der Wirklichkeit des Todes (vgl.
1. Kor 15). Die Gefahr der futurischen Eschatologie ist, daß die Gegenwart des Heils verloren geht.
Biblisch gehören beide Aspekte zusammen.
Apokalyptik (griech. = Enthüllung, Offenbarung) ist eine Form eschatologischen Denkens. Ihr
Ausgangspunkt ist die Überzeugung: Der Geschichte liegt ein Plan Gottes zugrunde, den er durch
die verschiedenen Epochen zum Ziel bringt. Die apokalyptischen Schriften erheben den Anspruch,
diesen Sinn zu enthüllen. Meistens wird ein Engel oder Prophet als Überbringer der Einsicht in den
Plan Gottes angegeben.
Charakteristisch ist ein dualistisches Weltbild: Die Geschichte der Welt ist durch den Abfall von
Gott gekennzeichnet; sie ist nicht mehr zu retten. Die Welt kann nur in einer Katastrophe unterge-
hen und durch einen völligen Neuanfang Gottes gewonnen werden. So ist ein Determinismus (lat.
= Festgelegtheit) des Geschichtsablaufes zum Negativen hin typisch für die Sehweise apokalypti-
scher Schriften. Oft sind apokalyptische Texte chiffriert oder verschlüsselt: Nur der Eingeweihte
versteht die Sprachbilder, während der Feind Gottes blind für dessen Wirklichkeit und seine Pläne
bleibt.
Der Begriff Äon (griech. = lange Zeit, Weltzeitalter, Ewigkeit) wird im Blick auf den Unterschied
zwischen jetziger Welt und künftiger Welt Gottes gebraucht.
Apokalyptische Texte sind Teile des Jesajabuches (Kap. 24-27), das Buch Daniel, die synoptischen
Apokalypsen (z.B. Mt 24f) und die Offenbarung des Johannes.
In Zeiten der Verfolgung stärken die apokalyptischen Schriften die Leser in ihrer gegenwärtigen
Bedrängnis. Die Erwartung, daß Gott eingreift, ging dabei immer über die Hoffnung auf eine bloße
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Verbesserung der gegenwärtigen Lage hinaus. Erwartet wird die Vollendung der Welt in der Ewig-
keit Gottes.
In der Kirchengeschichte haben apokalyptische Gedanken in Krisenzeiten große Bedeutung gewon-
nen.

Exegese
Exegese (griech. = Auslegung) legt biblische Texte in ihrem ursprünglichen Zusammenhang aus.
Da die Bibel zugleich einen göttlichen und einen menschlichen Ursprung hat, muß die Auslegung
beides berücksichtigen: die biblischen Texte müssen also nach Regeln ausgelegt werden, die bei der
Erklärung eines jeden menschlichen Literaturwerks anzuwenden sind, und nach besonderen
Grundsätzen, die sich aus ihrem inspirierten Charakter ergeben (à Hermeneutik; à Inspiration).
Die historisch-kritische Auslegung untersucht die biblischen Texte mit den Mitteln der Ge-
schichts- und Sprachwissenschaft (Philologie). Ihre Methoden sind:
• Die Textkritik (Sichtung, Scheidung), deren Aufgabe es ist, auf der Grundlage von Textzeugen
  (Handschriften) den vermutlich authentischen Text festzustellen (einen wirklichen Urtext der
  ganzen Bibel hat es nie gegeben, da die einzelnen Schriften zunächst für sich entstanden, überlie-
  fert und abgeschrieben wurden).
• Eine wichtige Hilfe sind dabei neben anderen Handschriften der Codex Vaticanus (Vollbibel mit
  Lücken aus dem 4. Jh.), der Codex Sinaiticus (nt.licher Teil einer Vollbibel; ebenfalls 4. Jh.) so-
  wie die 1947 in den Höhlen von Qumran am Toten Meer gefundenen Schriftrollen (Teile des
  AT, u.a. zwei Jesaja-Rollen).
• Die Überlieferungs- bzw. Traditionsgeschichte zeichnet den Prozeß nach, wie aus anfangs
  einzeln umlaufenden Erzählungsstoffen, Gesetzen, Sprüchen usw. eine einheitliche Textüberlie-
  ferung wurde bis zur schriftlichen Fixierung. Die traditionsgeschichtliche Forschung fragt u.a.
  nach Konzeption und Motiv der jeweiligen Sammler bzw. Redaktoren (lat. = Bezeichnung für
  Zusammensteller biblischer Texte); sie bearbeiteten einzelne Texte und stellten sie unter dem
  Gesichtspunkt bestimmter theologischer Beweggründe zusammen. Insofern ist es die Aufgabe
  redaktionsgeschichtlicher Forschung, den theologischen Standort einer einzelnen Schrift her-
  auszuarbeiten (evt. in Abgrenzung zu dem, was ihr vorlag).
• Texte, die literarisch ‘nicht aus einem Guß’ sind, können durch die Benutzung anderer Texte,
  d.h. Quellen zustande gekommen sein (à Pentateuch: Jahwist, Elohist, Priesterschrift). Die
  Quellenscheidung bemüht sich um die Rekonstruktion der Quellen, d.h. um die im vorliegenden
  Text verarbeiteten Texte. Indizien sind z.B. sprachliche Unterschiede zwischen Redaktion und
  Quelle oder das Vorhandensein wörtlicher Übereinstimmungen in anderen Texten, die auf die
  Benutzung derselben Quelle zurückgehen könnten.
Die drei ersten Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas nennt man wegen der Ähnlichkeit ihrer
  Berichte Synoptiker. Zum Vergleich ihrer Texte werden Synopsen (griech. = Zusammenschau)
  verwendet. Dabei sind die Texte der drei Evangelien in nebeneinanderstehenden Spalten ge-
  druckt. Es gibt aber auch vierspaltige Synopsen, in denen das Johannes-Evangelium mit abge-
  druckt ist.
Nach der sog. Zwei-Quellen-Theorie lagen Mt und Lk einerseits das ältere Mk-Evangelium, ande-
  rerseits eine weitere, nicht erhaltene Quelle schriftlich vor. Letztere nennt man Logienquelle
  (griech. = Spruchquelle), da in ihr ausschließlich Worte Jesu gesammelt sind (also z.B. keine

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Wundergeschichten). Unter Sondergut versteht man Texte besonders bei Mt und bei Lk, für die
  es bei den anderen Synoptikern keine Parallele gibt.
• Die formgeschichtliche Forschung unterscheidet Texte nach ihrer literarischen Form, die sie als
  die kleinsten Einheiten betrachtet, aus denen die biblischen Texte zusammengewachsen sind
  (z.B. Hymnus, Klagelied, Gleichnis; à Formen und Gattungen). Ferner sucht sie die gesell-
  schaftlichen, kulturellen und religiösen Verhältnisse zu entdecken, unter denen eine Form ent-
  standen und in denen sie beheimatet ist:
Sie fragt nach dem Sitz im Leben und geht davon aus, daß die verschiedenen Formen der Überlie-
   ferung in eine spezifische theologische und soziologische Situation gehören. So ist der ‘Sitz im
   Leben’ der überlieferten Gebete die Gebetspraxis der Gemeinde. Beispielerzählungen und
   Gleichnisse sind in Unterweisung und Predigt verankert. Die Frage nach dem Sitz im Leben wird
   entfaltet in den Fragen: „Wer ist es, der redet? Wer sind die Zuhörer? Welche Stimmung be-
   herrscht die Situation? Welche Wirkung wird erstrebt?“
• Die Textgeschichte sucht die Umstände zu erhellen, durch die biblische Texte im Verlauf ihrer
  Überlieferung durch Abschreiben und durch Übersetzung Veränderungen erfahren und Zusätze
  erhalten haben.
Bei der Exegese helfen u.a. Konkordanzen (lat. = Einklang). Sie listen alphabetisch die meisten
Wörter der Bibel mit Angabe aller Textstellen auf.
Unter Skopus (griech. = Ziel, Absicht) versteht man den Zentralgedanken eines biblischen Textes.
Wichtige Textzeugnisse für die Exegese sind die Septuaginta und die Vulgata:
• Die Septuaginta (lat. = 70, Abkürzung LXX) ist die älteste und wichtigste Übersetzung des AT
  in die griechische Sprache. Ihr Name geht auf eine Legende zurück, nach der 72 Juden (aus je-
  dem Stamm 6) in 72 Tagen die Übersetzung aus dem Hebräischen angefertigt haben. Die LXX
  wurde für den Bedarf der griechisch sprechenden Diasporajuden durch verschiedene Übersetzer
  über einen längeren Zeitraum hinweg angefertigt und war auch das AT der frühen Kirche. Die
  neutestamentlichen Schriftsteller zitierten das AT vorzugsweise nach der LXX. (Der Lutherbibel
  liegt der hebr. Text zugrunde.)
• Die Vulgata (lat. = „die allgemein Verbreitete“) ist die in der röm.-kath. Kirche benutzte lateini-
  sche Bibelübersetzung des Hieronymus (ab 382). Die Vulgata setzt sich nach dem 7./ 8. Jh. ge-
  genüber der Fülle der bisher verwendeten lateinischen Übersetzungen durch, was ausschlagge-
  bend war für ihre spätere Verbindlichkeit. 1546 vom Konzil in Trient (Gegenreformation) für
  verbindlich erklärt.
Bibelübersetzungen werden immer wieder einer Revision (lat. = Überprüfung) unterzogen. Sie er-
folgt unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse der Textkritik (s. o.) und der Textgeschichte (s. o.)
u.a. mit dem Ziel der Verständlichkeit für die Gegenwart, wobei die Treue gegenüber der Sprache
des Übersetzers wichtig ist (z.B. Klang und Rhythmus der Sprache Luthers).

Formen und Gattungen
Mehr als in jedem anderen Buch finden sich in der Bibel unterschiedliche literarische Formen und
Gattungen. Zu den allgemein bekannten gehören Erzählung, Bericht, Wundergeschichte und Gesetz.
(Nicht alle Forscher verwenden bei der Unterscheidung dieselben Begriffe; darum kann es im Fol-
genden Überschneidungen geben.)
Unter dem Oberbegriff Gleichnis faßt man neben dem einfachen Vergleich („klug wie die Schlan
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gen“) Parabel, Beispielerzählung, Allegorie und Metapher zusammen:
       • Ein Gleichnis im engeren Sinn schildert einen bekannten, immer wiederkehrenden Vor-
         gang, ist also ein ausgeführtes Bildwort (Mk 4,31-32).
       • Die Parabel (griech. = das Danebengelegte) ist eine häufige Form des Gleichnisses, in
         der an einem überraschenden Vorgang das Reich Gottes beschrieben wird (Lk 15,11-32).
       • Eine Allegorie (griech. = das anders Gesagte) ist die Ausdeutung von Details, die einzeln
         übertragen werden können (vgl. die Deutung des Gleichnisses vom vierfachen Ackerfeld
         Mk 4,13-20). Im Gegensatz zur Parabel gibt es also mehrere Vergleichspunkte.
       • Eine Beispielerzählung finden wir im Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-
         37).
       • Die Metapher (griech. = Übertragung) ist ein rhetorisches Stilmittel, das einen meist
         abstrakten Sachverhalt anschaulich wiedergibt („Licht der Welt“, „Salz der Erde“; vgl.
         auch Mt. 7,13f).
Weitere Gattungen:
Ein Paradigma ist eine einfach erzählte, in sich geschlossene Erzählung wie Mk 3,1-6. Vergleich-
bar ist die Novelle, die aber mehr Details bietet und breiter angelegt ist (etwa Mk 5,1ff).
Das Apophthegma (griech. = Ausspruch) ist eine Geschichte, deren Pointe ein Wort Jesu bildet.
Hierzu gehören auch Streitgespräche wie Mk 2,23-28 oder Mk 3,1-6, in denen sich Jesus mit Geg-
nern auseinandersetzt.
Ein Logion (griech. = Wort, Mehrzahl: Logien) ist ein Wort (Jesu), evt. auch ein Weisheits- oder
Sprichwort.
Eine Ätiologie (griech. = Lehre von der Ursache) erklärt, warum etwas so ist oder genannt wird
(z.B. 1. Mose 18,10ff, bes. V. 19).
Die Legende (lat. = das Vorzulesende) geht meist auf einen hist. Kern zurück und handelt vom Le-
ben oder den Taten einer Person (evt. Lk 2,41-52).
Die Fabel veranschaulicht einen Gedanken an Tieren oder Pflanzen (z.B. Ri 9,8-15).
Die Sage (urspr. das „Gesagte“) ist eine mündliche Erzählung außergewöhnlichen Inhalts, die an
reale Orte und historische Personen bzw. Völker anknüpft. Kultische Sagen erklären die Heiligkeit
eines Ortes, eines Kultgegenstandes oder eines kultischen Brauches (vgl. die Josefsgeschichten).
Unter einem Mythos (griech. = Rede, Sage, Geschichte) versteht man eine Geschichte, die von
Göttern und/oder deren Entstehung handelt. Ein mythologisches Element enthält in der Bibel z.B. 1.
Mose 6,1-4.
In der evangelischen Theologie tauchte bei Rudolf Bultmann der Begriff der à Entmythologisie-
rung auf. Danach verhüllt das zeitlich Bedingte (Zeitgebundene) die eigentliche Botschaft des NT,
und diese ist davon zu befreien, um den modernen Menschen ansprechen zu können. à Hermeneu-
tik
Die Paränese (griech. = Ermahnung) ist eine Mahnrede oder -schrift. Mit diesem Begriff kann auch
die Lehre Jesu bezeichnet werden.
Der Hymnus ist ein ursprünglich oft von einem kultischen Tanz begleitetes Lied zur Ehre Gottes.
Im NT z.B. Phil 2,6-11; 1. Tim 3,16.
Genealogien (griech. = Geschlechter-Register) sind Aufzählungen von Namen, die die Herkunft
einer Person oder einer Einrichtung von einem ganz bestimmten Ursprung her (z.B. Abraham) bele-
gen wollen.

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Ein Sonderfall ist die Passionsgeschichte; hier ist die Form ganz durch den Inhalt der christologi-
schen Verkündigung (à Christologie) bestimmt.

Gottesnamen
Im AT hat Gott einen Namen: „Jahwe“, vgl. 2. Mose 3,12+14, wo dieser Name in einem Wortspiel
erklärt wird, das im Deutschen nur unvollkommen wiedergegeben werden kann, am ehesten: „Ich
werde der sein, der mit euch ist.“ In der Luther-Übersetzung wird der Gottesname mit „HERR“ wie-
dergegeben (Großbuchstaben, sog. ‘Kapitälchen’).
Da im Hebräischen ursprünglich nur die Konsonanten geschrieben wurden (‘JHWH‘), spricht man
auch vom sog. Tetragramm (griech. = vier Buchstaben). In späterer Zeit wurden auch die Vokale
in Form von Punkten und Strichen notiert. Da Juden den Namen Gottes nicht aussprechen (um
Mißbrauch zu vermeiden), lasen sie statt dessen ‘Adonaj‘ (hebr. = Herr) und notierten zu JHWH
die entsprechenden Vokale. Die Kombination der hebräischen Vokale von ‘Adonaj’ mit den Kon-
sonanten von ‘JHWH’ führte zu dem Kunstwort ‘Jehova‘.
Jahwe Zebaoth (hebr. = Jahwe der Heerscharen) ist Ausdruck für Gott, der über alle Mächte, irdi-
schen und himmlischen Gewalten herrscht.
Das hebräische Wort Elohim wird in der Lutherbibel mit „Gott“ wiedergegeben; die Kurzform El
ist der Name des obersten kanaanäischen Gottes und wurde unbefangen für Jahwe übernommen,
während der jüngere kanaanäische Gottesname Baal (Herr, Gebieter) scharf abgestoßen wurde.
Unter verschiedenen Kombinationen von El mit anderen Begriffen sticht besonders das schwer ü-
bersetzbare El schaddaj in 1. Mose 17,1 hervor. Es wird in der àPentateuch-Quelle P als spezielle
Namensbezeichnung Jahwes in der Väterzeit gebraucht. El haschamajim (Gott des Himmels) wird
z.B. Neh 1,4-5; 2,20 als feste Gottesbezeichnung gebraucht.
Erwähnt sei schließlich Immanuel, was auf deutsch „Gott mit uns“ bedeutet.
„A und O“ (vgl. Offb 1,8) geht auf das griech. Alphabet zurück, wo A(lpha) und O(mega) der erste
und der letzte Buchstabe sind: Gott ist Anfang und Ende.

Hermeneutik
Der Begriff Hermeneutik ist abgeleitet von Hermes, dem Götterboten der griechischen Götterer-
zählungen. Hermeneut ist also einer, der Botschaft weitersagt. Er zielt mit seinem Weitersagen auf
Verstehen, Einverständnis und Befolgen hin. Entsprechend geht es in der Hermeneutik um Übertra-
gung, Verdolmetschung, die mehr ist als Übersetzung. Sie will Zustimmung zur Botschaft wecken
oder zielt auf Verständnis.
Die Leitfrage biblischer Hermeneutik ist: Wie kommen die Anliegen der biblischen Texte so zur
Sprache, daß sie für uns heute ihre Wirkung entfalten können? Wie kann biblisches Wirklichkeits-
verständnis in unser Wirklichkeitsverständnis, biblische Sprache in unsere Sprache übersetzt wer-
den? Dabei ist also immer auch nach unseren Voraussetzungen oder Vorurteilen, nach unserem
hermeneutischen Ansatz, zu fragen.
Diese Aufgaben führen zur Frage nach dem Weltverständnis der biblischen Autoren, das vielfach
als vom à Mythos (griech. = Wort, Geschichte) geprägt beschrieben wird. Gemeint ist damit, daß

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im Gegensatz zur heutigen naturwissenschaftlichen Sichtweise ein Weltbild vorliegt, das mit einem
sehr direkten Handeln von Gott, Göttern, Engeln, Dämonen rechnet.
Hier setzt das Programm der Entmythologisierung ein, das mit den Arbeiten des Neutestamentlers
Rudolf Bultmann verbunden ist. Es ist der Versuch, die Verkündigung der Bibel in der Bilderspra-
che freizulegen und sie auf ihren Sinngehalt und ihren Anspruch an unser Leben (unsere Existenz)
zu befragen. Dies ist das Programm der existentialen Interpretation. So gesehen verfolgt die Ent-
mythologisierung ein missionarisches Anliegen: Sie will dem modernen Menschen die Sache des
Evangeliums deutlich machen, ohne ihm ärgerliche und mißverständliche Bilder zuzumuten.
Diesen Bemühungen steht eine Gegenbewegung heutiger Neutestamentler gegenüber, die davon
ausgeht, daß für die Inhalte des Glaubens sprachliche Bilder unverzichtbar sind.
Entscheidend für Bultmann ist der Begriff des Kerygmas (griech. = Verkündigung). Christus offen-
bart sich im Kerygma, d.h. in der Verkündigung ist Christus selbst gegenwärtig. Der Begriff be-
zeichnet die umfassende Verkündigung des Evangeliums, also den existentiellen Gehalt der mythi-
schen Bilder.
Typologie (griech. = Urbild, Vorbild, Modell) bezeichnet eine Form der Auslegung. Die geschicht-
lichen Ereignisse stehen nicht nur für sich selbst, sondern sie sind Vorabbildungen späterer Ge-
schichte. Diese Auslegungsform ist schon in der Bibel selbst angelegt. So legt Paulus in 1. Kor
10,6.11 die Erfahrungen Israels in der Wüste typologisch auf die Gemeinde in Korinth aus. Mit die-
ser Auslegungs-Methode wird die Kontinuität des Handelns Gottes hervorgehoben.
Im Mittelalter setzte sich die Lehre vom vierfachen Schriftsinn durch: Neben dem Literalsinn
(historisch), steht der allegorische (Glaubensgeheimnisse; à Allegorie), der tropologische (morali-
sche) und der anagogische (eschatologische; à Eschatologie).
Luther läßt geht vom Wortsinn aus und fragt jeweils nach dem, „was Christum treibt“. Die Schrift
wird also von ihrer Mitte, von Christus her, verstanden.
Inspiration (lat. = Einhauchung, Eingebung), bezeichnet umgangssprachlich Erleuchtung und Be-
geisterung - jemand hat eine Inspiration, einen Einfall. Im Zusammenhang des Glaubens geht es um
die „Einhauchung“ des Heiligen Geistes. Im Umgang mit den Schriften des AT und des NT spüren
Menschen das Wirken des Geistes Gottes (Spiritus sanctus). So kommen sie zu der Aussage: Die
Texte sind den Schreibern vom Geist Gottes eingegeben worden. Das ist die Grundlage der Inspira-
tionslehre (vgl 2. Tim 3,16). Sie gibt der Überzeugung Ausdruck, daß alle biblischen Schriften den
Geist Gottes atmen.
Dabei muß unterschieden werden zwischen der Personalinspiration (die Verfasser biblischer
Schriften sind inspiriert; 2. Petr 1,21), Verbalinspiration (die einzelnen Wörter der Bibel sind in-
spiriert; enge Auslegung von 2. Tim 3,16; s.u.), Realinspiration (die Themen sind inspiriert) und
Wirkinspiration.(die Bibel inspiriert den, der sie liest).
In der à altprotestantischen Orthodoxie wurde die Lehre von der Verbalinspiration ausgebaut:
Der Heilige Geist hat den Schreibern der biblischen Bücher sowohl den Inhalt als auch die Wörter
eingegeben; daraus ergibt sich, daß die ganze Schrift irrtumsfrei und Gottes geschriebenes Wort ist.
Diese Lehre ist der Versuch, die Autorität der Schrift durch eine Erklärung ihrer Entstehung abzusi-
chern. Sie steht in der Gefahr, die Menschlichkeit des Wortes der Schrift zu verlieren (vgl. z.B. 1.
Kor 7,10+12). Sie bewahrt aber das richtige Anliegen, daß Gott zu uns im Wort und durch das Wort
der Bibel redet.
Nach heutigem Verständnis liegt die Autorität der Schrift in ihrer Wirkung, nicht in ihrem Ur-
sprung.
Biblizismus ist ein Verständnis der Schrift als unmittelbare und eindeutige Richtschnur für Leben
und Denken.

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Unter à Fundamentalismus versteht man eine streng traditionsorientierte, teilw. fanatische Glau-
bensrichtung. Fundamentalismus und Verbalinspiration treten innerhalb des Christentums oft mit-
einander verbunden auf.
Kanon (griech. = Richtschnur) meint die Sammlung und Abgrenzung der biblischen Bücher. Die
Entstehung des Kanon ist sowohl für das AT als auch für das NT ein Entwicklungsprozeß. Er ist für
das AT erst auf der jüd. Synode von Jamnia um das Jahr 100 n. Chr. abgeschlossen, für das NT im
wesentlichen um 200, endgültig im 4. Jh. Für das NT gelten drei Regeln der Kanonizität: was an die
ganze Kirche gerichtet, also katholisch (griech. = allgemein), was apostolisch ist (also auf Apostel
oder Apostelschüler zurückgeht) und was in der Gemeinde vorgelesen werden darf, also in längerem
kirchlichem Gebrauch ist.

Offenbarung
Der Begriff Offenbarung (griech. = Apokalypse) hat seine Heimat in der allgemeinen Religionsge-
schichte. Jede Religion behauptet von sich, daß sie auf einen göttlichen Ursprung zurückgeht, d.h.:
Offenbarung ist Manifestation (lat. = Kundgebung) oder Selbstbezeugung des Göttlichen. Was für
gewöhnlich verborgen, verhüllt, geheim ist, das tritt an einer Stelle ans Licht, enthüllt, erschließt
sich, gibt sich zu erkennen.
Die Botschaft der Bibel bezeugt die Offenbarung des lebendigen Gottes. Ihr Höhepunkt ist die Per-
son Jesu Christi. Alle Offenbarung ist in der Bibel zukunftsbezogen. Sie zielt auf die Vollendung
der Welt hin, auf die Wiederkunft Christi zum Gericht. Dann wird auch die Gemeinde als das of-
fenbar werden, was sie schon immer war (Kol 3,4).
Theophanie (griech. = Erscheinung Gottes) ist eine mit den Sinnen wahrnehmbare Kundgebung
Gottes - sei es in Menschengestalt (1. Mose 18: drei Männer), sei es durch großartige und erschre-
ckende Naturereignisse (mit gewaltigem Donner unter Feuer und Rauch auf dem Sinai) oder in Ge-
sichten und Träumen (bei den Propheten).
Epiphanie (griech. = Erscheinung, Erleuchtung) ist das herrliche, helfende und rettende Eintreten
Gottes für sein Volk. Die Christen haben schon früh ‘Epiphanie’ auf die sichtbare irdische Erschei-
nung ihres Retters Jesus Christus bezogen. Er ist erschienen, den Tod zu besiegen (2. Tim 1,10).
Das Weihnachtsfest der morgenländischen Christenheit war à Epiphanias.
Inkarnation (lat. = Fleischwerdung) ist die Offenbarung (Menschwerdung) Gottes in Jesus Chris-
tus. „Das Wort ward Fleisch“ (Joh 1,14). Für den christl. Glauben ist die Inkarnation der Höhepunkt
der Offenbarung Gottes.

Pentateuch
Pentateuch (griech. = Fünferbuch) ist eine Sammelbezeichnung für die „fünf Bücher Mose“. In der
hebr. Tradition werden sie auch Tora (hebr. = Weisung) genannt.
In hebräischen Bibeln werden die einzelnen Bücher des Pentateuch jeweils nach ihren Anfangs-
worten benannt. Die griechischen und lateinischen Übersetzungen orientierten sich in der Namens-
gebung am Hauptinhalt:
     1. Buch Mose = Genesis (griech. = Entstehung, Erschaffung)
     2. Buch Mose = Exodus (lat. = Auszug)
     3. Buch Mose = Leviticus (Levit: Glied des Stammes Levi, ursprünglich mit priesterli

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chen Rechten, später Tempeldiener, das Buch L. enthält viele kultische Gesetze)
     4. Buch Mose = Numeri (lat. = Zahlen; das Buch beginnt mit einer Volkszählung)
     5. Buch Mose = Deuteronomium (griech. = zweites Gesetz, Fehlübersetzung von 5.
     Mose 17,18 „Abschrift des Gesetzes“)
Manche Forscher gehen von einer ursprünglichen Einheit nur der ersten vier Mosebücher aus und
sprechen vom Tetrateuch (griech. = Viererbuch). Andere haben vermutet, zu dieser Einheit hätte
auch noch das Buch Josua, evt. auch noch Richter gehört. Sie sprechen dann vom Hexateuch
(griech. = Sechserbuch) oder vom Heptateuch (griech. = Siebenerbuch).
Der Pentateuch ist ein anonymes Werk. Es gibt nirgends einen Hinweis darauf, daß Mose der Ver-
fasser des Gesamtwerkes sei. Lediglich einzelne Stücke werden Mose zugeschrieben: 2. Mose
17,14; 24,4; 34,27; 4. Mose 33,2; 5. Mose 1,5; 4,45; 31,9.24. Im NT wird allerdings die Gesamt-
Verfasserschaft Moses vorausgesetzt (vgl. Mt 19,7; Mk 12,26; Apg 15,21; Röm 10,5). Bis ins 17.
Jh. bleibt dies die vorherrschende Überlieferung der christlichen Kirchen.
Der Pentateuch selbst gibt an einigen Stellen Einblicke in seine Entstehungsgeschichte. An vielen
Stellen wird die Entstehung nach der Zeit Moses deutlich, z.B. wenn es 1. Mose 12,6; 13,7 heißt:
„Damals aber waren die Kanaaniter im Lande“ (Zürcherbibel). Der Erzähler setzt ganz selbstver-
ständlich die Besiedelung des Landes durch Israel voraus und muß ausdrücklich betonen, daß es
eine Zeit gab, in der das noch nicht so war. Auch die häufige Wendung „bis auf den heutigen Tag“
unterstreicht den zeitlichen Abstand zwischen Erzähler und Erzähltem (vgl. 5. Mose 3,14; 34,6
u.a.).
Mose wird also schwerlich als Verfasser des Pentateuch infrage kommen. Mehr noch: In der vorlie-
genden Form werden die fünf Bücher Mose kaum das von Anfang an einheitliche Werk eines Ver-
fassers sein. Ein Hinweis darauf sind die zahlreichen Doppelberichte (Dubletten), wie z.B.:
       • zwei Schöpfungsberichte bzw. -geschichten: 1. Mose 1 und 2,4ff;
       • dreimal das Motiv „Gefährdung der Ahnfrau“: 1. Mose 12,10ff; 20,1ff; 26,7ff;
       • In der Sintflut-Erzählung 1. Mose 6-9 wird so auffällig alles doppelt erzählt, daß man mit
          wenig Mühe zwei Erzählfäden unterscheiden kann;
       • zweimal Verstoßung Hagars und Ismaels (1. Mose 16 und 21,8ff).
Die Dubletten sind in sich auch nicht einheitlich. Sprachstil und Wortwahl unterscheiden sich teil-
weise deutlich. Viele Alttestamentler nehmen drei ursprünglich eigenständige und zu verschiedenen
Zeiten entstandene Werke an, die nach dem babylonischen Exil zum Pentateuch in seiner heutigen
Form verbunden wurden:
• Die jahwistische Quelle (der Jahwist) ist vermutlich in der Zeit Salomos (10. Jh.) aus mündli-
  chen Überlieferungen entstanden. In universalgeschichtlicher Sicht beginnt er mit der Schöpfung
  (1. Mose 2,4ff), schildert die Zeit der Urväter Israels (Vätergeschichten, 1. Mose 12-50), die
  Entstehung des Volkes in Ägypten, Befreiung aus Ägypten und die Wüstenwanderung bis zu den
  Landnahme-Erzählungen im 4. Mosebuch. Hauptthema ist, wie „Segen“ durch Israel zu den Völ-
  kern kommt (1. Mose 12,3). Der fast durchgängige Gebrauch des à Gottesnamens Jahwe gab
  dem Werk seinen Namen.
• Die zweite Quelle nennt man Elohist, weil Gott dort häufig „Elohim“ genannt wird (à Gottes-
  namen). Die elohistischen Erzählungen (niedergeschrieben im 8. Jh.) beginnen erst mit der Ver-
  heißung an Abraham 1. Mose 15. Das Interesse des „Elohisten“ gilt allein Israel und nicht, wie
  beim „Jahwisten“, Israels Rolle in der Völkerwelt. Manche vermuten, daß Jahwist und Elohist
  schon im 7. vorchristlichen Jh. miteinander verbunden und gemeinsam weiterüberliefert wurden.
• Die dritte Quelle wird Priesterschrift genannt (im Exil des 6. Jhs. v. Chr. entstanden). Auch sie

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beginnt mit Schöpfung (1. Mose 1) und Urgeschichte (= 1. Mose 1-11). Das erzählerische und
  theologische Schwergewicht liegt auf den Erzählungen der Mosezeit und auf den religiösen und
  kultischen Geboten. Das Hauptinteresse gilt dem Bund Gottes mit seinem Volk und den Be-
  stimmungen dieses Bundes. Diese sind niedergelegt in der großen Gesetzessammlung, die mit
  dem Dekalog (griech. = Zehnwort, Zehn Gebote) - beginnt und mit wenigen erzählerischen Un-
  terbrechungen bis 4. Mose 10 führt. Die Verfasser vermutet man in priesterlichen Kreisen.
Eine eigene Entstehungsgeschichte hat das 5. Buch Mose, das Deuteronomium. Es ist mit hoher
Wahrscheinlichkeit aus dem Reformgesetzbuch erwachsen, das zur Regierungszeit des Königs Josia
(639-609 v. Chr.) im Tempel aufgefunden wurde und aufgrund dessen Josia eine grundlegende Re-
form des religiösen Lebens in Israel vornahm (vgl. 2. Kön 22f). Man vermutet, daß es nach dem
Untergang des Nordreiches im ausgehenden 8. Jh. in prophetischen Kreisen entstanden und auf uns
unbekannten Wegen in den Tempel gelangt ist. Im Stil des Lebensrückblickes Moses erzählt das
Buch die Heilsgeschichte neu und wiederholt die wichtigsten Gesetze; deshalb der Name „Deutero-
nomium = das zweite Gesetz“. Eine Kernforderung ist die Zentralisation des Kultes im Jerusalemer
Tempel.
Die fünf Bücher Mose bilden den wichtigsten Teil des jüdischen Kanons. Nach dem darin enthalte-
nen Gesetz wurden sie von den Juden Tora (s. o.) genannt. Die Tora ist die niedergeschriebene
Willensbekundung Gottes mit seinem Volk, die man lesen und vorlesen kann. Zu ihr gehört das
Gottesrecht, aber auch die Offenbarung des göttlichen Heilswillens, wie er sich aus der Geschichte
Gottes mit seinem Volk ablesen läßt.

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II. Gottesdienst und Liturgie

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1. Gottesdienstformen
Gottesdienst (griech. latreia = Dienst) bedeutet für Paulus die Hingabe des ganzen Menschen als
Opfer für Gott (Röm 12,2). Der sonntägliche Gottesdienst in der Kirche kann nur ein kleiner Teil
davon oder eine à symbolische Widerspiegelung sein. Was der Apostel hier fordert (und im ganzen
folgenden Kapitel beschreibt), ist vielmehr der Gottesdienst des gelebten Lebens. - Vom Gottes-
dienst im Sinn einer gottesdienstlichen Feier redet das Neue Testament auch, jedoch noch ohne ei-
nen festen Begriff: „wenn ihr zusammenkommt“ (1.Kor 11,17ff ) oder „eure Versammlungen“
(Hebr 10,25) heißt es dort.
Schon die Urchristenheit hat diese Gottesdienste in verschiedenen Formen und auf dem Hintergrund
verschiedener Vorstellungen gefeiert. Die judenchristlichen Gemeinden hatten noch das Geschehen
im Tempel, im Allerheiligsten vor Augen; in à Visionen schauten ihre à Propheten einen entspre-
chenden Gottesdienst vor Gottes Thron. Mit diesem war ihr irdischer Gottesdienst verbunden (Hebr
12,22ff und Offb 4,2ff). Die griechischen Gemeinden feierten in der Freiheit des Geistes, mit pro-
phetischer Verkündigung, Zungengebet, Herrenmahl und großem „Liebesmahl“ zur Sättigung (à
Agape)- freilich nicht ohne Entgleisungen.
Im Gottesdienstverständnis des Abendlands hat sich eher die „griechische Richtung“ durchgesetzt:
die Formen des Gottesdienstes sind veränderlich, wie der Heilige Geist es den Gläubigen eingibt. In
den orthodoxen Kirchen des Ostens lebt die judenchristliche Auffassung weiter: daß die „Heilige
Liturgie“ im Prinzip von Ewigkeit zu Ewigkeit unveränderlich ist, die irdische Liturgie darf sich nur
ändern, um sich der himmlischen noch weiter anzunähern. Doch auch hierzulande kann dies Gefühl
lebendig sein, etwa wenn Gemeinden altes liturgisches Gut nicht preisgeben wollen.
In den evangelischen und röm. katholischen Kirchen findet man gerade in der Gegenwart eine Viel-
falt der Gottesdienstformen:

a) Der Gottesdienst an Sonn- und Festtagen
Das Idealbild einer christlichen Gemeinde sieht vor, daß am Sonn- und Feiertag alle Mitglieder der
Gemeinde zum Gottesdienst zusammenkommen. Die Kirche ist bestrebt, ihn in einer Form zu fei-
ern, die alle mitvollziehen können; (daher die frühere Bezeichnung „Hauptgottesdienst”). Die evan-
gelischen Kirchen kennen zwei Grundformen: den Abendmahlsgottesdienst (Grundform I) und
den Predigtgottesdienst (Grundform II). Die Form des Abendmahlsgottesdienstes, auch deutsche
Messe genannt, folgt im Wesentlichen der vorreformatorischen römischer Meßfeier (à Liturgie).
Nach dieser Form richten sich viele luth. Landeskirchen auch dann, wenn sie nicht das Hl. Abend-
mahl feiern. (Aufbau und Fachbegriffe s.u. II 2b: à Der Gottesdienst nach der Grundform I). Der
Predigtgottesdienst verzichtet auf die meisten liturgischen Stücke der Messe, er wird in Südwest-
deutschland auch mit dem Hl. Abendmahl gefeiert.

b) Andere Gottesdienste
Von Anfang an kamen auch einzelne Gruppen der Gemeinde zu besonderen Gottesdienstfeiern am
Werktag zusammen, die zwar in der Regel offen sind für weitere Gäste, aber sich trotzdem im Stil
oder in der Thematik an eine besondere Gruppe wenden (daher der frühere Begriff „Nebengottes-
dienste”).
Ein Überblick über diese Gottesdienste muß verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigen. Eine
besondere Rolle spielen die Gottesdienste aus einem besonderen Anlaß, die Kasualgottesdienste.
Eine andere Gruppe nennt man à Andachten, die wiederum nach besonderen Zeiten unterschieden
werden. Man kann die Gottesdienste aber auch ordnen nach den Zielgruppen, für die sie angeboten
werden oder nach ihrer Thematik oder nach den besonderen Mitteln, mit denen sie gestaltet wer-
den.- So ist eine Feier der Osternacht nach den Mitteln ein Gottesdienst mit mittelalterlicher Litur

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