Bruchpunktlokalisation beim Nijmegen Breakage Syndrome
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Aus der Strahlenklinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Direktor: Prof. Dr. R. Fietkau _________________________________________________________ Bruchpunktlokalisation beim Nijmegen Breakage Syndrome Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegt von Daniel Blischke aus Frankfurt am Main
Gedruckt mit Erlaubnis der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Dekan: Prof. Dr. J. Schüttler Referent: PD Dr. L. Distel Korreferent: Prof. Dr. R. Fietkau Tag der mündlichen Prüfung: 29.06.2011
Diese Arbeit widme ich meinen Eltern, die mich auf meinem Weg immer unterstützt haben
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung.............................................................................................. 1 Abstract ............................................................................................................... 3 1. Einleitung ..................................................................................................... 5 1.1. Historie zum Nijmegen Breakage Syndrome ......................................... 5 1.2. Das NBS1-Gen ...................................................................................... 5 1.3. Proteinstruktur von Nbs1........................................................................ 5 1.4. Zelluläre Aufgaben des Nbs1-Proteins .................................................. 6 1.5. Molekulare Ursachen für NBS................................................................ 8 1.6. Relevanz für die Tumortherapie............................................................. 9 1.7. Ziel der Arbeit......................................................................................... 9 2. Material und Methoden .............................................................................. 11 2.1. Untersuchungsmaterial ........................................................................ 11 2.2. Fluoreszenz in situ Hybridisierung ....................................................... 11 2.2.1. Präparation/Auftropfen ..................................................................... 12 2.2.2. Fixierung/Vorbereitung..................................................................... 13 2.2.3. Denaturierung/Prähybridisierung ..................................................... 14 2.2.4. Hybridisierung .................................................................................. 14 2.2.5. Detektion .......................................................................................... 15 2.2.6. Amplifikation..................................................................................... 15 2.2.7. Gegenfärbung .................................................................................. 15 2.3. Auswertung .......................................................................................... 16 2.3.1. Kriterien zur Bruchstellenanalyse..................................................... 16 2.3.2. Bildverarbeitung ............................................................................... 16 2.3.3. Datenverarbeitung............................................................................ 17 3. Ergebnisse ................................................................................................. 19 3.1. FISH-Analyse ....................................................................................... 19 3.2. Mitoseindex .......................................................................................... 22 3.3. Bruchereignisse P122 .......................................................................... 22 3.4. Statistische Analyse ............................................................................. 28 4. Diskussion.................................................................................................. 30 Literaturverzeichnis ........................................................................................... 37 Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... 43 Abkürzungen von Fachausdrücken ............................................................... 43
Abkürzungen von Einheiten........................................................................... 44 Vorsätze bei Größeneinheiten ....................................................................... 44 Anhang .............................................................................................................. 45 Verwendete Lösungen................................................................................... 45 Bezugsquellen für die benutzten Substanzen ............................................... 49 Danksagung ...................................................................................................... 50
1 Zusammenfassung Hintergrund und Ziele: Jede Körperzelle ist ständig durch umweltbedingte DNA-Schäden bedroht, wie sie beispielsweise durch Bestrahlung verursacht werden. Diese können eine existenzielle Gefahr für die Zelle darstellen. Zellen von Nijmegen Breakage Syndrome (NBS) Patienten sind auf Grund ihres defekten NBS1-Gens nur eingeschränkt in der Lage diese DNA-Schäden zu reparieren. Ursächlich dafür ist die eingeschränkte Funktionsfähigkeit des vom NBS1-Gen codierten und zur DNA-Reparatur und Zellzykluskontrolle benötigten Proteins Nbs1. Infolgedessen treten bei NBS-Patienten gehäuft Chromosomenschäden und maligne Erkrankungen auf. Ziel dieser Arbeit war es, die Frage zu beantworten, ob die Chromosomenschäden von NBS- Patienten ein für NBS charakteristisches Muster zeigen. Methoden: Exemplarisch für die gesamte DNA wurden die Chromosomen 1, 2 und 4 von Lymphozyten eines NBS-Patienten analysiert. Dazu wurden Zellen unbestrahlt oder nach einer in vitro Bestrahlung mit 0,7 Gy bzw 2,0 Gy im Mitosestadium mittels Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) angefärbt. Um abzuschätzen, inwieweit bestrahlte NBS-Lymphozyten noch in der Lage sind, das für die FISH-Färbung notwendige Mitosestadium zu erreichen, ging der FISH-Färbung eine Mitoseindexbestimmung voraus. Unter dem Mikroskop gefundene schadhafte Chromosomen wurden fotografiert und mit einem Bildanalyseprogramm vermessen. Ergebnisse und Beobachtungen: Der Vergleich der NBS-Gruppe mit den Kontrollgruppen zeigte Unterschiede in drei verschiedenen Aspekten: Erstens überstieg die Anzahl der Chromosomenschäden bei Lymphozyten der NBS- Gruppe die in den Kontrollgruppen. Darüber hinaus waren im Gegensatz zu den Kontrollgruppen Chromosomenbrüche in der NBS-Gruppe der zweithäufigste Aberrationstyp nach den Translokationen. Schließlich zeigten sich auch im Bezug auf die Lokalisation der Aberrationen entlang der Chromosomen charakteristische Unterschiede. Der Anteil der Chromosomenaberrationen in den p-telomer-proximalen Abschnitten und in den p-Armen war in NBS-Lymphozyten wesentlich geringer als in den Kontrollgruppen. Dahingegen war die relative Häufigkeit der Chromosomenaberrationen im Zentromerbereich von NBS-Lymphozyten mit 20 bis 30% drei bis fünfmal höher als in den Kontrollgruppen. Im q-Armbereich gab
2 es chromosomenspezifische Unterschiede, da in NBS-Lymphozyten Aberrationen im zentralen Bereich des q-Arms von Chromosom 4 nur etwa halb so häufig vorkamen wie in den Kontrollgruppen. Auf den q-telomer-proximalen Bereich von Chromosom 2 der NBS-Lymphozyten dagegen entfiel ein circa dreimal so großer Anteil an Aberrationen wie in den Kontrollgruppen. Praktische Schlussfolgerungen: An Hand dieser in der vorliegenden Arbeit gefundenen charakteristischen Unterschiede in den Chromosomenaberrationen zwischen NBS-Lymphozyten und den Lymphozyten der Kontrollgruppen sollte in Zukunft eine verbesserte Identifikation von NBS-Patienten möglich sein.
3 Abstract Background and aims: Every somatic cell is continuously threatened by environmentally induced DNA damage. For example the DNA damage may be caused by radiation. This damage can pose an existential danger to the cells. Cells of Nijmegen Breakage Syndrome patients have a limited capability to repair DNA damage due to their defective NBS1 gene. The protein encoded by the NBS1 gene, also called Nbs1, is important for DNA repair and cell cycle control. However its function is reduced in NBS patients. Consequently, NBS patients more frequently suffer from chromosomal instability and cancer. Methods: The aim of this study was to examine whether the DNA of NBS patients is damaged in a pattern that is characteristic for NBS. Chromosomes 1, 2 and 4 from lymphocytes of an NBS patient were selected as representative of the entire genome and analyzed in this study. Non-irradiated lymphocytes and lymphocytes irradiated in vitro with either 0,7 Gy or 2,0 Gy were stained with triple-color FISH. To estimate whether NBS lymphocytes are still able to undergo mitosis as required for analysis by FISH, the mitosis index was determined before performing the FISH staining. Chromosomes were analyzed by fluorescence microscopy. Damaged chromosomes were photographed, the type of aberrations was determined and their localization measured using image analysis software. Results and observations: Comparing the NBS group with controls, three main differences were found: Firstly, the number of chromosomal aberrations was higher in NBS lymphocytes than in control lymphocytes. Secondly, while translocations were the most frequent type of aberration in both NBS and control groups, chromosomal breaks were the second most frequent type in the NBS group as opposed to dicentric chromosomes in the control groups. Finally, characteristic differences were found regarding the localization of aberrations along the chromosomes. The number of chromosomal aberrations in the p telomere-proximal region and in the p arms was markedly lower in the NBS group than in the control groups. On the other hand, the relative frequency of chromosomal aberrations located within the centromere region was three to five times higher in NBS lymphocytes than in control lymphocytes. Within the q arm region, chromosome-specific differences were observed: Aberrations in the central part of the q arm of chromosome 4 occurred only about half as often in
4 NBS lymphocytes as in the control group. However, aberrations in the q telomere-proximal part of chromosome 2 were found about three times as often in NBS as among the control groups. Practical conclusions: The characteristic differences between chromosomal aberrations of NBS and control lymphocytes that were found in this study should enable us to more easily identify NBS patients in the future.
5 1. Einleitung 1.1. Historie zum Nijmegen Breakage Syndrome Das Nijmegen Breakage Syndrom (NBS, OMIM 251260) ist eine seltene autosomal-rezessive Krankheit, die wie auch das Bloom-Syndrom, die Ataxia Teleangiectasia (AT), die Fanconi-Anämie und die Xeroderma Pigmentosum der Gruppe der chromosomalen Instabilitätssyndrome zugeordnet wird (Hiel et al., 2000). Cirka 200 Patienten sind weltweit bekannt, wovon die Mehrzahl in Osteuropa ansässig ist (Tauchi et al., 2002b, Czornak et al., 2008). Weemaes et al. berichteten erstmalig 1981 von diesem Krankheitsbild (Weemaes et al., 1981). NBS Patienten zeigen eine Reihe typischer Symptome, wie z.B. erhöhte Strahlensensibilität, Mikrozephalie, häufig mentale Retardierung, Minderwuchs, Immundefizite und eine erhöhte Prädisposition für maligne Erkrankungen. Auf Grund dieser zum Teil mit AT überlappenden Symptome wurde NBS lange als eine Variante von AT angesehen (Jaspers et al., 1988, Wegner et al., 1988). 1.2. Das NBS1-Gen Der Ort des krankheitsverursachenden Genschadens beim NBS wurde 1997 auf ein 1 cM (Centi-Morgan) großes Intervall des Chromosoms 8q21 eingegrenzt (Saar et al., 1997), wohingegen die genetische Ursache der AT auf Chromosom 11q22-23 zu suchen ist (Savitsky et al., 1995). Somit war NBS als eigenständige Krankheit abgegrenzt. Ein Jahr später veröffentlichten Varon et al. die Erkenntnis, dass ein Defekt im NBS1-Gen für die Entstehung des Nijmegen Breakage Syndroms verantwortlich ist (Varon et al., 1998). Das NBS1-Gen besteht aus 16 Exons und codiert für das Protein Nbs1 (auch Nibrin oder p95 genannt). Über 90% der NBS-Patienten sind homozygot für die Gründermutation 657del5 im Exon 6. Diese Deletion von 5 Basenpaaren, die bevorzugt bei Patienten slawischer Abstammung anzutreffen ist (Maurer, 2007) verursacht eine Leserasterverschiebung, in deren Folge die Biosynthese von Nbs1 verfrüht abgebrochen wird. 1.3. Proteinstruktur von Nbs1 Bei intakter Proteinbiosynthese besteht Nbs1 aus 754 Aminosäuren (AS) und hat ein molekulares Gewicht von 85 kDa. Drei funktionelle Regionen des Nbs1 werden unterschieden: Im N-terminalen Abschnitt befinden sich die forkhead-
6 associated (FHA) (AS 24-108) und die breast cancer carboxy-terminal (BRCT) Domänen (AS 108-196). Beide Domänen werden für die Akkumulierung von Nbs1 und seiner angelagerten Proteinen in den irradiation-induced foci (IRIF) benötigt (Cerosaletti und Concannon, 2003). Im mittleren Abschnitt (AS 278- 343) liegen zwei Serinmoleküle, die beispielsweise in Folge von ionisierender Bestrahlung phosphoryliert werden können, um den intra S-Phasencheckpoint regulieren (Lim et al., 2000, Zhao et al., 2000). Im C-terminalen Abschnitt (AS 665-693) liegen die hMre11-bindende Domäne, drei „nuclear localization signals (NLS)“ (Tauchi et al., 2002b) sowie eine ATM-Bindungsdomäne zur ATM-Aktivierung (You et al., 2005, Cerosaletti et al., 2006). 1.4. Zelluläre Aufgaben des Nbs1-Proteins Nbs1 nimmt in der Zelle vielfältige Aufgaben wahr. Es wirkt beim Erkennen, Anzeigen und Beseitigen von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSB) mit, ist aber auch an der Zellzykluskontrolle beteiligt, trägt zum Erhalt der Telomerstabilität bei und spielt eine Rolle bei der DNA-Replikation (Tauchi et al., 2002b). Um die DSBs im Zellkern zu erkennen, muss Nbs1 zunächst im Zytoplasma mit dem hMre11/hRad50-Komplex eine Verbindung eingehen (Carney et al., 1998). Der Transfer des funktionstüchtigen Nbs1/hMre11/hRad50 (N/M/R) Komplexes in den Zellkern erfolgt mit Hilfe der NLS im C-Terminus von Nbs1 (Tauchi et al., 2002b). Nbs1 als Teil des N/M/R-Komplexes bindet im Zellkern entweder direkt (Kobayashi et al., 2002) oder indirekt über den mediator of DNA damage checkpoint 1 (MDC1) (Lukas et al., 2004, Stucki et al., 2005) an phosphorylierte H2AX Histone (γ-H2AX) und zeigt so den nachgeschalteten Reparatur- Proteinen den DNA-Schaden an. Tauchi et al. schlagen außerdem eine anschließende Bindung des N/M/R-Komplexes an die DNA über hMre11 als Teil eines zweistufigen Prozesses vor, in dem der N/M/R-Komplex auch während der Reparatur des DSB beteiligt ist (Tauchi et al., 2002b). Nach der Detektion eines DSB durch den N/M/R-Komplex und der Bindung an γ-H2AX oder MDC1 folgt die Rekrutierung von ATM zur Schadensstelle. Es kommt zu einer intensiven Interaktion zwischen ATM und dem N/M/R-Komplex (Difilippantonio und Nussenzweig, 2007), in deren Verlauf das zunächst inaktive ATM Dimer durch die Bindung an die entsprechende ATM-Bindungsstelle des Nbs1 in zwei aktive ATM-Monomere überführt wird (Cerosaletti et al., 2006).
7 Nach einer Schädigung der DNA durch exogene Noxen wie ionisierende Strahlung oder Chemotherapeutika, aber auch durch endogene Noxen wie freie Radikale reicht eine geringe Anzahl von DSBs aus, um einen zweiten möglichen Weg zur ATM-Aktivierung zu beschreiten: Die Autophosphorylierung von ATM (Bakkenist und Kastan, 2003, Buscemi et al., 2004). Das aktivierte ATM interagiert im Rahmen der anschließenden DNA-Reparaturprozesse der Zelle mit 700 weiteren Proteinen (Matsuoka et al., 2007), wodurch die Bedeutung der Nbs1 abhängigen ATM-Aktivierung klar wird. Zur Reparatur von chromosomalen Schäden stehen der eukaryotischen Zelle prinzipiell zwei unterschiedliche Verfahren zur Verfügung, die je nach den strukturellen Eigenschaften des DSBs und des zellulären Zustands ausgewählt werden (Iijima et al., 2008): Das Non-homologous end joining (NHEJ) und die Homologous recombination (HR)-Reparatur. Das NHEJ wird zur schnellen Reparatur während aller Phasen des Zellzykluses benutzt. Ein Verlust von Basenpaaren ist dabei möglich, wenn bei diesem Verfahren die DNA- Abschnitte zu beiden Seiten des DSBs mit Nukleasen bearbeitet werden, bevor sie zusammengefügt werden. An diesem raschen Verfahren sind Proteine wie Ku70/80, DNA-PK oder der XRCC4/DNA Ligase IV-Komplex beteiligt. Die HR- Reparatur ist langwieriger und kann innerhalb des Zellzyklus nur während der späten S-Phase und der G2-Phase angewandt werden, weil der entsprechende intakte DNA-Abschnitt der Schwesterchromatide bei der Reparatur des unterbrochenen DNA-Stranges als Matrize dient (Iijima et al., 2008). Da bei diesem Reparaturverfahren eine Vorlage zur Verfügung steht, kann es ohne Verlust oder Vertauschen von Basenpaaren durchgeführt werden. Nbs1 spielt in beiden Verfahren eine Rolle, wobei es aber im Gegensatz zum NHEJ bei der HR-Reparatur unverzichtbar ist, da es die Positionierung des Proteins hMre11 an die Stelle des DNA-Schadens ermöglicht (Tauchi et al., 2002a, Tauchi et al., 2002b, Sakamoto et al., 2007, Iijima et al., 2008). Angesichts der zentralen Rolle des N/M/R-Komplexes für die DNA-Reparatur und die ATM-abhängigen Prozesse der Zelle wird deutlich, wie essentiell ein funktionierender N/M/R-Komplex für eine nachhaltige Zellgesundheit ist. Beim Nijmegen Breakage Syndrom jedoch ist der Nbs1-Bestandteil des N/M/R- Komplexes fehlerhaft, sodass die durch Noxen- wie beispielsweise ionisierende Strahlung bei der Stahlentherapie- verursachten Chromosomenschäden nicht in adäquater Weise behoben werden können.
8 1.5. Molekulare Ursachen für NBS Der häufigsten Ursache für das NBS - der NBS1del657 Mutation liegt die Tatsache zu Grunde, dass zum einen durch einen vorzeitigen Abbruch der Nbs1-Biosynthese ein N-terminales Fragment von 26kDa (Nbs1p26) entsteht und zum anderen wegen eines internen Translationsstarts auf dem Nbs1-Gen ein C-terminales Fragment von ca. 70kDa (Nbs1p70) hergestellt wird (Maser et al., 2001). In Folge der Expression zweier Nbs1-Fragmente, werden die FHA und BRCT-Domänen im N-terminalen Abschnitt von den funktionalen Domänen im C-terminalen Abschnitt getrennt. Dies führt zur beeinträchtigten Interaktion des Nbs1p70 mit Mdc1 bzw. zum Verlust der stabilen Verbindung zwischen dem N/M/R-Komplex und dem mit γ-H2AX modifizierten Chromatin. Der N/M/R- Komplex kann daher nur noch eingeschränkt seiner Aufgabe nachkommen, die Positionen von Chromosomenschäden anzuzeigen und die DNA-Reparatur in die Wege zu leiten (Lukas et al., 2004). Die trotz reduzierter Zellfunktionen erhaltene Überlebensfähigkeit von NBS-Patienten beruht auf der verbliebenen hMre11-Bindungsdomäne des Nbs1p70 Proteins, womit das hMre11 an den N/M/R-Komplex gebunden und somit im Zellkern gehalten werden kann. Im Tiermodell erwies sich ein NBS1-Null-Phänotyp als mit dem Leben nicht vereinbar (Maser et al., 2001, Zhu et al., 2001). Es wird angenommen, dass ein Teil des Phänotyps von NBS-Patienten auf den Funktionsverlust des N-terminalen Nbs1p70 zurückzuführen ist, da im Tierversuch Zellen mit einem Schaden im Bereich der FHA-Domäne des Nbs1 die gleichen Symptome aufweisen wie hNBS1 657del5 Mäuse: Fehlerhafte T- Zellen, Defekte im G2/M- bzw. intra-S Phasen Checkpoint-Arrest und suboptimale Phosphorylierung von ATM-Substraten (Difilippantonio und Nussenzweig, 2007). Durch die mangelnde Anzeige und Reparatur von DSBs einerseits sowie den defekten intra-S-Phasen-Checkpoint und die eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Nbs1p70-Mre11-Komplex andererseits wird die DNA-Replikation auch im Falle eines Chromosomenschadens fortgeführt, sodass die DNA-Defekte sich auch in nachfolgenden Zellgenerationen manifestieren. Diese „radio-resistant DNA synthesis“ (RDS) ist ein wesentliches Kennzeichen von NBS und könnte eine Erklärung für die in NBS-Patienten beobachtete Tumoranfälligkeit liefern (Lim et al., 2000, Zhao et al., 2000, Maser et al., 2001).
9 Klinisch relevant sind diese aufgezählten Aspekte vor allem für die Bestrahlung von NBS-Patienten, da danach auf Grund von nicht adäquat Reparaturmechanismen vermehrt Chromosomenbrüche in den Tochterzellen erhalten bleiben und somit die iatrogen bedingt Tumorentwickelung begünstigt wird sowie schwerste Nebenwirkungen zu erwarten sind. 1.6. Relevanz für die Tumortherapie Im Rahmen der Tumortherapie bestrahlt man Patienten und induziert damit Chromosomenbrüche. Im Bezug auf die Strahlenempfindlichkeit gibt es eine große intraindividuelle Streubreite (Burnet et al., 1998, Vineis, 2004), wobei NBS-Patienten aus den oben beschriebenen Gründen eine hohe Strahlenempfindlichkeit aufweisen. Wünschenswert wäre bei der Behandlung eine optimal an die jeweilige Strahlenempfindlichkeit angepasste Strahlendosis applizieren zu können, um dadurch Patienten vor unnötigen Strahlennebenwirkungen zu bewahren. Dazu sind jedoch eine individuelle Bestimmung der Strahlenempfindlichkeit und ein Erkennen von Patienten mit einer erhöhten Strahlenempfindlichkeit im Voraus notwendig. Ein möglicher Marker für die Strahlenempfindlichkeit ist das Chromosomenbruchverhalten. Im Hinblick darauf wurde bereits eine Untersuchung des Chromosomenbruchverhaltens durchgeführt, in der retrospektiv Lymphozyten von Patienten mit einer erhöhten Strahlenempfindlichkeit Lymphozyten gesunder Probanden gegenübergestellt wurden (Schilling et al., 2006). Es zeigte sich, dass die absolute Anzahl an Bruchereignissen für die betrachteten Chromosomen 1, 2 und 4 in der Gruppen der erhöht strahlensensiblen Patienten jeweils größer war als in der gesunden Kontrollgruppe. Auch bei der Bruchpunktlokalisation gab es Auffälligkeiten im Vergleich zur gesunden Negativkontrolle: Die Schäden bei den strahlensensiblen Patienten häuften sich im Bereich des q-Arms. 1.7. Ziel der Arbeit Ziel dieser Arbeit ist es die Frage zu klären, ob eine Häufung der Bruchstellen in einem bestimmten Bereich des Chromosoms mit Defekten in der Reparaturfähigkeit der Zelle im Zusammenhang steht. Dafür werden Lymphozyten eines Patienten verwendet, der am Nijmegen Breakage Syndrom erkrankt ist. Charakteristisch für dieses Chromosomeninstabilitätssyndrom ist,
10 dass das Nbs1-Protein mit seiner zentralen Rolle für das Erkennen von DSBs und für die Zellzykluskontrolle auf Grund einer Mutation im NBS1-Gen nicht mehr vollständig funktionstüchtig ist. Ein möglicher Einfluss des defekten Nbs1 Proteins auf die Bruchstellenverteilung der Chromosomen 1, 2 und 4 soll analysiert werden.
11 2. Material und Methoden 2.1. Untersuchungsmaterial Für die vorliegende Arbeit wurden lymphoblastoide Zelllinien eines Patienten mit Nijmegen Breakage Syndrome (P122) verwendet. Um die Ergebnisse besser vergleichen zu können, wurden darüber hinaus auch Zellen von Patienten mit erhöhter Strahlensensibilität (im weiteren Verlauf Strahlensensible genannt) und Zellen von Patienten mit einer Tumorerkrankung (Tox 1-2) benutzt. Die Strahlensensiblen wurden retrospektiv untersucht. Als Kontrollkollektiv (im Folgenden Kontrolle genannt) wurden gesunde Zellen für diese Arbeit herangezogen. Die Zellen wurden in vitro mit 0,7 Gy oder 2 Gy bestrahlt, wobei von jeder Population eine Kontrollprobe unbestrahlt blieb. Nach der Präparation wurden die Chromosomen der Zelllinien mittels Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) angefärbt, wie von Keller et al. 2004 beschrieben (Keller et al., 2004). 2002 haben Neubauer et al. dargelegt, dass FISH geeignet ist, Chromosomenschäden bei lymphoblastoiden Zellen von NBS-Patienten nachzuweisen (Neubauer et al., 2002). 2.2. Fluoreszenz in situ Hybridisierung Seit Ende der 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts ist es möglich, DNA in situ nachzuweisen (Gall und Pardue, 1969, John et al., 1969). Damals wurden zur Darstellung der DNA radioaktiv markierte Sonden verwendet. In der vorliegenden Arbeit wurden zur Chromosomenabbildung mit Fluoreszenzfarbstoffen markierte Sonden verwendet. Von der unterschiedlichen Art der Sondenmarkierung abgesehen hat sich am Grundprinzip der in situ Hybridisierung seit 1969 nichts verändert. Daher trägt das hier benutzte Verfahren die Bezeichnung Fluoreszenz in situ Hybridisierung und wurde 1986 von Pinkel et al. Beschrieben (Pinkel et al., 1986): Durch eine geeignete Vorbereitung erreicht man, dass die Zellen bzw. die Gewebe für die anschließenden Arbeitsschritte optimal vorbereitet sind und nachfolgend auf dem Objektträger gut auswertbar vorliegen. Die Doppelstrang-DNA des Materials wird durch Hitzeeinwirkung denaturiert, d.h. die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den zwei Strängen werden aufgebrochen. An die beiden entstandenen DNA-Einzelstränge lagern sich die
12 (für die jeweiligen Chromosomen spezifischen) DNA-Sonden an. Das entstandene Gebilde aus natürlichem DNA- und synthetischen DNA-Abschnitt wird als Hybrid bezeichnet (Pschyrembel, 2002). Diese DNA-Sonden tragen ein Antigen auf ihrer Oberfläche, an dem dann ein mit Fluoreszenzfarbstoff markierten Antikörper binden kann. Dieser Prozess wird als Detektion bezeichnet und führt mit einem entsprechenden Mikroskop betrachtet zu grün leuchtenden Chromosomen. Für diesen Effekt ist der Fluoreszenzfarbstoff FITC verantwortlich. Durch die Amplifikation mit Rhodamin erscheinen die passenden Chromosomen unter dem Fluoreszenzmikroskop in roter Färbung. Abschließend werden die Chromosomen noch mit DAPI gegengefärbt, wodurch sie durch geeignete Filter betrachtet blau erscheinen. 2.2.1. Präparation/Auftropfen Die Zellkulturen wurden entweder mit 0 Gy, 0,7 Gy oder aber mit 2 Gy bestrahlt und anschließend bei 37°C für 48 h inkubiert. 3,5 Stunden vor der Präparation wurde Colcemid (Gebrauchslösung 5 µg/ml) in die Zellkultur gegeben, um die Mitosen in der Metaphase zu stoppen und so eine gesteigerte Anzahl an kondensierten und damit sichtbaren Chromosomen zu erhalten. Zur Gewinnung von Zellmaterial wurde die Zellsuspension in Röhrchen überführt und für 8 Minuten bei 1000 U/min zentrifugiert. Der Überstand wurde bis auf 0,5 cm über dem Sediment abgesaugt, wobei der Bodensatz auf dem Rüttler anschließend wieder resuspendiert wurde. Danach wurden 20 Tropfen einer 0,56%igen KCl- Lösung auf dem Rüttler hinzugegeben und bis auf Ständerhöhe aufgefüllt. Die Kulturen wurden für 20 Minuten im Brutschrank (37°C, 5% CO2) inkubiert. Die hypotone KCl-Lösung bewirkt ein Anschwellen der Zellen, wodurch die Entwirrung und spätere Spreitung der Chromosomen erleichtert wird (Leitch et al., 1994). Durch langsame Zugabe von 0,6 ml frischer Fixierlösung erfolgt die Konservierung der Zellstrukturen. Proteine fällen aus und der DNA-Abbau wird unterbrochen. Die Röhrchen wurden mit einem Parafilm verschlossen, der Inhalt durchmischt und dann 8 Minuten lang bei 1000 U/min zentrifugiert. Der Überstand in den Röhrchen wurde abgesaugt und das Sediment auf dem Rüttler resuspendiert. Unter Rütteln wurden langsam 20 Tropfen Fixierlösung hinzugegeben und anschließend soviel Fixierlösung in die Röhrchen gefüllt, bis der Flüssigkeitsspiegel auf Ständerhöhe lag. Die Röhrchen wurden 30 min bei 4°C
13 inkubiert und danach zentrifugiert (1000 U/min 8 min). Der Überstand wurde entfernt, das Sediment resuspendiert und 4-5 ml Fixierlösung zugesetzt. Nach dreimaligem Zentrifugieren, Absaugen des Überstands und Resuspendieren mit Fixierlösung wurde solange Fixierlösung zugesetzt, bis eine milchige Suspension entstand. 3-4 Tropfen der Suspension wurden aus wenigen Zentimetern Höhe auf einen feuchten Objektträger fallen gelassen und durch Schwenken getrocknet. Die Objektträger wurden anschließend unter dem Mikroskop auf die Dichte der Zellen in der Metaphase untersucht. Objektträger mit einer relativ hohen Dichte an Zellen in der Metaphase und einer ausreichenden Spreitung der Chromosomen wurden für das weitere Verfahren und die Analyse verwendet. Zur Vorbereitung der Zellen auf die nächsten Schritte der in situ-Hybridisierung wurden die Präparate für mindestens 24 Stunden in -20°C kaltem Ethanol gelagert (optimal 2-3 Tage). 2.2.2. Fixierung/Vorbereitung Für die weiteren Arbeitsschritte wurden abgetrocknete Objektträger verwendet. Diese wurden 5 min in 1xPBS-Lösung bei Raumtemperatur auf dem Rüttler belassen und anschließend je 5 Minuten in 70%, 90% und 100% Ethanol auf dem Schüttler dehydriert, um ein Verdünnen der Sonden bei nachfolgenden Prozessen zu verhindern (Leitch et al., 1994). Da die Sonden nur mit DNA- Sequenzen der Zellen interagieren sollen, wurde die RNA des Zytoplasmas und des Zellkerns durch RNase abgebaut: 100 µl RNase-Lösung wurden auf jeden Objektträger pipettiert und mit einem Deckglas luftblasenfrei abgedeckt. Nach der Inkubation im Wasserbad (30 min, 37°C) wurde am Mikroskop kontrolliert, ob die Menge an RNase ausreichend war. Dreimal wurden die Objektträger unter Rütteln in 2xSSC-Lösung je 5 min lang gewaschen. Für den vierten Waschgang wurde 1xPBS-Lösung verwendet. Die Objektträger wurden 10 min mit frischer, 37°C warmer Pepsinlösung behandelt, um an die DNA angelagerte Proteine abzubauen, und damit den Sonden einen leichteren Zugang zu ermöglichen. Das Ergebnis wurde mikroskopisch kontrolliert. Zum Stoppen der Pepsinwirkung wurden die Objektträger 5 min bei Raumtemperatur auf dem Schüttler in 1xPBS-Lösung mit MgCl2 inkubiert. Die Nachfixierung erfolgte für 10 Minuten in 1xPBS-Lösung mit MgCl2 und Formaldehyd unter dem Abzug, das anschließende Waschen in 1xPBS-Lösung auf dem Schüttler (5 min). Zum Entwässern der Präparate wurden sie je 5 Minuten bei Raumtemperatur auf
14 dem Schüttler in 70%, 90% und 100% Ethanol gegeben. Aufbewahrt wurden die Objektträger trocken oder bei -20°C, wenn sie länger als 2 Wochen nicht weiter verarbeitet wurden. 2.2.3. Denaturierung/Prähybridisierung Bevor die Chromosomen der Zellen hybridisiert werden können, müssen die DNA-Sonden (T. Liehr, Humangenetik Jena) vorbehandelt werden: Zum Sondenmix werden Dextransulfat und COT (eingedampft) gegeben. Dextransulfat erhöht durch Volumeneinengung die Probenkonzentration (Wahl et al., 1979, Harper et al., 1981), und beschleunigt damit die Hybridisierung um den Faktor 100, ohne jedoch das Signal zu Hintergrundverhältnis nachteilig zu beeinflussen. Die Zugabe von COT-1 DNA sättigt hochrepetitive DNA- Abschnitte im Bereich der Zentromere ab (Landegent et al., 1987). Ohne diesen Schritt würden die hochrepetitiven DNA-Sequenzen mit ihrer im Vergleich zur normalen DNA-Sequenz unterschiedlichen Hybridisierungskinetik nach der FISH ein sehr starkes Fluoreszenzsignal erzeugen, was die Bildqualität bzw. die Bildverarbeitung stark beeinträchtigen würde (Lichter et al., 1988). Die Sonden wurden zum Denaturieren für 5 Minuten in ein 75°C warmes Wasserbad gegeben, danach für weitere 35 Minuten in ein 37°C warmes Wasserbad. Bis zum Hybridisieren der Präparate wurden die DNA-Sonden auf Eis gelagert. Jeder Objektträger wurde in je 100 µl Denaturierungslösung unter einem Deckglas für 110 Sekunden im Wasserbad (72°C) unter dem Abzug inkubiert, um die DNA zu denaturieren. In der Denaturierungslösung ist unter anderem Formamid, das die Schmelztemperatur der DNA absenkt und so das genetische Material schont. Der Prozess wurde durch Inkubation der Objektträger je 5 Minuten in 70, 90 und 100% Alkohol (eiskalt) beendet. Nach dem Trocknen wurden sie für die Hybridisierung vorbereitet. 2.2.4. Hybridisierung Dreimal 3,3 µl der Sonde wurden auf jeden Objektträger (Maße 24x24 mm) appliziert und das Deckglas mit Fixogum versiegelt. Über 2 Tage hinweg wurden die Objektträger im Brutschrank (37°C) inkubiert, um anschließend in 2xSSC-Lösung gestellt zu werden. Das weitere Posthybridisierungswashing erfolgte in FA/4xSSC-Lösung (45°C) auf dem Schüttler für 5 min unter dem Abzug bei Raumtemperatur und wurde dreimal wiederholt. Ebenfalls dreimal
15 wurden die Präparate 5 min lang bei Raumtemperatur auf dem Schüttler in 0,1xSSC-Lösung (60°C) gewaschen. Durch das Postwashing wird hauptsächlich unspezifisch gebundene DNA entfernt und so das Intensitätsverhältnis Signal/Hintergrund zu Gunsten des Signals verschoben (Göhlert, 2002). 2.2.5. Detektion Vor der eigentlichen Detektion wurden die Objektträger für kurze Zeit in 4xSSC/Tween-Lösung gelegt. Um die unspezifischen Antikörper- Bindungsstellen abzublocken wurde jedes Präparat mit 100 µl 5% BSA-Lösung überschichtet, mit einem Deckglas luftblasenfrei abgedeckt und für 20-30 min im Wasserbad (37°C) inkubiert. Abermals wurden die Objektträger kurz mit 4xSSC/Tween-Lösung gespült. Danach wurden pro Objektträger 100 µl FITC- Lösung (1:500 in 5% BSA) aufgetragen und mit einem Deckglas luftblasenfrei abgedeckt. Für 60 min wurden die Präparate im Wasserbad (37°C) inkubiert. Zum Spülen wurden sie dreimal für je 5 min unter Rütteln in 37°C warme 4xSSC/Tween-Lösung gegeben. 2.2.6. Amplifikation Zur Amplifikation wurden 100 µl der Antiavidin 1:100/Rhodamin 1:35-Lösung auf jeden Objektträger gegeben und mit einem Deckglas luftblasenfrei abgedeckt. Die Inkubation erfolgte für 1,5-2 h im 37°C warmen Wasserbad. Gespült wurden die Objektträger dreimal 5 min in 37°C warmer 4xSSC/Tween- Lösung auf dem Schüttler. Anschließend wurde 100 µl FITC-Lösung auf jedes Präparat pipettiert. Die Präparate wurden anschließend mit einem Deckglas luftblasenfrei abgedeckt für 30 min bei 37°C im Wasserbad inkubiert. Durch dreimal 3 min auf dem Schüttler in 37°C warmer 4xSSC/Tween-Lösung wurden die Objektträger gespült. 2.2.7. Gegenfärbung Nach dem Abtrocknen wurden die Präparate mit jeweils 50 µl DAPI- Gebrauchslösung überschichtet und 5 min im Dunkeln aufbewahrt. Nach dem Spülen mit Aqua bidest und Trocknen wurden die Objektträger mit jeweils 20 µl Vectashield® eingedeckt. Dieses Antifading-Reagenz verhindert das
16 Ausbleichen der Präparate und intensiviert die Fluoreszenz (Longin et al., 1993). 2.3. Auswertung Die Auswertung der Objektträger erfolgte an einem Zeiss Axioplan Mikroskop, ausgestattet mit Filtersätzen für DAPI-, FITC- und Rhodamin-Fluoreszenz und einer CCD-Kamera (Hitachi, HV-C20A, bzw. UI-2240 C, Imaging Development Systems GmbH). Die Bildverarbeitung erfolgte mit Hilfe der Software Biomas (Erlangen, Germany) und die Datenerfassung mittels Microsoft Excel 2003 (Redmond, WA 98052, USA). 2.3.1. Kriterien zur Bruchstellenanalyse Zur Vermessung der Chromosomen in der Metaphase wurden folgende Kriterien angelegt: Alle sechs zu untersuchenden mit FISH gefärbten Chromosomen müssen vorhanden sein, sie müssen den gleichen Kondensationsgrad haben, sie dürfen nicht zu dicht oder übereinander liegen, sie dürfen keine starken Krümmungen aufweisen und es dürfen keine komplexen Aberrationen vorliegen (d.h. mehr als zwei Brüchstücke pro homologem Chromosomenpaar). Ausgewertet wurden nur Aberrationen, die sich eindeutig in die Kategorien Translokation, dizentrisches Chromosom, Bruch oder Deletion einordnen ließen. 2.3.2. Bildverarbeitung Jede in Frage kommende aberrante Metaphase wurde zweimal mit der CCD- Kamera fotografiert. Die erste Aufnahme wurde mit dem DAPI/FITC/Rhodamin- Filtersatz, die zweite mit dem DAPI-Filtersatz angefertigt. Beide Fotos wurden zur weiteren Bildverarbeitung automatisch an das Programm Biomas überführt. Auf dem ersten Bild stellten sich die beiden Chromosomen 1 rot, die beiden Chromosomen 2 grün und die beiden Chromosomen 4 gelb dar. Die übrigen Chromosomen erschienen auf Grund der DAPI-Gegenfärbung blau. Dieses Bild diente zur Vorbereitung der eigentlichen Vermessung, indem darauf die sechs gefärbten Chromosomen und ihre Bruchstücke identifiziert wurden, sowie der jeweilige Aberrationstyp bestimmt wurde. Dazu wurden auf der Abbildung die entsprechenden Strukturen mittels Curser markiert und anschließend auf die mit dem DAPI-Filtersatz angefertigte zweite Aufnahme übertragen. Dort wurden
17 die Chromosomen und ihre Fragmente vermessen, da sie nur dort in Originallänge erscheinen. Auf dem ersten Bild wäre ein präzises Ausmessen der jeweiligen Chromosomenlänge nicht möglich: Durch die Verwendung von DNA-Sonden, die wegen des FISH-Verfahrens mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert sind, werden die Längen der Chromosomen verfälscht wider gegeben. 2.3.3. Datenverarbeitung Die in Biomas ermittelten Daten wurden automatisch in eine Excel-Tabelle übertragen. Jedes unbeschädigte Chromosom 1, 2 bzw. 4 wurde in 100 gleiche große Abschnitte aufgeteilt (Schilling et al., 2006), basierend auf der von Morton 1991 ermittelten Chromosomengesamtlänge von 2,63 Megabasenpaaren (Mbp), 2,55 Mbp bzw. 2,03 Mbp für die Chromosomen 1, 2 bzw. 4 (Morton, 1991). Die Berechnung der chromosomalen Bruchpunktlokalisation erfolgte dann nach folgender Formel: p repräsentiert hier die Distanz der Bruchstelle vom Telomer des p-Arms und q steht für die Distanz der Bruchstelle bis zum Telomer des q-Arms. Die 0% Längenmarke befindet sich hierbei am Telomerende des p-Arms. Prinzipiell wurde vom intakten Arm bis zur Aberration gemessen, danach erfolgte die Vermessung des Bruchstücks (siehe auch Abbildung 1 am Beispiel eines Chromosomenbruchs). Vor der statistischen Weiterverarbeitung des Datensatzes wurden die Bruchereignisse auf den ersten und letzten fünf Längenprozent der Chromosomen ausgenommen, da sie durch die vorhandene Messungenauigkeit keine verlässlichen Daten liefern würden.
18 p = gemessen vom kurzen Arm (p- Arm) bis zur Bruchstelle q= gemessen von der Bruchstelle bis zum Telomer des q-Arms. Abbildung 1: Illustration einer Bruchstellenanalyse (nach (Tucker und Senft, 1994)) am Beispiel eines Bruchs im q-Arm.
19 3. Ergebnisse 3.1. FISH-Analyse Die Zellen der Nijmegen-Breakage-Syndrom-Patienten sind durch das fehlerhafte Nbs1 Protein nicht in der Lage Chromosomenschäden zuverlässig zu erkennen, eine adäquate Zellzykluskontrolle durchzuführen und die DNA- Schäden zufriedenstellend zu beheben. An Lymphozyten, die von einem NBS- Patienten abstammen, wird eine FISH-Analyse durchgeführt und die gewonnenen Daten in Tabelle 1 bzw. in den Diagrammen 1a-e zwei anderen Patientengruppen, sowie einer Kontrollgruppe gegenübergestellt. Ist im unbestrahlten Zustand die Anzahl der Brüche pro Mitose in der Gruppe P122 noch auf dem Niveau der Vergleichsgruppen, so treten bei Lymphozyten mit NBS-Abstammung nach einer Bestrahlung mit 0,7 Gy bereits bis zu circa zehn mal mehr Bruchereignisse pro Mitose als bei den anderen Gruppen auf. Translokationen und Brüche sind in den Kontrollgruppen bei 0,7 Gy mehr als 1000 mal bzw. rund 500 mal seltener als bei der P122-Gruppe. 2 Gy verursachen in Lymphozyten von NBS Patienten vier mal mehr Brüche pro Mitose als in den Vergleichsgruppen. Der Anteil der Translokationen bzw. Brüche in den Vergleichsgruppen liegt circa 500 mal bzw. circa 250 mal niedriger als bei der Gruppe der NBS-Lymphozyten. 0 Gy N Anteil Anteil der Anteil der Anteil der Brüche pro aberranter Trans- Dizentri- Brüche in % Mitose Mitosen lokationen schen in % in % in % P122 0,041 0,025 0,003 0,015 0,07 Strahlen- 5 0,06±0,027 0,06±0,030 0,01±0,007 0,010±0,006 0,16±0,073 sensible Tox 1-2 15 0,04±0,042 0,04±0,036 0,01±0,016 0,008±0,009 0,10±0,107 Kontrolle 12 0,01±0,004 0,01±0,004 0,00±0,002 0,003±0,002 0,03±0,007 0,7 Gy N Anteil Anteil der Anteil der Anteil der Brüche pro aberranter Trans- Dizentri- Brüche in % Mitose Mitosen lokationen schen in % in % in % P122 32,25 31,20 (*) 7,75 (*) 4,80 (*) 0,77 (*) Strahlen- 5 0,05±0,020 0,05±0,029 0,02±0,014 0,01±0,005 0,14±0,073 sensible (*) (*) (*) (*) Tox 1-2 15 0,04±0,022 0,03±0,030 0,01±0,010 0,01±0,010 0,09±0,054 (*) (*) (*) (*) Kontrolle 12 0,04±0,015 0,03±0,010 0,01±0,005 0,02±0,011 0,08±0,028 (*) (*) (*) (*)
20 2,0 Gy N Anteil Anteil der Anteil der Anteil der Brüche pro aberranter Trans- Dizentri- Brüche in % Mitose Mitosen lokationen schen in % in % in % P122 51,67 49,00 (*) 16,70 (*) 12,70 (*) 1,43 (*) Strahlen- 5 0,22±0,034 0,20±0,033 0,08±0,036 0,07±0,021 0,61±0,091 sensible (*) (*) (*) (*) Tox 1-2 15 0,18±0,049 0,12±0,045 0,05±0,047 0,06±0,023 0,41±0,151 (*) (*) (*) (*) Kontrolle 12 0,17±0,029 0,09±0,037 0,05±0,016 0,05±0,023 0,35±0,059 (*) (*) (*) (*) Tabelle 1: Vergleich der quantitativen Chromosomenschäden in Zellen eines Nijmegen- Breakage-Syndrom-Patienten (P122) mit Chromosomenaberrationen bei gesunden Probanden beziehungsweise Patienten, die an einer erhöhten Strahlenempfindlichkeit oder einer Tumorerkrankung leiden. Die Daten sind erhoben worden sowohl an unbestrahlten Zellen, als auch an Zellen nach einer Bestrahlung mit 0,7 Gy bzw. 2 Gy. (*): Diese Daten sind korrigiert um den physiologischen Anteil an Aberrationen im unbestrahlten Zustand. a b
21 c d e Diagramm 1: Graphische Darstellung der Strahlenwirkung auf P122 (jeweils linkes Diagramm bei a-e), sowie auf die Gruppen Strahlensensible, Tox 1-2 und Kontrolle (zusammengefasst jeweils auf dem rechten Diagramm a-e). Aufgrund der deutlich höheren Aberrationsrate bei P122 sind die Ordinaten der Diagramme mit einer anderen Skalierung versehen als die der Vergleichsgruppe. (*): Die auftretenden Werte bei der applizierten Strahlendosis von 0,7 Gy bzw. 2 Gy sind korrigiert um den physiologischen Anteil der Chromosomenaberrationen.
22 3.2. Mitoseindex Der Mitoseindex dient als Maßstab für den Proliferationsstatus einer Zellpopulation. Um den Mitoseindex zu ermitteln, wird die Anzahl der Zellen pro Sichtfeld, die sich in Zustand der Mitose befinden dividiert durch die Gesamtzahl der Zellen pro Sichtfeld. Der für Zellen eines Nijmegen-Breakage- Syndrom-Patienten ermittelte Mitoseindex ist abhängig von der applizierten Strahlendosis. Die einzelnen Werte können der Tabelle 2 und dem Diagramm 2 entnommen werden. Mitoseindex P122 Strahlensensible Tox 1-2 Kontrolle N 1 5 15 12 0 Gy 0.027 0,034±0,033 0,035±0,031 0,029±0,006 0,7 Gy 0,019 0,025±0,027 0,028±0,028 0,026±0,010 2,0 Gy 0,008 0,026±0,026 0,019±0,025 0,020±0,009 Tabellen 2: Mitoseindex von P122 Zellen in Gegenüberstellung zu den Vergleichsgruppen aufgeschlüsselt nach der Strahlendosis Diagramm 2: Graphische Darstellung des Mitoseindex von NBS-Patienten und den verschiedenen Referenzgruppen in Abhängigkeit von der verwendeten Strahlendosis. 3.3. Bruchereignisse P122 Als Grundlage für die deskriptive Auswertung dienen 572 Bruchereignisse in den Metaphasen von Nijmegen-Breakage-Syndrom Zellen. Der größte Teil der Aberrationen entfällt davon auf die Kategorie der Translokationen (70%), gefolgt von den einfachen Brüchen (rund 17,5%) (Tabelle 3). Die unbestrahlten Chromosomen sind am wenigsten von Aberrationen betroffen. Die Bestrahlung mit 2 Gy verursacht komplexe und multiple Bruchmuster, sodass sie oft nicht mehr eindeutig einem bestimmten Chromosom zugeordnet werden können.
23 Demzufolge treten die meisten verwertbaren Strahlenschäden nach der Applikation von 0,7 Gy auf. Dizentrische Chromosomen stellen zahlenmäßig die kleinste Gruppe der verschiedenen Aberrationen dar. Wie sich die jeweiligen Bruchereignisse im Einzelnen auf die Chromosomen in Abhängigkeit von der applizierten Strahlendosis aufteilen ist der Tabelle 4 zu entnehmen. Translokationen 70,10% Brüche 17,48% Deletionen 8,22% Dizentrische Chromosomen 4,20% ∑ 572 Bruchereignisse Tabelle 3: Prozentuale Aufschlüsselung der verschiedenen strukturellen Aberrationen innerhalb der untersuchten Zelllinie P122. P122 P122 P122 P122 gesamt 0 Gy 0,7 Gy 2 Gy Chromosom 1 Translokationen 119 1 75 43 Dizentrische 7 1 1 5 Chromosomen Brüche 36 2 20 14 Deletionen 17 5 8 4 ∑ 179 9 104 66 Chromosom 2 Translokationen 177 4 124 49 Dizentrische 7 0 5 2 Chromosomen Brüche 37 0 21 16 Deletionen 18 7 7 4 ∑ 239 11 157 71 Chromosom 4 Translokationen 105 2 55 48 Dizentrische 10 0 5 5 Chromosomen Brüche 27 0 21 6 Deletionen 12 5 5 2 ∑ 154 7 86 61 Tabelle 4: Anzahl der Aberrationen und ihre intrachromosomale Verteilung in Abhängigkeit von der Stahlendosis In den Diagrammen 3 bis 5 ist jeweils für das Chromosom 1, 2 bzw. 4 aufgeschlüsselt, wie oft sich insgesamt Aberrationen an einer bestimmten prozentualen Längenmarke des Chromosoms ereignen. Die Abszissen repräsentieren die Gesamtlänge des jeweiligen Chromosoms aufgeteilt in 100 gleichgroße Einheiten. Das Chromosomenschema unterhalb der Abszisse dient zur Orientierung auf dem Chromosom und der Pfeil stellt die Position des Centromers dar. An den Ordinaten wird angetragen, wie oft ein Schaden an der entsprechenden Stelle auf dem Chromosom auftritt. Auffällig ist eine Häufung von Bruchereignissen im Bereich der q-Arme.
24 Diagramm 3: Häufigkeit von Aberrationen in Abhängigkeit von der Lokalisation auf Chromosom 1. Das Chromosom wird in 100 gleichgroße Abschnitte aufgeteilt. 1% der Chromosomengesamtlänge entspricht 2,63 Megabasenpaaren. Der Pfeil symbolisiert die Position des Centromers. Diagramm 4: Häufigkeit von Aberrationen in Abhängigkeit von der Lokalisation auf Chromosom 2. Das Chromosom wird in 100 gleichgroße Abschnitte aufgeteilt. 1% der Chromosomengesamtlänge entspricht 2,55 Megabasenpaaren. Der Pfeil symbolisiert die Position des Centromers.
25 Diagramm 5: Häufigkeit von Aberrationen in Abhängigkeit von der Lokalisation auf Chromosom 4. Das Chromosom wird in 100 gleichgroße Abschnitte aufgeteilt. 1% der Chromosomengesamtlänge entspricht 2,03 Megabasenpaaren. Der Pfeil symbolisiert die Position des Centromers. Die Präzision der Chromosomenvermessung mit Biomas wird bestimmt, indem die ermittelte Länge des intakten Chromosoms der Summe der Bruchstücke des beschädigten Schwesterchromosoms gegenübergestellt wird. Die Länge des intakten Chromosoms wird als 100% definiert und die prozentuale Längenabweichung der Aberration an den Abszissen der Diagramme 6a bis 6c als prozentualer Messfehler dargestellt. An der Ordinate von Diagramm 6a werden die absolute Anzahl der Vermessungsabweichungen aller Aberrationstypen kumuliert angetragen (jeweils nach den drei verschiedenen Chromosomen aufgeschlüsselt). Analog dazu wird bei Diagramm 6b mit den dizentrischen Bruchereignissen und beim Diagramm 6c mit den Translokationen verfahren, wobei jedoch hier an den Ordinaten im Gegensatz zum Diagramm 6a die relative Häufung der Vermessungsabweichungen angetragen wird. Das Messverfahren mit Biomas kann als zuverlässig angesehen werden, da von 572 insgesamt vermessenen Bruchereignissen 514 mit einer Abweichung von maximal 5% vermessen wurden. Damit sind 89,9% der Chromosomen relativ genau vermessenen worden. Ähnliche Ergebnisse erhält man, wenn man die Werte aufgeschlüsselt nach Dizentrischen oder Translokationen ansieht: 87,5% der dizentrischen Bruchereignisse wurden mit einer Abweichung von maximal 5% erfasst (21 von insgesamt 24 Dizentrischen). Bei insgesamt 401 vermessenen Translokationen liegen 358 im
26 Bereich der Messungenauigkeit von maximal 5% (entspricht 89,3% relativ exakt vermessenen Translokationen). Diagramm 6a: Absolute Anzahl der Messfehler bei allen aberranten Chromosom 1, 2 und 4. Die jeweiligen Positionen der Säulen an der Abszisse stellen die prozentuale Längenabweichung der aberranten Chromosomen und ihrer Bruchstücke von den Längen der intakten Chromosomen dar, welchen definitionsgemäß die Länge 100% zugewiesen wird. Diagramm 6b: Relative Häufung der Messfehler bei allen dizentrischen Chromosomen 1, 2 und 4. Die jeweiligen Positionen der Säulen an der Abszisse stellen die prozentuale Längenabweichung der dizentrischen Chromosomen und ihrer Bruchstücke von den Längen der intakten Chromosomen dar, welchen definitionsgemäß die Länge 100% zugewiesen wird.
27 Diagramm 6c: Relative Häufung der Messfehler bei allen Translokationen nach Chromosom 1, 2 und 4 aufgeschlüsselt. Die jeweiligen Positionen der Säulen an der Abszisse stellen die prozentuale Längenabweichung der Translokationen und ihrer Bruchstücke von den Längen der intakten Chromosomen dar, welchen definitionsgemäß die Länge 100% zugewiesen wird. Auf Grund der Messungenauigkeit, die durch Benutzung von fluoreszenzmarkierten Antikörpern im Rahmen der FISH herrührt und die tatsächliche Chromosomen- bzw. Bruchstücklänge verfälschen kann, werden die Bruchereignisse im Bereich der Telomere (also den ersten und letzten fünf Längenprozent) aus der Wertung genommen. Dadurch reduziert sich die Anzahl der verwertbaren Aberrationen auf 563 und bilden so die Grundlage für Tabelle 5 und Diagramm 7 (bei Chromosom 1 können alle Bruchpunkte gewertet werden, bei Chromosom 2 scheiden 8 Messwerte aus und bei Chromosom 4 wird ein Bruchpunkt aus der Wertung genommen). Zusätzlich werden dafür noch die Chromosomen in fünf Abschnitte eingeteilt: Der Bereich um die Telomere herum wird als „p-“ respektive „q-Telomer proximal“ definiert und entspricht dem Chromosomenbereichen zwischen 5 und 10% bzw. zwischen 89 und 95% (Schilling et al., 2006). Die Centromerregion für das Chromosom 1 liegt zwischen 45 und 54%, für das Chromosom 2 zwischen 35 und 44% und für das Chromosom 4 zwischen 23 und 32% der Chromosomengesamtlänge. Die Abschnitte zwischen dem Centromerbereich und telomerproximalen Regionen werden als p-Arm bzw. q-Arm definiert.
28 Chromosom 1 Chromosom 2 Chromosom 4 p-Telomer proximal 1,7% 1,2% 0,7% p-Arm 30,7% 13,4% 3,9% Centromerregion 10,0% 7,8% 9,2% q-Arm 56,4% 68,0% 84,3% q-Telomer proximal 1,1% 9,5% 2,0% Tabelle 5: Prozentuale Verteilung der Bruchereignisse von Chromosom 1, 2 und 4. Zur Definition der fünf Regionen des Chromosoms wird das Chromosom in 100 gleich große Stücke unterteilt und jeder Region ein exakter Bereich zugewiesen. Aberrationen auf den ersten und letzten fünf Prozent der Chromosomenlänge werden wegen der Messungenauigkeit nicht gewertet. Diagramm 7: Prozentuale Verteilung der Aberrationen von Chromosom 1, 2 und 4 aufgeschlüsselt nach telomerproximalen Regionen, Centromerregion (Centro.) sowie p- bzw q- Region. Zur Bildung der verschiedenen Regionen werden die Chromosomen 1, 2 und 4 in 100 gleichgroße Abschnitte aufgeteilt. Bruchereignisse, die sich auf den ersten 5% bzw. den letzten 5% der Chromosomengesamtlänge befinden, werden wegen der Messungenauigkeit nicht berücksichtigt. 3.4. Statistische Analyse Für die statistische Analyse (Chi-Quadratbestimmung und Ermittlung der Irrtumswahrscheinlichkeit p), die mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS erfolgt werden 572 Bruchereignisse herangezogen. Hierzu werden die Chromosomen in 5 gleichgroße Abschnitte unterteilt. Im einzelnen sind dies also die zwei telomernahen Abschnitte, die Region um das Centromer herum, sowie der Bereich zwischen Centromer und Telomer auf den beiden Schenkeln des Chromosoms. Es zeigen sich für die Bruchhäufung auf allen drei Chromosomen höchstsignifikante Abweichungen von den erwarteten Verteilungen auf allen Chromosomenabschnitten: Für das erste Chromosom werden pro Abschnitt
29 rund 36 Ereignisse erwartet. Tatsächlich treten jedoch höchstsignifikante Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten auf. Die Irrtumswahrscheinlichkeit p ist ebenfalls höchst signifikant und liegt bei p ≤ 0,001. Die Nullhypothese kann somit verworfen werden. Beim zweiten Chromosom werden pro Chromosomenabschnitt rund 48 Aberrationen erwartet. Die gefundenen Residuen zeigen höchstsignifikante Abweichungen in beide Richtungen. Für p wird ein Wert kleiner oder gleich 0,001 ermittelt, womit die Alternativhypothese angenommen werden kann. Rund 31 Chromosomenschäden werden für das vierte Chromosom je Abschnitt erwartet. Höchstsignifikante Abweichungen zeigen sich auch hier im positiven und negativen Bereich. Durch einen p-Wert kleiner gleich 0,001 kann ebenfalls die Nullhypothese abgelehnt werden. Die betragsmäßig höchste Wahrscheinlichkeit für eine Chromosomenaberration wird bei allen drei Chromosomen jeweils im Bereich zwischen 61 und 80% der Chromosomengesamtlänge erwartet (Tabelle 6). Beobachtete Anzahl Erwartete Anzahl Residuum Chromosom 1 p-telomerproximale Region 9 (5,0%) 35,8 (20%) -26,8 p-Arm 39 (21,8%) 35,8 (20%) 3,2 Centromer 39 (21,8%) 35,8 (20%) 3,2 q-Arm 73 (40,8%) 35,8 (20%) 37,2 q-telomerproximale Region 19 (10,6%) 35,8 (20%) -16,8 ∑ 179 (entsprechen 100%) Chromosom 2 p-telomerproximale Region 14 (5,9%) 47,8 (20%) -33,8 p-Arm 30 (12,6%) 47,8 (20%) -17,8 Centromer 51 (21,3%) 47,8 (20%) 3,2 q-Arm 76 (31,8%) 47,8 (20%) 28,2 q-telomerproximale Region 68 (28,5%) 47,8 (20%) 20,2 ∑ 239 (entsprechen 100%) Chromosom 4 p-telomerproximale Region 7 (4,5%) 30,8 (20%) -23,8 p-Arm 31 (20,1%) 30,8 (20%) 0,2 Centromer 48 (31,1%) 30,8 (20%) 17,2 q-Arm 54 (35,1%) 30,8 (20%) 23,2 q-telomerproximale Region 14 (9,1%) 30,8 (20%) -16,8 ∑ 154 (entsprechen 100%) Tabelle 6: Gegenüberstellung der erwarteten und tatsächlich eingetretenen Bruchereignisse (Chi-Quadrattest). Die Chromosomen werden in fünf gleichgroße Abschnitte unterteilt. Erwartet wird eine gleichmäßige Verteilung der Bruchereignisse.
Sie können auch lesen