Eingreifendes Denken in der Literatur: Überlegungen zu dem Begriffsgegensatz Engagement - Autonomie - Linda Vogt

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Linda Vogt

Eingreifendes Denken in der Literatur:
Überlegungen zu dem Begriffsgegensatz
      Engagement – Autonomie

                                         0
Inhaltsverzeichnis

1. Was kann Literatur und was sollte sie können?                                         S.S.2 2
2. Engagement oder Autonomie – Begriffsbestimmungen                                      S.S.
                                                                                            22
3. Konzepte für und gegen eine engagierte Literatur                                      S.S.4 4
 3.1 Jean Paul Sartre: „Warum schreiben?“                                                S.S.44
    3.1.1 Engagierte Literatur und der aktive Leser                                      S.S.4 4
    3.1.2 Bewusstmachen des In-der-Welt-Seins                                            S.S.55
 3.2 Bertolt Brecht                                                                      S.S.6 6
    3.2.1 „Kleines Organon für das Theater“: Die Idee des eingreifenden Denkens          S.S.66
    3.2.2 Die heilige Johanna der Schlachthöfe als Bauanleitung zum richtigen Handeln?   S.S.8 8
 3.3 Theodor W. Adorno: „Engagement“                                                     S.S.9 9
    3.3.1 Adornos Literaturkonzept als Vernunftkritik                                    S.S.9 9
    3.3.2 Die zersetzende Kraft autonomer Literatur                                      S.
                                                                                         S. 10
                                                                                             10
4. Fazit: Das Problem einer eindeutigen Klassifizierung                                  S.
                                                                                         S. 12
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5. Literaturverzeichnis                                                                  S.
                                                                                         S. 14
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1. Was kann Literatur und was sollte sie können?
Im Seminar Eingreifendes Denken – Wertebildung und Kritik in Literatur und Philosophie an
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 2008/09 unter der
Leitung von Alexandra Böhm und Mark Schönleben kristallisierte sich für den Bereich der
Literatur schnell eine Grundproblematik heraus: Wie soll ein Text wirken? Wie kann ein Text
wirken? Um diese für die Analyse literarischer Texte relevante Frage zu beantworten, zogen
wir im Seminar verschiedene theoretische Texte von Schriftstellern und Philosophen heran,
die ganz verschiedene Ansichten zu einer eingreifenden Literatur vertraten. Vereinfacht
lassen sie sich in ihrer Ausrichtung mit den programmatischen Begriffen engagierte Literatur
und autonome Literatur unterscheiden. Nach der Lektüre von Sartres Essay „Warum
schreiben?“, Brechts Aufsatz „Kleines Organon für das Theater“ und Adornos Essay
„Engagement“ zeigte sich aber, dass diese Frage in ihrer Komplexität unmöglich pauschal zu
beantworten ist. Gerade in der Auseinandersetzung mit praktischen Konzepten, also der
literarischen Verwirklichung der Theorien, zeigte sich die Vielschichtigkeit der Fragestellung.
Muss engagierte Literatur offensichtlich politisch sein und eine eindeutige Stellungnahme
transportieren? Oder können auch vermeintlich autonome Texte, die sich durch ihre
kryptische und hermetische Konzeption kaum für tagespolitische Thematiken vereinnahmen
lassen, eine eingreifende Wirkung haben? Ist es vielleicht nur mit autonomen Texten möglich,
als Schriftsteller engagiert zu sein?
Diese Fragen sucht die folgende Arbeit zu beantworten, ausgehend von einer eingehenden
Betrachtung literatur- und theatertheoretischer Texte von Jean Paul Sartre, Bertolt Brecht und
Theodor W. Adorno. Angefangen bei Sartre, der den Begriff engagierte Literatur prägte, über
Brecht, der das Konzept für das Theater adaptierte, bis hin zu Adornos kritischen Verwurf der
Ideen beider, soll das Spannungsfeld und die Komplexität der Frage nach einer eingreifenden
Wirkung von Literatur gezeigt werden. Um diese Problematik zu veranschaulichen, wird
Brechts Stück Die heilige Johanna der Schlachthöfe im Lichte der Widersprüchlichkeiten als
praktisches Beispiel für eine engagierte Literatur untersucht und hinterfragt. Durch die
Analyse der theoretischen und praktischen Texte soll eine Antwort gefunden werden, wie sich
die Grenze zwischen Engagement und Autonomie in der Literatur ziehen lässt und wie sich
hieraus eine Methode für die eingreifende Wirkung von literarischen Texten ergibt.

2. Engagement oder Autonomie – Begriffsbestimmungen
Engagement oder Autonomie – soll der Rahmen von Literatur und ihre Aufgaben abgesteckt
werden, findet sich häufig diese Abgrenzung. Im literarischen Diskurs bietet diese

                                                                                             2
Kategorisierung immer wieder Zündstoff für angeregte Debatten. Antagonistisch stehen sich
die Begriffe gegenüber, und damit die gegensätzlichen Meinungen über Kunst: Engagierte
oder autonome Literatur, Tendenzdichtung oder l’art pour l’art, entweder Parteilichkeit oder
reine Kunst. Wo hat sich der Künstler niederzulassen: in der Tagespolitik, im Elfenbeinturm?
Bevor theoretische Text zu dieser Frage analysiert werden, sollten zunächst die
Begrifflichkeiten erläutert werden: Was bezeichnen sie genau und wo liegen ihre jeweiligen
Grenzen? Kann ein autonomes Kunstwerk zugleich engagiert sein?
Autonomie     [So41]meint   im Bereich der Kunst grundlegend die Unabhängigkeit und Freiheit
von außerkünstlerischen Zweckbestimmungen, sowohl in ihrer Produktion als auch im daraus
entstehenden Werk.1
Grundlage für diese Kunstauffassung war eine Veränderung des Blickwinkels auf Literatur
Mitte des 18. Jahrhunderts, durch die Prinzipien wie Originalität und Genie als bestimmende
Kategorien in den literarischen Diskurs Eingang fanden und zum ausschlaggebenden Faktor
in deren Produktion avancierten.2 Die Forderung, Kunst vom reinen Nützlichkeitsdenken des
Bürgertums frei zu machen (l’art pour l’art), orientiert sich an Kants Begriffsbestimmung des
Schönen als interessenlosen Wohlgefallen.3 Die Autonomie sah er als Instrument, um das
sittliche Bewusstsein zu analysieren, also um Kategorien wie die freie Willensbestimmung zu
untersuchen.4 Im Rekurs auf Kant vereinnahmte Schiller das Konzept für sein Programm zur
ästhetischen Erziehung, in der sich am Werk die große Idee zur Selbstbestimmung für den
Rezipienten offenbaren sollte.5
Den Gegenbegriff der engagierten Literatur prägte Sartre. Allgemein bezieht sich der Begriff
auf literarische Texte von politischem oder sozialem Gehalt, die explizit gesellschaftliche
Veränderungen als Ziel und Wirkung anvisieren, und meint also eine Literatur, die in erster
Linie für politische Veränderung eintritt.6 Der Schriftsteller wird als intellektuelle Instanz
verstanden, die sich zu einer Stellungnahme zu zeitgenössischen, politischen, ideologischen,
gesellschaftlichen, moralischen oder religiösen Fragen und seiner Parteinahme im
Meinungsstreit verpflichten muss.7 Diese Form richtet sich explizit gegen eine Literatur, die
um ihrer selbst willen besteht, muss also als direktes Gegenprogramm zu Ästhetizismus und
1
   Vgl. Vollhardt, Friedrich: Autonomie. In: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der deutschen
  Literaturwissenschaft. Berlin, et al. 19973 , S. 173.
2
  Vgl. ebd. S. 173.
3
  Vgl. Lotter, Konrad: L’art pour l’art. In: Wolfhart Henckmann, Konrad Lotter (Hg.): Lexikon der Ästhetik.
  München 20042. S.223.
4
  Vgl. Vollhardt 1997, S. 174.
5
  Vgl. ebd. S.174.
6
  Opitz, Michael: Engagierte Literatur. In: Dieter Burdorf et al.: Metzler Lexikon Literatur: Begriffe und
  Definitionen. Stuttgart 20073, S.190.
7
  Vgl. Wilpert, Gero von (Hg.): Engagierte Literatur. In: Ders.: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 19897.
  S.234.

                                                                                                             3
Autonomie verstanden werden, die in erster Linie ästhetische Werte und Probleme oder
stilistische Experimente8 abzielen.
Für die engagierte Literatur ist es aber essentiell, dass sie die außerliterarischen Themen im
Gegensatz zur bloßen Tendenzdichtung mit den Mitteln der Literatur vorträgt und verficht9.
Das ästhetische Moment und die künstlerische Gestaltung sind also nicht vollständig
ausgeklammert, sondern spielen eine entscheidende Rolle. [D]ie Unterordnung der
künstlerischen Darstellung unter die Zwecke der Propaganda, der Belehrung oder
Bekehrung10 ist für die so genannte Tendenzliteratur charakteristisch.
Die beiden Pole Engagement und Autonomie bildeten oft die Markierung für
Auseinandersetzungen und Meinungsstreits. In diesem Feld wurden beide Konzepte mit
Parteinahme und Diffamierung gleichermaßen verteidigt und verworfen. Im Ringen um die
Bedeutungshoheit sprachen und sprechen Vertreter oder Verfechter der unterschiedlichen
Lager wechselseitig Texten den Status als Kunstwerk zu oder ab, sowie auch die
gesellschaftliche Existenzberechtigung beiderseits hinterfragt und eingeklagt wurde. Zu dieser
Debatte sollen im Folgenden Texte von Sartre, Brecht und Adorno untersucht werden, die die
Frage zu beantworten suchen, wie Kunst und explizit Literatur engagiert sein kann. Literatur
stehe in der Verantwortung, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht zu entziehen,
darin stimmen die Meinungen der drei im Folgenden zu analysierenden Texte überein. Aber
wie kann sie das: Indem sie explizit die gesellschaftlichen Verhältnisse thematisiert oder
gerade, indem sie sie ausklammert und sich selbst nicht von einer außerliterarischen,
gesellschaftlichen Wirklichkeit vereinnahmen lässt?

3. Konzepte für und gegen eine engagierte Literatur
3.1 Jean Paul Sartre: „Warum schreiben?“
3.1.1 Engagierte Literatur und der aktive Leser
Sartres    Begriff    einer    engagierten     Literatur    geht    auf    ein    existentialistisches
literaturtheoretisches Programm zurück11 und liegt in seiner Auffassung von der Rolle des
Intellektuellen[Linda2] begründet. Er unterscheidet in seinem Essay „Plädoyer für die
Intellektuellen“ zwischen Poesie und Prosa. Erstere verkörpert tendenziell eine autonome
Literatur, eine selbstreferentielle Dichtung, die sich selbst genüge und Sprache lediglich zum

8
  Vgl. ebd. S. 234.
9
  Vgl. ebd. S. 234.
10
   Lotter, Konrad: Tendenz. In: Wolfhart Henckmann, Konrad Lotter (Hg.): Lexikon der Ästhetik. München
   20042, S. 365.
11
   Vgl. Hucke, Karl-Heinz, Olaf Kutzmutz: Engagierte Literatur. In: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der
   deutschen Literaturwissenschaft. Berlin, et al. 19973, S. 446.

                                                                                                     4
Selbstzweck nutze. Sie ist somit bei Sartre negativ konnotiert. Das zweite Modell wiederum,
die Prosa, besitzt politischen Gehalt und einen expliziten gesellschaftlichen Zweck. Schreiben
von Literatur – ebenso wie Lesen – muss für Sartre einen bestimmten außerliterarischen
Nutzen haben und diesen mit spezifischen Methoden zu erfüllen suchen.
        Denn das ist wohl der Endzweck der Kunst: diese Welt wieder in Besitz zu nehmen,
        indem man sie so zeigt, wie sie ist, aber als wenn sie ihren Ursprung in der
        menschlichen Freiheit hätte.12

Dem Leser wird in Sartres Literaturverständnis eine aktive Rolle zuteil. Er ist in der
Verantwortung, die in den vom Autor im Inhalt intendierten Bedeutungen herauszuarbeiten,
zu entschlüsseln und somit das Werk erst als Objekt zu erschaffen. Lesen versteht er demnach
als vom Autor gelenktes Schaffen, der Rezipient ist an sich frei, schöpfendes Subjekt und
bedingungslose Autorität13. Diese Freiheit des Einzelnen ist Grundlage und gleichzeitig
Aufforderung und Pflicht, die Gesellschaft zu verändern. Aufgabe des Autors ist es, dem
Leser seine individuelle Aufgabe begreiflich zu machen, sie zu enthüllen.14 Ihn also durch
seinen Text zu aktivieren, indem er bewusst macht. Ihr unbedingtes Korrelat ist aber die
grundsätzliche Freiheit des Lesers.
        Wenn ich als Lesender schaffe und an der Existenz einer ungerechten Welt festhalte,
        dann kann ich das nicht tun, ohne mich für sie verantwortlich zu machen. Die ganze
        Kunst des Autors besteht darin, mich dazu zu verpflichten, das, was er enthüllt, zu
        erschaffen, mich also zu kompromittieren. Wir beide sind für das Universum
        verantwortlich.15

3.1.2 Bewusstmachen des In-der-Welt-Seins
Die Verantwortung des Lesers macht eines deutlich: Das Werk ist zugleich ‚Forderung’ und
ein ‚Geschenk’16. Dem Leser sollen durch das Werk Ungerechtigkeiten und Missstände
offenbar werden, einhergehend mit einem Drang zur Veränderung, die ihm seine Freiheit
ermöglicht. Literatur stellt an ihn die Forderung, sich durch seine Freiheit verändernd in die
Welt einzuschreiben. Sie soll enthüllend sein, ihr eigentliches und einziges Ziel ist die
gesellschaftliche Veränderung.
Um eine eingreifende Wirkung zu entfalten, ist es nach Sartre auch nötig, dass der Autor sich
nicht auf rein emotionaler Ebene an den Leser richtet, denn [i]n der Leidenschaft ist die

12
   Sartre, Jean Paul: Warum schreiben?. In: Ders.: Gesammelte Werke. Reinbek bei Hamburg 1981. Bd.2: Was
   ist Literatur?, S. 37.
13
   Sartre 1981, S. 31.
14
   Vgl. Hucke 1997, S .446.
15
   Sartre 1981, S. 39.
16
   Ebd. S. 40.

                                                                                                      5
Freiheit sich selbst entfremdet17. Sartre grenzt nicht nur das Bedienen elementarer Affekte
durch den Produzenten aus, sondern Ästhetik als Grundlage, Hauptbewertungskriterium und
Selbstzweck von Literatur, denn:
        Zwar kann das Schöne ein spezifischer Modus von Enthüllung sein, doch der Anteil an
        Infragestellung, den ein Werk enthält, scheint sehr gering zu sein und sich
        gewissermaßen umgekehrt proportional zu seiner Schönheit zu verhalten.18

Ästhetische Prinzipien, wie hier die Schönheit, verlaufen diametral zur kritischen Reflexion,
unterlaufen also subversiv die eingreifende Wirkung eines Textes. Aufgabe, Sinn und Zweck
des Werkes ist es, dem Leser sein In-der-Welt-Sein19 erfassbar zu machen, so Sartre, nicht
ästhetischen Genuss zu verschaffen. Das bedeutet wiederum, dass der Schriftsteller kein
konkretes praktisches Wissen, keine Anleitung zum richtigen Leben liefert, sondern dem
Leser ein Selbst-Bewusstsein vermittelt, das ihn über sich und sein In-der-Welt-Sein
reflektieren lässt.
Hier besteht aber die Problematik in Sartres Engagementkonzept. Sein Bestreben ist auf einer
sehr individuellen Ebene angelegt, es zielt auf eine Bewusstseinsschärfung, eine sehr
abstrakte Größe, an der man nur schwer Erfolg oder Scheitern des Engagements ablesen kann.
Aufklärung und Bildung führen nicht unmittelbar zu konkreter Handlung. Wann ist dann aber
engagierte Literatur wirkungsvoll, und wie lässt sich dieser Effekt nachweisen? Ist der
engagierte Schriftsteller dann gescheitert, wenn die Bewusstseinsveränderung der Rezipienten
nicht in aktivistische Handlungen und gesellschaftsverändernde Bemühungen umschlägt?
Wozu soll dann aber überhaupt die Bewusstseinsbildung dienen? Oder, um mit Brecht zu
fragen: In welchem Medium kann sich engagiertes Denken realisieren?

3.2 Bertolt Brecht
3.2.1 „Kleines Organon für das Theater“: Die Idee des eingreifenden Denkens
Brecht geht in seiner Adaption einer engagierten Literatur einen Schritt weiter zur konkreten
Handlungsübersetzung, indem er die Engagementidee auf das Theater überträgt. Für den
Rezipienten bedeutet dies zunächst einmal ganz andere Erfahrungsmuster des vermittelten
Stoffs. Der Inhalt tritt in visualisierter Form hervor, ist plastisch, materialisiert. Die Frage
nach der Moral wird damit zu einer sichtbaren und konkret fassbaren. Das theatrale Erlebnis
ist ein gemeinschaftliches. In dieser lebendigen Atmosphäre lassen sich abstrakte Gedanken

17
   Ebd. S. 31.
18
   Sartre, Jean Paul: Plädoyer für die Intellektuellen. In: Ders.: Gesammelte Werke. Reinbek bei Hamburg 1995.
   Bd.6: Politische Schriften, S. 131.
19
   Ebd. S. 140.

                                                                                                            6
eher in tatsächliche, konkrete Handlungen übersetzen, weil sie eben schon als solche auf der
Bühne erscheinen. Brecht unternimmt mit seiner Kunst den Versuch, den Zuschauer nach
dem Stück tatsächlich anders positioniert zu haben. Eine zentrale Frage Brechts betrifft daher
die Wahrnehmung der Rezipienten. Seiner Meinung nach muss etwas fremd erscheinen, in
einem gewissen Abstand, damit man es wirklich sehen kann. Aus dieser Auffassung entstand
die Methode des Verfremdungseffekts. Brechts kritische Auseinandersetzung und Verwerfung
gängiger Theaterpraktiken seiner Zeit zeigt, für wie wichtig er das theatrale Erlebnis zur
Hervorbringung einer eingreifenden Wirkung erachtete.
        Unternommen werden sollte der Versuch, mittels „Theaterszenen“, in denen
        „Straßenszenen“ und damit Vorgänge der sozialen Welt sich verdichteten, Einsicht in
        gesellschaftliche Strukturen zu schaffen mit dem Ziel, das „soziale Feld“ besser in
        Erscheinung treten zu lassen, transparent und durchschaubar zu machen, so daß es als
        veränderbar erkannt und verändert werden konnte.20

Brecht setzt sich in seiner Theorie für das Theater auch direkt mit einem Konzept für
engagierte Kunst auseinander und prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des
eingreifenden Denkens. Theater müsse sich an die bestehenden politischen und
gesellschaftlichen Verhältnisse binden. Er glaubt, mit dessen Mitteln eingreifend auf die
gesellschaftlichen Strukturen wirken zu können und appelliert an den revolutionären
Veränderungswillen des Publikums21. Das Theater muss sich in der Wirklichkeit engagieren,
um wirkungsvolle Abbilder der Wirklichkeit herstellen zu können und zu dürfen.22 Ähnlich
wie Sartre sieht er in der bloßen Vermittlung von Pathos und Emotion und der unbegrenzten
Einfühlung der Rezipienten eine zersetzende Gefahr für das kritische Potenzial von Kunst.23
Vielmehr muss sie sich an die Ratio, an den Verstand der Zuschauer richten. In seiner
Argumentation birgt der ästhetische Genuss und die schöne Form um ihrer selbst willen die
Gefahr, die gesellschaftlich relevanten Inhalte zu überlagern und sie so unnötig erscheinen zu
lassen. Kunst muss für ihn aber vor allem ein gesellschaftskritisches Moment haben, der
Inhalt bedingt dabei die Form:
        Dann halten wir uns schadlos an sprachlichen Schönheiten, an der Eleganz der
        Fabelführung, an Stellen, die uns Vorstellungen selbständiger Art entlocken, kurz an
        dem Beiwerk der alten Werke. Das sind gerade die poetischen und theatralischen
        Mittel, welche die Unstimmigkeiten der Geschichte verbergen.24

20
    Gilcher-Holtey, Ingrid: Theater und Politik: Bertolt Brechts Eingreifendes Denken. In: Ders.: Eingreifendes
   Denken: Die Wirkungschancen von Intellektuellen. Weilerswist 2007, S. 88.
21
   Vgl. Wegmann, Nikolaus: Politische Dichtung. In: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der deutschen
   Literaturwissenschaft. Berlin, et al. 19973, S. 121.
22
    Brecht , Bertolt: Kleines Organon für das Theater. In: Johannes R. Becher, Paul Wiegler (Hg.): Sinn und
   Form: Beiträge zur Literatur. Sonderheft Bertolt Brecht. Berlin 1957, S.19.
23
   Vgl. ebd. S. 14.
24
   Ebd. S. 15.

                                                                                                             7
Kunst soll Brecht zufolge die gesellschaftlichen Zustände vor allem in ihrer Prozesshaftigkeit
zeigen, sie fremd und somit widersprüchlich erscheinen lassen um das Publikum zum
Handeln zu motivieren:
           Die Abbildungen müssen nämlich zurücktreten vor dem Abgebildeten, dem
           Zusammenleben der Menschen, und das Vergnügen an ihrer Vollkommenheit soll in
           das höhere Vergnügen gesteigert werden, daß die zutage getretenen Regeln in diesem
           Zusammenleben als vorläufige und unvollkommene behandelt sind. In diesem läßt das
           Theater den Zuschauer produktiv, über das Schauen hinaus.25

3.2.2 Die heilige Johanna der Schlachthöfe als Bauanleitung zum richtigen Handeln?
Im Seminar Eingreifendes Denken – Wertebildung und Kritik in Literatur und Philosophie
wollten wir Brechts theatertheoretische Ausführungen, die wir anhand seines Textes „Kleines
Organon für das Theater“ herausarbeiteten, am Drama Die heilige Johanna der Schlachthöfe
nachvollziehen. Unserer Fragestellung: Kann das Stück, geschrieben als Reaktion auf die
Ereignisse der Weltwirtschaftskrise 1929, als ‚Bauanleitung‘ zum eingreifenden Handeln
verstanden werden? Johanna scheitert am Ende, ihre Ideale als Handlungsmotive zur
Revolution entpuppen sich als unwirksam, verschlimmern die Situation nur. Ihr Engagement
scheitert, weil sie die Mechanismen der kapitalistischen Wirtschaft nicht durchschaut und erst
am Ende ihren (naiven) Glauben an die Menschlichkeit fallen lässt, also ihre Ideologie
aufgibt. Im Sterben sieht sie ihre Fehler selbst ein und bereut, nicht alles für die Revolution
getan zu haben:
           Sorgt doch, daß ihr die Welt verlassend
           Nicht nur gut wart, sondern verlaßt
           Eine gute Welt!26

Ein guter Mensch zu sein und sich individuell in die Welt einzuschreiben reicht nicht aus, ihre
unreflektierte Güte hat nur dazu geführt, ihren Kontrahenten, den reichen Unternehmer
Mauler, zu stützen und die Unterdrückung aufrecht zu erhalten. Das Stück lässt sich als
Negativbeispiel verstehen: Johanna scheitert und stirbt, ihr Bemühen bleibt erfolglos, zu spät
erst kommt sie zur Erkenntnis. Brecht zeigt eine Thematik von sozialem Gehalt und richtet
sich damit an ein Publikum, das er als gesellschaftlich verantwortliches begreift. Auf
bestimmte Weise vermittelt, soll das Bühnengeschehen zu einer Bewusstseinsveränderung der
Zuschauer führen, die parallel zu der Johannas verläuft und sich in eine Handlungsmotivation
übersetzen, die Johanna für die Zuschauer formuliert: Welt und Gesellschaft zu verbessern,
damit der Mensch die Möglichkeit hat, gut zu sein. Brecht zeigt in seinem Stück zudem, dass

25
     Ebd. S. 41.
26
     Brecht, Bertolt: Die heilige Johanna der Schlachthöfe. In: Ders.: Bertolt Brecht: Werke. Frankfurt am Main
     1988. Bd.3: Bertolt Brecht: Stücke 3, S.230.

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man sich auf die Komplexität der Welt mit einem adäquaten Denken einlassen muss, um
überhaupt seine Handlungsfolge richtig abschätzen zu können. Ideologie hilft dagegen nicht,
denn sie vereinfacht zu stark. Am Scheitern aller Figuren mitsamt ihrer spezifischen
Denkweisen dekonstruiert Brecht eine schematisch vereinfachte Weltsicht, wie sie sich im
starren Ideologieglauben äußert. Er gibt als logische Konsequenz aus dieser Weltsicht aber
keine konkrete Handlungsanweisung, die sich als Tendenzliteratur wieder nur in ihrer
Ideologie erschöpfen würde.

Sartre und Brecht vereinnahmen beide die Kunst für konkrete gesellschaftliche Zwecke und
sprechen sich gegen eine autonome Kunst aus. Sie wollen gesellschaftlich relevante Stoffe mit
den ästhetischen Mitteln der Literatur und des Theaters an die Rezipienten vermitteln, um in
ihnen eine Bewusstseinsveränderung herbeizuführen. Beide verwehren sich aber gegen eine
bloße Tendenzdichtung, die sich in den Dienst einer bestimmten Ideologie stellt, vielmehr
wollen sie das Individuum und die Gesellschaft befreien. Anders als Sartre intendiert Brecht
mit seinem Theatermodell dabei explizit den Übergang von Erkenntnis in revolutionäre
Handlung, was bei Sartre nur theoretisch entwickelt wird.

3.3 Theodor W. Adorno: „Engagement“
3.3.1 Adornos Literaturkonzept als Vernunftkritik
Adorno bezieht direkt Stellung zu den beiden Konzepten von Sartre und Brecht. Seine
Antwort erfolgt als Fürsprache für die autonome Kunst. Er setzt sich in seinem Essay
„Engagement“ kritisch mit den beiden eben besprochenen Ansichten Sartres und Brechts
auseinander. Sein Plädoyer gilt einer autonomen Literatur, die seiner Ansicht nach als einzige
ein kritisches Potenzial entfalten kann, denn nur sie vermag die Komplexität der Welt zu
fassen. Engagierte Kunst setzt ein unabhängiges Subjekt voraus, das Inhalt und Form bewusst
verknüpfen kann, um Wirkung zu entfalten. Diese Naivität sei aber in der modernen
Gesellschaft, nach der Erfahrung der unmenschlichen Barbarei des Holocaust, nicht mehr
aufrecht zu erhalten. Der Glaube an ein selbstbestimmtes, selbstmächtiges Subjekt ist obsolet
geworden.    Dies   ist   aber   unbedingte    Vorraussetzung    für   alle   rationalistischen
Weltanschauungen und Theorien. Seine literaturtheoretischen Überlegungen sind also im
Lichte einer philosophischen Vernunftkritik zu sehen.
Engagierte Literatur setzt nun aber die Welt und das Subjekt als ein vernünftiges voraus, was
bei der literarischen Aufarbeitung des Grauens die Gefahr birgt, dieses im Nachhinein
sinnvoll erscheinen zu lassen und die Leiden der Opfer des Holocaust nachträglich als

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menschliche Ausnahmeschicksale zu verklären. Das Problem an einer engagierten Literatur
sei, daß sie, absichtlich oder nicht, durchblicken läßt, selbst in den sogenannten extremen
Situationen, und gerade in ihnen, blühe das Menschliche27. Nach Auschwitz dürfe Literatur
und Sprache, so Adorno, in ihrer Beschaffenheit keine vermeintliche Sinnhaftigkeit und keine
eindeutige Botschaft mehr behaupten.
Adorno verwirft die Idee einer Rationalität als Handlungsanleitung, denn reines
Vernunftdenken laufe Gefahr, sich in unmenschlichem Fortschrittsglauben zu pervertieren,
was die Erfahrung des Holocaust beweist. Aus diesem Denken resultiert sein
Literaturverständnis. In der modernen Gesellschaft und in deren Kultursystem kann kein
Werk, das rational auf gesellschaftliche Verhältnisse rekurriert, diese tatsächlich zu ändern
suchen.
        Nach Adorno besteht der innere Widerspruch der Kultur darin, dass sie ihr
        Versprechen von Humanität auf der Basis einer inhumanen, repressiven
        Gesellschaftsformation gibt – und schließlich selbst dementiert, wenn sie sich, als
        Kulturindustrie ganz den Regeln der Warenproduktion unterwirft.28

3.3.2 Die zersetzende Kraft autonomer Literatur
Kunst bleibt Teil des zweckbestimmten Systems, folgt dessen Regeln und manifestiert dieses
durch seine Existenz, statt es zu stürzen. Es kann also das Individuum nicht befreien, sondern
bindet es an diese Wirklichkeit, indem es bestimmte Handlungsweisen vorschreibt. Aus dieser
Einsicht folgt sein Diktum: Darum ist es heute in Deutschland eher an der Zeit, fürs
autonome Werk zu sprechen als fürs engagierte.29 Die abstrakten, avantgardistischen Werke
zeigen in ihrer Konzeption die Abstraktheit der objektiven Welt, wodurch sie eine Art
ästhetischen Widerstand bilden. Hierin liegt die Möglichkeit zu einer zersetzenden Kraft der
Literatur. Die rücksichtslose Autonomie der Werke, die der Anpassung an den Markt und dem
Verschleiß sich entzieht, wird unwillkürlich zum Angriff.30
Hier greift Adorno die Idee einer autonomen Kunst auf, wie sie seit ihren Anfängen bestand,
als Gegenposition zum bürgerlichen, zweckbestimmten Denken. Nur so kann sich Literatur
ihrer ökonomischen Verwertbarkeit verwehren und als Opposition bzw. als kritische
Reflexion nicht Bestandteil des gegenwärtigen Systems sein.31 Autonome Kunst bietet

27
   Adorno, Theodor W.: Engagement. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Frankfurt am Main 1974. Noten zur
   Literatur. Bd.11, S.424.
28
   Schweppenhäuser , Gerhard: Theodor W. Adorno zur Einführung. Hamburg 20054, S. 12.
29
   Adorno 1974, S.429.
30
   Adorno 1974, S. 425.
31
   Vgl. Fornet-Ponse, Raúl: Wahrheit und ästhetische Wahrheit: Untersuchungen zu Hans Georg Gadamer und
   Theodor W. Adorno. Aachen 2000, S. 17.

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vermittels Formsprengung und Sinnaufhebung eine Möglichkeit zur ästhetischen Subversion
der gesellschaftlichen Verhältnisse.
        Diese Forderung an die Lyrik jedoch, die des jungfräulichen Wortes, ist in sich selbst
        gesellschaftlich. Sie impliziert den Protest gegen einen gesellschaftlichen Zustand, den
        jeder Einzelne als sich feindlich, fremd, kalt, bedrückend erfährt, und negativ prägt der
        Zustand dem Gebilde sich ein (...). Im Protest dagegen spricht das Gedicht den Traum
        einer Welt aus, in der es anders wäre. Die Idiosynkrasie des lyrischen Geistes gegen
        die Übergewalt der Dinge ist eine Reaktionsform auf die Verdinglichung der Welt[.]32

Das Verhältnis vom Einzelnen zur Gesellschaft soll unwillkürlich, sich keiner Intention
bewusst und ohne direkten Bezug aus der Poesie sprechen und gerade darin seine Wirkung
entfalten. Sie kann nur auf die Weise subversiv sein, indem sie sich der Sinn- und
Zweckmäßigkeit der gesellschaftlichen Totalität entzieht. Dies wird deutlich, wenn er über die
Werke von Kafka und Beckett spricht:
        Als Demontagen des Scheins sprengen sie die Kunst von innen her, welches das
        proklamierte Engagement von außen, und darum nur zum Schein, unterjocht. Ihr
        Unausweichliches nötigt zu jener Änderung der Verhaltensweise, welche die
        engagierten Werke bloß verlangen.33

Demgegenüber muss engagierte Literatur immer, auch wenn sie diese zu negieren sucht, Teil
der Gesellschaft sein und sie als sinnvoll konstituiert voraussetzen. Dieser Fakt macht sie
nach Adorno für ihr eigentliches Bestreben wirkungslos. Eindeutiges Engagement vereinfacht
die Komplexität der Welt, ist also Ideologiegefährdet und sucht damit das Individuum nicht
zu befreien, sondern es zu unterdrücken. Die Sprache spielt bei der eingreifenden Wirkung
eine bedeutende Rolle, sie zu unterlaufen ist die einzig wirksame Kritik. Adorno zufolge
        vermittelt die Sprache Lyrik und Gesellschaft im Innersten. Darum zeigt Lyrik dort
        sich am tiefsten gesellschaftlich verbürgt, wo sie nicht der Gesellschaft nach dem
        Munde redet, wo sie nichts mitteilt, sondern wo das Subjekt, dem der Ausdruck
        glückt, zum Einstand mit der Sprache selber kommt, dem, wohin diese von sich aus
        möchte.34

Autonome       Literatur   entzieht    sich    einer    Zweckrationalität      und    steht   damit     der
Gesellschaftsordnung als eine Verweigerungshaltung kritisch gegenüber. Adorno meint mit
einer autonomen Literatur also keine, die losgelöst von ihrer gesellschaftlichen
Verantwortung bestehen soll und sich in reinen Formspielereien ergeht.35 An der Zeit sind
nicht die politischen Kunstwerke, aber in die autonomen ist die Politik eingewandert, und

32
   Adorno, Theodor W.: Rede über Lyrik und Gesellschaft. In: Ders.: Noten zur Literatur I. Frankfurt am Main
   1971, S. 78.
33
   Adorno 1974, S. 426.
34
   Adorno 1971, S. 85.
35
   Vgl. Wegmann 1997, S. 121.

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dort am weisesten, wo sie politisch tot sich stellen.36 Autonome Literatur soll eine
eingreifende Wirkung haben, allerdings funktioniert das nur, indem sie sich nicht direkt auf
politische und gesellschaftliche Ereignisse und Tendenzen bezieht und sich an sie bindet,
sondern in Differenz und Konkurrenz zur utilitaristischen Gesellschaft steht.

4. Fazit: Das Problem einer eindeutigen Klassifizierung
Nach der Betrachtung der theoretischen Auseinandersetzungen steht eins fest: Engagierte und
autonome Literatur lassen sich nicht eindeutig einteilen und trennen. Die Schwierigkeit einer
Kategorisierung wird gerade dann deutlich, will man sie auf konkrete Werke anwenden. Wie
wäre Die Heilige Johanna der Schlachthöfe einzuordnen? Eindeutig ist es als engagiertes
Stück konzipiert, Brecht bringt ein politisches Thema auf die Bühne, um die Zuschauer zu
belehren. Ist das Stück dann aber gar als Tendenzdichtung zu verstehen, weil in ihm
bestimmte Ideologien kommuniziert werden? Bei näherer Betrachtung trägt Die Heilige
Johanna der Schlachthöfe aber durchaus Züge eines autonomen Kunstwerks, da sich ihr
Engagement nicht in der Übermittlung bestimmter Denkweisen an das Publikum erschöpft.
Das Stück offenbart dem Zuschauer keine Lösung (des Konflikts), gibt also keine praktische
Anleitung zum richtigen Handeln, sondern legt nur falsches (ideologisch motiviertes) Handeln
offen. Letzte Reflexionsinstanz bleibt der Zuschauer. Die Wirklichkeit wird in ihrer
Widersprüchlichkeit und Undurchdringlichkeit für den Einzelnen gezeigt. Keine der Figuren
auf der Bühne vermag sie zu verstehen und kann die Marktmechanismen lenken, sich also
eingreifend in die Wirklichkeit einschreiben. Alle Protagonisten sind von äußeren Umständen
gelenkt, oder zumindest in ihrem Handeln eingeschränkt. Zwar werden verschiedene
Ideologien gezeigt, aber gerade in dieser Polyphonie liegt begründet, warum Brecht vom
Vorwurf der reinen Tendenz freizusprechen ist. Nicht nur Johanna scheitert an ihrem starren
Ideologieglauben, auch der Unternehmer Mauler ist am Ende ruiniert, sein Glaube an den
Markt und dessen Kontrollierbarkeit erweisen sich als falsch. Er verliert sein Vermögen. Es
gibt keine klare Tendenz, Brecht präsentiert keine spezifische Weltanschauung, sondern zeigt
eine Welt in ihrer Komplexität und Unverständlichkeit. Die Lehre muss der einzelne
Zuschauer für sich selbst ziehen, nachdem er mit dem Scheitern der Protagonisten
konfrontiert wurde.
Meine Arbeit sollte das komplexe Wechselspiel von engagierter und autonomer Literatur
gezeigt haben, gerade da, wo man theoretische Ausführungen und praktische Umsetzungen
miteinander verbindet. Die Begriffe sind nicht einfach voneinander zu trennen, ihre Grenzen

36
     Adorno 1974, S. 430.

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sind fließend. Schwierig wird es vor allem, wenn es um die Frage nach der eingreifenden
Wirkung auf den Rezipienten geht. Sie lässt sich kaum feststellen, weil sie meist auf einer
Änderung des Bewusstseins zielt und nicht automatisch in Handlung umschlägt.
Was sich als Grundthese aus den betrachteten Texten herausliest, lässt sich so formulieren:
Ein engagierter Schriftsteller darf in seiner Literatur nicht versuchen, einfache Antworten auf
die Komplexität der Welt zu geben und bestimmte Ideologien und Meinungen zu verfechten.
Stattdessen muss er diese Probleme in ihrer Vielschichtigkeit mit den Mitteln der Kunst zur
Sprache bringen.

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5. Literaturverzeichnis
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    1974. Noten zur Literatur. Bd.11. S.409-431.
•   Adorno, Theodor W.: Rede über Lyrik und Gesellschaft. In: Ders.: Noten zur Literatur I.
    Frankfurt am Main 1971. S.73-104.
•   Brecht, Bertolt: Die heilige Johanna der Schlachthöfe. In: Ders.: Bertolt Brecht: Werke.
    Frankfurt am Main 1988. Bd.3: Bertolt Brecht: Stücke 3. S.128-234.
•   Brecht, Bertolt: Kleines Organon für das Theater. In: Johannes R. Becher, Paul Wiegler
    (Hg.): Sinn und Form: Beiträge zur Literatur. Sonderheft Bertolt Brecht. Berlin 1957.
    S.11-41.
•   Fornet-Ponse, Raúl: Wahrheit und ästhetische Wahrheit: Untersuchungen zu Hans Georg
    Gadamer und Theodor W. Adorno. Aachen 2000.
•   Gilcher-Holtey, Ingrid: Theater und Politik: Bertolt Brechts Eingreifendes Denken. In:
    Ders.: Eingreifendes Denken: Die Wirkungschancen von Intellektuellen. Weilerswist
    2007. S.86-124.
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•   Lotter, Konrad: L’art pour l’art. In: Wolfhart Henckmann, Konrad Lotter (Hg.): Lexikon
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•   Lotter, Konrad: Tendenz. In: Wolfhart Henckmann, Konrad Lotter (Hg.): Lexikon der
    Ästhetik. München 20042. S.365f.
•   Opitz, Michael: Engagierte Literatur. In: Dieter Burdorf et al.: Metzler Lexikon Literatur:
    Begriffe und Definitionen. Stuttgart 20073. S.190.
•   Sartre, Jean Paul: Plädoyer für die Intellektuellen. In: Ders.: Gesammelte Werke. Reinbek
    bei Hamburg 1995. Bd.6: Politische Schriften. S.90-148.
•   Sartre, Jean Paul: Warum schreiben?. In: Ders.: Gesammelte Werke. Reinbek bei
    Hamburg 1981. Bd.2: Was ist Literatur?. S.36-55.
•   Schweppenhäuser, Gerhard: Theodor W. Adorno zur Einführung. Hamburg 20054.
•   Vollhardt, Friedrich: Autonomie. In: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der deutschen
    Literaturwissenschaft. Berlin, et al. 19973 . S.173-176.
•   Wegmann, Nikolaus: Politische Dichtung. In: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der
    deutschen Literaturwissenschaft. Berlin, et al. 19973. S.120-122.
•   Wilpert, Gero von (Hg.): Engagierte Literatur. In: Ders.: Sachwörterbuch der Literatur.
    Stuttgart 19897. S.234.

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