GRUNDPROBLEME ZU 299 STGB BESTECHLICHKEIT UND BESTECHUNG IM GESCHÄFTLICHEN VERKEHR VON DR. ANJA NÖCKEL, GERA
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Grundprobleme zu § 299 StGB Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr Von Dr. Anja Nöckel, Gera* Der Korruption in der Wirtschaft kommt im juristischen Stu- Schönheitssalons in China werden. Der für dieses Projekt dium eine nur untergeordnete Rolle zu. Üblicherweise werden zuständige Geschäftsführer B bietet dem leitenden Ange- Bestechung und Bestechlichkeit ausschließlich im Rahmen stellten der S-GmbH daher die Zahlung von 3 % der Auf- der Straftaten im Amt nach §§ 331 ff. StGB besprochen. Die tragssumme, wenn die B-oHG den Auftrag erhalte. Außer Behandlung des § 299 StGB, also der Korruption im geschäft- der B-oHG konkurrieren um diese Rolle nur Unternehmen lichen Bereich, erschöpft sich dagegen nicht selten in einem aus Südkorea und Japan, nicht aber aus Deutschland, was Hinweis auf die bestehenden Parallelen zu den Problemen aus B weiß. dem Gebiet der Amtsdelikte. Eine umfassendere Besprechung erfolgt meist nur in Veranstaltungen des wirtschaftsstrafrecht- Da in einem solchen Fall keine sonstigen deutschen Mitbe- lichen Schwerpunktbereichs. werber beeinträchtigt wären, sondern allein die Lauterkeit des Es verwundert daher nicht, dass § 299 StGB durch seine südkoreanischen und japanischen Marktes, war ein solches typische Einbettung in komplexe wirtschaftliche Sachverhalte Verhalten vor der Einführung des § 299 Abs. 3 StGB straflos. ein bei den Studierenden nur wenig beliebter Tatbestand ist, dem häufig mit Unsicherheit begegnet wird. Dies ist nicht nur II. Rechtsgut wegen der großen praktischen Bedeutung der Bestechungsde- Schlüssel zum Verständnis der Vorschrift ist – in der übli- likte von Nachteil, sondern auch aufgrund ihrer Rolle in Klau- chen Terminologie – die Klärung des geschützten Rechtsguts. suren und mündlichen Prüfungsgesprächen, wo sich durch- Nach h.M. wird durch § 299 StGB das Rechtsgut des freien, aus inhaltliche Bezüge aus den klassischen Problemen i.R.v. lauteren Wettbewerbs6 vor Verfälschung und Außerkraftset- Untreue und Betrug ergeben. Ziel dieses Artikels ist deshalb, zung7 geschützt. Mit dem freien, lauteren (Leistungs-)Wett- überblicksartig Struktur und Grundprobleme von Bestechung bewerb ist ein überindividuelles Rechtsgut Gegenstand der und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr darzustellen, um Korruptionsdelikte. Gemeint ist damit letztlich nichts anderes so ein Basisgerüst für die Bewältigung entsprechender Frage- als das Grundelement der Sozialen Marktwirtschaft, die Fair- stellungen zu vermitteln. ness ökonomischen Handelns.8 Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung eines funktionie- I. Allgemeines renden Leistungswettbewerbs kann kaum überschätzt werden, Die Vorschrift des § 299 StGB wurde durch das Gesetz zur da dieser „das leitende Grundprinzip der deutschen Wirt- Bekämpfung der Korruption in das StGB eingefügt.1 Inhalt- schaftsverfassung“ darstellt.9 Diese wiederum ist ein elemen- lich folgt § 299 StGB im Wesentlichen der als sein Vorgänger tarer Stützpfeiler des gesamten demokratischen Systems der zu verstehenden Norm des § 12 UWG a.F.2 Hintergrund der Bundesrepublik, in welchem sie größtmögliche Freiheit und Gesetzesänderung war das kriminalpolitische Bestreben, durch Stabilität gewährleistet. Bestechung und Bestechlichkeit im die Überführung des Tatbestands in das StGB in der Bevölke- geschäftlichen Verkehr beeinflussen daher nicht nur singuläre rung das Bewusstsein dafür zu schärfen, „dass es sich auch Geschäftsbeziehungen, sondern gefährden die elementaren bei der Korruption im geschäftlichen Bereich um eine Krimi- wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Funktionen des am nalitätsform handelt, die nicht nur die Wirtschaft selbst betrifft, Leistungsprinzip ausgerichteten Wettbewerbs. Korrupte Ver- sondern Ausdruck eines allgemein sozialethisch missbilligten haltensweisen sind also deshalb von besonders hoher Sozial- Verhaltens ist“3. Im Jahr 2002 wurde der Tatbestand des § 299 StGB um einen dritten Absatz ergänzt, nach welchem auch korruptive Handlungen im Ausland unter Strafe gestellt sind. 6 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 2; Heine, in: Schönke/Schröder, Der BGH entschied dazu ausdrücklich, dass die Bestechung im Strafgesetzbuch, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 299 Rn. 2; ausländischen Wettbewerb vor dieser Gesetzesänderung nicht Diemer/Krick, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kom- von § 299 StGB erfasst gewesen ist.4 mentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 4, 2006, § 299 Rn. 2; Lack- ner/Kühl, Strafgesetzbuch, Kommentar, 27. Aufl. 2011, § 299 Beispielsfall:5 Das deutsche Drogerieunternehmen B-oHG Rn. 1; Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), möchte exklusiver Lieferant einer neuen Kette von S- Nomos Kommentar, Strafgesetzbuch, Bd. 2, 3. Aufl. 2010, § 299 Rn. 4; vgl. BGH NJW 2006, 3290 (3298). 7 * Die Autorin ist Referendarin am Landgericht Gera. Vgl. Joecks, Strafgesetzbuch, Studienkommentar, 10. Aufl. 1 Vgl. näher dazu Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengeset- 2012, § 299 Rn. 1. 8 ze, Kommentar, 60. Aufl. 2013, § 299 Rn. 1. So auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Besonderer Teil, 2 Grds. können zu § 12 UWG a.F. erschienene Rechtspre- 3. Aufl. 2011, Rn. 197. Zu einer Erfassung dieser Elemente chung und Literatur daher weiterhin herangezogen werden. nicht als Rechtsgut, sondern im Rahmen eines Regelsystems 3 BT-Drs. 13/5584, S. 15 li. Sp. sowie speziell zur Bedeutung des Strafrechts zum Schutz der 4 BGH NJW 2009, 89. Sozialen Marktwirtschaft Nöckel, Grund und Grenzen eines 5 Nach Rönnau, in: Achenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Marktwirtschaftsstrafrechts, 2012, passim. 9 Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl. 2011, Kap. 2 Rn. 51. Dannecker (Fn. 6), Vorb. zu §§ 298 ff. Rn. 11. _____________________________________________________________________________________ ZJS 1/2013 50
Grundprobleme zu § 299 StGB STRAFRECHT schädlichkeit, weil sie letztlich eine Gefahr für das System heblich, ob die versprochene, angebotene oder geforderte Be- der Sozialen Marktwirtschaft10 als solches begründen. vorzugung tatsächlich erfolgt.15 Neben dem freien, lauteren Wettbewerb sind nach h.M. auch die Vermögensinteressen der Mitbewerber, gegenüber III. Deliktsstruktur denen sich der Täter einen unzulässigen Vorteil verschaffen § 299 StGB regelt in den Abs. 1 und 2 die Strafbarkeit spie- will, unmittelbar geschützt.11 Dies ergibt sich aus § 301 StGB, gelbildlich ausgestalteter Verhaltensweisen. So enthält § 299 wo die Mitbewerber als Verletzte i.S.d. Norm aufgeführt und Abs. 1 StGB die Strafbarkeit der Bestechlichkeit (sog. passi- somit zur Stellung des Strafantrags berechtigt sind. ve Korruption), dagegen § 299 Abs. 2 StGB die Strafbarkeit Zum Teil wird auch das Interesse der Verbraucher, vor der Bestechung (sog. aktive Korruption). korruptionsbedingten Verteuerungen bewahrt zu bleiben, als mittelbares Rechtsgut des § 299 StGB angesehen.12 Der Schutz 1. Bestechlichkeit, § 299 Abs. 1 StGB der Allgemeinheit vor Preiserhöhungen und minderwertigen a) Prüfungsschema Produkten kann grds. als ein Schutzreflex der Korruptions- kriminalisierung verstanden werden. Eine Abgrenzung zu Ist ein Verhalten hinsichtlich seiner Strafbarkeit nach § 299 sonstigen mittelbaren Interessen der Wirtschaftsteilnehmer, Abs. 1 StGB zu untersuchen, bietet sich ein Vorgehen nach bspw. an der Verhinderung einer durch Korruption verringer- folgenden Prüfungsschritten an: ten Anbieter- oder Waren- und Dienstleistungsvielfalt, ist je- doch kaum möglich. Als Schutzgut des § 299 StGB ist eine I. Tatbestand Berücksichtigung des Verbraucherinteresses an allgemeiner 1. Objektiver Tatbestand Preisstabilität daher als zu weitführend13 abzulehnen. a) Tauglicher Täter Ähnlich umstritten ist seit jeher die Frage, ob die Vermö- b) Handeln im geschäftlichen Verkehr gensinteressen des Geschäftsherrn der in § 299 StGB genann- c) Fordern, Sichversprechenlassen oder ten Angestellten und Beauftragten ebenfalls Rechtsgut des Annehmen eines Vorteils § 299 StGB sind. Nach h.M. ist der Geschäftsherr Verletzter d) Unrechtsvereinbarung i.S.d. § 301 StGB sofern der Angestellte oder Beauftragte die 2. Subjektiver Tatbestand Schmiergeldzahlungen gegenüber dem Geschäftsherrn nicht II. Rechtswidrigkeit offenlegte und somit diesem gegenüber pflichtwidrig handel- III. Schuld te. In § 301 Abs. 2 StGB wird der Geschäftsherr zudem aus- IV. Evtl. Strafzumessung, § 300 StGB drücklich als zur Stellung eines Strafantrags befugte Person V. Strafantrag, 301 StGB aufgeführt. Besonders diese Erwähnung des Geschäftsherrn im Gesetz sollte als Argument dafür herangezogen werden, der h.M. in diesem Punkt zu folgen und die Vermögensinteressen b) Täterkreis des Geschäftsherrn als zumindest nachrangig geschütztes Rechtsgut anzusehen. Beispielsfall:16 T, Leiter der Abteilung Vertrieb beim Die Prinzipien und Funktionsweisen der wirtschaftlichen Pharmaunternehmen X-GmbH, bietet dem nieder- und für Zusammenhänge einer Marktwirtschaft sind mit dem Rechts- die vertragsärztliche Versorgung zugelassenen Arzt A 5 % gutsbegriff nicht leicht zu erfassen. Noch schwieriger ist eine des Herstellerabgabenpreises als Prämie dafür, Arzneimit- den Prinzipien des Strafrechts gerecht werdende Bestimmung tel der X-GmbH zu verordnen. A geht auf das Angebot möglicher Schäden am freien und lauteren Wettbewerb. § 299 des T ein und beide verfahren längere Zeit gemäß der ge- StGB ist deshalb als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestal- troffenen Absprache. Ist A tauglicher Täter des § 299 tet, auf den Eintritt eines konkreten Schadens kommt es bei Abs. 1 StGB? der Korruption im geschäftlichen Bereich folglich nicht an.14 Da ein Vermögensvorteil nicht eintreten muss, ist auch uner- Täter des § 299 Abs. 1 StGB kann nur der Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebs sein. Damit handelt es sich bei der Bestechlichkeit um ein Sonderdelikt. 10 Angestellter i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB ist, wer in einem Dannecker (Fn. 6), Vorb. zu §§ 298 ff. Rn. 11. mindestens faktischen Dienstverhältnis zum Geschäftsherrn 11 Tiedemann (Fn. 8), Rn. 197; Joecks (Fn. 7), § 299 Rn. 1; steht und dessen Weisungen unterworfen ist.17 Nicht erfor- Lackner/Kühl (Fn. 6), § 299 Rn. 1; a.A. Fischer (Fn. 1) § 299 derlich ist, dass es sich um eine dauerhafte oder entgeltliche Rn. 2, der nur von einem mittelbaren Schutz ausgeht. Beschäftigung handelt. Notwendig ist jedoch, dass der Ange- 12 Vgl. so ausdrücklich Tiedemann (Fn. 8), Rn. 197; Fischer stellte im Rahmen seiner Tätigkeit Einfluss auf die geschäft- (Fn. 1), § 299 Rn. 2; für einen unmittelbaren Schutz der All- liche Betätigung des Betriebs nehmen kann. Hilfstätigkeiten gemeinheit Joecks (Fn. 7), § 299 Rn. 2. 13 So auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2011, § 26 Rn. 7. 14 15 Joecks (Fn. 7), § 299 Rn. 2; Heine (Fn. 6), § 299 Rn 2; Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 2b. 16 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 8; Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 2b; Vgl. BGH (GS), Beschl. v. 29.03.2012 – GSSt 2/11 = BGH BGH NJW 2006, 3290 (3298); a.A. wohl Tiedemann (Fn. 8), NJW 2012, 2530. 17 Rn. 200. Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 9. _____________________________________________________________________________________ Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com 51
DIDAKTISCHE BEITRÄGE Anja Nöckel reichen mithin nicht aus, um die Angestellteneigenschaft zu kassen entgegen.27 Hinzu kommt, dass der Vertragsarzt „bei begründen.18 wertender Betrachtung in erster Linie“ im Interesse des Pati- Beauftragter i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB ist, wer, ohne An- enten und nicht der Krankenkasse tätig wird.28 A ist daher im gestellter zu sein, aufgrund seiner Stellung faktisch berechtigt vorliegenden Fall kein tauglicher Täter des § 299 Abs. 1 und verpflichtet ist, für den Betrieb geschäftlich tätig zu wer- StGB.29 den. Notwendig ist dabei, dass auf Entscheidungen, die den Waren- und Leistungsaustausch betreffen, Einfluss genommen c) Handeln im geschäftlichen Verkehr werden kann.19 Beachtet werden muss, dass die Beauftragten- eigenschaft dabei nach den tatsächlichen Gegebenheiten und Beispielsfall: Der X bietet dem DFB-Schiedsrichter D je- nicht nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen ist.20 weils 10.000 €, wenn dieser ein Spiel der Ersten Bundes- Der Täter des § 299 Abs. 1 StGB muss als Angestellter liga i.S.d. X „pfeift“. Stellt dies ein nach § 299 StGB straf- oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs handeln. Unter bares Verhalten dar? einem geschäftlichen Betrieb versteht man dabei jede auf ge- wisse Dauer betriebene Tätigkeit im Wirtschaftsleben, die sich Die Tathandlung des § 299 StGB muss im geschäftlichen Ver- durch den Austausch von Leistungen und Gegenleistungen kehr erfolgen, also der Teilnahme am wirtschaftlichen Wett- vollzieht.21 Erforderlich ist die auf Dauer angelegte regelmä- bewerb dienen.30 Erforderlich ist, dass der Täter zur Förde- ßige Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, auf eine Gewinnerzie- rung eines beliebigen Geschäftszwecks handelt. Erfasst wird lungsabsicht kommt es dagegen nicht an.22 Auch die freibe- dabei jede Tätigkeit, die zu wirtschaftlichen Zwecken erfolgt, rufliche Tätigkeit von Ärzten, Rechtsanwälten oder Unterneh- nicht aber werden private, gemeinnützige oder hoheitliche mensberatern wird vom Begriff des geschäftlichen Betriebs Handlungen erfasst.31 i.S.d. § 299 StGB erfasst.23 Wirtschaftliche Aktivität entfaltet der DFB beispielsweise Vertragsarzt A müsste Angestellter oder Beauftragter i.S.d. beim Verkauf von Fernseh- oder Sponsorenrechten. Die Lei- § 299 StGB sein. Voraussetzung dafür ist, dass Krankenkassen tung eines Bundesligaspiels stellt dagegen eine verbandsin- geschäftliche Betriebe i.S.d. § 299 StGB darstellen. Kranken- terne Tätigkeit i.R.d. Sportbetriebs dar.32 Als eine sportbe- kassen können als geschäftliche Betriebe gem. § 299 StGB triebsbezogene Tätigkeit dient der Einsatz von DFB-Schieds- verstanden werden, da sie zwar als eine staatliche Stelle an- richtern mithin nicht dem geschäftlichen Zweck des DFB.33 zusehen sind, durch den Austausch von Leistung und Gegen- Eine Strafbarkeit nach § 299 StGB besteht daher in diesem leistung jedoch am Wirtschaftsleben teilnehmen.24 Beauftrag- Fall nicht.34 ter i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB ist, wer, ohne Angestellter zu sein, aufgrund seiner Stellung faktisch berechtigt und ver- 27 BGH NJW 2012, 2530 (2533). pflichtet ist, für den Betrieb geschäftlich tätig zu werden. 28 BGH NJW 2012, 2530 (2533). Notwendig ist dabei, dass auf Entscheidungen, die den Waren- 29 Eine Strafbarkeit des A nach § 331 Abs. 1 StGB kommt und Leistungsaustausch betreffen, Einfluss genommen wer- nicht in Betracht, da A auch kein Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 den kann. Der BGH stellt dazu fest, dass „schon vom Wort- Nr. 2 lit. c StGB ist. Die Entscheidung des BGH in dieser sinn her, dem Begriff des Beauftragten die Übernahme einer Sache ist nicht mit der Straffreiheit niedergelassener Vertrags- Aufgabe im Interesse des Auftraggebers immanent ist, wel- ärzte in Fällen mehr als nur fragwürdigen Pharma-Marketings cher sich den Beauftragten frei auswählt und ihn bei der Aus- gleichzusetzen. Zwar scheidet in der vorliegenden Konstella- übung seiner Tätigkeit anleitet, […] Weisungen erteilt […] tion eine Bestechlichkeit aus, gleichwohl kann im Einzelfall oder ihn bevollmächtigt“.25 Nach § 72 Abs. 1 S. 1 SBG V eine Strafbarkeit wegen Untreue oder Betrugs vorliegen. Wäh- wirken Vertragsärzte als Leistungserbringer mit den Kranken- rend eine Vermögensbetreuungspflicht des niedergelassenen kassen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung Vertragsarztes gegenüber den Krankenkassen durchaus nahe- zusammen. Dabei „begegnen sich die an der ärztlichen Ver- liegt, dürfte die notwendige Stoffgleichheit zwischen der er- sorgung Beteiligten jedoch in kooperativem Zusammenwir- strebten Prämie und dem Preisnachteil der Krankenkassen ken und damit notwendig auf einer Ebene der Gleichord- allerdings nicht gegeben sein, so dass in der Regel ein Betrug nung.“26 Dieses gesetzlich vorgegebene Konzept gleichge- ausscheiden wird. Um Strafbarkeitslücken zu vermeiden, ist ordneten Zusammenwirkens steht der Annahme einer Beauf- der Gesetzgeber daher nun in der Pflicht, dem Problem des tragung des Vertragsarztes durch die gesetzlichen Kranken- strafwürdigen Pharma-Marketings mit der Schaffung eines speziellen Tatbestands zu begegnen. 30 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 28. 18 31 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 9; Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 14. Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 28, Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 12. 19 32 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 10; Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 19. Krack, ZIS 2011, 475 (477). 20 33 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 20. Krack, ZIS 2011, 475 (477). 21 34 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 4. Ausf. dazu Krack, ZIS 2011, 475. Zur Schließung der be- 22 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 24 f.; Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 4. stehenden Strafbarkeitslücken wird die Einführung eines 23 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 4. „Sportbetrug“-Tatbestands diskutiert. Dieser soll keine Vermö- 24 BGH NJW 2012, 2530 (2533). gensinteressen sondern die Lauterkeit des sportlichen Wett- 25 BGH NJW 2012, 2530 (2533). kampfs schützen. Zu hinterfragen ist dabei jedoch, ob der 26 BGH NJW 2012, 2530 (2533). „Geist des Sports“ tatsächlich den Schutz des Strafrechts be- _____________________________________________________________________________________ ZJS 1/2013 52
Grundprobleme zu § 299 StGB STRAFRECHT d) Tathandlung: Fordern, Sichversprechenlassen oder An- Fraglich ist hier, ob die Zuwendung der Fußballtickets ein nehmen eines Vorteils bloßer Akt der Klimapflege bzw. des Wohlwollens oder ein § 299 Abs. 1 StGB enthält mit dem Fordern, Sichversprechen- von § 299 StGB erfasster Vorteil ist. Nach h.M. werden sozial- lassen oder Annehmen eines Vorteils drei Formen möglicher adäquate Zuwendungen vom Tatbestand nicht erfasst.42 Bei Tathandlungen. sozialadäquaten Zuwendungen handelt es sich um Vorteils- Ein Fordern liegt in der ausdrücklichen oder stillschwei- gewährungen geringen Umfangs, welche sich im Rahmen all- genden Erklärung des Täters, dass er einen Vorteil als Gegen- gemeiner Höflichkeitsregeln oder der Verkehrssitte halten.43 leistung für eine unlautere Bevorzugung eines anderen für Maßgeblich ist, dass diese Zuwendungen nicht geeignet sind, sich oder einen Dritten begehrt.35 Das Fordern eines Vorteils den Wettbewerb zu beeinträchtigen. Darunter fallen z.B. neben setzt dabei im Gegensatz zu den beiden anderen Tathandlungs- Einladungen zu Geschäftsessen auch Werbeartikel und Trink- möglichkeiten keine Übereinkunft zwischen Nehmer und Ge- gelder.44 Es ist nicht möglich, feste Grenzen der Sozialadä- ber des Vorteils voraus.36 quanz anzugeben, weshalb es stets einer Abwägung im Ein- Das Sichversprechenlassen erfordert die ausdrückliche oder zelfall bedarf. Dabei ist entscheidend, ob aus Sicht eines über konkludente Annahme des Angebots eines zukünftig zu er- die vorliegende Situation informierten Dritten vernünftiger bringenden Vorteils.37 Weise davon auszugehen ist, dass die Zuwendung zu einer Ein Annehmen ist die tatsächliche Entgegennahme des sachwidrigen Beeinflussung führt.45 Zu berücksichtigen sind Vorteils mit dem nach außen bekundeten Willen, den Vorteil neben der Höhe des Vorteils das Geschäftsfeld sowie Stellung zu eigenen Zwecken zu verwenden oder ihn an einen Dritten, und Lebensumstände der Beteiligten.46 Die Grenzen der So- für den er bestimmt ist, weiterzugeben.38 zialadäquanz sind i.R.d. § 299 StGB jedenfalls weiter als bei den Amtsdelikten nach §§ 331 ff. StGB. Bedeutung erlangt Beispielsfall: Obwohl die U-GmbH nicht immer der güns- dabei, dass zwar ein allgemeines Vertrauen in die Sachlichkeit tigste Anbieter ist, bestellt der für den Einkauf verant- staatlicher Entscheidungen besteht, nicht jedoch in die Sach- wortliche Mitarbeiter X der metallverarbeitenden Y-AG lichkeit wirtschaftlicher Auswahlentscheidungen.47 Nach die- bei der U-GmbH wiederholt sämtliche Rohstoffe im Wert sen Grundsätzen stellen die Fußballtickets im Beispielsfall ei- von jeweils etwa 150.000 €, weil er pro Bestellung vom ne sozialadäquate Zuwendung dar, welche nicht von § 299 Geschäftsführer der U-GmbH Fußballtickets im Wert von StGB erfasst wird. 150 € erhält. Handelt es sich dabei um einen Vorteil i.S.d. I.R.v. Wettbewerbshandlungen im Ausland ist zu berück- § 299 StGB oder um zulässige „Klimapflege“? sichtigen, dass eine Schmiergeldzahlung trotz der möglicher- weise landestypischen Üblichkeit von Vorteilsgewährungen Alle drei Tathandlungsmöglichkeiten des § 299 StGB müssen den Anwendungsbereich des § 299 Abs. 3 StGB eröffnet, sich auf einen Vorteil beziehen. Ein Vorteil ist dabei alles, wenn die Sozialadäquanz nicht mehr gegeben ist.48 was die Lage des Empfängers irgendwie verbessert und wo- rauf er keinen Anspruch hat.39 Klassischerweise handelt es e) Unrechtsvereinbarung sich dabei um materielle Zuwendungen wie die Zahlung von Der Tatbestand des § 299 StGB erfordert in beiden Absätzen Provisionen und Honoraren, die kostenlose Zuwendung von eine Bevorzugung „in unlauterer Weise“. Diese Formulierung Sachgütern oder Veranstaltungstickets, aber auch die Finan- wird oftmals unter dem Tatbestandsmerkmal der „Unrechtsver- zierung von Reisen etc. Immaterielle Vorteile unterfallen dem einbarung“ erfasst und drückt aus, dass der Vorteil i.R.d. § 299 § 299 StGB, wenn sie einen objektiv messbaren Inhalt haben StGB die Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzu- und den Vorteilsnehmer tatsächlich besserstellen.40 Der Vor- gung darstellt.49 Strafwürdig ist also nicht die Verschaffung teil stellt kein selbstständiges erfolgsbezogenes Tatbestands- eines Vorteils an sich, sondern dass Vorteilsgeber und -neh- merkmal dar, sondern lediglich das Bezugsobjekt der in den mer übereinkommen, aufgrund des Vorteils eine sachfremde Tathandlungen enthaltenen Unrechtsvereinbarungen. Nicht vom Begriff des Vorteils erfasst ist das Drohen mit dem Ent- 42 Einigkeit besteht zwar hinsichtlich des Ergebnisses, sozial- zug rechtmäßig bestehender Positionen oder Ansprüche wie adäquate Zuwendungen als nicht vom Tatbestand erfasst an- beispielsweise der Abbruch von Geschäftsbeziehungen.41 In zusehen, die dogmatischen Begründungen unterscheiden sich diesem Fall ist nicht § 299 StGB, sondern vielmehr § 240 jedoch. So wird von der Rechtsprechung das Vorliegen einer StGB zu prüfen. unlauteren Unrechtsvereinbarung verneint, während in der Literatur überwiegend eine teleologische Reduktion des Tat- nötigt. Da dies zumindest zweifelhaft erscheint, muss die wei- bestands vorgenommen oder die objektive Zurechnung ver- tere Entwicklung dieser Überlegungen kritisch beobachtet wer- neint wird (Wittig [Fn. 11], § 26 Rn. 44 m.w.N.). 43 den. Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 45. 35 44 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 32. Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 23. 36 45 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 32, Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 17. Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 23. 37 46 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 33. Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 46. 38 47 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 34. Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 23. 39 48 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 7. Vgl. Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 47; Fischer (Fn. 1), § 299 40 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 41. Rn. 23a. 41 49 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 7. Joecks (Fn. 7), § 299 Rn. 9. _____________________________________________________________________________________ Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com 53
DIDAKTISCHE BEITRÄGE Anja Nöckel Entscheidung zu treffen, mithin also unrechtes Handeln ver- I. Tatbestand einbaren. Dabei steht der vereinbarte Vorteil zu der Bevorzu- 1. Objektiver Tatbestand gung weder in einem konkreten Leistungs- bzw. Gegenleis- a) Handeln im geschäftlichen Verkehr tungsverhältnis noch genügt die bloße Schaffung eines all- b) Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines gemeinen Wohlwollens.50 Erforderlich ist vielmehr eine Be- Vorteils wertung im konkreten Einzelfall. c) Gegenüber einem Angestellten oder Eine Bevorzugung beim Bezug von Waren oder gewerb- Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs lichen Leistungen ist dabei jede angestrebte Besserstellung, d) Zu Zwecken des Wettbewerbs auf welche der Vorteilsgeber oder ein Dritter keinen Anspruch e) Unrechtsvereinbarung hat.51 Unlauter ist eine Bevorzugung, „wenn die intendierte 2. Subjektiver Tatbestand Besserstellung gemessen an den Grundsätzen eines fairen II. Rechtswidrigkeit Wettbewerbs nicht auf ausschließlich sachlichen Erwägungen, III. Schuld sondern zumindest auch auf der Vorteilsgewährung beruht“, IV. Evtl. Strafzumessung, § 300 StGB also die Grundsätze des kaufmännischen Verkehrs verletzt.52 V. Strafantrag, § 301 StGB Dabei kann eine Bevorzugung nur dort erfolgen, wo eine Auswahlsituation zwischen mehreren Mitbewerbern vorliegt, daher muss die Unrechtsvereinbarung stets Bezug zu einer a) Täterkreis derartigen Wettbewerbslage haben.53 Weil nachträgliche Be- Der Täterkreis des § 299 Abs. 2 StGB ist anders als in § 299 lohnungen für bereits erfolgte Leistungen von § 299 StGB Abs. 1 StGB nicht auf Angestellte oder Beauftragte be- nicht erfasst werden, ist dabei maßgeblich, dass das Ziel der schränkt. Täter kann vielmehr jeder sein, der im geschäftlichen Vereinbarung eine sachfremde Entscheidung für die Zukunft Verkehr und zum Zweck des Wettbewerbs handelt.57 Die Vor- ist.54 teilsgewährung muss sich dabei auf den Wettbewerb des Vor- teilsgebers oder eines Dritten beziehen, nicht aber auf den f) Subjektiver Tatbestand Wettbewerb, in welchem sich der Vorteilsnehmer befindet. Der subjektive Tatbestand des § 299 Abs. 1 StGB erfordert Jedenfalls nicht erfasst ist der Wettbewerb um private Kun- vorsätzliches Handeln des Täters, insb. muss dieser die tat- den oder die Vorteilsgewährung durch Private, welche allein sächlichen Voraussetzungen der Unlauterkeit kennen.55 Der der Förderung ihrer eigenen Interessen dient.58 Vorsatz muss das Bestehen der Wettbewerbssituation im Zeit- punkt der Bevorzugung umfassen. Daneben muss es dem Täter b) Tathandlung darauf ankommen, dass der Vorteilsgeber den Vorteil als Ge- Die Tathandlungen des § 299 Abs. 2 StGB entsprechen spie- genleistung für eine Bevorzugung versteht.56 gelbildlich denen des § 299 Abs. 1 StGB, wobei das Anbieten dem Fordern, das Versprechen dem Sichversprechenlassen und 2. Bestechung, § 299 Abs. 2 StGB das Gewähren dem Annehmen entspricht. Die Prüfung eines wirtschaftlichen Fehlverhaltens bezüglich Anbieten ist das Inaussichtstellen, Versprechen das Zusa- der Strafbarkeit als Bestechung nach § 299 Abs. 2 StGB lässt gen, und Gewähren das tatsächliche Verschaffen eines Vor- sich nach folgendem Schema durchführen: teils.59 Ein Vorteil wird gewährt, wenn die Verfügungsgewalt über den Vorteil auf den Vorteilsnehmer zumindest aufgrund einer stillschweigenden Unrechtsvereinbarung übergeht.60 Das Anbieten und Versprechen sind einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen, die auf den Abschluss einer Unrechts- vereinbarung gerichtet sind. Erfolgen können diese Erklä- rungen sowohl ausdrücklich als auch konkludent, so dass be- reits vorsichtiges Anfragen oder Sondierungsgespräche als Tat- handlung ausreichen können.61 Während der in Aussicht ge- stellte Vorteil nicht tatsächlich eintreten muss, ist erforderlich, dass das gemachte Angebot vom Vorteilsgeber ernst gemeint ist. Das Vorspiegeln einer möglichen Vorteilsgewährung un- terfällt daher nicht § 299 StGB, sondern § 263 StGB. 50 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 13. 51 Wittig (Fn. 11), § 299 Rn. 50. 52 57 Vgl. Diemer/Krick (Fn. 6), § 299 Rn. 19; vgl. auch Wittig Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 19. 58 (Fn. 11), § 299 Rn. 54. Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 19. 53 59 Joecks (Fn. 7), § 299 Rn. 8. Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 20. 54 60 Joecks (Fn. 7), § 299 Rn. 9. Wittig (Fn. 11), § 299 Rn. 60. 55 61 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 56. Vgl. Wittig (Fn. 11), § 299 Rn. 60; Fischer (Fn. 1), § 299 56 Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 22. Rn. 20. _____________________________________________________________________________________ ZJS 1/2013 54
Grundprobleme zu § 299 StGB STRAFRECHT 3. Subjektiver Tatbestand Auch eine Rechtfertigung nach § 34 StGB kommt in der Re- Der subjektive Tatbestand des § 299 Abs. 2 StGB erfordert gel nicht in Betracht, da es stets mildere Mittel zur Abwendung vorsätzliches Handeln des Täters.62 Darüber hinaus bedarf es wirtschaftlicher Schwierigkeiten eines Unternehmens geben i.R.d. § 299 Abs. 2 StGB einer Wettbewerbsabsicht, welche wird.67 sich bereits aus dem Wortlaut „zu Zwecken des Wettbewerbs“ ergibt.63 Dem Vorteilsgeber muss es also darauf ankommen, V. Strafantrag den eigenen Absatz oder den eines Dritten zu fördern. Dies § 301 StGB ist zu entnehmen, dass es sich bei § 299 StGB erfordert, dass der Täter zumindest auch handelt, um im Wett- um ein relatives Antragsdelikt handelt. Nach § 301 Abs. 2 bewerb bevorzugt zu werden, unschädlich ist jedoch, wenn er StGB ist neben dem Verletzten jeder der in § 8 Abs. 3 Nrn. 1, daneben weitere Ziele verfolgt.64 Für die Tathandlung des An- 2 und 4 UWG bezeichneten Gewerbetreibenden, Verbände und bietens ist außerdem erforderlich, dass es dem Täter auf das Kammern zur Stellung eines Strafantrags berechtigt. Liegt Abschließen einer Unrechtsvereinbarung ankommt, also da- ein solcher nicht vor, kann die Tat gleichwohl verfolgt wer- rauf, dass der Vorteilsnehmer den Vorteil als Gegenleistung den, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche für die unlautere Bevorzugung versteht und sich damit ein- Interesse an der Strafverfolgung als gegeben ansieht. Dieses verstanden erklärt.65 Interesse an der Strafverfolgung kann sich dabei nicht nur in den besonders schweren Fällen des § 300 StGB ergeben, son- IV. Rechtfertigung dern beispielsweise auch dann, wenn ein Berechtigter die An- Wie bereits festgestellt, schützt § 299 StGB primär den frei- tragsstellung aufgrund beruflicher oder ökonomischer Beden- en, lauteren Wettbewerb, weshalb der Tatbestand als abstrak- ken unterlässt.68 Obwohl es sich bei § 299 StGB nach § 374 tes Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist. Da der Geschäftsherr Abs. 1 Nr. 5a StPO um ein Privatklagedelikt handelt, erscheint der in § 299 StGB genannten Angestellten und Beauftragten eine großzügige Bejahung des besonderen öffentlichen Inte- nicht über den marktwirtschaftlichen Wettbewerb disponieren resses angebracht, weil § 299 StGB in hohem Maße dem In- kann, entfaltet seine Einwilligung in die Bestechung seiner teresse der Allgemeinheit an einem funktionieren Wirtschafts- bzw. durch seine Mitarbeiter keine rechtfertigende Wirkung.66 wettbewerb dient.69 VI. Besonderheiten der Teilnahme Eine Bestechungshandlung bedarf nicht nur des Täters, der 62 Wittig (Fn. 11), § 26 Rn. 56. anbietet, verspricht oder gewährt bzw. fordert, sich verspre- 63 Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 49; Fischer (Fn. 1), § 299 chen lässt oder annimmt, sondern stets eines anderen, der das Rn. 22. korruptive Angebot annimmt oder macht. Der andere Teil ist 64 Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 49. also notwendiger Teilnehmer der korruptiven Unrechtsverein- 65 Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 49. barung.70 Hinter die eigene spiegelbildliche Handlung nach 66 So zumindest die h.M. Seine Begründung findet dieses Ver- § 299 Abs. 1 StGB oder § 299 Abs. 2 StGB tritt die Beihilfe ständnis der Rechtfertigungsebene in der Bestimmung des zur Haupttat daher zurück. Rechtsguts des § 299 StGB, da der Geschäftsherr nicht über die Lauterkeit des Wettbewerbs und die Chancen seiner Mit- VII. Konkurrenzen bewerber disponieren könne. Folge dieser Strafwürdigkeits- In der Regel besteht zwischen der in Aussicht gestellten Be- beurteilung sind jedoch zwangsläufig Widersprüche zur straf- vorzugungshandlung und § 299 StGB Tatmehrheit.71 Dies gilt losen Bestechung des Geschäftsherrn. Nach der geltenden Ge- auch dann, wenn den Taten eine einheitliche Unrechtsverein- setzesfassung wird die sog. Geschäftsherrenbestechung bzw. barung zugrunde liegt.72 Typische Begleittaten des § 299 StGB -bestechlichkeit nicht von § 299 StGB erfasst. Daraus folgt, hinsichtlich der Bevorzugungshandlung sind § 266 StGB im dass der Geschäftsherr Vorteile selbst erhalten und an seine Verhältnis zum Geschäftsherrn sowie § 263 StGB bezüglich Angestellten weiterreichen kann ohne nach § 299 StGB straf- der Mitbewerber. Zu denken ist stets aber auch an eine Steuer- bar zu sein. Billigt der Geschäftsherr jedoch die Bestechung hinterziehung nach § 370 AO, wenn eingenommene Beste- seiner Angestellten durch einen Dritten oder vermittelt diese chungsgelder nicht ordnungsgemäß versteuert werden. Tatein- sogar, machen sich diese sowie der Dritte nach h.M. gem. heit wird dagegen mit § 298 StGB bestehen, wenn ein Ange- § 299 StGB strafbar. Vergleicht man den strafwürdigen Un- stellter des Veranstalters sich auf eine Bestechung einlässt.73 wert beider Konstellationen, sind zumindest Zweifel an der h.M. angebracht. Während sich nämlich die aus beiden Hand- lungsformen folgende Beeinflussung des Wettbewerbs nicht lose Geschäftsherrenbestechung angenommen wird, bleibt ab- voneinander unterscheidet, differenzieren die strafrechtlichen zuwarten. 67 Konsequenzen deutlich. Die Bedeutung der Einwilligung des Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 23. 68 Geschäftsherrn gehört damit zu jenen Problemfeldern, die im Fischer (Fn. 1), § 301 Rn. 2. 69 Interesse aller Beteiligten einer zeitnahen Lösung zugeführt Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 67. 70 werden müssen. Ob der Gesetzgeber dazu die Straflosigkeit Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 25. 71 der Geschäftsherrenbestechung aufgibt oder aber die Straf- Fischer (Fn. 1), § 299 Rn. 25. 72 barkeit der Angestellten dadurch beseitigt, dass ihr Verhalten Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 62. 73 dem Geschäftsherrn zugerechnet und damit letztlich eine straf- Rönnau (Fn. 5), Kap. 2 Rn. 62. _____________________________________________________________________________________ Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com 55
DIDAKTISCHE BEITRÄGE Anja Nöckel VIII. Fazit Die grundlegenden Prinzipien von Bestechung und Bestech- lichkeit im geschäftlichen Verkehr lassen sich unter Berück- sichtigung der marktwirtschaftlichen Strukturen verhältnis- mäßig zügig erschließen. Gleichzeitig eröffnet § 299 StGB eine Vielzahl höchst interessanter und komplexer Fragestellun- gen, die nicht nur Verknüpfungen zu anderen Rechtsgebieten wie dem Wettbewerbs- und Kartellrecht aufweisen, sondern auch die nahezu unantastbaren Grundpfeiler der Strafrechts- dogmatik hinterfragen. So wird in kaum einem Teil des Straf- rechts das Rechtsgutsdogma vor derart große Herausforderun- gen gestellt, wie es bei wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestel- lungen der Fall ist. Gleichzeitig kommt dem Kriterium der Strafwürdigkeit besondere Bedeutung zu, da mit der Straf- barkeit von Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr dem nach wirtschaftspolitischen Prinzipien funktio- nierenden Regelungsbereich der Sozialen Marktwirtschaft sinn- und maßvoller strafrechtlicher Schutz gewährt werden soll. § 299 StGB bietet also nicht nur eine interessante, weil ungewohnte Grundstruktur, die es zu erfassen gilt, sondern auch unzählige zivil- und (wirtschafts-)strafrechtliche Anknüp- fungspunkte für eine vertiefte Untersuchung im Rahmen der Schwerpunktbereichsausbildung. _____________________________________________________________________________________ ZJS 1/2013 56
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