Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2021-2024 (Kulturbotschaft): Stellungnahme des ARF/FDS
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Schweizerische Eidgenossenschaft Herr Bundesrat Alain Berset Vorsteher des Eidg. Departements des Innern Schwanengasse 2 3003 Bern p.A. stabsstelledirektion@bak.admin.ch CC an Ivo Kummer, Leiter der Sektion Film: ivo.kummer@bak.admin.ch Zürich, 19. September 2019 Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2021-2024 (Kulturbotschaft): Stellungnahme des ARF/FDS Sehr geehrter Herr Bundesrat Berset Sehr geehrte Frau Chassot Sehr geehrte Damen und Herren Am 29. Mai 2019 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur Kulturbotschaft 2021-2024, zu dem der Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz ARF/FDS eingeladen wurde. Wir bedanken uns dafür und nehmen im Folgenden gerne zu den Punkten, die den Film- und Audiovisionsbereich betreffen, Stellung. Unsere allgemeinen Bemerkungen zur Stossrichtung und den Prioritäten des Entwurfs für die Kulturbotschaft 2021-24 haben wir in den beiliegenden Antworten zum Fragekatalog bereits dargelegt. Der Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz ARF/FDS vertritt die Interessen der unabhängigen Schweizer Filmschaffenden und engagiert sich national und international für die ‚Diversité culturelle‘ und die Anerkennung und Wahrung der Urheberrechte. Ebenso setzt er sich für gute Rahmenbedingungen, klare Spielregeln und einfache Strukturen der verschiedenen Stellen der Filmförderung ein, um Vertrauen und Transparenz in der Zusammenarbeit zu schaffen sowie kulturelle und kreative Entfaltungsmöglichkeiten zu fördern. Ihm gehören heute über 300 unab- hängige professionelle RegisseurInnen und DrehbuchautorInnen an, die in der Schweiz leben und arbeiten oder einen biografischen Bezug zur Schweiz haben. 1. Anmerkungen zum Entwurf der Kulturbotschaft 2021-2024 Der ARF/FDS erachtet den vom BAK erarbeiteten Entwurf zur Kulturbotschaft als sehr gute Grundlage. Wir sind erfreut über die grosse Wertschätzung des Kunst- und Kulturschaffens durch den Bundesrat sowie dafür, dass die Anliegen der Kulturschaffenden zur Kenntnis genommen worden sind und in konkret formulierten Vorhaben ihren Platz gefunden haben. Dies insbesondere auch im Bereich Film- und Audiovision (u.a. Investitionspflicht für Onlineanbieter).
Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich für den guten und kontinuierlichen Austausch, insbesondere mit dem Vorsteher der Sektion Film und der Direktion des Bundesamtes für Kultur. Der ARF/FDS ist überzeugt, dass die vorgesehene Erhöhung der finanziellen Mittel gerechtfertigt und das vorgesehene durchschnittliche Ausgabenwachstum von 2,9% pro Jahr für die gesamte Förderperiode 2021-2024 als ein zu begrüssendes Signal zu Gunsten der Kultur notwendig sind. 2. Allgemeine Anliegen Aufbauend auf übergeordneten Megatrends wie Globalisierung, Digitalisierung, Urbanisierung und Individualisierung hat der Bundesrat 2016 die drei zentralen Strategieachsen „innerer Zusammenhalt“, „kulturelle Teilhabe“, „Kreation und Innovation“ definiert. Der ARF/FDS unterstützt diese Zielsetzungen sehr und ist überzeugt, dass die Kulturbotschaft dadurch einer nationalen Kulturpolitik ein fassbares Profil zu verleihen vermag. Durch das erneuerte Bekenntnis zu diesen Werten in der vorliegenden Kulturbotschaft wird der unverzichtbare gesellschaftliche Wert der Kunst und Kultur betont und gestärkt. Zu Recht erwähnt die Kulturbotschaft, dass die Digitalisierung des Filmmarktes sowie die rasante Veränderung des Medienkonsumverhaltens die prägendsten Einflussfaktoren für das Schweizer Filmschaffen darstellen (Pkt. 2.3.6 des erläuternden Berichtes). Insbesondere wegen der Digitalisierung und ihren Folgen ist es unseres Erachtens eine zentrale Aufgabe einer nationalen Kulturpolitik, sich weiterhin für die Wahrung der Urheberrechte einschliesslich deren Abgeltung bei Nutzungen von geschützten Werken einzusetzen. Ebenfalls sollte sie sich entschieden für die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden sowie existenzsichernde Honorare und Löhne auf allen Ebenen aussprechen. Bezüglich des letzten Punkts teilen wir die unter Punkt 2.1.2 (‘Künstlerisches Schaffen’) des erläuternden Berichts geäusserte Kritik, dass die spartenspezifischen Honorar- und Gagenempfehlungen oft nicht oder nur teilweise umgesetzt werden und «die Einkommenssituation vieler Kunstschaffender trotzt erfolgreicher Arbeit ungenügend ». Diese Aussage hat auch für die Filmschaffenden ihre volle Gültigkeit und wir begrüssen die Absicht des Bundes sehr, ab 2021 Finanzhilfe an die Bedingung zu knüpfen, dass die Entschädigungsrichtlinien der Berufsverbände eingehalten werden. Die Einschränkung auf Veranstalter erachten wir als zu eng gefasst und schlagen folgende textliche Anpassung vor: Einkommenssituation und Entschädigung von Kulturschaffenden: Die Einkommenssituation vieler Kunst- und Kulturschaffender ist trotz erfolgreicher Arbeit ungenügend. Zu wenige hauptberuflich arbeitende Kunst- und Kulturschaffende erhalten für ihre insbesondere in institutionellen Kontexten (Kunstausstellungen, Lesungen in Literaturhäusern usw.) erbrachten Leistungen angemessene Entschädigungen. Grund dafür ist die system-bedingte Praxis ungeregelter Arbeitsverhältnisse. Zwar gibt es verschiedene Honorar- oder Gagenempfehlungen von spartenspezifischen Verbänden und Interessensgemeinschaften, jedoch werden diese von Auftraggebern und Veranstaltern nicht oder nur teilweise umgesetzt. Auch in Zukunft soll im Kulturbereich ein freier Markt zwischen Angebot und Nachfrage bestehen. Jedoch wird der Bund dort, wo er Finanzhilfen spricht, künftig auf eine angemessene Entschädigung der Kulturschaffenden hinwirken. (Erläuternder Bericht, S.16, Ziff. 2.1.2) 2
3. Anliegen bezüglich der Förderinstrumente «Filmförderung», «Filmkultur» und «Filmerbe» Der ARF/FDS begrüsst die zu den drei Förderinstrumenten aufgeführten Ziele und Massnahmen und schlägt für die kommende Förderperiode die im Folgenden erläuterten Ergänzungen und Korrekturen vor. Gleichzeitig möchten wir auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Analyse und Reflexion der Bundesfilmförderung hinsichtlich der Kulturbotschaft 2025ff. hinweisen. 3.1 Reflexion Förderstrukturen in einer ausgewählten Arbeitsgruppe In Übereinstimmung mit allen im Dachverband Cinésuisse vertretenen AkteurInnen und Branchenverbänden stellt der ARF/FDS den Antrag, explizit die Notwendigkeit einer grundlegenden Analyse und Reflexion der Bundesfilmförderung zu erwähnen. Die Begründung ist in der beiliegenden Begründung formuliert (vgl. Anhang 1). Dazu sollte eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die dem Bundesrat bis 2022 konkrete Vorschläge unterbreiten wird, welche in der Kulturbotschaft 2025-2028 zur Umsetzung führen müssen. Die Arbeitsgruppe wird die Möglichkeiten und den Umfang für die Schaffung eines „Filmförderfonds“ prüfen. Dies auch im Vergleich mit unseren Nachbarländern, die wie zum Beispiel Frankreich (CNC), Deutschland (FFA) oder Österreich (ÖFI) Strukturen geschaffen haben, die einerseits eine engere Zusammenarbeit mit anderen Förderinstitutionen erlauben (wie Fernsehanstalten) und andererseits in der Budgetierung und Vergabe von Mitteln (z.B. Darlehen) über einen grösseren Spielraum verfügen. Ziel ist: a. Bündelung und Koordination der Kräfte der wichtigsten Akteure der verschieden Herstellungs- und Auswertungsphasen gemäss gemeinsam zu erarbeitenden Zielsetzungen b. Fokussierung und Flexibilisierung des Begutachtungssystems im Sinne einer Projektbegleitung mit offener, unterstützender Kommunikation (vgl. Begründung, Anhang 1, Abs. d) Die vom Bund eingesetzte Arbeits- resp. Expertengruppe sollte aus Expertinnen und Experten aus der Sektion Film sowie aus der Filmbranche (Kreation, Herstellung, Auswertung) zusammengesetzt werden. Zudem ist eine Person beizuziehen, welche die verwaltungs- rechtlichen Rahmenbedingungen kennt (allenfalls jemanden vom BA für Justiz) und so die rechtlichen Möglichkeiten ausloten kann. Zudem ist es sinnvoll, auch eine Person der SRGSSR beizuziehen, da in der neuen Struktur auch eine intensive Zusammenarbeit mit der SRG gesucht werden muss. 3.2 Investitionspflicht für Online-Anbieterinnen (Art. 24b ff. FiG) Der ARF/FDS begrüsst, dass Unternehmen, die Filme über elektronische Abruf- oder Abonnementsdienste anbieten, verpflichtet werden sollen, vier Prozent ihrer Bruttoeinnahmen in den Schweizer Film zu investieren oder eine entsprechende Ersatzabgabe zu bezahlen. Nachdem das geplante Gesetz über die elektronischen Medien nicht zustande gekommen ist, muss der Onlinebereich im Filmgesetz geregelt werden, denn das Filmgesetz ist heute nicht mehr alleine für die Belange des Kinofilms zuständig, sondern bewegt sich zunehmend in Richtung eines Gesetzes über den Film, ungeachtet der Auswertungsform. So muss neben dem traditionellen linearen Fernsehen auch ein Umgang mit Online-Angeboten gefunden werden. Der ARF/FDS unterstützt daher die Idee, dass Online-Anbieter dieselben Pflichten haben sollen wie die Anbieter von linearen Fernsehprogrammen. Sie müssen – neben der Entrichtung von film- und urheberrechtlichen Abgaben – einen Anteil ihres Umsatzes für die Entwicklung und Herstellung von unabhängigen Schweizer Filmen zur Verfügung stellen. Wir teilen die diesbezüglich innerhalb der Cinésuisse erarbeiteten gesetzlichen Anpassungen und 3
Korrekturvorschläge (Regelung Investitionsverpflichtungen der Fernsehveranstalter im FiG, Ausdehnung der Vorschrift auf gesamten Onlinebereich inkl. IPTV, Territorialitätsprinzip) integral und verweisen für Details wir auf die Stellungnahme von Cinésuisse (S.2., Pkt.2). 3.3 Filmerbe: Online-Zugang für Schweizer Bevölkerung Der ARF/FDS begrüsst die Idee des BAK sehr, einen Online-Zugang für die Bevölkerung zum Schweizer Filmerbe zu schaffen und somit die Visibilität des Schweizer Filmschaffens zu erhöhen. Dies soll sich jedoch nicht – wie im Entwurf (Ziff. 2.3.6.3 des erläuternden Berichts) formuliert – nur auf die vom BAK geförderten Filme beschränken, sondern möglichst alle in der Schweiz hergestellten Filme umfassen. Bei der Nutzung der Filme müssen selbstverständlich die Urheberrechte respektiert und die Filmrechte angemessen entschädigt werden. Die im Vorfeld angedeutete Möglichkeit zur Gratisnutzung entwertet das Werk und fördert eine Haltung, die eine Gratisnutzung von Filmen im Internet verlangt. Wie beim Buch ist gegen eine unentgeltliche Nutzung von Werken an wenigen, dedizierten Orten (wie z.B. in der Cinémathèque oder in der Nationalbibliothek) nichts einzuwenden. Die Erstellung der Plattform muss kostenneutral erfolgen, d.h. es dürfen keine Mittel aus den Filmförderungskrediten verwendet werden. Im Sinne der KonsumentInnen und zur Finanzierung wäre eine Zusammenführung von geplanten Plattformen/Editionen wünschenswert. Viel wichtiger als die Plattform wird allerdings die digitale Aufbereitung der Filme sein. Der ARF/FDS unterstützt die Forderung der Cinésuisse für einen separat finanzierten Digitalisierungsfonds, der die flächendeckende Digitalisierung unseres Kulturgutes (inkl. Film) sicherstellt (vgl. unten, Pkt. 3.6). 3.4 Vielfalt des Filmangebots (Art. 24a FiG) In Anlehnung an die EU-AVMD-Richtlinien unterstützt der ARF/FDS die Festlegung nach einer Quote von 30% europäischer Filme im Angebot sämtlicher Filmanbieter. Somit soll hinsichtlich eines zukünftigen Wiederbeitritts ins MEDIA-Programm EU-Kompatibilität hergestellt werden. Als Ergänzung soll in diesen 30% ein angemessener Anteil an Schweizer Filmen festgeschrieben werden. In Bezug auf Abruf- oder Abonnementsdienste schlagen wir vor, dass der Art. 24a1 zugunsten des Schweizer Filmschaffens wie folgt geändert wird: „1 Unternehmen, die in der Schweiz Filme über elektronische Abruf- oder Abonnementsdienste anbieten, müssen zur Förderung der Angebotsvielfalt sicherstellen, dass mindestens 30 Prozent der Filme europäische Filme und ein angemessener Anteil Schweizer Filme sind. Letztere müssen besonders gekennzeichnet und gut auffindbar sein.“ (Art. 24a1 FiG) Weiter wird in der neuen Kulturbotschaft zu Recht die wachsende Bedeutung der Filmfestivals für die Angebotsvielfalt in der Schweiz betont (vgl. Ziff. 2.3.6 des erläuternden Berichts und FiG, Art.8, Abs.1d neu). Dies sowohl für die Promotion und die Vermittlung wie auch für die Auswertung von Filmen. Der ARF/FDS teilt die Einschätzung, dass die Festivals viel zur kulturellen Teilhabe beitragen und dadurch am Publikumserfolg der Filme massgeblich beteiligt sind. Deshalb sollten vom Bund zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um die spezifischen Leistungen der Schweizer Filmfestivals zugunsten des Schweizer Films und der Nachwuchsförderung noch stärker zu unterstützen bzw. durch finanzielle Anreize zu belohnen. 4
3.5 Verarbeitungsstandort Schweiz Die Filmstandortförderung Schweiz FiSS funktioniert – vorbehältlich der minoritären Koproduktionen – bisher weitgehend gut und ist ein geeignetes Instrument, die Ziele der Standortförderung zu erreichen. Im Sinne der Zielsetzung der Kulturbotschaft, die minoritären Koproduktionen im Rahmen des FiSS zu stärken, sind die Bonifizierungsanreize hierfür entsprechend zu erhöhen und die Zutrittsschwellen (Mindestbudget, anrechenbare Kosten) nach Gattung und Region anzupassen bzw. zu differenzieren. Der ARF/FDS unterstützt weiter die von Cinésuisse erarbeiteten Vorschläge, wett- bewerbsverzerrende direkte und indirekte Infrastrukturbeihilfen und Fördersysteme anderer Länder zu kompensieren, damit die internationale Konkurrenzfähigkeit der TechnikerInnen gesichert ist und das Restaurationswissen erhalten bleibt (vgl. Stellungnahme Cinésuisse, S.4, Pkt.6). 3.6 Innovation in Produktion, Auswertung und Archivierung Die an verschiedenen Stellen beschriebenen komplexen Fragestellungen der Digitalisierung erfordern sowohl die Ausbildung als auch die Förderung von Kompetenzen. Dafür sollen die technischen Fragestellungen praxisnah erforscht werden. Der ARF/FDS unterstützt die Forderung von Cinésuisse und weiteren KulturakteurInnen zur Schaffung eines Digitalisierungsfonds, welcher durch die Erträge aus den 5G-Lizenzen finanziert werden soll (vgl. Motion Savary, 19.3649). Dieser Digitalisierungsfonds soll für notwendige Innovationen zur Verfügung stehen, das betrifft im Bereich des Films insbesondere auch die dringend notwendigen Mittel für die Digitalisierung von Filmen, insbesondere von älteren Formaten. Die heute für diesen Bereich zur Verfügung stehenden Mittel sind bei weitem nicht genügend, um notwendigen Veränderungen zu finanzieren. Innovation ist auch in Bezug auf die Sehgewohnheiten und den Einbezug des jungen Publikums gefragt. Der ARF/FDS begrüsst, dass der Bund im Bereich „Filmkultur“ (Ziff. 2.3.6.2. des erläuternden Berichts) weiterhin Institutionen, welche die Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für das Medium Film zum Ziel haben, unterstützt. Dazu zählen auch die Filmpublikationen sowie die Weiterbildung der Filmschaffenden, namentlich durch die Stiftung FOCAL, welche sich in ihren Weiterbildungsangeboten verstärkt den Themen „junges Publikum“ und „digitaler Konsum“ widmen soll. Die Unterstützungsbeiträge an diese für das Schweizer Filmschaffen wichtigen Institutionen sind entsprechend zu erhöhen. Innovation im Bereich „Filmkultur“ ist schliesslich auch in der Ausrichtung des Schweizer Filmpreises QUARZ gefragt, den der Bund in Zusammenarbeit mit der SRG SSR und den Städten Zürich und Genf sowie dem Kanton Genf ausrichtet. Die Publikumswirksamkeit dieses für die Visibilität des Schweizer Filmschaffens zentralen Anlasses und insbesondere der begleitenden Wochen der Nominierten in Zürich und in Genf kann und muss weiter erhöht werden. 3.7 Kino Die Bedeutung des Kinos als Kulturvermittlerin kommt auch in der neuen Kulturbotschaft 2021- 2024 zu wenig zum Ausdruck. Die Kleinkinos auf dem Land sowie die Arthouse-Kinos in den Städten leisten einen speziell wichtigen Beitrag für die Filmkultur: Sie sind nicht nur ein Ort sozialer Begegnungen, sondern – nebst den Festivals – derjenige Ort, an welchem die kulturelle Teilhabe am Film generell und insbesondere am Schweizer Filmschaffen stattfindet. Der ARF/FDS unterstützt die Forderung des Studiofilmverbandes, Bemühungen der Kinos, Schweizer Filme länger zu programmieren und stärker zu promoten durch neue Unterstützungsmassnahmen und -formen zu belohnen. Dies kann z.B. mittels modifizierter Kriterien bestehender Förderungen und/oder einer substantiellen Unterstützung für besonders engagierte und innovative Kinobetriebe erfolgen – z.B. solche, welche Angebote für den Filmnachwuchs und/oder zur Filmbildung des jungen Publikums anstreben. 5
3.8 Standortvorteil Mehrsprachigkeit nutzen und ausbauen Die Mehrsprachigkeit der Schweiz ist für die Filmauswertung eine besondere Herausforderung und ein bedeutender Kostenfaktor. Die hiesige Auswertungsbranche hat anderseits Kompetenz und Erfahrung sowohl in den Bereichen der Untertitelung als auch der Synchronisation („Dubbing“) von audiovisuellen Werken. Der ARF/FDS fordert, dass im Interesse der Vielfalt eine systematische Auswertung aller geförderten Filme in allen Schweizer Sprachregionen erfolgt. Dazu braucht es auch eine Förderung der genannten Verfahren. Für zusätzliche Bundesbeiträge ist in Art. 18 oder 19 des Sprachengesetzes (SR 441.1) ein neuer Fördertatbestand zu schaffen, der auch der Auswertung von Schweizer Filmen im Ausland („Exportförderung“) zugutekommt. Langfristig kann sich aus dieser Kompetenz ein Hub auch für die Veredelung von ausländischen Filmwerken entwickeln. 3.9 Gender Diversity Was den Bereich «Kulturelle Teilhabe» angeht, begrüssen wir sehr, dass das BAK die Chancengleichheit für Frauen und Männer im Kulturbereich als wichtiges Ziel erachtet und neuerdings mit der Erhebung von Gender-Daten in der Filmförderung kontinuierlich evaluiert. Als weitergehende Gender-Massnahme empfehlen wir, für die Entwicklungs- und Herstellungs- Anträge einen Budgetposten für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Familienmitgliedern zu installieren, welcher der Einschränkung von Filmschaffenden mit familiärer Verantwortung entgegenwirkt. Diese Beiträge dürfen nicht zulasten des bestehenden Budgets gehen, ansonsten wäre die Massnahme für Frauen und Männer mit Kindern oder pflegebedürftigen Familienmitgliedern im Film kontraproduktiv. 3.10 Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind sehr wichtige und dringliche Themen, denen sich auch die Filmindustrie stellen muss. Angefangen bei den Filmschulen über die Filmproduktion und - auswertung bis hin zur Bewahrung des Filmerbes: Die Verantwortung für Nachhaltigkeit im Filmsektor ist bereichsübergreifend und bedarf dringender Aufklärung, Innovation sowie einer regelmässigen Anpassung an neueste Techniken und Lösungen. Um die Filmproduktion diesbezüglich so rasch wie möglich zukunftsfähig zu machen und somit so nachhaltig und “grün” zu produzieren wie möglich, ist eine Integration dieses Themas in die jetzige Kulturbotschaft nötig - mit dem Ziel, dass darauf aufbauend in der Filmförderverordnung Sofortmassnahmen geprüft werden (z.B. bei der Begutachtung von Gesuchen) und spätestens in der nächsten Kulturbotschaft konkrete Ideen und verbindliche Umsetzungsvorschläge verankert werden. 3.11 Vernetzung mit Europa Der ARF/FDS begrüsst die geplanten Anpassungen und die Verstetigung der MEDIA- Ersatzmassnahmen (vgl. Ziff. 1.4.3.2 und 2.3.6.4 des erläuternden Berichts) sowie das Ziel, am Creative Europe-Folgeprogramm teilzunehmen. Ein möglichst rascher Wiedereintritt in ein künftiges europäisches Kulturförderprogramm (MEDIA, Creative Europe) scheint uns eminent wichtig. In der Zwischenzeit muss der Bund die entsprechenden Ersatzmassnahmen aufrechterhalten. 6
Der bisherige Kredit für die MEDIA-Ersatzmassnahmen muss in vollem Umfang erhalten bleiben, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Audiovisionsbranche und die Kompatibilität mit dem wichtigen europäischen Umfeld zu stützen. Die Massnahmen sollten als Teil der internationalen Strategie des Bundes komplementär zum gesamten Schweizer Fördersystem sein und inhaltlich an die Veränderungen des Marktes angepasst werden können. Im Namen des Vorstandes des ARF/FDS danken wir Ihnen für die Gelegenheit zur Stellungnahme und für die Berücksichtigung unserer Anliegen und Anregungen in der Kulturbotschaft 2021 - 2024. Mit freundlichen Grüssen Für den ARF/FDS Barbara Miller Roland Hurschler Präsidentin Geschäftsleiter Anhang: Ausführungen zu Punkt 3.1, Grundlegende Analyse und Reflexion der Bundesfilmförderung 7
Anhang 1: Ausführungen zu Punkt 1, Grundlegende Analyse und Reflexion der Bundesfilmförderung A. Begründung a. Grundlegende Veränderungen verlangen Anpassungen In der Geschichte des Films stehen wir an einem Wendepunkt. Die Digitalisierung hat die Bedingungen der Filmherstellung und Filmauswertung in grundlegender Weise verändert. Mit dem Auftreten einer Vielzahl von Online-Anbietern ist eine komplett neue Marktsituation für die Finanzierung und Auswertung von Filmen entstanden. Dies verlangt nach einer Flexibilisierung und Dynamisierung der Filmförderung. Zudem müssen die neuen Online-Anbieter, wie in der Kulturbotschaft vorgesehenen, in die Filmförderung eingebunden werden. Angesichts der elementaren Veränderung, die die Filmwirtschaft herausfordert, sind die Förder- und Produktions- und Auswertungsstrukturen neu zu überdenken. Dabei muss der Bund Garant für die Zukunft des filmischen Schaffens in der Schweiz und dessen wichtiger kultureller Bedeutung bleiben. b. Stärke durch gemeinsame Ausrichtung Genauso wie sich jedes Unternehmen heute strategisch ausrichten muss, um sich international zu behaupten, orientieren sich immer mehr nationale Filmförderungen an Zielen, die sie für die Branche als Ganzes anstreben. Sie sehen ihre Aufgabe in der Förderung der gesamten audiovisuellen Landschaft und gehen damit über die Förderung von Einzelwerken deutlich hinaus. Zwar unterstützt das BAK das Filmschaffen auch auf bestimmte Ziele hin, insbesondere jenes der Vielfalt und Qualität, doch können diese nur auf Einzelwerke appliziert werden. Länder mit strategisch ausgerichteter Filmförderung schaffen weitergehende Förderinstrumente und motivieren die Akteure damit zu konsequentem Handeln. Zur gemeinsamen Ausrichtung und Zielsetzung gehört auch die SRG SSR als weiterer wichtiger Partner des Schweizer Filmschaffens. Die Wandlung des Film- und Fernsehkonsums verändert die Rolle des Fernsehens grundlegend, weshalb die Zusammenarbeit neu strukturiert werden muss. Der Einbezug der SRG SSR in die Diskussion über eine mögliche Reform der Filmförderung ist somit eine weitere, zentrale Aufgabe. Ebenso die Zusammenführung von Filmgesetz – und RTVG in einem umfassenden Audiovisionsgesetz, welches die Gleichbehandlung aller Medien garantiert. c. Stärke durch prozesshafte Herangehensweise Die Anforderungen an die Herstellung von Spiel, Dokumentar- und Animationsfilm haben sich im Zuge der Digitalisierung und der Medialisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens stark verändert und sind markant gewachsen. Hinzu kommen diverse neue Formate. Für die Filmförderung ist dies eine grosse Herausforderung, die eine zeitgemässe, kontinuierliche Kommunikationsstruktur zwischen Filmförderung, Filmherstellung und Filmvertrieb bedingt. Dies von der Stoffentwicklung bis hin zur Auswertung. Auch die Talententwicklung, die Weiterbildung und die Promotion gehören dazu. Je mehr diese Teilbereiche in der Förderung unabhängig voneinander strukturiert und auf verschiedene unabhängige (zum Teil vom BAK finanzierte) Institutionen verteilt sind, desto weniger kann die Filmförderung den ganzen Prozess der Filmherstellung als Partner begleiten und stärken. d. Stärke durch partnerschaftliche Aufstellung Die aktuelle Projektförderung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Evaluierung der schriftlichen Anträge. Zwar können die Unterlagen durch ein persönliches Gespräch mit der entsprechenden Kommission ergänzt werden und bei komplexeren Projekten besteht mit dem BAK ein Austausch über die Produktionsveränderungen. Dies reicht aber nicht aus. Angesichts der Vielfalt der audiovisuellen Werke und Auswertungsmöglichkeiten muss die Filmförderung viel weitergehende Kommunikationsformen in Betracht ziehen und entwickeln. Filmförderungen, welche den Filmschaffenden professionelle Begleitung zur Verfügung stellen, pflegen einen kontinuierlichen Austausch, bieten einen vielfältigen Input und 8
unterstützen dadurch die Filmherstellung. Von einer engen Zusammenarbeit profitieren beide Seiten. Insbesondere wird der Entscheid zu verfrühten Entscheidungen minimiert und offene Fragen werden bis zur Fertigstellung in konstruktivem Austausch erörtert. Es lohnt sich, die in Europa angewandten Modelle partnerschaftlicher und dynamischer Film-förderungen genau zu analysieren und daraus Anregungen und Möglichkeiten für die Schweiz abzuleiten. e. Stärke durch Synergien Es gibt in der Schweiz eine Vielzahl von öffentlichen Institutionen, die sich für ein vielfältiges Angebot und deren Verbreitung engagieren. Dazu gehören Swiss Films, die Cinémathèque Suisse, MEDIA Desk Suisse, FOCAL und die Schweizer Filmakademie. Die Vielzahl der Institutionen mit jeweils eigenen Zielsetzungen erschweren die Zusammenarbeit. Die einzelnen Institutionen arbeiten zu isoliert, ohne in einen gemeinsamen, koordinierten Prozess einbezogen zu sein. Zwar sind sie mit dem BAK durch einen Leistungsvertrag verbunden, einen frühen Einbezug in den Prozess der Entwicklung und Herstellung von Filmen wird dadurch aber nicht garantiert, da sich der Bund als politische Instanz, nicht in die inhaltlichen Fragen einmischt. Der Einsatz erfolgt aufgrund der Parzellierung oft nacheinander statt gleichzeitig. Dieser Verzettelung der Filmförderung ist durch die Schaffung neuer Strukturen entgegenzuwirken, so dass effiziente Synergien ermöglicht werden. f. Stärke durch adäquate Rechtsform Die weitreichenden Veränderungen der Filmwirtschaft veranlasste in den letzten Jahren immer mehr nationale Filmförderungen, ihre Struktur zu überdenken und neu aufzustellen. Nur noch in ganz wenigen Ländern erfolgt die Förderung direkt durch eine Regierungsstelle, neben der Schweiz sind dies Italien, die Türkei und Cypern. In Europa sind inzwischen die meisten nationalen Filmförderungen als öffentlich Einrichtungen organisiert, die administrativ unabhängig aufgestellt sind, aber unter der Kontrolle oder der direkten Aufsicht eines Ministeriums stehen. In einigen Ländern tritt die nationale Fördereinrichtung als öffentliche oder private Stiftung bzw. als Verein auf. Die oben genannte Förderstruktur verhilft vor allem kleineren Ländern, wie das in Dänemark, Serbien oder Rumänien der Fall war, zu einer dynamischen und flexiblen Filmförderung, was die Anerkennung und Sichtbarkeit der Filme erhöht hat. B. Schlussbemerkung Das Schweizer Filmschaffen wird in der europäischen Filmlandschaft zu wenig wahrgenommen. Der Ausschluss aus dem Media Programm erschwert zudem die internationale Zusammenarbeit und schwächt seine Stellung auf dem globalen Markt. Eine Dynamisierung und Flexibilisierung durch die Schaffung zeitgemässer Förderstrukturen wie sie in vielen europäischen Ländern realisiert wurden, ist deshalb anzustreben. Der Wandel der gesamten medialen Landschaft und die Wandlung des Medienkonsums verändert die herkömmlichen Herstellungs- und Auswertungsbedingungen für Filme grundlegend. Sie hat neue, teilweise gigantische Marktplayer hervorgebracht, welche eine Neustrukturierung der Filmförderung dringend notwendig macht. Die Branche ist sich der grossen Herausforderung bewusst. Sie ist bereit, sich dem medialen Umbruch zu stellen. Gemeinsam mit dem BAK möchte sie die Möglichkeiten einer administrativen Auslagerung der Filmförderung oder anderer struktureller Rechtsformen prüfen, um die bestmögliche Filmförderung für die Zukunft zu finden. Dies mit dem Ziel, die den neuen Anforderungen entsprechenden Voraussetzungen und damit den möglichst grossen kreativen Raum für die Herstellung und die Visibilität wertvoller Schweizer Filme zu schaffen. 9
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