EISENMANGEL - Österreichische Ärztezeitung
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S TAT E O F T H E A R T EISENMANGEL Mit einer Prävalenz von 25 Prozent der Bevölkerung stellt Eisenmangel global gesehen eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt dar. Da die typischen klinischen Symptome wie Müdigkeit und Haarausfall bereits im Stadium des Eisenmangels auftreten können, besteht auch ohne Anämie die Indikation zur Abklärung und Behandlung. Studien zufolge ist die relative Eisenresorption bei einer Dosierung © SPL, picturedesk.com an jedem zweiten Tag besser. Heinz Zoller* 48 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T Epidemiologie und Risikogruppen Klinische Symptomatik, Screening und Diagnostik Global ist Eisenmangel die häufigste Erkrankung überhaupt und wird oft als Mangelernährung angesehen, an der circa 25 Prozent Bei Patienten mit Mangelernährung, Müdigkeit, Kopfschmerz, der Weltbevölkerung leiden. Im Jahr 2016 waren 1,2 Milliarden Haarausfall, typischen Nagelveränderungen oder anderen sug- Menschen von einer Eisenmangelanämie betroffen. Obwohl die gestiven Symptomen wie Restless-Legs-Syndrom, Zungenbren- Prävalenz eines Eisenmangels oder einer Eisenmangelanämie nen oder Mundwinkelrhagaden besteht die Indikation zur Ab- in Ländern mit hohem soziodemographischen Index niedriger klärung auf das Vorliegen eines Eisenmangels. In der klinischen ist als in Ländern mit niedrigem durchschnittlichen Pro-Kopf- Praxis wird die Indikation zu Abklärung allerdings meist zu spät, Einkommen, zeigen Studien, dass auch in Europa die Prävalenz also erst bei Auftreten einer Anämie gestellt, obwohl bereits der einer Eisenmangelanämie in der Allgemeinbevölkerung zwi- Eisenmangel ohne Anämie unbestritten abklärungs- und thera- schen 1,5 und drei Prozent beträgt. Bei Risikogruppen ist auch in piebedürftig ist. Europa die Prävalenz einer Eisenmangelanämie höher und liegt bei Frauen im reproduktionsfähigem Alter bei bis zu 13 Prozent, In den Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften wird bei schwangeren Frauen bei bis zu 30 Prozent und bei Säuglin- trotz der Häufigkeit einer Anämie nur für die Risikogruppe der gen bei bis zu 50 Prozent. Anämie und Eisenmangel sind aber schwangeren Frauen ein Screening auf Anämie mittels Be- auch im höheren Lebensalter häufig und kommen in bestimm- stimmung des Blutbildes empfohlen. Wichtiger wäre jedoch ten Altersgruppen bei bis zu vier beziehungsweise 16 Prozent ein Screening auf Eisenmangel bereits bei Frauen mit Kinder- der Bevölkerung vor (Abb. 1). wunsch. Denn epidemiologische Studien zeigen, dass eine Anä- mie in der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für eine Eisenmangel und Eisenmangelanämie Erkrankung aus dem Spektrum der Autismus-Erkrankungen des Kindes wie zum Beispiel einem Aufmerksamkeits-Defizit- Die klinische Symptomatik eines Eisenmangels und einer Hyperaktivitätssyndrom assoziiert ist. Schwangeren Frauen Eisenmangelanämie sind variabel und werden durch den wird eine Untersuchung der Hämoglobinkonzentration bis zum Schweregrad des Mangelzustandes bestimmt. Die Kardinal- Ende der 16. Schwangerschaftswoche und erneut zwischen der symptome des Eisenmangels sind Müdigkeit und Schwäche. 25. und 28. Woche empfohlen. Selbst bei nicht-anämischen sonst gesunden Blutspendern mit Eisenmangel beschreiben knapp 60 Prozent der Betroffenen Trotz der hohen Prävalenz der Eisenmangelanämie bei Kindern den Schweregrad der Müdigkeit mit vier Punkten oder mehr wird auch in dieser Altersgruppe bei asymptomatischen Kin- auf einer Skala von 1 bis 10. Andere häufige Symptome eines dern und Jugendlichen kein generelles Screening empfohlen. Eisenmangels sind Kopfschmerzen (33 Prozent), brüchige Fin- Dabei ist Eisenmangel bei Säuglingen und Kindern besonders gernägel (39 Prozent), Haarausfall (24 Prozent), Schwindel und bedeutsam, weil dadurch eine Einschränkung der kognitiven Kurzatmigkeit (36 Prozent), ein Restless-Legs-Syndrom (23 Pro- Leistungsfähigkeit und eine Entwicklungsverzögerung entste- zent) und selten – aber spezifisch – die als Pica bezeichnete Ge- hen können. Ob eine spätere Therapie mit Eisen diese Entwick- schmacksstörung, die mit einer zwanghaften oralen Einnahme lungsstörung vollständig korrigieren kann, ist unklar. von Eiswürfeln, Erde oder Papier assoziiert ist. Dementsprechend gilt, dass zumindest alle Personen mit einer Aufgrund der Symptomatik und der Beeinträchtigung der Anämie auf einen Eisenmangel untersucht werden sollten. Ty- Lebensqualität bereits im Stadium des Eisenmangels ohne pische Befunde einer Eisenmangelanämie sind auch die Mikro- Anämie ergibt sich auch die Indikation zur Abklärung und zytose und Hypochromie der roten Blutzellen sowie eine Aniso- Behandlung eines isolierten Eisenmangels. Das ist auch die zytose im Blutbild. Begründung für die Empfehlung der US-amerikanischen gastroenterologischen Gesellschaft, dass bereits bei einer Die Diagnose eines Eisenmangels kann mit hoher Spezifität Ferritinkonzentration im Blut von < 45µg/L eine Abklärung durch eine Bestimmung der Ferritinkonzentration gestellt wer- empfohlen wird. Im Gegensatz dazu definiert die WHO einen den; ein vermindertes Ferritin im Blut (
Eisenmangel » entzündlichen Darmerkrankungen, bei Herzinsuffizienz oder einer hypochromen mikozytären Anämie präsentiert. Befunde, vor Operationen als Grenzwert 450µg/dl. Ursachen der Eisenmangelanämie Differentialdiagnosen Eisenmangel ist immer nur ein Symptom einer zugrundelie- Da auch Entzündungsreaktionen im Blut ein Absinken der Ei- genden Ursache, die durch eine Stufendiagnostik abgeklärt senkonzentration und der Transferrinsättigung bewirken, ist die werden sollte. Der erste Schritt dieser Abklärung ist eine genaue Transferrinkonzentration selbst ein Marker zur Unterscheidung Anamneseerhebung, bei der offensichtliche Blutverluste wie zwischen einer Entzündungsreaktion und einem echten Eisen- rezente oder länger zurückliegende Operationen – vor allem mangel. Transferrin ist als negatives Akut-Phase-Protein bei Ent- bariatrische Eingriffe –, aber auch ernährungsbedingte Risiko- zündungen vermindert und bei Eisenmangel erhöht. Alternativ faktoren für einen Eisenmangel erhoben werden sollten (zum kann durch die Bestimmung des löslichen Transferrinrezeptors Beispiel vegetarische oder vegane Ernährung). Weitere Risiko- (sTfR) und der Berechnung des Quotienten aus sTfR und dem faktoren für einen Eisenmangel sind Ausdauersport und ex- Logarithmus der Ferritinkonzentration sTfR/log(Ferritin) die In- treme körperliche Belastungen, regelmäßiges Blutspenden und dikation für eine Eisentherapie evaluiert werden. Bei einer sTfR/ Schwangerschaften beziehungsweise Geburten. log(Ferritin)-Ratio von >2 besteht ein Eisenmangel, auch wenn die Ferritinkonzentration im Serum normal ist. Da auch eine verminderte Magensäureproduktion eine gestörte Eisenresorption bedingen kann, sollte auch die Prämedikation Andere Parameter für die Diagnostik eines Eisenmangels wie erhoben werden: Vor allem Protonenpumpenhemmer (PPIs) zum Beispiel das Hormon Hepcidin, das die Eisenfreisetzung können einen Eisenmangel verursachen. Grundsätzlich kann aus Makrophagen und Enterozyten ins Plasma hemmt, die Kon- jede Form der gestörten Magensäureproduktion zu einem zentration von Hämoglobin in Retikulozyten oder das Zink-Pro- Eisenmangel führen – auch eine Autoimmungastritis. Diese toporphyrin sind zwar in speziellen Indikationen oder Studien Assoziation ist aber aufgrund der fehlenden Therapiemöglich- von Bedeutung, nicht aber im klinischen Alltag. keiten von begrenztem praktischen Wert. Auch Medikamente, die einen okkulten gastrointestinalen Blutverlust verursachen Neben einer Entzündung oder Anämie bei chronischen Erkran- können wie zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika, Plätt- kungen ist die Thalassaemia minor eine wichtige Differentialdi- chenaggregationshemmer oder Antikoagulantien sollten anam- agnose bei Eisenmangel, weil sich die Thalassämie ebenfalls mit nestisch erfasst werden. Tab. 1: Auswahl aktuell in Österreich zugelassener oraler Eisenpräparate Handelsname Inhaltsstoff elementares Eisen Dosierung Aktiferrin® Eisen(II)-Sulfat 34.5 mg 2–3 x tgl Ferretab® und Eisen(II)-Fumarat 100 mg 1(–2) x tgl Ferretab® comp Ferro – Gradumet® Eisen(II)-Sulfat 105 mg 1(–2) x tgl Ferrograd Fol Eisen(II)-Sulfat 105 mg 1 x tgl FerrumAcino 100 mg® Eisen(II)-Sulfat 100 mg 1(–2 oder 3) x tgl Lösferron forte® Eisen(II)-Gluconat 80.5 mg 1(–2 oder 3) x tgl Tardyferon 80 mg Retardtabletten Eisen(II)-Sulfat 80 mg 1(–2) x tgl Feraccru® Eisen(III)-Maltol 30 mg 2 x tgl OLEOVital® Eisen Forte* Eisen(III)-Pyrophosphat 30 mg 1 x tgl OLEOVital® Eisen Femina* Eisen(III)-Pyrophosphat 21 mg 1 x tgl *OLEOVital® Eisen ist in Österreich nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel frei verfügbar, aber auch nicht erstattungsfähig. 50 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T Im zweiten Schritt der Diagnostik wird neben dem Blutbild Für den klinischen Alltag ist eine graphisch unterstützte Erhe- und dem vollständigen Eisenstatus (Eisen, Ferritin, Transferrin, bung der Monatsblutung durch ein „Pictorial Blood Assessment Transferrinsättigung) auch eine Bestimmung der Antikörper ge- Chart (PBAC)“ mit einer Sensitivität von 80 Prozent praktikabler gen Transglutaminase für die Diagnose einer Zöliakie und die (Abb. 3). Ein Blutverlust von >80 ml pro Zyklus gilt hierbei als Bestimmung der Anti-Parietalzell-Antikörper für die Diagno- erhöht und somit als wahrscheinliche Ursache für einen Eisen- se einer Autoimmungastritis empfohlen. Früher wurde auch mangel. Bei Patientinnen mit Eisenmangel und einem Blutver- ein Test auf Helicobacter pylori empfohlen. Neuere Untersu- lust bei der Menstruation von >80ml sollte eine gynäkologische chungen zeigen aber, dass die Infektion mit Helicobacter pylori Abklärung und Therapie erfolgen. allein keinen Eisenmangel verursacht, sondern nur dann, wenn die Infektion auch zu einer erosiven Gastritis oder Ulcuskrank- Bei Patientinnen ohne anamnestische Ursache des Eisenman- heit geführt hat. gels mit negativer Zöliakie-Serologie, unauffälliger bidirektio- naler Endoskopie und normaler Menstruationsblutung sollte Unabhängig vom Ergebnis dieser serologischen Untersu- im dritten Schritt der Abklärung ein Harnstatus zum Nachweis chungen sollte gemäß aktueller Empfehlungen bei allen Pati- einer Mikrohämaturie und eine Kapselendoskopie erfolgen, wo- enten mit Eisenmangel und ohne offensichtlichen Blutverlust bei vor allem die Kapselendoskopie erst bei Rezidiv des Eisen- eine Gastroskopie und Colonoskopie durchgeführt werden. Ein mangels nach kompletter Korrektur des Eisendefizits erfolgen Test auf okkultes Blut im Stuhl kann zusätzlich erfolgen, ersetzt sollte (Abb. 4). aber bei negativem Ergebnis die endoskopische Abklärung nicht. Während die europäischen Empfehlungen nur bei Män- Therapie nern und postmenopausalen Frauen eine Endoskopie vorsehen, sollte gemäß rezent veröffentlichten US-amerikanischen Emp- Orale Eisentherapie fehlungen jungen Frauen sowohl eine Gastro- als auch eine Co- lonoskopie angeboten werden. Diagnostik und Therapie des Eisenmangels sind eng miteinander verknüpft. Denn selbst wenn bei der Abklärung eine klare Ur- Der Grund für diese unterschiedliche Bewertung ist, dass die sache für den Eisenmangel identifiziert und therapiert werden häufigste Ursache einer Eisenmangelanämie bei jüngeren kann, erfordert dies immer auch eine adäquate Substitution von Frauen eine Meno-Metrorrhagie oder Hypermenorrhoe ist. Da- Eisen. Auch bei Patienten, bei denen keine klare Ätiologie ge- her kann bei sonst asymptomatischen jungen Frauen auch eine funden werden kann, sollte der Eisenmangel zuerst behandelt Eisensupplementationstherapie ohne Abklärung erfolgen. werden und der Therapieerfolg je nach Schwere des Mangelzu- standes nach circa zwei bis vier Wochen evaluiert und in drei Der Blut- und Eisenverlust durch die Menstruation unterliegt Monaten re-evaluiert werden, bevor eine Abklärung auf seltenere bei vielen Frauen großen Schwankungen zwischen einzelnen Ursachen eingeleitet wird. Solche selteneren Ursachen wären Zyklen. Eine exakte Quantifizierung mittels Alkali-Hämatin- sogenannte mittlere gastrointestinale Blutungen im Dünndarm Methode ist im klinischen Alltag nicht praktikabel, weil diese zum Beispiel durch ein Meckel’sches Divertikel, einen Morbus Methode die Aufbewahrung und spätere Analyse aller aus- Osler, erworbene Angiodysplasien bei Aortenklappenstenose schließlich Baumwoll-basierten Hygieneprodukte erfordert. (Heyde-Syndrom) oder Infektionen mit Hakenwürmern. » Tab. 2: Vergleich der für die i.v.-Eisentherapie verfügbaren Eisenformulierungen Eisen(III)- Derisomaltose Eisen(III)-Dextran** Eisen(III)-Carboxymaltose Eisen(III)-Sucrose Maximale Dosierung 20 mg/kg Körpergewicht 20 mg/kg Körper- 15 mg/kg Körpergewicht 100–200 mg (Einzelinfusion) gewicht (≤ 1.000 mg) Maximale Dosierung pro max. 20mg/kg Körper- kein Limit max. 1.000 mg pro Woche max. 600 mg Woche gewicht pro Woche pro Woche Infusionsgeschwindigkeit 250 mg/min bei Dosis 25 mg in 15 min, rest- 100 mg/min bei Dosis 20 mg/min ≤500 mg liche Dosis dann über ≤ 500 mg oder 15 Minuten 500–1.000 mg 15 min 4–6 Stunden bei 1.000 mg >1.000 mg 30 min Hypophosphatämierisiko 0–8% 0% 45–75%
Eisenmangel » Die Therapie des Eisenmangels kann mit oralen oder parente- Die häufigste Limitation konventioneller Eisenpräparate ist die ralen Eisenpräparaten erfolgen. Obwohl grundsätzlich die ora- Verträglichkeit. In Studien haben zwischen vier und 47 Prozent le Eisentherapie empfohlen wird, bevor die parenterale Gabe der Patienten während einer Eisentherapie unter Unverträglich- begonnen wird, gibt es mehrere Gründe, bereits als ersten Be- keitsreaktionen wie Blähungen, Verstopfungen, Übelkeit oder handlungsschritt mit einer intravenösen Therapie zu begin- Durchfall gelitten. Auch die Wirksamkeit einer oralen Eisenthe- nen. Für die orale Eisentherapie stehen in Österreich mehrere rapie ist begrenzt. Das bedeutet, dass die Therapiedauer im Re- konventionelle und moderne Eisenpräparate zur Verfügung. gelfall mindestens ein Monat dauert. Konventionell werden Salze mit zweiwertigem Eisen, vor allem Eisen(II)-Sulfat, für die orale Eisentherapie eingesetzt, da durch Neuere Eisenpräparate, die erst seit wenigen Jahren in Öster- die Zugabe von Aminosäuren die Eisenaufnahme im Darm reich zur Verfügung stehen sind Eisen(III)-Maltol (Ferracru®) verbessert wird. Die Eisenpräparate unterscheiden sich haupt- und Sucrosomales Eisen(III)-Pyrophosphat (OLEOVital® Ei- sächlich durch diese Zusatzstoffe wie zum Beispiel Serin oder sen) (Tab. 1). Beide Präparate beinhalten dreiwertiges Eisen Glycin. Alternativ stehen auch andere Eisensalze (zum Beispiel und sind im Vergleich zu Eisen(II)-Formulierungen besser als Eisen(II)-Gluconat, Eisen(II)-Fumarat) zur oralen Therapie verträglich. So lagen die Nebenwirkungsarten in Studien zwi- zur Verfügung. Die für diese Präparate übliche Dosierung liegt schen drei und zwölf Prozent. Doch auch die Wirksamkeit zwischen 34,5 und 105 mg elementarem Eisen und damit deut- dieser Präparate ist begrenzt. Nach einer zwölfwöchigen The- lich über dem Eisengehalt von sogenannten Multivitaminpräpa- rapie mit Eisen(III)-Maltol hatten 78 Prozent der Patienten raten, die nur wenige Milligramm Eisen enthalten. Die Einnah- mit milder bis moderater Anämie einen Hämoglobinanstieg me sollte zumindest 30 Minuten vor einer Mahlzeit erfolgen. Ein von ≥1g/dl. Vitamin C-reiches Getränk bei der Einnahme kann die Resorpti- on verbessern, was aber ebenfalls begrenzten praktischen Wert Parenterale Eisentherapie hat. Rezente Studien haben auch gezeigt, dass die relative Ei- senresorption bei einer Dosierung jeden zweiten Tag verbessert Für Patienten, bei denen eine orale Eisentherapie wegen Un- wird. Ob durch eine Therapie mit oralem Eisen jeden zweiten verträglichkeit oder mangelnder Wirksamkeit nicht möglich Tag zwei Tabletten anstatt täglich einer Tablette eine verbesserte ist oder keinen Therapieerfolg zeigt, stehen auch intravenöse Verträglichkeit erzielt wird oder eine raschere Korrektur einer (i.v.) Eisenformulierungen zur Verfügung. Der Vorteil einer i.v.- Anämie gelingt, ist aber unklar. Durch eine retardierte Formulie- Eisentherapie liegt in der rascheren Korrektur eines Eisenman- rung wird die Eisenfreisetzung im Dünndarm verzögert, was die gels. Die Dosierung sollte mit der sogenannten Ganzoni-Formel Nebenwirkungsrate vermindern kann. individuell berechnet werden. Datenquelle: Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Iron deficiency – United States, 1999–2000. MMWR weekly Report 2002; 51:897 Abb. 1: Häufigkeit und Altersverteilung des Eisenmangels und der Anämie 52 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T Im Gegensatz dazu sind milde Infusionsreaktionen bei Eisenin- Gesamteisendefizit (mg) fusionen häufiger. Diese als ‚Fishbane-Reaktion‘ bekannte akute = Körpergewicht (kg)× (Ziel Hämoglobin Infusionsreaktion ist im Gegensatz zur anaphylaktischen Reakti- – aktuellem Hämoglobin in g/dl)× 0,24+500 mg on ohne Blutdruckabfall selbstlimitiert und erfordert außer dem temporären Unterbrechen der Infusion und dem Wiederbeginn der Infusion mit langsamerer Geschwindigkeit keine spezifische Bei den Patienten mit mehr als 50 Kilogramm Körpergewicht Intervention. und einer Anämie von ≤8g/dl beträgt das Eisendefizit mehr als 1.000 mg. Die höchstmögliche Dosierung für die Einzelin- Eine anaphylaktische Reaktion hingegen ist durch einen gene- fusion und die pro Woche höchst zulässige Dosierung für die ralisierten Hautausschlag mit Blutdruckabfall gekennzeichnet verschiedenen i.v.-Eisenformulierungen liegt zwischen 200 mg und kann auch ohne Hautreaktion mit schweren respirato- und 20 mg/kg Körpergewicht. Dadurch kann für die meisten rischen oder gastrointestinalen Symptomen und einem Blut- Patienten lediglich durch eine Therapie mit Eisen-Dextran druckabfall auftreten. Die Therapie einer Anaphylaxie besteht in oder Eisen-Derisomaltose (früher als Eisenisomaltosid 1.000 der sofortigen Injektion von 0,5 mg Suprarenin® und der weite- bezeichnet) das Gesamteisendefizit in einer einzigen Infusion ren Behandlung eines Kreislaufversagens und/oder der Atem- korrigiert werden. funktionsstörung. Patienten mit einer dokumentierten anaphy- laktischen Reaktion dürfen auch in Zukunft keine Therapie mit Die Rate an schweren Infusionsreaktionen mit Eisen-Deriso- dem auslösenden Eisenpräparat erhalten. maltose lag in einer rezenten Studie mit mehr als 1.000 Teil- nehmern bei 0,3 Prozent. Pharmakovigilanzanalysen haben Neben den Unterschieden in der Dosierung und speziellen Emp- gezeigt, dass schwere Hypersensitivitätsreaktionen im Sinn fehlungen für die Infusionsdauer der i.v.-Eisentherapie ist die Hypo- einer Anaphylaxie nach Eisen-Carboxymaltose mit einer Inzi- phosphatämie ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal denz von 3,31 pro 100.000 und nach Eisen-Dextran mit 0,79 pro der verschiedenen Präparate. Diese ursprünglich als transient und 100.000 ‚daily defined doses‘ von 100 mg auftreten. Ein direkter asymptomatisch angesehene Elektrolytstörung wurde erstmals in Vergleich der Sicherheitsdaten zwischen Eisen-Derisomaltose den 1980er Jahren in Japan auf eine dort verwendete Eisen-Sucro- und Eisen-Carboxymaltose ist nur in kleineren Studien erfolgt se berichtet. In den Zulassungsstudien von Eisen-Carboxymaltose und hat keine Unterschiede gezeigt. Zusammenfassend sind wurde beobachtet, dass mehr als 50 Prozent der Patienten mit nor- schwere anaphylaktische Reaktionen auf moderne i.v.-Eisen- maler Nierenfunktion von dieser Nebenwirkung betroffen sind. Da präparate extrem selten. in den letzten Jahren vermehrt von Patienten mit symptomatischer » Abb. 3: Piktogramm zur Quantifizierung des menstruellen Blutverlustes Abb. 2: Mikrozytär hypochrome Anämie* Pictorial Blood Assessment Chart – PBAC; reprinted from Fertility and Sterility, Volume 101, Julia L. Maganay ‘Validation of *mit Anisozytose und Target-Zellen und Thrombozytose als a new menstrual pictogram (superabsorbent polymer-c version) for use with ultraslim towels that contain superabsorbent typische Befunde bei einer Eisenmangelanämie polymers’, page 515, Copyright © 2014 with permission from Elsevier 17 | 10. September 2021 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 53
Eisenmangel » Hypophosphatämie und teils schweren Komplikationen nach eine orale Therapie nach zwölf Wochen keine ausreichende wiederholter Gabe von Eisen-Carboxymaltose berichtet wurde, Wirkung gezeigt hat oder wegen Unverträglichkeit abge- haben die Europäische und die Australische Arzneimittelbehörde brochen werden muss, ist eine i.v.-Eisentherapie indiziert. spezielle Warnungen veröffentlicht. Osteomalazie und Frakturen Auch hier stehen verschiedene Präparate zur Verfügung. sind kein Klasseneffekt von i.v.-Eisenpräparaten, sondern eine spe- Das Risiko für eine anaphylaktische Reaktion ist bei allen zifische Nebenwirkung von Eisen-Carboxymaltose. Diese Formu- zugelassenen Formulierungen gering. Eisencarboxymaltose lierung sollte daher nur unter Beachtung der speziellen Warnhin- ist mit einer maximalen Dosis von 1.000 mg pro Gabe und weise laut der aktualisierten Fachinformation eingesetzt werden Woche begrenzt. Gemäß Fachinformation müssen für diese und die Anwendung bei Patienten mit wiederholten Infusionen Formulierung auch besondere Hinweise für Patienten mit oder bekannten Knochenerkrankungen überdacht werden. Knochenerkrankungen und Hypophosphatämie beachtet werden. Eisen-Derisomaltose zeigt diese Nebenwirkung Zusammenfassung nicht und eine Dosierung von bis zu 20 mg/kg Körperge- wicht ist erlaubt, was für die meisten Patienten eine Substi- Bereits im Stadium des Eisenmangels können typische klinische tution des Gesamteisendefizits in einer einzelnen Infusion Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Haaraus- fall auftreten. Deshalb stellt auch ein Eisenmangel ohne Anämie ermöglicht. ◉ eine Indikation für die Abklärung und Behandlung dar. Eine Anämie Literatur beim Verfasser ist ein fortgeschrittenes Stadium eines Eisenmangels. Risikogrup- pen für einen Eisenmangel sind Kinder und Jugendliche, Frauen *) Univ. Prof. Dr. Heinz Zoller, Universitätsklinik für und besonders Schwangere. Die Diagnose eines Eisenmangels Innere Medizin I, Medizinische Universität Innsbruck, kann mit hoher Spezifität bei einem verminderten Ferritin gestellt Anichstraße 35, 6020 Innsbruck; Tel.: 0512/504 23397; werden, wobei rezent für Ferritin ein Grenzwert von 45µg/L emp- E-Mail: heinz.zoller@i-med.ac.at fohlen wurde. Bei Patienten mit entzündlichen Erkrankungen ist die Diagnose schwieriger und erfordert auch eine Berücksichtigung der Lecture Board Transferrinsättigung. Da die Ursachen eines Eisenmangels neben Univ. Prof. Dr. Robert Koch, Medizinische Universität Inns- offensichtlichen Blutverlusten divers sind, ist eine differenzierte bruck/Universitätsklinik für Innere Medizin I Abklärung mit Quantifizierung der Menstruationsblutung, einer Priv. Doz. Dr. Andreas Maieron, Universitätsklinikum Zöliakie-Serologie und meist auch eine Gastro- und Colonoskopie St. Pölten/Klinische Abteilung für Innere Medizin 2 notwendig. Ein Test auf okkultes Blut im Stuhl reicht nicht aus. Ärztlicher Fortbildungsanbieter Für die Therapie des Eisenmangels stehen sowohl orale Universitätsklinik für Innere Medizin I/ als auch parenterale Formulierungen zur Verfügung. Wenn Medizinische Universität Innsbruck Ferritin < 45 μg/L nein offensichtlicher Bidirektionale C-reaktives Protein & TfS < 15% Blutverlust? Endoskopie sTfR/log(Ferritin) ratio > 2 ja prämenopausale Frau keine Corpusbiopsie Adäquates Ansprechen? Eisengabe & Menstrualblutung Anti-Parwietalzell Antikörper Anhaltendes Ansprechen? Verlaufskontrolle Semiquantitativ PBAC Gastrin Helicobacter-Serologie nein Gynäkologie Zöliakieserologie H. Pylori Eradikation Video Kapsel- -Protonenpumpenhemmer? endoskopie “intravenous iron may be appropriate in selected patients, such as those with impaired absorption due to prior gastrix surgery, Spezifische Therapie? with inflammatory bowel disease or chrionic kidney disease, or in whom blood loss exceeds the ability to replete iron orally.” Abb. 4: Empfohlener Algorithmus für die Anämieabklärung 54 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
DFP-Literaturstudium: Eisenmangel 1) Welcher der folgenden Befunde spricht gegen einen Eisenmangel als Ursache für eine vorliegende Anämie? (eine Antwort richtig) a) Erhöhte Verteilungsbreite der Erythrozyten Insgesamt müssen vier von sechs Fragen richtig beantwortet sein, um zwei DFP-Punkte im Rahmen des Diplom-Fortbil- b) Normale Verteilungsbreite der Erythrozyten dungs-Programms der Österreichischen Ärztekammer zu c) Hypochromie der Erythrozyten erwerben. Eine Frage gilt als korrekt beantwortet, wenn alle d) Verminderte Transferrinsättigung möglichen richtigen Antworten markiert sind. e) Ferritin < 30 µg/L 2) In welcher der folgenden Altersgruppen ist das Risiko für eine Eisenmangelanämie am höchsten? (eine Antwort richtig) www.aerztezeitung.at/DFP-Literaturstudium a) Männliche Säuglinge b) Frauen zwischen 12 und 49 Jahren Faxnummer: 01/376 44 86 c) Männer zwischen 12 und 15 Jahren E-Mail: dfp@aerzteverlagshaus.at d) Frauen > 70 Jahren Bitte deutlich ausfüllen, da sonst die Einsendung e) Männer zwischen 20 und 49 Jahren nicht berücksichtigt werden kann! 3) Welche der folgenden Untersuchungen sollte bei jungen Frauen am Beginn einer Abklärung eines im Labor Name: bestätigten Eisenmangels stehen? (eine Antwort richtig) a) Regelanamnese mit Menstruationspiktogramm b) Gastro- und Colonoskopie c) Test auf eine Infektion mit Helicobacter plyori ÖÄK-Arztnummer: d) Anti-Parietalzelll-Antikörper Adresse: e) Kapselendoskopie 4) Welcher Ferritin-Grenzwert sollte bei Patienten mit Entzündungen für die Diagnose eines Eisenmangels verwendet werden? (eine Antwort richtig) a) Ferritin
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