EISENMANGEL - Österreichische Ärztezeitung

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EISENMANGEL - Österreichische Ärztezeitung
S TAT E O F T H E A R T

                           EISENMANGEL
                           Mit einer Prävalenz
                           von 25 Prozent der
                           Bevölkerung stellt
                           Eisenmangel global
                           gesehen eine der
                           häufigsten Erkrankungen
                           überhaupt dar. Da die
                           typischen klinischen
                           Symptome wie Müdigkeit
                           und Haarausfall bereits im
                           Stadium des Eisenmangels
                           auftreten können, besteht auch
                           ohne Anämie die Indikation
                           zur Abklärung und Behandlung.
                           Studien zufolge ist die relative
                           Eisenresorption bei einer Dosierung
 © SPL, picturedesk.com

                           an jedem zweiten Tag besser.

                           Heinz Zoller*

                          48                                     ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
EISENMANGEL - Österreichische Ärztezeitung
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T

Epidemiologie und Risikogruppen                                     Klinische Symptomatik,
                                                                    Screening und Diagnostik
Global ist Eisenmangel die häufigste Erkrankung überhaupt und
wird oft als Mangelernährung angesehen, an der circa 25 Prozent     Bei Patienten mit Mangelernährung, Müdigkeit, Kopfschmerz,
der Weltbevölkerung leiden. Im Jahr 2016 waren 1,2 Milliarden       Haarausfall, typischen Nagelveränderungen oder anderen sug-
Menschen von einer Eisenmangelanämie betroffen. Obwohl die          gestiven Symptomen wie Restless-Legs-Syndrom, Zungenbren-
Prävalenz eines Eisenmangels oder einer Eisenmangelanämie           nen oder Mundwinkelrhagaden besteht die Indikation zur Ab-
in Ländern mit hohem soziodemographischen Index niedriger           klärung auf das Vorliegen eines Eisenmangels. In der klinischen
ist als in Ländern mit niedrigem durchschnittlichen Pro-Kopf-       Praxis wird die Indikation zu Abklärung allerdings meist zu spät,
Einkommen, zeigen Studien, dass auch in Europa die Prävalenz        also erst bei Auftreten einer Anämie gestellt, obwohl bereits der
einer Eisenmangelanämie in der Allgemeinbevölkerung zwi-            Eisenmangel ohne Anämie unbestritten abklärungs- und thera-
schen 1,5 und drei Prozent beträgt. Bei Risikogruppen ist auch in   piebedürftig ist.
Europa die Prävalenz einer Eisenmangelanämie höher und liegt
bei Frauen im reproduktionsfähigem Alter bei bis zu 13 Prozent,     In den Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften wird
bei schwangeren Frauen bei bis zu 30 Prozent und bei Säuglin-       trotz der Häufigkeit einer Anämie nur für die Risikogruppe der
gen bei bis zu 50 Prozent. Anämie und Eisenmangel sind aber         schwangeren Frauen ein Screening auf Anämie mittels Be-
auch im höheren Lebensalter häufig und kommen in bestimm-           stimmung des Blutbildes empfohlen. Wichtiger wäre jedoch
ten Altersgruppen bei bis zu vier beziehungsweise 16 Prozent        ein Screening auf Eisenmangel bereits bei Frauen mit Kinder-
der Bevölkerung vor (Abb. 1).                                       wunsch. Denn epidemiologische Studien zeigen, dass eine Anä-
                                                                    mie in der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für eine
Eisenmangel und Eisenmangelanämie                                   Erkrankung aus dem Spektrum der Autismus-Erkrankungen
                                                                    des Kindes wie zum Beispiel einem Aufmerksamkeits-Defizit-
Die klinische Symptomatik eines Eisenmangels und einer              Hyperaktivitätssyndrom assoziiert ist. Schwangeren Frauen
Eisenmangelanämie sind variabel und werden durch den                wird eine Untersuchung der Hämoglobinkonzentration bis zum
Schweregrad des Mangelzustandes bestimmt. Die Kardinal-             Ende der 16. Schwangerschaftswoche und erneut zwischen der
symptome des Eisenmangels sind Müdigkeit und Schwäche.              25. und 28. Woche empfohlen.
Selbst bei nicht-anämischen sonst gesunden Blutspendern mit
Eisenmangel beschreiben knapp 60 Prozent der Betroffenen            Trotz der hohen Prävalenz der Eisenmangelanämie bei Kindern
den Schweregrad der Müdigkeit mit vier Punkten oder mehr            wird auch in dieser Altersgruppe bei asymptomatischen Kin-
auf einer Skala von 1 bis 10. Andere häufige Symptome eines         dern und Jugendlichen kein generelles Screening empfohlen.
Eisenmangels sind Kopfschmerzen (33 Prozent), brüchige Fin-         Dabei ist Eisenmangel bei Säuglingen und Kindern besonders
gernägel (39 Prozent), Haarausfall (24 Prozent), Schwindel und      bedeutsam, weil dadurch eine Einschränkung der kognitiven
Kurzatmigkeit (36 Prozent), ein Restless-Legs-Syndrom (23 Pro-      Leistungsfähigkeit und eine Entwicklungsverzögerung entste-
zent) und selten – aber spezifisch – die als Pica bezeichnete Ge-   hen können. Ob eine spätere Therapie mit Eisen diese Entwick-
schmacksstörung, die mit einer zwanghaften oralen Einnahme          lungsstörung vollständig korrigieren kann, ist unklar.
von Eiswürfeln, Erde oder Papier assoziiert ist.
                                                                    Dementsprechend gilt, dass zumindest alle Personen mit einer
Aufgrund der Symptomatik und der Beeinträchtigung der               Anämie auf einen Eisenmangel untersucht werden sollten. Ty-
Lebensqualität bereits im Stadium des Eisenmangels ohne             pische Befunde einer Eisenmangelanämie sind auch die Mikro-
Anämie ergibt sich auch die Indikation zur Abklärung und            zytose und Hypochromie der roten Blutzellen sowie eine Aniso-
Behandlung eines isolierten Eisenmangels. Das ist auch die          zytose im Blutbild.
Begründung für die Empfehlung der US-amerikanischen
gastroenterologischen Gesellschaft, dass bereits bei einer          Die Diagnose eines Eisenmangels kann mit hoher Spezifität
Ferritinkonzentration im Blut von < 45µg/L eine Abklärung           durch eine Bestimmung der Ferritinkonzentration gestellt wer-
empfohlen wird. Im Gegensatz dazu definiert die WHO einen           den; ein vermindertes Ferritin im Blut (
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Eisenmangel

»   entzündlichen Darmerkrankungen, bei Herzinsuffizienz oder                                             einer hypochromen mikozytären Anämie präsentiert. Befunde,
    vor Operationen als Grenzwert 450µg/dl.
                                                                                                          Ursachen der Eisenmangelanämie
    Differentialdiagnosen
                                                                                                          Eisenmangel ist immer nur ein Symptom einer zugrundelie-
    Da auch Entzündungsreaktionen im Blut ein Absinken der Ei-                                            genden Ursache, die durch eine Stufendiagnostik abgeklärt
    senkonzentration und der Transferrinsättigung bewirken, ist die                                       werden sollte. Der erste Schritt dieser Abklärung ist eine genaue
    Transferrinkonzentration selbst ein Marker zur Unterscheidung                                         Anamneseerhebung, bei der offensichtliche Blutverluste wie
    zwischen einer Entzündungsreaktion und einem echten Eisen-                                            rezente oder länger zurückliegende Operationen – vor allem
    mangel. Transferrin ist als negatives Akut-Phase-Protein bei Ent-                                     bariatrische Eingriffe –, aber auch ernährungsbedingte Risiko-
    zündungen vermindert und bei Eisenmangel erhöht. Alternativ                                           faktoren für einen Eisenmangel erhoben werden sollten (zum
    kann durch die Bestimmung des löslichen Transferrinrezeptors                                          Beispiel vegetarische oder vegane Ernährung). Weitere Risiko-
    (sTfR) und der Berechnung des Quotienten aus sTfR und dem                                             faktoren für einen Eisenmangel sind Ausdauersport und ex-
    Logarithmus der Ferritinkonzentration sTfR/log(Ferritin) die In-                                      treme körperliche Belastungen, regelmäßiges Blutspenden und
    dikation für eine Eisentherapie evaluiert werden. Bei einer sTfR/                                     Schwangerschaften beziehungsweise Geburten.
    log(Ferritin)-Ratio von >2 besteht ein Eisenmangel, auch wenn
    die Ferritinkonzentration im Serum normal ist.                                                        Da auch eine verminderte Magensäureproduktion eine gestörte
                                                                                                          Eisenresorption bedingen kann, sollte auch die Prämedikation
    Andere Parameter für die Diagnostik eines Eisenmangels wie                                            erhoben werden: Vor allem Protonenpumpenhemmer (PPIs)
    zum Beispiel das Hormon Hepcidin, das die Eisenfreisetzung                                            können einen Eisenmangel verursachen. Grundsätzlich kann
    aus Makrophagen und Enterozyten ins Plasma hemmt, die Kon-                                            jede Form der gestörten Magensäureproduktion zu einem
    zentration von Hämoglobin in Retikulozyten oder das Zink-Pro-                                         Eisenmangel führen – auch eine Autoimmungastritis. Diese
    toporphyrin sind zwar in speziellen Indikationen oder Studien                                         Assoziation ist aber aufgrund der fehlenden Therapiemöglich-
    von Bedeutung, nicht aber im klinischen Alltag.                                                       keiten von begrenztem praktischen Wert. Auch Medikamente,
                                                                                                          die einen okkulten gastrointestinalen Blutverlust verursachen
    Neben einer Entzündung oder Anämie bei chronischen Erkran-                                            können wie zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika, Plätt-
    kungen ist die Thalassaemia minor eine wichtige Differentialdi-                                       chenaggregationshemmer oder Antikoagulantien sollten anam-
    agnose bei Eisenmangel, weil sich die Thalassämie ebenfalls mit                                       nestisch erfasst werden.

      Tab. 1: Auswahl aktuell in Österreich zugelassener oraler Eisenpräparate

      Handelsname                                                       Inhaltsstoff                               elementares Eisen                       Dosierung
      Aktiferrin®                                                       Eisen(II)-Sulfat                           34.5 mg                                 2–3 x tgl
      Ferretab® und
                                                                        Eisen(II)-Fumarat                          100 mg                                  1(–2) x tgl
      Ferretab® comp
      Ferro – Gradumet®                                                 Eisen(II)-Sulfat                           105 mg                                  1(–2) x tgl
      Ferrograd Fol                                                     Eisen(II)-Sulfat                           105 mg                                  1 x tgl
      FerrumAcino 100             mg®                                   Eisen(II)-Sulfat                           100 mg                                  1(–2 oder 3) x tgl
      Lösferron forte®                                                  Eisen(II)-Gluconat                         80.5 mg                                 1(–2 oder 3) x tgl
      Tardyferon 80 mg Retardtabletten                                  Eisen(II)-Sulfat                           80 mg                                   1(–2) x tgl
      Feraccru®                                                         Eisen(III)-Maltol                          30 mg                                   2 x tgl
      OLEOVital® Eisen Forte*                                           Eisen(III)-Pyrophosphat                    30 mg                                   1 x tgl
      OLEOVital® Eisen Femina*                                          Eisen(III)-Pyrophosphat                    21 mg                                   1 x tgl
      *OLEOVital® Eisen ist in Österreich nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel frei verfügbar, aber auch nicht erstattungsfähig.

    50                                                                                                                            ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T

Im zweiten Schritt der Diagnostik wird neben dem Blutbild                             Für den klinischen Alltag ist eine graphisch unterstützte Erhe-
und dem vollständigen Eisenstatus (Eisen, Ferritin, Transferrin,                      bung der Monatsblutung durch ein „Pictorial Blood Assessment
Transferrinsättigung) auch eine Bestimmung der Antikörper ge-                         Chart (PBAC)“ mit einer Sensitivität von 80 Prozent praktikabler
gen Transglutaminase für die Diagnose einer Zöliakie und die                          (Abb. 3). Ein Blutverlust von >80 ml pro Zyklus gilt hierbei als
Bestimmung der Anti-Parietalzell-Antikörper für die Diagno-                           erhöht und somit als wahrscheinliche Ursache für einen Eisen-
se einer Autoimmungastritis empfohlen. Früher wurde auch                              mangel. Bei Patientinnen mit Eisenmangel und einem Blutver-
ein Test auf Helicobacter pylori empfohlen. Neuere Untersu-                           lust bei der Menstruation von >80ml sollte eine gynäkologische
chungen zeigen aber, dass die Infektion mit Helicobacter pylori                       Abklärung und Therapie erfolgen.
allein keinen Eisenmangel verursacht, sondern nur dann, wenn
die Infektion auch zu einer erosiven Gastritis oder Ulcuskrank-                       Bei Patientinnen ohne anamnestische Ursache des Eisenman-
heit geführt hat.                                                                     gels mit negativer Zöliakie-Serologie, unauffälliger bidirektio-
                                                                                      naler Endoskopie und normaler Menstruationsblutung sollte
Unabhängig vom Ergebnis dieser serologischen Untersu-                                 im dritten Schritt der Abklärung ein Harnstatus zum Nachweis
chungen sollte gemäß aktueller Empfehlungen bei allen Pati-                           einer Mikrohämaturie und eine Kapselendoskopie erfolgen, wo-
enten mit Eisenmangel und ohne offensichtlichen Blutverlust                           bei vor allem die Kapselendoskopie erst bei Rezidiv des Eisen-
eine Gastroskopie und Colonoskopie durchgeführt werden. Ein                           mangels nach kompletter Korrektur des Eisendefizits erfolgen
Test auf okkultes Blut im Stuhl kann zusätzlich erfolgen, ersetzt                     sollte (Abb. 4).
aber bei negativem Ergebnis die endoskopische Abklärung
nicht. Während die europäischen Empfehlungen nur bei Män-                             Therapie
nern und postmenopausalen Frauen eine Endoskopie vorsehen,
sollte gemäß rezent veröffentlichten US-amerikanischen Emp-                           Orale Eisentherapie
fehlungen jungen Frauen sowohl eine Gastro- als auch eine Co-
lonoskopie angeboten werden.                                                          Diagnostik und Therapie des Eisenmangels sind eng miteinander
                                                                                      verknüpft. Denn selbst wenn bei der Abklärung eine klare Ur-
Der Grund für diese unterschiedliche Bewertung ist, dass die                          sache für den Eisenmangel identifiziert und therapiert werden
häufigste Ursache einer Eisenmangelanämie bei jüngeren                                kann, erfordert dies immer auch eine adäquate Substitution von
Frauen eine Meno-Metrorrhagie oder Hypermenorrhoe ist. Da-                            Eisen. Auch bei Patienten, bei denen keine klare Ätiologie ge-
her kann bei sonst asymptomatischen jungen Frauen auch eine                           funden werden kann, sollte der Eisenmangel zuerst behandelt
Eisensupplementationstherapie ohne Abklärung erfolgen.                                werden und der Therapieerfolg je nach Schwere des Mangelzu-
                                                                                      standes nach circa zwei bis vier Wochen evaluiert und in drei
Der Blut- und Eisenverlust durch die Menstruation unterliegt                          Monaten re-evaluiert werden, bevor eine Abklärung auf seltenere
bei vielen Frauen großen Schwankungen zwischen einzelnen                              Ursachen eingeleitet wird. Solche selteneren Ursachen wären
Zyklen. Eine exakte Quantifizierung mittels Alkali-Hämatin-                           sogenannte mittlere gastrointestinale Blutungen im Dünndarm
Methode ist im klinischen Alltag nicht praktikabel, weil diese                        zum Beispiel durch ein Meckel’sches Divertikel, einen Morbus
Methode die Aufbewahrung und spätere Analyse aller aus-                               Osler, erworbene Angiodysplasien bei Aortenklappenstenose
schließlich Baumwoll-basierten Hygieneprodukte erfordert.                             (Heyde-Syndrom) oder Infektionen mit Hakenwürmern.                 »

  Tab. 2: Vergleich der für die i.v.-Eisentherapie verfügbaren Eisenformulierungen

                                                Eisen(III)-
                                                Derisomaltose            Eisen(III)-Dextran**     Eisen(III)-Carboxymaltose     Eisen(III)-Sucrose
  Maximale Dosierung                            20 mg/kg Körpergewicht   20 mg/kg Körper-         15 mg/kg Körpergewicht        100–200 mg
  (Einzelinfusion)                                                       gewicht                  (≤ 1.000 mg)
  Maximale Dosierung pro                        max. 20mg/kg Körper-     kein Limit               max. 1.000 mg pro Woche       max. 600 mg
  Woche                                         gewicht pro Woche                                                               pro Woche
  Infusionsgeschwindigkeit                      250 mg/min bei Dosis     25 mg in 15 min, rest-   100 mg/min bei Dosis          20 mg/min
                                                ≤500 mg                  liche Dosis dann über    ≤ 500 mg oder 15 Minuten
                                                500–1.000 mg 15 min      4–6 Stunden              bei 1.000 mg
                                                >1.000 mg 30 min
  Hypophosphatämierisiko                        0–8%                     0%                       45–75%
Eisenmangel

»   Die Therapie des Eisenmangels kann mit oralen oder parente-                                 Die häufigste Limitation konventioneller Eisenpräparate ist die
    ralen Eisenpräparaten erfolgen. Obwohl grundsätzlich die ora-                               Verträglichkeit. In Studien haben zwischen vier und 47 Prozent
    le Eisentherapie empfohlen wird, bevor die parenterale Gabe                                 der Patienten während einer Eisentherapie unter Unverträglich-
    begonnen wird, gibt es mehrere Gründe, bereits als ersten Be-                               keitsreaktionen wie Blähungen, Verstopfungen, Übelkeit oder
    handlungsschritt mit einer intravenösen Therapie zu begin-                                  Durchfall gelitten. Auch die Wirksamkeit einer oralen Eisenthe-
    nen. Für die orale Eisentherapie stehen in Österreich mehrere                               rapie ist begrenzt. Das bedeutet, dass die Therapiedauer im Re-
    konventionelle und moderne Eisenpräparate zur Verfügung.                                    gelfall mindestens ein Monat dauert.
    Konventionell werden Salze mit zweiwertigem Eisen, vor allem
    Eisen(II)-Sulfat, für die orale Eisentherapie eingesetzt, da durch                          Neuere Eisenpräparate, die erst seit wenigen Jahren in Öster-
    die Zugabe von Aminosäuren die Eisenaufnahme im Darm                                        reich zur Verfügung stehen sind Eisen(III)-Maltol (Ferracru®)
    verbessert wird. Die Eisenpräparate unterscheiden sich haupt-                               und Sucrosomales Eisen(III)-Pyrophosphat (OLEOVital® Ei-
    sächlich durch diese Zusatzstoffe wie zum Beispiel Serin oder                               sen) (Tab. 1). Beide Präparate beinhalten dreiwertiges Eisen
    Glycin. Alternativ stehen auch andere Eisensalze (zum Beispiel                              und sind im Vergleich zu Eisen(II)-Formulierungen besser
    als Eisen(II)-Gluconat, Eisen(II)-Fumarat) zur oralen Therapie                              verträglich. So lagen die Nebenwirkungsarten in Studien zwi-
    zur Verfügung. Die für diese Präparate übliche Dosierung liegt                              schen drei und zwölf Prozent. Doch auch die Wirksamkeit
    zwischen 34,5 und 105 mg elementarem Eisen und damit deut-                                  dieser Präparate ist begrenzt. Nach einer zwölfwöchigen The-
    lich über dem Eisengehalt von sogenannten Multivitaminpräpa-                                rapie mit Eisen(III)-Maltol hatten 78 Prozent der Patienten
    raten, die nur wenige Milligramm Eisen enthalten. Die Einnah-                               mit milder bis moderater Anämie einen Hämoglobinanstieg
    me sollte zumindest 30 Minuten vor einer Mahlzeit erfolgen. Ein                             von ≥1g/dl.
    Vitamin C-reiches Getränk bei der Einnahme kann die Resorpti-
    on verbessern, was aber ebenfalls begrenzten praktischen Wert                               Parenterale Eisentherapie
    hat. Rezente Studien haben auch gezeigt, dass die relative Ei-
    senresorption bei einer Dosierung jeden zweiten Tag verbessert                              Für Patienten, bei denen eine orale Eisentherapie wegen Un-
    wird. Ob durch eine Therapie mit oralem Eisen jeden zweiten                                 verträglichkeit oder mangelnder Wirksamkeit nicht möglich
    Tag zwei Tabletten anstatt täglich einer Tablette eine verbesserte                          ist oder keinen Therapieerfolg zeigt, stehen auch intravenöse
    Verträglichkeit erzielt wird oder eine raschere Korrektur einer                             (i.v.) Eisenformulierungen zur Verfügung. Der Vorteil einer i.v.-
    Anämie gelingt, ist aber unklar. Durch eine retardierte Formulie-                           Eisentherapie liegt in der rascheren Korrektur eines Eisenman-
    rung wird die Eisenfreisetzung im Dünndarm verzögert, was die                               gels. Die Dosierung sollte mit der sogenannten Ganzoni-Formel
    Nebenwirkungsrate vermindern kann.                                                          individuell berechnet werden.

                         Datenquelle: Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Iron deficiency – United States, 1999–2000.
                         MMWR weekly Report 2002; 51:897

    Abb. 1: Häufigkeit und Altersverteilung des Eisenmangels und der Anämie

    52                                                                                                                  ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T

                                                                                       Im Gegensatz dazu sind milde Infusionsreaktionen bei Eisenin-
  Gesamteisendefizit (mg)                                                              fusionen häufiger. Diese als ‚Fishbane-Reaktion‘ bekannte akute
  = Körpergewicht (kg)× (Ziel Hämoglobin                                               Infusionsreaktion ist im Gegensatz zur anaphylaktischen Reakti-
  – aktuellem Hämoglobin in g/dl)× 0,24+500 mg                                         on ohne Blutdruckabfall selbstlimitiert und erfordert außer dem
                                                                                       temporären Unterbrechen der Infusion und dem Wiederbeginn
                                                                                       der Infusion mit langsamerer Geschwindigkeit keine spezifische
Bei den Patienten mit mehr als 50 Kilogramm Körpergewicht                              Intervention.
und einer Anämie von ≤8g/dl beträgt das Eisendefizit mehr
als 1.000 mg. Die höchstmögliche Dosierung für die Einzelin-                           Eine anaphylaktische Reaktion hingegen ist durch einen gene-
fusion und die pro Woche höchst zulässige Dosierung für die                            ralisierten Hautausschlag mit Blutdruckabfall gekennzeichnet
verschiedenen i.v.-Eisenformulierungen liegt zwischen 200 mg                           und kann auch ohne Hautreaktion mit schweren respirato-
und 20 mg/kg Körpergewicht. Dadurch kann für die meisten                               rischen oder gastrointestinalen Symptomen und einem Blut-
Patienten lediglich durch eine Therapie mit Eisen-Dextran                              druckabfall auftreten. Die Therapie einer Anaphylaxie besteht in
oder Eisen-Derisomaltose (früher als Eisenisomaltosid 1.000                            der sofortigen Injektion von 0,5 mg Suprarenin® und der weite-
bezeichnet) das Gesamteisendefizit in einer einzigen Infusion                          ren Behandlung eines Kreislaufversagens und/oder der Atem-
korrigiert werden.                                                                     funktionsstörung. Patienten mit einer dokumentierten anaphy-
                                                                                       laktischen Reaktion dürfen auch in Zukunft keine Therapie mit
Die Rate an schweren Infusionsreaktionen mit Eisen-Deriso-                             dem auslösenden Eisenpräparat erhalten.
maltose lag in einer rezenten Studie mit mehr als 1.000 Teil-
nehmern bei 0,3 Prozent. Pharmakovigilanzanalysen haben                                Neben den Unterschieden in der Dosierung und speziellen Emp-
gezeigt, dass schwere Hypersensitivitätsreaktionen im Sinn                             fehlungen für die Infusionsdauer der i.v.-Eisentherapie ist die Hypo-
einer Anaphylaxie nach Eisen-Carboxymaltose mit einer Inzi-                            phosphatämie ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal
denz von 3,31 pro 100.000 und nach Eisen-Dextran mit 0,79 pro                          der verschiedenen Präparate. Diese ursprünglich als transient und
100.000 ‚daily defined doses‘ von 100 mg auftreten. Ein direkter                       asymptomatisch angesehene Elektrolytstörung wurde erstmals in
Vergleich der Sicherheitsdaten zwischen Eisen-Derisomaltose                            den 1980er Jahren in Japan auf eine dort verwendete Eisen-Sucro-
und Eisen-Carboxymaltose ist nur in kleineren Studien erfolgt                          se berichtet. In den Zulassungsstudien von Eisen-Carboxymaltose
und hat keine Unterschiede gezeigt. Zusammenfassend sind                               wurde beobachtet, dass mehr als 50 Prozent der Patienten mit nor-
schwere anaphylaktische Reaktionen auf moderne i.v.-Eisen-                             maler Nierenfunktion von dieser Nebenwirkung betroffen sind. Da
präparate extrem selten.                                                               in den letzten Jahren vermehrt von Patienten mit symptomatischer                                   »

                                                           Abb. 3: Piktogramm zur Quantifizierung des menstruellen Blutverlustes
Abb. 2: Mikrozytär hypochrome Anämie*
                                                           Pictorial Blood Assessment Chart – PBAC; reprinted from Fertility and Sterility, Volume 101, Julia L. Maganay ‘Validation of
*mit Anisozytose und Target-Zellen und Thrombozytose als   a new menstrual pictogram (superabsorbent polymer-c version) for use with ultraslim towels that contain superabsorbent
typische Befunde bei einer Eisenmangelanämie               polymers’, page 515, Copyright © 2014 with permission from Elsevier

17 | 10. September 2021 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG                                                                                                                              53
Eisenmangel

»   Hypophosphatämie und teils schweren Komplikationen nach                           eine orale Therapie nach zwölf Wochen keine ausreichende
    wiederholter Gabe von Eisen-Carboxymaltose berichtet wurde,                       Wirkung gezeigt hat oder wegen Unverträglichkeit abge-
    haben die Europäische und die Australische Arzneimittelbehörde                    brochen werden muss, ist eine i.v.-Eisentherapie indiziert.
    spezielle Warnungen veröffentlicht. Osteomalazie und Frakturen                    Auch hier stehen verschiedene Präparate zur Verfügung.
    sind kein Klasseneffekt von i.v.-Eisenpräparaten, sondern eine spe-               Das Risiko für eine anaphylaktische Reaktion ist bei allen
    zifische Nebenwirkung von Eisen-Carboxymaltose. Diese Formu-                      zugelassenen Formulierungen gering. Eisencarboxymaltose
    lierung sollte daher nur unter Beachtung der speziellen Warnhin-                  ist mit einer maximalen Dosis von 1.000 mg pro Gabe und
    weise laut der aktualisierten Fachinformation eingesetzt werden                   Woche begrenzt. Gemäß Fachinformation müssen für diese
    und die Anwendung bei Patienten mit wiederholten Infusionen                       Formulierung auch besondere Hinweise für Patienten mit
    oder bekannten Knochenerkrankungen überdacht werden.                              Knochenerkrankungen und Hypophosphatämie beachtet
                                                                                      werden. Eisen-Derisomaltose zeigt diese Nebenwirkung
    Zusammenfassung                                                                   nicht und eine Dosierung von bis zu 20 mg/kg Körperge-
                                                                                      wicht ist erlaubt, was für die meisten Patienten eine Substi-
    Bereits im Stadium des Eisenmangels können typische klinische                     tution des Gesamteisendefizits in einer einzelnen Infusion
    Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Haaraus-
    fall auftreten. Deshalb stellt auch ein Eisenmangel ohne Anämie
                                                                                      ermöglicht.   ◉
    eine Indikation für die Abklärung und Behandlung dar. Eine Anämie                 Literatur beim Verfasser
    ist ein fortgeschrittenes Stadium eines Eisenmangels. Risikogrup-
    pen für einen Eisenmangel sind Kinder und Jugendliche, Frauen                     *) Univ. Prof. Dr. Heinz Zoller, Universitätsklinik für
    und besonders Schwangere. Die Diagnose eines Eisenmangels                         Innere Medizin I, Medizinische Universität Innsbruck,
    kann mit hoher Spezifität bei einem verminderten Ferritin gestellt                Anichstraße 35, 6020 Innsbruck; Tel.: 0512/504 23397;
    werden, wobei rezent für Ferritin ein Grenzwert von 45µg/L emp-                   E-Mail: heinz.zoller@i-med.ac.at
    fohlen wurde. Bei Patienten mit entzündlichen Erkrankungen ist die
    Diagnose schwieriger und erfordert auch eine Berücksichtigung der                 Lecture Board
    Transferrinsättigung. Da die Ursachen eines Eisenmangels neben                    Univ. Prof. Dr. Robert Koch, Medizinische Universität Inns-
    offensichtlichen Blutverlusten divers sind, ist eine differenzierte               bruck/Universitätsklinik für Innere Medizin I
    Abklärung mit Quantifizierung der Menstruationsblutung, einer                     Priv. Doz. Dr. Andreas Maieron, Universitätsklinikum
    Zöliakie-Serologie und meist auch eine Gastro- und Colonoskopie                   St. Pölten/Klinische Abteilung für Innere Medizin 2
    notwendig. Ein Test auf okkultes Blut im Stuhl reicht nicht aus.
                                                                                      Ärztlicher Fortbildungsanbieter
    Für die Therapie des Eisenmangels stehen sowohl orale                             Universitätsklinik für Innere Medizin I/
    als auch parenterale Formulierungen zur Verfügung. Wenn                           Medizinische Universität Innsbruck

                Ferritin < 45 μg/L                                                                      nein
                                                                                offensichtlicher                                      Bidirektionale
         C-reaktives Protein & TfS < 15%
                                                                                  Blutverlust?                                         Endoskopie
            sTfR/log(Ferritin) ratio > 2
                                                                                         ja

                                                                                                           prämenopausale Frau

                                                                                                                                   keine Corpusbiopsie
                          Adäquates Ansprechen?                                   Eisengabe &              Menstrualblutung        Anti-Parwietalzell Antikörper
                         Anhaltendes Ansprechen?                                Verlaufskontrolle          Semiquantitativ PBAC    Gastrin
                                                                                                                                   Helicobacter-Serologie

                                       nein

                                                                                                                 Gynäkologie        Zöliakieserologie
                H. Pylori Eradikation          Video Kapsel-
            -Protonenpumpenhemmer?              endoskopie

           “intravenous iron may be appropriate in selected patients, such
           as those with impaired absorption due to prior gastrix surgery,                                                         Spezifische Therapie?
           with inflammatory bowel disease or chrionic kidney disease,
           or in whom blood loss exceeds the ability to replete iron orally.”

    Abb. 4: Empfohlener Algorithmus für die Anämieabklärung

    54                                                                                                  ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 17 | 10. September 2021
DFP-Literaturstudium:
                       Eisenmangel

                                                               1) Welcher der folgenden Befunde spricht gegen einen
                                                               Eisenmangel als Ursache für eine vorliegende Anämie?
                                                               (eine Antwort richtig)
                                                                   a) Erhöhte Verteilungsbreite der Erythrozyten
Insgesamt müssen vier von sechs Fragen richtig beantwortet
sein, um zwei DFP-Punkte im Rahmen des Diplom-Fortbil-             b) Normale Verteilungsbreite der Erythrozyten
dungs-Programms der Österreichischen Ärztekammer zu                c) Hypochromie der Erythrozyten
erwerben. Eine Frage gilt als korrekt beantwortet, wenn alle       d) Verminderte Transferrinsättigung
möglichen richtigen Antworten markiert sind.                       e) Ferritin < 30 µg/L
                                                               2) In welcher der folgenden Altersgruppen ist das Risiko
                                                               für eine Eisenmangelanämie am höchsten? (eine Antwort richtig)
           www.aerztezeitung.at/DFP-Literaturstudium
                                                                   a) Männliche Säuglinge
                                                                   b) Frauen zwischen 12 und 49 Jahren
Faxnummer: 01/376 44 86                                            c) Männer zwischen 12 und 15 Jahren
E-Mail: dfp@aerzteverlagshaus.at                                   d) Frauen > 70 Jahren
Bitte deutlich ausfüllen, da sonst die Einsendung                  e) Männer zwischen 20 und 49 Jahren
nicht berücksichtigt werden kann!                              3) Welche der folgenden Untersuchungen sollte bei
                                                               jungen Frauen am Beginn einer Abklärung eines im Labor
Name:                                                          bestätigten Eisenmangels stehen? (eine Antwort richtig)
                                                                  a) Regelanamnese mit Menstruationspiktogramm
                                                                   b) Gastro- und Colonoskopie
                                                                   c) Test auf eine Infektion mit Helicobacter plyori
ÖÄK-Arztnummer:
                                                                   d) Anti-Parietalzelll-Antikörper
Adresse:                                                           e) Kapselendoskopie
                                                               4) Welcher Ferritin-Grenzwert sollte bei Patienten mit
                                                               Entzündungen für die Diagnose eines Eisenmangels
                                                               verwendet werden? (eine Antwort richtig)
                                                                  a) Ferritin
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