Stürmische Zeiten erfolgreich bewältigen - Eine Information für Eltern von Patienten mit ADHS

Die Seite wird erstellt Thorben Kessler
 
WEITER LESEN
Stürmische Zeiten erfolgreich bewältigen - Eine Information für Eltern von Patienten mit ADHS
Stürmische Zeiten
erfolgreich bewältigen
Eine Information für Eltern
von Patienten mit ADHS
(Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
Stürmische Zeiten erfolgreich bewältigen - Eine Information für Eltern von Patienten mit ADHS
Liebe Eltern!
                                Ihr Arzt hat Ihnen diese Broschüre mitge­
                                geben, weil er bei Ihrem Kind eine ADHS,
                                eine so genannte Aufmerksamkeitsdefizit-/
                                Hyperaktivitätsstörung, festgestellt hat.
                                Vielleicht haben Sie schon früher von ADHS
                                gehört – über kaum eine andere Erkrankung
    bei Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren so viel und so
    kontrovers diskutiert worden wie über ADHS. Leider ist diese Diskussion
    allzu oft von wenig Sachkenntnis und vielen Vorurteilen geprägt. Häufig
    ist z. B. von der „Modediagnose ADHS“ die Rede, oder es werden
    „Erziehungsfehler“ der Eltern verant­wortlich gemacht, wenn sich das
    Kind auffällig verhält.

    Wir möchten mit dieser Broschüre zum besseren Verständnis der
    ADHS beitragen, über ihre Ursachen, Folgen und Behandlungsmög-
    lichkeiten informieren und vor allem eines deutlich machen: ADHS
    ist eine ernst zu nehmende Erkrankung und keine Modeerscheinung!
    Außerdem möchten wir Ihnen Mittel und Wege aufzeigen, mit der
    Erkrankung Ihres Kindes umzugehen, und Ihnen helfen, auch in
    „stürmischen Zeiten“ nicht den Mut zu verlieren. Mit einer recht-
    zeitigen und fundierten Behandlung können Sie Ihrem Kind trotz
    ADHS eine völlig normale Entwicklung ermöglichen!

    Natürlich kann diese Broschüre nicht das umfassende Therapie­-
    gespräch mit dem Arzt oder Therapeuten ersetzen. Bitte scheuen
    Sie sich deshalb nicht, diesen anzusprechen, wenn Sie weiter­-
    gehende Fragen zu ADHS haben.

2
Stürmische Zeiten erfolgreich bewältigen - Eine Information für Eltern von Patienten mit ADHS
ADHS – was ist das?                              5
Ein komplexes Krankheitsbild besser verstehen

Wie wird ADHS behandelt?                        12
Eine konsequente Therapie hilft

Wo finde ich Hilfe und Informationen?           18
Gezielt Unterstützung suchen!

                                                     3
Es war eine schwere Zeit ...
    Niklas ist ein Wunschkind. Als er geboren wurde, habe ich meine Stelle auf-
    gegeben, um ganz für ihn da zu sein. Doch von Anfang an war Niklas ein
    schwieriges Kind. Er schrie viel, schlief wenig und ließ sich nur schwer
    beruhigen. Als Niklas laufen lernte, war er kaum zu bändigen: Rastlos rannte
    er den ganzen Tag umher; Wutanfälle, Geschrei und zerstörtes Spielzeug
    waren an der Tagesordnung.

    Als Niklas eingeschult wurde, häuften sich die Probleme noch: Er war un-
    konzentriert und schaffte das Lernpensum nicht, störte den Unterricht und
    konnte die Regeln im Klassenverband nicht einhalten. Als die Lehrerin den
    Wechsel auf eine Sonderschule empfahl, schalteten wir einen erfahrenen
    Kinderarzt ein. Nach eingehenden Untersuchungen stellte dieser die Diagnose:
    ADHS.

    Das lesen Sie jetzt:
    Drei Hauptsymptome kennzeichnen die ADHS

    Wenn die „Chemie“ im Gehirn nicht stimmt: Ursachen der ADHS

    Die kompetente Diagnose: ein Fall für den Fachmann!

    Unbehandelte ADHS kann schwere Folgen haben!
4
ADHS – was ist das?
Ein komplexes Krankheitsbild besser verstehen

Die ADHS gehört zu den häufigsten psychiatrischen Störungen im Kindes-
und Jugendalter: Man geht davon aus, dass zwischen zwei und sechs Prozent
aller Kinder und Jugendlichen betroffen sind – Jungen sehr viel häufiger als
Mädchen. Doch so verbreitet die Krankheit ist, so unterschiedlich sind auch
ihre Erscheinungsbilder.

Drei Hauptsymptome kennzeichnen die ADHS:

„Sitz doch endlich mal still!“: Hyperaktivität
Hyperaktive Kinder fallen schon früh durch motorische Unruhe auf. Sie können
nur schwer längere Zeit stillsitzen und sind meist in hektischer Bewegung. Das
verleitet sie oft zu besonders waghalsigen Aktionen, die nicht selten zu Unfällen
führen. Ebenso ungebremst wie ihr Bewegungsdrang ist auch ihr Sprachfluss.

„Nun pass doch mal besser auf!“: Unaufmerksamkeit
ADHS-Patienten können sich meist nur für kurze Zeit auf eine Aufgabe oder
ein Spiel konzentrieren. Sie lassen sich leicht von äußeren Reizen ablenken,
sind vergesslich und machen viele Flüchtigkeitsfehler. Es fällt ihnen schwer,
Ordnung zu halten und strukturiert zu denken und zu handeln.

                                                                                    5
„Warte, bis du an der Reihe bist!“: Impulsivität
    Impulsive Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten zu warten, bis sie
    an die Reihe kommen. Oft platzen sie mit ihren Antworten einfach heraus
    und unterbrechen dabei andere. Kommt ihnen etwas Neues in den Sinn,
    ändern sie ihr Verhalten sprunghaft. Regeln und Vorschriften können sie
    nur schwer einhalten.

    Vielleicht haben Sie einige der Symptome bei Ihrem Kind wiedererkannt.
    Bei einer ADHS (auch hyperkinetisches Syndrom genannt) müssen jedoch
    nicht alle der beschriebenen Symptome gleichzeitig und in gleicher Aus-
                                    prägung auftreten. Häufig lässt sich z. B.
                                    nur unaufmerksames und impulsives Ver-
                                    halten ohne Hyperaktivität beobachten.
                                    In diesem Fall spricht man auch von einer
                                    ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung). Diese
                                    „verträumte“ Variante der ADHS tritt häufiger
                                    bei Mädchen als bei Jungen auf. Oft wird sie
                                    erst sehr spät erkannt, weil ihre Symptome
                                    nicht so auffällig sind wie bei einer ADHS
                                    mit Hyperaktivität.

6
Wenn die „Chemie“ im Gehirn
nicht stimmt: Ursachen der ADHS

Nachdem eine ADHS diagnostiziert worden ist, machen sich die Eltern oft
viele Gedanken: Warum hat es ausgerechnet ihr Kind getroffen? Haben sie
bei der Erziehung irgendetwas falsch gemacht? Diese Sorgen sind jedoch
unbegründet: Mittlerweile weiß man, dass die Ursachen für ADHS in einer
biologisch bedingten Funktions­störung im Gehirn liegen. Durch ein che-
misches Ungleichgewicht wichtiger Botenstoffe – der so genannten Neuro-
transmitter – werden bei ADHS-Patienten Umweltreize, die im Gehirn an-
kommen, nicht richtig verarbeitet.

Während gesunde Menschen neue Informationen problemlos als „wichtig“
oder „weniger wichtig“ einordnen können und ihre Aufmerksamkeit dem-
entsprechend steuern, fehlt Ihrem Kind dieser Filter. Es ist daher einer
permanenten Reizüberflutung ausgesetzt: Ständig strömen neue Informa-
tionen und Bilder auf Ihr Kind ein, die es alle mit der gleichen Intensität
aufnimmt. Äußerlich wahrnehmbare Folgen dieser Funktionsstörung sind
die beschriebenen Symptome der ADHS: Unaufmerksamkeit, Sprunghaftig-
keit, unstrukturiertes Denken und Handeln.

ADHS ist keine Folge von Erziehungsfehlern!
Um sich nicht mit unnötigen Vorwürfen zu quälen, sollten sich betroffene
Eltern immer vor Augen halten: Äußere Einflüsse können eine ADHS nicht
auslösen – sie können die Symptome allenfalls verstärken. Ungünstig
auf das Krankheitsbild wirken sich z. B. familiäre Probleme, mangelnde
Zuwendung der Eltern, wechselnde Bezugspersonen oder schlecht
strukturierte Tagesabläufe aus.

                                                                              7
Die kompetente Diagnose: ein Fall für den Fachmann!

    ADHS ist eine komplexe Erkrankung. Deshalb sollte die Diagnose – wie
    im Falle von Niklas – nur von einem erfahrenen Spezialisten gestellt werden.
    Das kann z. B. ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder ein
    Kinderarzt sein, der sich auf die Behandlung der ADHS spezialisiert hat.

    Von einer ADHS spricht man, wenn die beschriebenen Verhaltensauffällig-
    keiten über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten andauern und
    bereits im Vorschulalter auftreten. Charakteristisch ist auch, dass das
    Verhalten nicht dem altersgemäßen Entwicklungsstand entspricht und
    die Symptome in verschiedenen Lebensbereichen wie Schule, Familie
    und Freizeit gleichzeitig beobachtet werden.

    Eine sorgfältige Diagnose sollte daher immer
    auch das Umfeld des Kindes mit einbeziehen
    – z. B. Erzieher oder Lehrer, die schildern
    können, wie sich das Kind außerhalb der
    häuslichen Umgebung verhält.

8
Unbehandelte ADHS kann schwere Folgen haben!

Eine ADHS wächst sich nicht einfach aus. Zwar
schwächen sich die Verhaltensauffälligkeiten
mit Beginn der Pubertät in vielen Fällen ab,
doch leiden die Patienten oft ihr Leben lang
unter den Folgen, wenn die Krankheit unbe-
handelt bleibt.

Trotz normaler Begabung ist eine Verschlech­
terung der schulischen Leistungen bei vielen Kindern mit ADHS vorpro­
grammiert. Aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit und inneren Unruhe können
sie dem Lernpensum nicht folgen und machen viele Fehler. Sie fallen
durch häufige Unterrichtsstörungen auf und werden oft zu Außenseitern im
Klassenverband. Die Folge sind Schulverweise oder vorzeitige Schulabgänge
ohne Abschluss – ein großes Handicap auf dem Arbeitsmarkt!

Neben den schulischen Problemen haben viele ADHS-Patienten mit der Ab-
lehnung durch ihr Umfeld zu kämpfen. „Mit dir spielen wir nicht mehr“ ist
die typische Reaktion, wenn sie mit ihrem reizbaren und impulsiven Verhalten
wieder einmal die Spielkameraden gegen sich aufgebracht haben.

                                                                               9
Stabile Freundschaften entstehen unter diesen Bedingungen nur schwer.
     Viele Kinder enden schließlich in der sozialen Isolation und laufen Gefahr,
     „in falsche Kreise“ zu geraten.

     Durch die ständigen Enttäuschungen und Zurückweisungen entwickeln
     ADHS-Patienten zudem nur ein geringes Selbstwertgefühl. Viele neigen zu
     Depressionen – das Risiko, sich in Alkohol- oder Drogensucht zu flüchten,
     ist groß.

                                   Nicht unterschätzt werden sollte auch, dass
                                   neben den betroffenen Kindern meist auch
                                   der Rest der Familie unter der ADHS lei-
                                   det. Viele Mütter und Väter kämpfen mit
                                   Stresssymptomen, Schuldgefühlen und
                                   Versagensängsten. Nicht selten geht die Ehe
                                   der Eltern durch die zermürbenden Streitereien
                                   um Erziehungsfragen in die Brüche.

     Und auch die Geschwister der kleinen ADHS-Patienten gehören zu den Leid-
     tragenden: Nicht nur, dass sie oft genug unter dem Verhalten des Bruders
     oder der Schwester leiden – durch die gesteigerte Aufmerksamkeit, die das
     Geschwisterkind in Anspruch nimmt, fühlen sie sich häufig von den Eltern
     vernachlässigt.

10
Endlich Hoffnung auf Hilfe ...
Trotz der Sorge um die Zukunft von Niklas sind wir auch ein wenig erleichtert,
seitdem die ADHS diagnostiziert worden ist: Endlich kennen wir die Ursachen
für die Probleme unseres Sohnes und können sein Verhalten besser verstehen.
Nachdem wir uns eingehend über die Krankheit informiert haben, sind wir fest
entschlossen, möglichst schnell mit einer Therapie für Niklas zu beginnen.

Der Arzt schlägt eine Kombination aus Verhaltenstherapie und medikamentöser
Behandlung vor. Gleichzeitig will er uns – und möglichst auch die Lehrer – aus-
führlich beraten, wie wir mit Niklas’ Verhalten künftig besser umgehen können.
Er ist zuversichtlich, dass sich die Entwicklung von Niklas mit der Therapie
positiv beeinflussen lässt – wir auch.

Das lesen Sie jetzt:
Die maßgeschneiderte ADHS-Therapie:
eine Kombination aus verschiedenen Elementen

Die medikamentöse Therapie:
eine bewährte und sichere Behandlungsform

                                                                                  11
Wie wird ADHS behandelt?
     Eine konsequente Therapie hilft!

     Die maßgeschneiderte ADHS-Therapie:
     eine Kombination aus verschiedenen Elementen

     Ist eine ADHS diagnostiziert, sollte möglichst schnell eine geeignete Behand-
     lungsstrategie erarbeitet werden. Die Erkrankung ist zwar nicht grundsätzlich
     heilbar, doch mit einer rechtzeitigen Behandlung können Sie Ihrem Kind eine
     weitgehend normale Entwicklung ermöglichen.

     Eine fundierte Therapie der ADHS sollte idealerweise das gesamte Umfeld
     mit einbeziehen: nicht nur Sie als Eltern, sondern auch die Lehrer und
     Erzieher Ihres Kindes. Die Behandlung setzt sich immer aus verschiedenen
     „Bausteinen“ zusammen. Dieses so genannte multimodale Therapiekonzept
     umfasst:
     • psychotherapeutische Maßnahmen, z. B. eine Verhaltenstherapie
     • pädagogische Hilfestellungen für Eltern und Erzieher
     • eine medikamentöse Behandlung

                                   Welche Therapiemaßnahmen im Einzelnen zum
                                   Einsatz kommen, entscheidet der individuelle
                                   Befund: Sind die Symptome nur leicht ausge-
                                   prägt, reicht zunächst vielleicht eine psycho-
                                   therapeutische Behandlung aus. In schwereren
                                   Fällen ist jedoch häufig eine medikamentöse
                                   Behandlung erforderlich, um eine Psychothera-
                                   pie zu ermöglichen. Der Arzt oder Psychologe
                                   wird einen geeigneten Therapieplan für Ihr
                                   Kind entwickeln.

12
Psychotherapie: Anleitung zur
                                   besseren Verhaltenssteuerung
                                   Die verschiedenen Arten der Psychotherapie
                                   umfassen unterschiedliche Verfahren, die sich
                                   entweder auf das Kind alleine beziehen oder
                                   aber das Umfeld (Elternhaus, Kindergarten,
                                   Schule) mit einbeziehen. In der Regel kommt
                                   eine Verhaltenstherapie zum Einsatz: Hier wer-
                                   den zunächst bestehende Verhaltensmuster
                                   analysiert, damit das Kind lernt, sich selbst
                                   besser wahrzunehmen. Anschließend werden
geeignete Strategien vermittelt, mit denen das Verhalten künftig besser kon-
trolliert und gesteuert werden kann. Ist das Sozialverhalten des Kindes stark
beeinträchtigt, wird die Ver­haltenstherapie auch in der Gruppe durch­geführt.

Elterntraining: den Umgang mit der ADHS lernen
Auch Sie als Eltern benötigen Unterstützung im Umgang mit der ADHS-
Erkrankung Ihres Kindes. Nehmen Sie daher das Beratungs- und Trainings-
angebot des Arztes oder Psychologen an. Einige grundlegende Tipps, die
Ihnen den Umgang mit Ihrem Kind und den familiären Alltag erleichtern,
haben wir hier für Sie zusammengestellt:

Strukturen festlegen
Kinder, die an ADHS leiden, brauchen klar definierte Regeln und zeitliche Ab-
läufe, die ihrem Alltag eine feste Struktur geben. Legen Sie z. B. bestimmte
Zeiten fest, in denen die Hausauf­­gaben gemacht werden, und sorgen Sie
dafür, dass Ihr Kind während dieser Zeiten nicht abgelenkt wird (gleichblei-
bende Umgebung, kein Spielzeug in der Nähe etc.).

                                                                                    13
Positives Verhalten verstärken
     Versuchen Sie, Ihr Kind für positives Verhalten möglichst oft und sofort zu
     loben und zu belohnen. Das ist wesentlich wirkungs­voller als Schimpfen
     und Bestrafen. Als hilfreich hat sich z. B. ein „Belohnungsplan“ erwiesen,
     der für alle Familienmitglieder deutlich sichtbar aufgehängt wird und dem
     Kind Anreiz bietet, bestimmte Ziele (z. B. Zimmer aufräumen, Hausaufgaben
     erledigen) zu erreichen.

     Freiräume gewähren
     Versuchen Sie nicht, Ihr Kind zur absoluten Ruhe zu zwingen. Hyperaktive
     Kinder haben einen unbändigen Bewegungsdrang, dem Sie genügend Raum
     verschaffen sollten – z. B. durch gezielte sportliche Aktivitäten. Legen Sie
     auch während der Hausaufgabenzeiten immer wieder kleine „Ruhepausen“
     ein, in denen sich Ihr Kind kurz austoben kann.

                             Liebe schenken
                             Und das allerwichtigste: Auch wenn Sie die Grenzen
                             Ihrer Belastbarkeit erreicht haben – zeigen Sie Ihrem
                             Kind Ihre Zuneigung und geben Sie ihm das Gefühl,
                             dass Sie für Ihr Kind da sind und es unterstützen. Nur
                             so kann es ein stabiles Selbstvertrauen entwickeln
                             und lernen, auch mit Misserfolgen und Rückschlägen
                             umzugehen.

14
Die medikamentöse Therapie – eine bewährte
und sichere Behandlungsform
Sprechen Kinder auf verhaltenstherapeutische
Maßnahmen alleine nicht an, weil Krankheits-
symptome wie Unruhe und Aufmerksamkeits-
störungen zu stark ausgeprägt sind, kommt
zusätzlich eine medikamentöse Therapie zum
Einsatz. In der Regel werden hier so genannte
Stimulanzien wie z. B. Methylphenidat verab-
reicht.

Verständlicherweise haben viele Eltern grund-
sätzliche Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von
Medikamenten. Für zusätzliche Verunsicherung
sorgt auch die öffentliche Diskussion über die Stimulanzien: Mit Methylphenidat
würden Kinder einfach „ruhig gestellt“, oder es führe direkt in die Abhängigkeit,
lauten z. B. einige der – meist unqualifizierten – Vorwürfe.

Befürchtungen sind unbegründet!
Methylphenidat wird seit vielen Jahrzehnten in der Therapie der ADHS einge-
setzt, ohne dass jemals ein Fall einer späteren Sucht bekannt geworden wäre.
Seine Sicherheit und Wirksamkeit wurden in wissenschaftlichen Studien belegt.

                                                                                    15
Mittlerweile konnte sogar nachgewiesen werden, dass ADHS-Patienten, die
     mit Stimulanzien behandelt werden, später weniger anfällig für Alkohol- oder
     Drogenmissbrauch sind als unbehandelte ADHS-Patienten.

                                    Methylphenidat bändigt die Informationsflut
                                    Erfahrungsgemäß sprechen rund 80 Prozent
                                    der Kinder auf die Behandlung mit Methyl­
                                    phenidat an. Die Substanz wirkt auf das
                                    System der Botenstoffe (Neurotransmitter)
                                    im Gehirn ein und verbessert so die Informa­
                                    tions­verarbeitung. Für Ihr Kind bedeutet
                                    das: Die einströmenden Umweltreize kön-
     nen besser gefiltert werden, das „Informationschaos“ im Kopf löst sich auf,
     Konzentrationsfähigkeit und Verhaltenskontrolle werden verbessert.

     Die Wirkung von Methylphenidat tritt rund 30 bis 45 Minuten nach der Ein-
     nahme ein. Über die genaue Dosierung des Medikaments entscheidet der
     behandelnde Arzt. Je nach Einzelfall werden ein bis drei Dosen pro Tag
     eingenommen.

     Während der Behandlung mit Methylphenidat kann es zu Nebenwirkungen
     wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Bauchschmerzen kommen. In der
     Regel sind diese jedoch nicht sehr stark und können durch eine Veränderung
     der Dosierung gut kontrolliert werden. Falls Sie diese Nebenwirkungen nach
     der Einnahme von Methylphenidat an Ihrem Kind beobachten, sprechen Sie
     bitte mit dem behandelnden Arzt.

16
Endlich geht´s bergauf!
Niklas macht jetzt seit einem halben Jahr eine Verhaltenstherapie und nimmt
gleichzeitig Methylphenidat ein. Seitdem hat er sich deutlich verändert: Aus
unserem reizbaren, rastlosen und einsamen Jungen ist ein sehr viel fröhli-
cheres Kind geworden. Der Wechsel auf die Sonderschule konnte vermieden
werden, und Niklas lebt sich Tag für Tag besser in den Klassenverband ein.

Auch uns geht es viel besser. Wir wissen nun, dass Niklas trotz seiner Erkran-
kung gute Chancen hat, seine Fähigkeiten und seine Persönlichkeit ebenso
zu entfalten wie andere Kinder. Ich habe außerdem Kontakt zu einer Selbst-
hilfegruppe betroffener Eltern gefunden, die sich regelmäßig zum Erfahrungs-
austausch trifft. Wenn die Nerven nach einem anstrengenden Tag mit Niklas
doch einmal blank liegen, finde ich hier wieder Ermutigung – denn letztend-
lich haben alle die gleiche Erfahrung gemacht: „Auch wenn der Weg hart ist
– ADHS lässt sich in den Griff bekommen!“

Das lesen Sie jetzt:
Kontaktadressen

Literaturtipps

                                                                                 17
Wo finde ich Hilfe und Information?
     Gezielt Unterstützung suchen!

     Kontaktadressen

     Hier finden Sie weitere Informationen und Hilfe im Umgang mit ADHS:

     Bundesverband Arbeitskreis Überaktives Kind e.V.
     Postfach 41 07 24
     12117 Berlin
     Tel.: 0 30 / 85 60 59 02
     Fax: 0 30 / 85 60 59 70
     www.bv-auek.de

     Bundesverband Aufmerksamkeitsstörung/
     Hyperaktivität e.V. (BV-AH e.V.)
     Postfach 60
     91291 Forchheim
     Tel.: 0 91 91 / 70 42 60
     Fax: 0 91 91 / 3 48 74
     www.bv-ah.de

     AdS e.V.
     Elterninitiative zur Förderung von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom
     (ADS) mit/ohne Hyperaktivität
     Postfach 11 65
     73055 Ebersbach
     Tel.: 0 71 61 / 92 02 25
     Fax: 0 71 61 / 92 02 26
     www.ads-ev.de

     Neben weiterführenden Informationen zu ADHS finden Sie auf den Internet­-
     seiten der genannten Elternverbände auch Listen regionaler Selbsthilfegruppen.
18
Literaturtipps

• Aust-Claus E, Hammer P-M:
  Das A.D.S.-Buch
  Oberstebrink-Verlag 1999

• Aust-Claus E, Hammer P-M:
  ADS. Eltern als Coach, ein praktisches workbook für Eltern
  OptiMind media 2003

• Fitzner T, Stark W (Hrsg.):
  ADS: verstehen – akzeptieren – helfen
  Beltz Taschenbuch 2000

• Huss M:
  Medikamente und ADS. Gezielt einsetzen,
  umfassend begleiten, planvoll absetzen
  Urania 2002

• Murphy-Witt M, Ettrich C:
  ADS – So fördern Sie Ihr Kind
  Gräfe und Unzer Verlag 2003

• Neuhaus C, Scheibe W:
  Das hyperaktive Kind und seine Probleme
  Urania 2002

• Neuhaus C:
  Hyperaktive Jugendliche und ihre Probleme
  Urania 2000
                                                               19
Sie können auch lesen