Fehler und Gefahren bei der Applikation potenziell gewebeschädigender Substanzen
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Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 126 Fehler und Gefahren bei der Applikation potenziell gewebeschädigender Substanzen Im Rahmen von intravenösen neben der schriftlichen Aufzeichnung der Lösungen wie Kaliumchlorid oder Glukose Medikamentengaben können trotz einzuleitenden Sofortmaßnahmen die verursacht werden. Weiterhin können Me- Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen Dokumentation ihres Ergebnisses unter dikamente wie beispielsweise Tris-Puffer, unterschiedlich ausgeprägte Paravasate Angabe von Ort, Datum und Uhrzeit sowie Phenytoin oder Tetracycline zu schweren auftreten. Diese stellen besonders bei zeitlich festgelegte Verlaufsbeobachtungen Schädigungen des umliegenden Gewebes potenziell nekrotisierenden Substanzen und Nachkontrollen mit Dokumentation führen. eine klinische Notfallsituation dar, da der betroffenen Gewebebereiche (Foto Paravasate im Rahmen einer zytostati- schwerste Gewebeschädigungen eintreten dokumentation). Geboten ist darüber hin- schen Chemotherapie werden in der Lite- können. aus die Hinzuziehung von Konsiliarärzten ratur mit einer Häufigkeit von 1 – 6,5% (Chirurg, plastischer Chirurg) sowie die angegeben [2, 3, 5] und können substanz von Wolf-Dieter Schoppe, umfassende Information der nachbehan- spezifisch zu schwerwiegenden Kompli- Norbert Niederle, Peter Lange und delnden Ärzte und Pflegekräfte. Schließlich kationen führen, besonders bei Austritt Beate Weber müssen die Patienten – gegebenenfalls nekrotisierender Medikamente [2, 5]. Zu unter Einbeziehung ihrer Bezugsperso- diesen gehören insbesondere: nen – die erforderlichen therapeutischen Anthrazykline (Doxorubicin, Epirubicin, D Hinweise zur Weiterbehandlung und Siche- Idarubicin), Mitoxantron, Vincaalkaloide ie intravenöse Gabe potenziell rung des Behandlungserfolges erhalten. (Vincristin, Vinblastin, Vinorelbin), Pacli- nekrot isierender Medikamente taxel, Oxaliplatin, Cis-Platin, Carmustin, kann Patientinnen und Patienten Paravasate Mitomycin und Amsacrin. erheblich gefährden. Deshalb müssen Kliniken und Praxen strukturierte Paravasate entstehen durch Austritt von Daten der Gutachterkommission Vorgaben zur Indikation und Anwendung infundierten Flüssigkeiten aus einer Vene der Substanzen und ihrer Trägerlösungen oder einem venösen Zugangssystem (ZVK, Die Gutachterkommission hatte bereits vorhalten. Ferner sollten schriftliche Ver- Port) in das umgebende Gewebe. in Heft 8/2007 des Rheinischen Ärzteblattes fahrensanweisungen zum Punktionsort, Ursachen sind: („Paravasate sind immer Notfälle“) über zum Punktionsablauf inklusive der zu ver- K Fehl- oder Mehrfachpunktionen eines die Fehler und Gefahren bei der intravenö- wendenden Nadeln und Kanülen sowie – Gefäßes oder Ports sen Anwendung potenziell gewebeschädi- abhängig von der Mobilität der Patienten – K nicht geeignete Gefäße oder ungeeignete gender Arzneimittel der Abschlussjahre zur Überwachung während und nach der anatomische Regionen (zum Beispiel 2000 bis 2005 berichtet. Die damaligen Applikation eingehalten werden. In einem Ellenbogengelenk) detaillierten Ausführungen zu den Anfor- persönlich geführten Aufklärungsgespräch K fragile oder vorgeschädigte Gefäße derungen haben noch immer Gültigkeit. In ist der Patient über die Risiken einschließ- K inadäquate Nadeln: Bei peripherem den Folgejahren wurden Behandlungsfeh- lich der Art, der Schwere und der Folgen Zugang sollte immer eine Kunststoffnadel lervorwürfe gegen Ärzte wegen Paravasa- potenzieller Schädigungen zu unterrichten. verwendet werden. Bei Portpunktionen tionen während der Anwendung von An- Eine Dokumentation hierzu ist anzuraten. muss die Nadel ausreichend lang sein thrazyklinen bei der Gutachterkommission Vor jedem neuen Behandlungszyklus ist es (Cave adipöse und mobile Patienten) Nordrhein seltener und zuletzt kaum noch geboten, den Patienten für die typischen K Zeitdruck erhoben (Tabelle 1). Anzeichen einer Paravasation zu sensibi- K Dislokation der primär korrekt gelegten Die Feststellung von Behandlungsfeh- lisieren. Die häufigsten Zeichen sind dabei Nadel bei Bewegungen während der lern bei der Paravasation anderer Substan- brennende Schmerzen sowie eine unter- Infusion zen betraf aktuell zwei Fälle, in denen bei schiedlich ausgeprägte Rötung und Schwel- K fehlende Kontrollen während des Infu- total intravenöser Anästhesie eine Aware- lung im Bereich des Punktionsortes, wobei sionsvorgangs insbesondere bei unru- ness auftrat, als deren Ursache jeweils eine diese Veränderungen noch mit erheblicher higen Patienten zu spät bemerkte Paravasation an der zeitlicher Verzögerung auftreten können. K Diskonnektion des Infusionssystems – Punktionsstelle des Venenzugangs festge- Neben angemessenen organisatori- cave keine Perfusoren (siehe Leitlinien) stellt wurde, die für den Anästhesisten schen Voraussetzungen (zum Beispiel Vor- K Vertauschen von Medikamenten beim fehlerhaft nicht einsehbar war. handensein eines Notfallsets) müssen alle Wechsel von Infusionen Unter den von der Kommission festge- an der Behandlung beteiligten ärztlichen K vermindertes Schmerzempfinden oder stellten Behandlungsfehlern im Rahmen und nichtärztlichen Mitarbeiter regelmäßig eingeschränkte Kommunikationfähig- von Paravasationen fanden sich am häu- geschult werden. Außerdem müssen klinik keit des Erkrankten figsten Fehler bei der Wahl des Zugangs, intern Gegenmaßnahmen festgelegt wer- Außerdem können lokale Schädigungen der Punktion des Gefäßes/des Ports und den, die beim Eintritt eines Paravasats der Venenwand durch die infundierte Sub- der Dislokation der Portnadel sowie eine zeitnah ergriffen werden. Dazu gehören stanz selbst oder durch hochkonzentrierte unzureichende Überwachung während des 26 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2021
Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 126 Infusionsvorganges (siehe Tabelle 2). Fest- e inen Befunderhebungsfehler dar. Bei dis- reich. Zu diesem Zeitpunkt war der peri- gestellt wurden auch Dokumentations loziertem Port ist dessen weitere Benut- phere Zugang nicht mehr durchgängig. defizite während des Applikationsvorgangs zung, insbesondere die Gabe von Anthra- Unter Annahme eines Olaratumab-Parava- und der Befunderhebung nach Eintritt der zyklinen, als grob fehlerhaft zu bewerten. sats wurde nach therapeutischen Hinwei- Paravasation. In diesem Fall zeigte sich auch, dass der sen (früher sogenannte Sicherungsauf Port fehlerhaft und nicht dem Standard klärung) auf die Gabe des Anthrazyklin- Fälle mit Zytostatika-Paravasat entsprechend gelegt worden war. Antidots Dexrazoxan (Savene®) oder auf Über die Ursachen von Paravasationen die Gabe von Dimethylsulfoxid (DMSO) In den letzten fünf Abschlussjahren durch Zytostatika und deren Bewertungen explizit verzichtet. In den nachfolgenden wurden nur sieben Behandlungsfehlervor- durch die Gutachterkommission geben fol- Tagen konnte – ausweislich der vorgelegten würfe zur Paravasation bei der Zytostatika- gende Fallbeispiele Aufschluss: Foto- und Behandlungsdokumentation – gabe erhoben, die in vier Fällen von der eine Verschlechterung des Lokalbefundes Kommission als begründet erachtet wur- Fall 1 nicht sicher festgestellt werden. Neun Tage den. Bei vier von sieben Patienten erfolgte später stellte sich der Patient mit einer die Zytostatikagabe über periphere Venen. Bei einem knapp 80-jährigen Patienten schmerzhaften Nekrotisierung in der Ellen- In einem dieser Fälle wurde bei einem wurde ein Leiomyosarkom Malignitätsgrad beuge vor. Im Rahmen der Nekroseabtra- Doxorubicin-Paravasat insgesamt sachge- II im linken Bein festgestellt. Vier Monate gung wurde auch ein Port für die weitere recht – auch mittels Dexrazoxanverabrei- später wurde wegen des Nachweises von Tumorbehandlung gelegt. chung (Savene®) – vorgegangen. Für die retroperitonealen und pulmonalen Metas- von der Patientin geltend gemachte anhal- tasen eine Kombinationstherapie mit dem Gutachterliche Bewertung tende Funktionsstörung des Arms fanden Anthrazyklin Doxorubicin und dem mono- sich keine Anhaltspunkte, sodass auch ein klonalen Antikörper Olaratumab (Lartru- Nekrotisierende Substanzen sollten durch die (sachgerechte) Behandlung ver- vo®) über einen zentralvenösen Port emp- stets – von Ausnahmefällen abgesehen – ursachter Gesundheitsschaden nicht fest- fohlen, den der Patient aber wegen der über zentrale Zugangswege (ZVK, Port) stellbar war. damit verbundenen Therapieverzögerung appliziert werden. Im vorliegenden Fall In drei Fällen trat eine Paravasation im ablehnte. Die stattdessen über eine peri- wünschte der Patient explizit einen sofor- Portbereich auf. Fehlerhaft wurde in einem phere Vene durchgeführte erste Anthrazy- tigen Therapiebeginn, sodass nach Aufklä- dieser Fälle ein Anthrazyklin verabreicht, klin- und Antikörpergabe erfolgte kompli- rung über das Nekroserisiko die Applika obwohl eine vorherige Blutaspiration aus kationslos. Eine Portanlage wurde nach tion über einen peripheren Zugang unter dem am Vortag gelegten und bisher unge- dem zweiten Therapiekurs geplant. Die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen hier nutzten Port nicht möglich war. Es hätte zweite Chemotherapie erfolgte deshalb nicht als fehlerhaft zu bewerten war. Aller- stattdessen dem Standard entsprochen, vor nach Normalisierung der Leukozyten wei- dings hätte es vor dem zweiten Chemo der Verwendung von potenziell nekrotisie- terhin über einen peripheren Venenzugang therapiekurs ausreichend Zeit gegeben, ein renden Medikamenten eine mögliche Port- in der linken Ellenbeuge. Der Patient be- Portsystem für die weitere Applikation zu dislokation durch einen erneuten Aspira- richtete, dass er während der Anthrazyklin legen, was hier behandlungsfehlerhaft tionsversuch von Blut oder durch eine infusion mehrfach eingeschlafen sei. Gegen nicht erfolgte. Weiterhin konnten die Röntgenkontrolle auszuschließen. Die Ende der nachfolgenden Olaratumabgabe Ärzte nicht sicher ausschließen, dass eine Unterlassung dieser Maßnahmen stellt verspürte er ein Brennen im Zugangsbe- Paravasation durch das zuerst applizierte Tabelle 1 Gutachterliche Verfahren mit Vorwürfen bei einer stattgehabten Paravasation (5-Jahres-Vergleich) Abschlusszeitraum Verfahren Fehler mit Vorwurf einer Paravasation 2000 – 2019 insgesamt bejaht davon n n Zytostatika andere Substanzen n Fehler bejaht n Fehler bejaht Gesamt 28.744 8.975 172 64 23 (4¹) 108 28 (3¹) 2015 – 2019 8.031 2.395 41 7 4 (0¹) 34 4 (1¹) 2010 – 2014 7.753 2.327 41 12 5 (1¹) 29 9 (0¹) 2005 – 2009 7.117 2.184 43 24 5 (2¹) 19 4 (1¹) 2000 – 2004 5.843 2.069 47 21 9 (1¹) 26 11 (1¹) ¹ Aufklärungsfehler bei verneintem Behandlungsfehler Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2021 27
Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 126 oxorubicin eingetreten war, sodass sie D Fall 2 gewesen. Zu keinem Zeitpunkt habe es an behandlungsfehlerhaft weder die Gabe des der primären Zugangsstelle Auffälligkeiten Anthrazyklin-Antidots Dexrazoxan (Save- Eine Ende 50-jährige Patientin mit Mul- gegeben oder habe die Patientin über Be- ne®) noch eine topische Applikation von tipler Sklerose wurde seit 2015 alle drei schwerden geklagt, auch nicht bei den Dimethylsulfoxid (DMSO) zur Eindämmung Monate mit Mitoxantron-Infusionen behan- ambulanten Wiedervorstellungen in der der Schädigung veranlassten, was sich als delt. Bei der beanstandeten 13. Mitoxan- Sprechstunde und bei der neuerlichen Fort- Fehleinschätzung herausstellte. Ferner war trongabe über einen bei der Aufnahme führung der Mitoxantrontherapie, sodass als Behandlungsfehler zu werten, dass der gelegten, örtlich nicht beschriebenen intra der Vorwurf eines nicht erkannten und Patient während der Infusionstherapie venösen Zugang war nach Aussage der fehlbehandelten Paravasats nach Auffas- nicht ausreichend überwacht wurde. Als belasteten Ärzte das Pflegepersonal zur sung der Ärzte substanzlos ist. Allerdings durch den Behandlungsfehler verursachte Patientin gerufen worden, weil die Infusion wird im Entlassbrief nach der letztmaligen Gesundheitsschäden sind die durch die „nicht korrekt gelaufen“ sei. Daraufhin sei Mitoxantrongabe ausgeführt, dass eine Paravasation verursachten Schmerzen und die Infusion gestoppt und der Venenzugang Paravasation von Mitoxantron chirurgisch die chirurgischen Maßnahmen der Spalt- sofort entfernt worden. Die Fortführung der habe versorgt werden müssen. Ein Jahr hautdeckung des Oberarms zum sekundär- Mitoxantrongabe sei nachfolgend über ei- nach der beanstandeten Mitoxantroninfu- en Wundverschluss zu werten. nen neuen Zugang problemlos möglich sion wird in einem Bericht aus der hand- chirurgischen Abteilung der belasteten Klinik ausgeführt, dass „nach dem Parava- sat am rechten Handgelenk“ anhaltende belastungs- und bewegungsabhängige Schmerzen bestünden, die einer konser So gehen Sie richtig bei der Gabe von vativen Therapie nicht zugänglich gewesen nekrotisierenden Medikamenten vor: seien. 1. Indikation prüfen und mündlich geführtes Aufklärungsgespräch dokumentieren Gutachterliche Bewertung 2. vor jeder Therapiemaßnahme die Patientinnen und Patienten auf die zu erachten den Verhaltensmaßnahmen mündlich erneut hinweisen Zweifellos entsprach die Indikation zur 3. Prävention von Paravasaten durch: Mitoxantrongabe den einschlägigen Leit K Neuanlage eines peripheren Zugangs, besser: ZVK oder Portsystem linien. Die Verwendung eines zentralen K keine Mehrfachpunktionen von peripheren Venen oder Portsystemen Zugangs wird von Neurologen nicht zwin- K möglichst Infusionen nekrotisierender Substanzen außerhalb der Regeldienst gend gefordert. Nach dem weiteren klini- zeiten bei fehlenden Kontrollmöglichkeiten vermeiden schen Verlauf und einer MRT-Untersu- 4. Blutaspiration oder Blutrücklauf aus dem System prüfen chung musste bei der Patientin mit aus 5. ungehinderten Einlauf von neutraler Flüssigkeit prüfen 6. im Zweifelsfall radiologische Dokumentation veranlassen reichender Sicherheit von einer Paravasa- 7. festgelegte Kontrollintervalle während der Applikation einhalten tion von Mitoxantron ausgegangen werden, 8. Organisationsabläufe in den Verfahrensanweisungen beachten und an den da sich hierfür typische Befunde zeigten Pflichtschulungen teilnehmen (Anscheinsbeweis). Eine weitere Beobach- 9. nur qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsbereichen tung und Betreuung der Patientin wurde einsetzen versäumt und sie wurde ohne Hinweis auf die Notwendigkeit von Handlungsemp- So verhalten Sie sich richtig bei Verdacht auf fehlungen entlassen (Verletzung der thera- eine eingetretene Paravasation: peutischen Hinweispflicht). Die spärliche Dokumentation geht dabei zulasten der Erstmaßnahmen: Ärzte. K Infusion stoppen und aus der Nadel aspirieren K Paravasatset nach Verfahrensanweisung/SOP einsetzen Fall 3 K Extremität unter Hochlagerung ruhigstellen K Schmerztherapie Einer Anfang 70-jährigen Patientin K Patienten/Angehörige informieren (therapeutische Aufklärung) urde im Dezember 2017 ein Kolonkar w zinom durch lokale R0-Resektion entfernt. Dokumentation: Nach Behandlung der postoperativ auf K Datum und Uhrzeit der Paravasation getretenen Komplikationen (unter anderem K Verabreichte(s) Medikament(e) mit Dosisangabe Langzeitbeatmung bei Sepsis) konnte K Position des Zugangs und des Verlaufs an der Punktionsstelle (Fotodokumentation) erst im Februar 2019 mit einer palliativen K Nachkontrollen mit Befundbeschreibung onkologischen Therapie bei primär vorhan- Handlungsanweisungen für: denen Lebermetastasen mit Bevacicumab K Patienten/Angehörige mit Kontrollterminen (Avastin®), Oxaliplatin und 5-FU+Ca-Foli- K Weiterbetreuende Ärzte/Pflegekräfte nat begonnen werden. Beim vierten Thera- piekurs trat entweder eine primäre Fehl- 28 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2021
Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 126 Tabelle 2 Festgestellte Einzelfehler bei Zytostatika-Paravasationen Abschlusszeitraum Gesamter Zeitraum 2015 – 2019 2010 – 2014 2005 – 2009 2000 – 2004 2000 – 2019 davon davon davon davon davon n Zyto- Andere Zyto Andere Zyto- Andere Zyto- Andere Zyto- Andere statika statika statika statika statika Fälle mit Fehlern 51 (7¹) 23 (4¹) 28 (3¹) 4 4 (1¹) 5 (1¹) 9 5 (2¹) 4 (1¹) 9 (1¹) 11 (1¹) davon mit Einzelfehler²: Fehlende Indikation/ 3 1 2 / / 1 1 / / / 1 falsch gewähltes Medikament Wahl des Zugangs/Anlage/ 20 11 9 1 / 2 2 1 / 7 7 Sicherung/unzulässige Delegation Keine Kontrolle/Stoppen der 9 3 6 / 2 1 / 2 3 / 1 Infusion bei Komplikation Nicht/zu spät erkanntes Paravasat/ 10 3 7 1 / / 5 1 / 1 2 keine ärztliche Inaugenscheinnahme Keine unmittelbare Reaktion 13 9 4 1 / 1 2 2 1 5 1 (Aspiration, DMSO etc.) Kein/zu spätes chirurgisches Konsil 4 2 2 1 / / 1 / / 1 1 Keine Kontrolle/ Behandlung des 6 2 4 1 1 1 2 / / / 1 Lokalbefundes Keine Sicherungsaufklärung für 2 2 / 2 / / / / / / / weitere Behandlung an den Patienten/Nachbehandler Dokumentationsmangel 6 3 3 1 / 1 1 / 1 1 1 Risikoaufklärungsmangel bzgl. 10 (7¹) 5 (4¹) 5 (3¹) / 1 (1¹) 1 (1¹) / 3 (2¹) 2 (1¹) 1 (1¹) 2 (1¹) „Paravasation“ ¹ Aufklärungsfehler bei verneintem Behandlungsfehler ² gezählt wurden maximal 4 Einzelfehler/Fall mit beklagten Paravasaten punktion des seit sieben Wochen in der den eine zertifizierte Pflegkraft vorge krankung, an der die Patientin im Dezem- Vena subclavia liegenden Portsystems nommen habe, sei es zum Austritt von ber 2019 verstarb. auf oder mit höherer Wahrscheinlichkeit Oxaliplatin gekommen. Am Folgetag wurde eine Dislokation der Portnadel beim Um- in den Unterlagen eine Rötung beschrieben Gutachterliche Bewertung stecken der Infusionen mit der Folge einer und ein chirurgisches Konsil angefragt, Paravasation von Oxaliplatin. Die bei der welches erst zwei Tage später ausgeführt In einem zertifizierten Onkologischen Chemotherapieapplikation anwesende wurde und „reizlose Verhältnisse und Zentrum wurden – der für die Beurteilung Tochter gab an, der Assistenzarzt habe eine diskrete Schwellung der Portkammer der Kommission maßgeblichen Behand- den Port mehrfach punktieren müssen. ohne Notwendigkeit einer chirurgischen lungsdokumentation folgend – die vorhan- In der S tellungnahme des Chefarztes Intervention“ beschreibt. Deutlich ver denen Verfahrensanweisungen /SOP nicht wird ausgeführt, dass der Assistenzarzt zögert kam es zu einer ausgedehnten ausreichend beachtet. Insbesondere wurde die Portnadel habe korrigieren müssen. Auf Thoraxwandnekrose inklusive der Brust- der Kommission eine Dokumentation der die Prüfung des Rückflusses von Blut sei drüse rechts, die mehrfach durch Wund Abläufe und gebotenen Kontrollen nach dann entgegen der Verfahrensordnung/ debridement und eine plastisch-chirur Maßgabe der hauseigenen Vorgaben mit SOP verzichtet worden. Hierzu erfolgte gische Deckung behandelt werden musste. Kontrollvermerken und Handzeichen der kein Akteneintrag. Berichtet wird ein un- Dies hatte das Aussetzen der onkologischen ausführenden Fachkraft bis zum Abschluss gehindertes Einlaufen von physiologischer Therapie über mehrere M onate zur Folge. des Verfahrens nicht vorgelegt. Damit wur- Kochsalzlösung, der antiemetischen Medi- Nach initialer Rückbildung der Tumor de gegen die gesetzliche Verpflichtung kation und von Dexamethason. Nach dem marker und der Lebermetastasen kam es verstoßen, die für die Behandlung aus fach- Wechsel auf die Infusion mit Oxaliplatin, in dieser Zeit zu einer Progredienz der Er- licher Sicht wesentlichen Maßnahmen Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2021 29
Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 126 aufzuzeichnen (vgl. § 630 f Abs. 2 BGB). wird die Paravasation nicht erwähnt, so- Literatur Aufgrund dieser Dokumentationsmängel dass damit auch keine klaren Empfehlun- 1. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsge ist zu vermuten, dass medizinisch gebote- gen für die weiterbetreuenden Ärzte sowie sellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Supportive ne Maßnahmen nicht oder nur unzurei- für die Patientin und deren Angehörige Therapie bei onkologischen Patientinnen – Lang version 1.1, AWMF Registiernummer 032/0540L chend ergriffen wurden und die Applika erteilt wurden. (https://Leitlinienprogramm-Onkologie.de) tion von Oxaliplatin sowie deren Über 2. Jordan K. (2006) Prävention und Therapie von Paravasaten, In: Schmoll HJ, Höffken K, Possinger wachung auch nach Eintritt der Paravasa- K (Hrsg) Kompendium Internistischen Onkologie tion nicht standardgerecht erfolgten, so- 3. Heyn, G. Akuter Notfall in der Onkologie. Pharmazeutische Zeitung: 36 (2017): S. 1–15 dass von der Verursachung einer schweren, Professor Dr. med. Wolf-Dieter Schoppe und 4. R. Mader, Wien: Arbeitsgruppe Paravasate in: schmerzhaften Thoraxwandnekrose in Ver- Professor Dr. med. Nobert Niederle gehörten Paravasation von Zytostatika (2006) Springer bindung mit dem mehrmonatigen Ausset- der Gutachterkommission bis zum Ende der Verlag, in Mader I, Fürst-Weger, PR, Mader, RM, 11. Amtperiode am 30.11.2020 an, Nogler-Semenitz, E, Wassertheurer, S. http://www. zen der onkologischen Therapie und deren Dr. jur. Peter Lange ist stellvertretender dgop.org/download/paravasation_von_zytostatika.pdf Folgen auszugehen war. Es fehlen nach Vorsitzender und Dr. med. Beate Weber ist die 5. Oechsle K, Bokemeyer C. Zytostatika-Paravasate: für die Dokumentation und Auswertung der Gefürchtet aber vermeidbar. Hamburg Arbeitskreis Aktenlage ärztliche Anweisungen nach Begutachtungen zuständige Referentin der supportive Maßnahmen in der Onkologie (ASO) Eintritt der Paravasation. Im Entlassbrief Gutachterkommission. innerhalb der DKG und MASCC. Videokonferenz: Videokonferenz Titel Va Videokonferenz am xx, xx von xx:00 –xx:00 Uhr , 83. Fortbildungsveranstaltung „Aus Fehlern lernen“ in Zusammenarbeit mit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein Inkontinenz bei Frauen – Welche therapeutischen Optionen gibt es? Mittwoch, 25. August 2021, 15:30–17:45 Uhr, Live Online-Seminar Begrüßung Möglichkeiten der operativen Therapie Dr. med. Martina Levartz, MPH Prof. Dr. med. Markus Fleisch Geschäftsführerin des IQN Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dr. med. Sabine Mewes Direktor der Landesfrauenklinik Wuppertal, Stellvertretendes Referentin IQN Geschäftsführendes Mitglied der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein Einführung und Moderation Prof. Dr. med. Tanja Fehm Sektorübergreifende Versorgung von Patientinnen Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, mit Inkontinenz Direktorin der Frauenklinik,Universitätskliniken Düsseldorf Dr. med. Kourosh Taghavi Niedergelassener Facharzt für Frauenheilkunde und Formen der Inkontinenz Geburtshilfe, Düsseldorf Überblick über Diagnose; konservative Therapiemöglichkeiten, Indikationen zur operativen Therapie Anerkennung 3 Punkte Dr. med. Sebastian Kolben Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Oberarzt der Frauenklinik, Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe Für die Veranstaltung gilt Anmeldung erforderlich über den Anmeldelink auf unserer Kontakt Homepage www.iqn.de Fortbildungen des IQN/Link zur Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Fortbildung/Registrierung Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf, Tel.: 0211 4302-2752 Internet www.iqn.de oder E-Mail: iqn@aekno.de IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Bitte beachten: Anmeldungen per Fax können nicht mehr Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts berücksichtigt werden 30 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2021
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