Eltern-Burnout Peter Musall, Bettina Mähler - Leseprobe aus: Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier.
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Leseprobe aus: Peter Musall, Bettina Mähler Eltern-Burnout Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier. (c) 2006 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg.
Kapitel 1 Was ist Eltern-Burnout? Über Burnout am Arbeitsplatz wird schon seit langem dis- kutiert. Der Begriff bezieht sich dort auf Menschen, die «aus- gebrannt» sind, die also einmal «gebrannt» haben, das heißt sehr engagiert waren. Sie arbeiten fast immer mit Menschen, die ihre Unterstützung und Hilfe brauchen. Nur selten wird der Begriff im Zusammenhang mit dem «Arbeitsplatz Familie» verwandt, im allgemeinen Sprachgebrauch taucht Burnout nicht im Zusammenhang mit Eltern-Sein auf. Betrachtet man die Faktoren am Arbeitsplatz, die zu Erschöpfung und später zu Burnout führen, dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen, wenn man sie auf das Elterndasein überträgt. Zu Burnout führen: – Zu geringe Unterstützung durch den Vorgesetzten: Das ist im Zweifelsfall der Partner, mit dem nach der Geburt eines Kin- des die neuen Rollen diskutiert werden müssen: Wer macht was? – Ständige organisatorische Umstellungen, ohne die Betroffenen in Planung und Entscheidung einzubeziehen, sie bei Misserfolgen aber verantwortlich machen: Das Kind bestimmt den Alltag, und Fehler lassen sich nicht vermeiden. – Zunehmende, immer neue, rasch wechselnde Anforderungen: Kinder entwickeln sich kontinuierlich und in Schüben und sind oft krank. – Zeitdruck oder zu großes Pensum in zu kurzem Zeitraum: Dieses Was ist Eltern-Burnout? 9
Problem wird insbesondere akut, wenn mehrere Kinder da sind. – Wachsende Verantwortung: Je größer die Kinder sind, desto mehr Tragweite haben Handlungen und Entscheidungen. – Nacht- und Schichtarbeit, ohne Rücksicht auf Konstitution der Arbeitenden: Babys haben nachts Hunger und alle Kinder brau- chen ihre Eltern auch nachts, wenn sie krank sind. – Schlechte Kommunikation unter den Beteiligten: Wenn ein Kind da ist, werden die Rollen neu verteilt, das führt zu Paarkon- flikten, und der Hauptbetreuende ist nicht selten über Jahre den ganzen Tag allein mit einem oder mehreren Kindern; er ist also nicht auf einer Kommunikationsebene mit Erwachse- nen. – Und vor allem: die Diskrepanz zwischen anfänglich hohen Er- wartungen und der desillusionierenden Realität. (Vgl. Faust, 2003, S. 120 f.). Birgit Kast, 37, Mutter des einjährigen Jakob und der zweijäh- rigen Julia, beschreibt den letzten und für Erschöpfung oder gar Burnout entscheidenden Punkt: «Ich denke, dass man sich das ganze Ausmaß der Einschränkungen nicht bewusst macht. Vor allem nicht auf Dauer. Der Anfang, das erste Jahr, ist ganz in Ordnung. Doch je länger man sich um Kinder kümmert, desto eher wird es zermürbend. Ich denke jetzt gerade an die Winter- monate, in denen die Kinder ewig krank sind, wo es also immer wieder Nächte gibt, in denen man nicht schläft. In dieser Zeit ist nichts möglich als zu Hause zu sitzen und mit ihnen zu spielen und einzukaufen und zu kochen und fertig. Da kriegt man die Krise, weil man so machtlos ist und weil man es so hinnehmen muss, wie es kommt, man kann das auch nicht besser organi- sieren.» Ein wichtiger Faktor für Erschöpfung und Burnout ist ganz sicher die Dauer der anstrengenden Jahre mit Kindern. Eltern- 10 Was ist Eltern-Burnout?
Sein ist kein Job, den man aufgeben kann, wenn er einem nicht mehr gefällt oder man sich überfordert fühlt. Er bedeutet Ver- antwortung: Vierundzwanzig Stunden pro Tag, sieben Tage pro Woche und das für viele, viele Jahre. emotionale arbeit leisten Eine weitere Burnout-Falle des Jobs «Mutter und Vater» liegt in der Natur der Sache: Dieser «Beruf» fordert nicht nur Hilfe im technischen Sinn, sondern vor allem emotionale Zuwendung, Engagement und Beteiligung. Und genau bei diesen Punkten setzt auch die Burnout-Forschung an. Die ersten Untersuchun- gen galten Personen in helfenden Berufen, die man als «hilflose Helfer» bezeichnete, weil sie allen helfen konnten, nur nicht mehr sich selber – dazu hatten sie keine Kraft mehr. Der Beruf Eltern ist nur zu einem kleinen Teil ein techni- scher, insofern als er die körperliche und materielle Versorgung der Kinder betrifft. Den weitaus größeren Teil beansprucht das Miteinander in der Familie, die emotionalen und seelischen Abläufe. Der größte Teil davon ist Erziehung. Und die baut ausschließlich auf Beziehung auf, wenn man so will, auf «emo- tionaler Arbeit». Diese kann man mehr oder weniger engagiert leisten. Je engagierter man ist, desto eher ist man gefährdet, überfordert oder auch nach vielen Jahren ausgebrannt zu sein. Das trifft für viele Menschen in helfenden, sozialen Berufen zu – und für alle Eltern. Bei den eigenen Kindern engagieren sich sowohl Män- ner als auch Frauen sehr stark, sie sind emotional sehr einge- bunden. Eltern lieben ihre Kinder – sie sind ihnen sehr nah. So nah wie wohl in kaum einem sozialen Beruf, und das eben vierundzwanzig Stunden pro Tag und sieben Tage die Woche. Das heißt, Eltern haben nie «frei», sie sind immer «tätig», wie Emotionale Arbeit leisten 11
Melanie Schuster, 37, Mutter der fünfjährigen Alexandra und der dreijährigen Melina, das ausdrückt: «Man muss permanent bereitstehen, am besten noch immer gut gelaunt. Der Stand- by-Knopf ist immer an.» Betrachtet man das Eltern-Sein aus dieser Perspektive, wundert es nicht, dass Mütter und Väter zu Überlastung und Burnout neigen. persönliche konstitution Und dennoch fühlen sich keineswegs alle Eltern überfordert. Es gibt also Punkte, in denen Mütter und Väter nicht gleich sind. Einer davon ist die physische und psychische Konstitution, die sie für den Elternberuf mitbringen. Die einen haben keinerlei Probleme mit dem nächtlichen Aufstehen, die anderen sind allein davon vollständig erschöpft. So berichtet Jasmin Klein, 35, Mutter des dreijährigen Thomas und der einjährigen Janina, dass sie «zwei Jahre ständig benommen und vollkommen über- müdet durch die Gegend gelaufen» sei. «Anderen Müttern ging es genauso», sagt sie, «Schwangerschaft, Stillen, erste Kinder- krankheiten, Zähne, das alles passiert ja in den ersten Kinder- jahren auf einmal, und man schläft einfach nie durch. Wann immer ich in dieser Zeit mich hingelegt habe, bin ich sofort eingeschlafen. Und wenn mein Mann am Sonntagnachmittag mit den Kindern einen Ausflug gemacht hat, habe ich mich nur ins Bett gelegt und geschlafen.» Vor allem die Väter scheinen hier wesentlich belastbarer zu sein als die Mütter. Sie fühlen sich durch den Stress im Beruf wesentlich stärker gefordert als durch Stress in der Familie. «Er kann körperlich mehr wegste- cken», meint Carina Blum, 34, über ihren Mann Jörg Felden, 40, beide Eltern des fünfjährigen Max und des dreijährigen Jonas. «Ich bin das auch von der Arbeit her gewöhnt», erzählt 12 Was ist Eltern-Burnout?
er, «wenn ich auf Baustellen bin, muss ich oft dreißig Stunden am Stück arbeiten. Oder ich habe zwei Monate Nachtschicht ohne freien Tag.» Eltern unterscheiden sich auch in ihrer Wahrnehmung und ihrer Belastbarkeit, wenn ein Kind schreit. Die einen sind in dieser Hinsicht sehr belastbar, die anderen «total genervt». Jasmin Klein geht es so: «Ich kann eine Menge wegstecken. Wenn viel zu organisieren oder eine Menge Wäsche zu waschen ist, das ist mir egal. Aber wenn die Kinder ohne Grund nörgeln oder rumschreien, weil ihnen etwas nicht passt, oder sie machen das vielleicht gleich im Duo, dann geht bei mir nichts mehr. Meinem Mann macht das nicht so viel aus. Er sagt immer, ich solle mich nicht so aufregen, bei ihm im Büro gebe es auch den ganzen Tag Streitereien. Der Unterschied ist nur, dass sich die Leute dort nicht anschreien, sondern halbwegs zivilisiert mit- einander reden.» erwartungen an das eltern-sein Ob Eltern burnoutgefährdet sind, hängt entscheidend von einem weiteren Kriterium ab: von ihren Erwartungen an das Mutter- und Vater-Sein. Die von uns befragten Eltern hatten fast alle eine sehr romantische Vorstellung. Rosarot «Ich habe mir alles rosarot ausgemalt», meint Marina Krüll, 36, Mutter der fünfjährigen Cecilia und des einjährigen Lukas, «lie- bes Kind, harmonische Ehe, Häuschen mit Garten, kein Stress, die Kinder machen das, was man sagt, der Mann macht das, was man sagt.» Erwartungen an das Eltern-Sein 13
Entspannt Ganz ähnlich hat sich Melanie Schuster das Leben mit Kin- dern vorgestellt: «Es war immer klar: Ich wollte arbeiten, aber ich wollte auch Kinder. Das war meinem Mann und mir ganz wichtig, und wir haben uns die Mäuse dann jeweils auch ge- wünscht. Ein Beispiel aus meinem Studium: Wir saßen in der Bibliothek und schauten raus. Da ging draußen im Park eine Mutter mit Kinderwagen spazieren. Und wir dachten: Haben die es gut, die haben ein schönes Leben. So haben wir uns das vorgestellt: Man geht entspannt Kaffee trinken und hat sein süßes Baby dabei. Man geht gemäßigt einkaufen, man geht auf den Spielplatz, und die Kinder spielen für sich. Aber man denkt nicht an die Wege, wie weit es tatsächlich ist, bis man mit zwei Kindern im voll gepackten Auto zum Spiel- platz kommt. Und dann muss man eben nochmal zurück- fahren, weil die eine ihre rosa Schippe vergessen hat. Auf so etwas kommt man natürlich nicht. – So beschaulich, so ein bisschen wie in der Werbung habe ich mir das Kinderhaben vorgestellt.» Kleine, süße, freundliche Kinder Auch Monika Link, 45, Mutter der 23-jährigen Nina und des 16- jährigen Simon, konnte sich vor der Geburt ihrer Kinder nicht vorstellen, dass irgendetwas nicht wie in ihren Träumen läuft: «Ich hatte eine sehr romantische Vorstellung von zwei süßen kleinen, freundlichen Kindern und einer harmonischen Fami- lie. Schwierigkeiten waren einfach nicht eingeplant.» Unreflektiert An seine eigene behütete, harmonische Kindheit dachte Stefan Koch, 47, bei der Gründung seiner Familie. Heute ist er allein- erziehender Vater des 18-jährigen Tobias, des 17-jährigen Alex- ander und des 14-jährigen Jakob: «Das war völlig unreflektiert, 14 Was ist Eltern-Burnout?
so wie ich in meiner Ursprungsfamilie gelebt habe. Ich hatte keine genauen Vorstellungen.» Sinn im Leben Sehr viele Gedanken hat sich das Ehepaar Bien – er ist 37, sie 36 – gemacht, und zwar deshalb, weil es mit dem Kinderhaben erst nach langer Zeit klappte. «Ich hatte die Vorstellung von dem Miteinander mit den Kindern, von der Verantwortung, die man dann übernimmt für die kleinen Menschen, davon, dass man sie großzieht und aufwachsen sieht», berichtet Peter Bien, heute Vater des vierjährigen Aaron und des dreijährigen Tim. Seine Frau Sylvia Bien ergänzt: «Wir haben jahrelang gebraucht, bis die Kinder dann endlich kamen. Die Ärzte haben mitgeholfen bei der ersten Schwangerschaft. Für mich war das so, dass ich im Leben keinen Sinn mehr gesehen hatte. Das Arbeiten hatte mich nicht mehr ausgefüllt. Ich wollte Mama sein, Kinder er- ziehen, mit ihnen leben. Ich hatte mir das so schön vorgestellt, so kleine, süße, goldige Babys, die man betüttelt. Halt das, was wir bei Freunden so sahen: dass man etwas unternimmt, in den Zoo geht. Eben zu dritt oder zu viert zu sein und nicht weiter sein Yuppie-Leben zu leben. Das war so leer.» – «Die Kinder waren das erklärte Ziel, das wir schon ein paar Jahre hatten», fährt ihr Mann fort. «Es war für uns die konsequente Fortset- zung unserer Partnerschaft. Wir kannten uns so lange, dann haben wir geheiratet, dann wollten wir auch Kinder haben. Das war auch der Grund, warum wir aufs Land gezogen sind. Wir wollten auch das passende Umfeld haben.» Halbwegs realistisch Nicht ganz so rosarot malte sich Birgit Kast ihre zukünftige Familie aus: «So sehr idealistisch habe ich das eigentlich nicht gesehen», meint sie. «Ich bekam ja relativ spät Kinder, sodass einige meiner Freunde schon Familie hatten. Ich wusste, wenn Erwartungen an das Eltern-Sein 15
man dort zu Besuch kam, konnte man kein ordentliches Ge- spräch führen, weil man ständig unterbrochen wurde. Das hat mich damals schon genervt, obwohl es ja nicht meine eigenen Kinder waren. Aber ich fand es einfach schön, eigene Kinder zu haben, weil das zu meinem Lebenskonzept gehört.» Nach dem Kind richten Ganz offen war Jutta John-Schneider, 38, Mutter der elfjährigen Pauline, der siebenjährigen Antonia und des eineinhalbjährigen Victor: «So eine Wunschvorstellung hatte ich nie. Ich dachte im- mer: ‹Wenn das Kind da ist, werde ich schon wissen, wie es ist.› Was mir immer wichtig war: Auf das Kind, das dann kommt, eingehen, schauen, wie das Leben mit ihm ist. Nicht einem vor- gefertigten Weg folgen wollen, sondern gucken: Klappt der mit einem Partner, mit einem Kind. Eine Vorbild-Rama-Familie zu präsentieren, das ist nicht mein Ding.» – «Das ist schon drei- zehn Jahre her», berichtet ihr Mann Rolf Schneider, 43. «Aber was ich noch weiß: Ich konnte es mir nicht vorstellen. Ich bin sehr optimistisch. Ich dachte: ‹Wir haben uns gefunden, das war ein Riesenglück, und das mit den Kindern, das regeln wir schon irgendwie.› Es war nur klar: Ich wollte Kinder. Ich hatte auch keine Vorstellungen von einer Rama-Familie. Es muss halt alles gut funktionieren, das ist das Wichtigste. Dass man sich gegenseitig hilft, damit es erst gar keine Probleme gibt. Ich habe keine heile Welt im Kopf, weil es die nicht gibt.» Realistisch Mit sehr klaren Vorstellungen ging Heike Ullinger, 42, an die Familienphase heran. Sie heiratete mit dreißig Jahren, «da war von Kindern noch gar nicht die Rede, sondern von Ausbil- dung und beruflicher Orientierung», erinnert sie sich. «Daher hatten wir schon eine ganze Reihe von Ehejahren hinter uns, als das erste Kind kam. Das heißt, wir konnten uns gegenseitig 16 Was ist Eltern-Burnout?
ganz gut kennen lernen und den Raum abstecken, in dem sich Kinder und Kindererziehung bewegen würden: Es war klar, dass mein Mann beruflich sehr eingebunden sein würde und ich die Kinder mehr oder weniger allein großziehen würde. Außerdem wusste ich, dass ich meinen Beruf nicht aufgeben und einen Weg finden wollte, beides miteinander zu verbin- den. Weiterhin war deutlich, dass wir keine familiären Unter- stützungssysteme hatten und dass wir das, was wir schaffen wollten, aus uns heraus leisten oder aber Hilfeleistungen ein- kaufen mussten.» Haltepunkt 1: Wer sagt, was Eltern müssen? Wenn Paare Eltern werden, dann wissen sie nicht kon- kret, worauf sie sich einlassen und wie sie mit alldem fertig werden, was an Neuem auf sie zukommt. Denn es gibt nur wenige Angebote über die Geburtsvorbereitung hinaus, um die Elternrolle – jede/r für sich und gemein- sam – einzuüben. Das Schwierigste wohl für die meisten Eltern ist dabei die «Unberechenbarkeit» der Eltern-Kind- Beziehung: Wie wird unser Kind sein: pflegeleicht oder ar- beitsintensiv? Und wie wird es mir gehen, wenn ich dem Kind scheinbar nicht geben kann, was es braucht? Aber auch: Wird unsere Partnerschaft den neuen Aufgaben genügen? Wird die neue Aufgabe und Rolle uns weiter verbinden oder eher auseinander bringen? Obwohl junge Eltern so viele andere Eltern (die ei- genen eingeschlossen) kennen und erleben, wie diese mit ihrem Kind/ihren Kindern umgehen, spielen solche Er- fahrungen in der Zeit der Erwartung des eigenen Kindes nahezu keine Rolle. Es scheint so, als würde zum ersten Mal überhaupt ein Kind geboren. Und das, worauf sich die werdenden Eltern einstellen, ist ja auch einzigartig und Erwartungen an das Eltern-Sein 17
unvergleichlich. WIR werden Eltern. Meine Partnerin wird Mutter. Mein Partner wird Vater. Eltern ist man nicht nur für eine Saison Alles, was zum ersten Mal geschieht und deshalb neu ist, trägt für die davon Betroffenen zu Recht den Stempel der Exklusivi- tät. Und das ist gut so: Denn dadurch wird kenntlich, welche besondere Aufgabe auf zwei Menschen zukommt. Eine Aufga- be, die viel von ihnen verlangt und der sie nur gerecht werden, wenn sie sich uneingeschränkt darauf einstellen, dass sich ihr Leben für lange Zeit grundlegend ändern wird. Eltern sind sie nicht für eine Saison oder für ein Jahr. Eltern-Sein ist neben der Partnerschaft eine der dauerhaftesten Lebensrollen überhaupt. Eine Rolle zudem, die sich je nach dem Alter und dem Ent- wicklungsstand eines Kindes immer wieder verändert, die ver- langt, sich den Anforderungen zu stellen, die jetzt aktuell sind. Und: Es gibt kein Kündigungsrecht. Bei wem sollten sie auch kündigen? Die Besonderheit so umfassender Zuständigkeit und Verantwortung für einen anvertrauten kleinen Menschen ist schon konstitutiv für die Wahrnehmung der Rolle als Mutter und Vater. Doch sie birgt auch die Gefahr, mit dieser Rolle mehr zu verknüpfen, als man/frau zu leisten in der Lage ist. Denn es wird allzu leicht übersehen, dass trotz der Übernahme einer neuen Rolle die bisherigen Rollen – zum Beispiel als Partner, als Berufstätiger, als Freund – ja weiter bestehen. Es gilt also, nach Wegen zu suchen, wie sich die scheinbare Ausschließlich- keit der Elternrolle verbinden lässt mit all dem, was sonst noch zum Leben gehört – und seine Berechtigung hat. Erwachsene als Gegenüber Kinder brauchen Erwachsene als Gegenüber, die bereit und fä- hig sind, sich ganz und vorurteilsfrei auf sie einzulassen. Er- 18 Was ist Eltern-Burnout?
wachsene, die sie und sich selbst ernst nehmen und die eigenen Grenzen und Möglichkeiten kennen. Erwachsene, die Kinder nicht für sich selbst und die Verwirklichung eigener Bedürfnis- se brauchen. Also Erwachsene, die tatsächlich erwachsen sind, die geschützt sind vor Selbstüberforderungen und vor falschen Einschätzungen der eigenen Rolle. Denn das «Schlimme», von dem etliche Elternteile berichten, spielt sich weniger in der Realität als in der Phantasie ab: in Befürchtungen, Selbstbezich- tigungen und in Fehlinterpretationen von Wünschen, die die Kinder scheinbar haben. Die Zeit des gemeinsamen Lebens mit Kindern kennzeichnen überdies Einschränkungen und der Ver- zicht auf einst wichtige Lebensformen und Wünsche. Doch hinter jedem Verzicht oder jeder zusätzlichen Last ste- cken auch eine Entscheidung und die Fähigkeit, einschätzen und unterscheiden zu können, was jetzt Priorität haben muss. Jetzt – und nicht für alle Zeit. Und gegen die Sorge nicht enden wollender Überforderung und gegen die Angst, die eigenen Bedürfnisse zurückstellen zu müssen, ist ein Kraut gewachsen, das fast immer hilft: – Realitätsüberprüfung und – die Möglichkeit des Verhandelns. Wird beides selbstverständlich, dann reduzieren sich das Selbst- mitleid und die Angst, zum Opfer zu werden. Das können Sie tun: Zur Klärung einzelner Aspekte, die sich für Sie mit der Eltern- rolle verbinden, können die nachfolgenden Angebote ein Ein- stieg sein: Familie sein ist für mich wie … Gesucht werden spontane Bilder und Gefühle, die der Begriff auslöst. Zum Beispiel «Familie ist für mich wie die aufgehende Erwartungen an das Eltern-Sein 19
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