Empfehlungen zur Impfung gegen Zeckenenzephalitis - Bundesamt für Gesundheit, Eidgenössische Kommission für Impffragen1

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Übertragbare Krankheiten
Empfehlungen zur Impfung gegen Zeckenenzephalitis
Bundesamt für Gesundheit, Eidgenössische Kommission für Impffragen1

                      Im 2005 war eine starke Zunahme der                                     EINLEITUNG

Erkrankungen an Zeckenenzephalitis (Frühsommer-                                               Die Frühsommer-Meningoenzepha-
Meningoenzephalitis, FSME) festzustellen. Die 202                                             litis (FSME) oder Zeckenenzephali-
                                                                                              tis (tick-borne encephalitis) wird
gemeldeten Fälle entsprechen einer Zunahme von                                                durch ein Flavivirus, das FSME-Vi-
100% im Vergleich mit dem jährlichen Durchschnitt der                                         rus, verursacht. Man unterscheidet
                                                                                              einen westlichen Subtyp, welcher
Jahre 1999–2004.                                                                              in Zentral- und Osteuropa vor-
Die FSME-Erkrankung führt nicht selten zu Wochen bis                                          kommt und hauptsächlich durch die
Monate andauernden Restbeschwerden (v.a. Müdigkeit,                                           Zecke Ixodes ricinus (Holzbock)
                                                                                              übertragen wird, vom östlichen
Konzentrationsschwäche, Gedächtnisprobleme, Kopf-                                             Subtyp, welcher in Osteuropa und
schmerzen, Schlafstörungen, Schwindel) und teilweise                                          Asien vorkommt und hauptsächlich
                                                                                              durch Ixodes persulcatus übertra-
zu bleibenden Schädigungen (v.a. Paresen); etwa ein                                           gen wird (Russian spring summer
Prozent der Erkrankungen verlaufen tödlich.                                                   encephalitis, RSSE) [1].
Vor diesem Hintergrund haben die Eidgenössische                                                   Das Krankheitsbild ist in Europa
                                                                                              seit den 20-er Jahren des letzten
Kommission für Impffragen (EKIF) und das Bundesamt                                            Jahrhunderts bekannt. Das Virus
für Gesundheit (BAG) die Empfehlungen zur Impfung                                             wurde erstmals 1948 in der Tsche-
gegen Zeckenenzephalitis überprüft und überarbeitet.                                          choslowakei isoliert. In Europa
                                                                                              kommt die Krankheit nur östlich des
Die FSME-Impfung wird neu allen Erwachsenen und                                               sechsten Längengrades vor. Eine
Kindern (im Allgemeinen ab 6 Jahren), die in einem                                            gute Übersicht über die aktuelle Si-
                                                                                              tuation in Europa gibt die Arbeit von
Endemiegebiet wohnen oder sich zeitweise dort aufhal-                                         Süss [2]. Betroffen sind neben der
ten, empfohlen. Eine Impfung erübrigt sich für Perso-                                         Schweiz vor allem Deutschland (v.a.

                                                                                                                                             27. März 2006
nen, welche kein Expositionsrisiko haben. Die Primo-                                          Baden-Württemberg, Bayern), Ös-
                                                                                              terreich, Slowenien, Kroatien, Un-
vakzination erfordert 3 Dosen zu den Zeitpunkten 0,                                           garn, Tschechien, Slowakei, Polen,
1–3 und 9–12 Monate (Encepur®) resp. 5–12 Monate                                              die baltischen Staaten, Südschwe-
(FSME-Immun®). Boosterimpfungen werden nur noch                                               den und Russland [2].
                                                                                                  In der Schweiz wurden die ersten
alle 10 Jahre empfohlen, da die Notwendigkeit kürzerer                                        Krankheitsfälle 1969 von Krech U.
Intervalle nicht belegt ist. Ziel der neuen Empfehlungen                                      und Spiess beschrieben [3,4]. In ei-
                                                                                              ner klinisch epidemiologischen Ar-
ist es, möglichst viele exponierte Personen in den                                            beit zeigte Krech Th. auf, dass in
Endemiegebieten vor einer Erkrankung zu schützen.                                             den 70er Jahren in der Schweiz
Ein Antrag zur Anpassung der Kostenübernahme durch                                            jährlich zwischen sieben und 74
                                                                                              FSME-Fälle aufgetreten sind [5]. Im
die Krankenversicherer im Rahmen der obligatorischen                                          1973 lokalisierten Wyler et al. und
Grundversicherung wurde gestellt. Ein Entscheid wird                                          Radda et al. die ersten Naturherde
                                                                                              durch Isolation des FSME-Virus aus
                                                                                                                                             Bulletin 13
auf Ende Juni erwartet. Bis dahin wird die FSME-Imp-                                          Zecken [6,7]. Eine Übersicht über
fung gemäss den Empfehlungen von März 2003 vergü-                                             die bis Anfang der 80er Jahre nach-
tet (Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren, die sich häufig* in den Wäldern der Ende-             gewiesenen Naturherde hatten Wy-
miegebiete aufhalten [Beruf oder Freizeit]. Kinder ab 6 Jahren, vor allem wenn sie öfters     ler und Matile 1984 publiziert [8].
von Zecken gestochen werden [*an 14 Tagen während der Zeckensaison]).

                                                                                              KLINIK

                                                                                              Die Krankheit beginnt nach einer In-
                                                                                              kubationszeit von 7–14 (2–28) Ta-
                                                                                              gen häufig mit grippeartigen Symp-
                                                                                              tomen. Nach einem (fakultativen)
                                                                                              beschwerdefreien Intervall von we-
                                                                                              nigen Tagen kommt es bei 5–15%
1
                                                                                              der Infizierten zum Befall des ZNS
    Mitglieder: U. Ackermann, Bern; C. Aebi, Bern; R. Anderau, Neuchâtel; G. Bachmann,
    St. Gallen; H. Binz, Solothurn; D. Desgrandchamps, Baar; M. Gallacchi, Melide;
                                                                                              in Form einer Meningitis (ca. 45%
    U. Heininger, Basel; A. Marty-Nussbaumer, Luzern; L. Matter, Basel; K. Mühlemann,         der Fälle), Meningoenzephalitis (ca.
    Bern; J. Roffler, Genf; C.-A. Siegrist, Genf; R. Steffen, Zürich; B. Vaudaux, Lausanne.   45%) oder Meningoenzephalomy-                  225
    Sekretariat: Bundesamt für Gesundheit, Sektion Impfungen.                                 elitis resp. -radiculitis (ca. 10%) [9, 10].
      Übertragbare            Krankheiten

                  Die Krankheit führt nicht selten zu      nem Jahr bei 6% eine Parese) [11].      war im 2005 eine weitere starke Zu-
                  Wochen bis Monate andauernden            Dies wird auch durch eine schwei-       nahme festzustellen (Abbildung 1).
                  Restbeschwerden und teilweise            zerische Studie bestätigt, in wel-      Im 2005 wurden 202 Fälle gemel-
                  bleibenden Schädigungen; etwa ein        cher 57 Patienten, die von 1987–        det. Dies entspricht einer Zunahme
                  Prozent der Erkrankungen verlaufen       1996 in Winterthur hospitalisiert wa-   von 51% im Vergleich zu 2004, oder
                  tödlich [9–12]. In einer prospektiven    ren, mit einem Fragebogen retro-        doppelt so viele Fälle, wie der jähr-
                  Studie in Deutschland, in der 230        spektiv befragt wurden [12]. Einige     liche Durchschnitt 1999–2004 be-
                  hospitalisierte Patienten innerhalb      Wochen nach Spitalaustritt litten       trug (n=101). Die Zunahme ist in
                  von 1–60 Monaten nach untersucht         73% noch an Beschwerden (10% an         allen betroffenen Regionen zu be-
                  wurden, konnten bei 38% vorüber-         einer Extremitäten- oder Gesichts-      obachten. Am deutlichsten ange-
                  gehende milde Beschwerden (Ge-           lähmung), nach einem Jahr waren         stiegen sind die Fälle im Kanton
                  dächtnisstörungen, Kopfschmerzen,        es immer noch 56% (Paresen: 2%).        Aargau von durchschnittlich 12 Fäl-
                  vermehrte Müdigkeit, Hörminde-           Der durchschnittliche Arbeitszeit-      len (1999–2004) auf 36, Luzern (6/19),
                  rung, emotionale Labilität, Gangun-      ausfall betrug 7,5 Wochen (0–40         St. Gallen (6/12) und Zürich (34/62).
                  sicherheit) und bei 27% über drei        Wochen), die durchschnittliche Ein-        Eine Auswertung der im 2005 ge-
                  Monate anhaltende Beschwerden            schränkung der subjektiven Leis-        meldeten Fälle ergab keine wesent-
                  festgestellt werden [9]. Von Letzte-     tungsfähigkeit 23 Wochen (0–208         lichen Unterschiede zu den Vorjah-
                  ren wurden 37% als mittelschwer          Wochen). Vergleichbare Ergebnisse       ren (vgl. [13]). Insbesondere zeigte
                  und 48% als schwer eingestuft.           ergab auch eine Untersuchung der        sich keine vermehrte Meldung von
                  In 76% der schweren und mittel-          Erkrankungsfälle von 1996–99 aus        leichten Erkrankungen: keine oder
                  schweren Beschwerden handelte            dem Kanton Thurgau [10].                fragliche neurologische Symptome
                  es sich um deutliche Paresen (20%                                                wurden bei 12% der Patienten
                  der nachverfolgten Patienten). In ei-                                            (1999–2004: 20%) gemeldet, hospi-
                  ner prospektiven Studie in Schwe-        EPIDEMIOLOGIE                           talisiert wurden 82% der Patienten
                  den wurden nach sechs Wochen                                                     (71%). Sieben Kinder waren unter
                  bei 80% und nach einem Jahr bei          Nachdem die Zahl der FSME-Mel-          6 Jahre alt (13, 24, 45 Jahre),
                  40% von 83 Patienten andauernde          dungen bereits im 2004 mit 134 Fäl-     verglichen mit durchschnittlich 3
                  Beschwerden beobachtet (nach ei-         len ein Maximum erreicht hatte,         Kindern pro Jahr 1999–2004.
  27. März 2006

                  Abbildung 1
                  Zeckenenzephalitis (FSME) in der Schweiz 1984–2005
                  Meldungen der Laboratorien und der Ärzte (n = 1578)

                           n
                                220

                                200
                                180
                                160
  Bulletin 13

                                140
                                120
                                100
                                 80
                                 60              Total

                                 40                                          Patienten mit neurologischen Symptomen
                                 20
                                                                                               Patienten
      Übertragbare           Krankheiten

  Die Analyse der Daten aus den         IMMUNOGENITÄT                           suchungen handelte. Longitudinale
letzten Jahren zeigt, dass 96% der                                              Studien zum Antikörperverlauf über
Patienten in einem Kanton mit En-       Die FSME-Impfung führt nach zwei        eine längere Zeitdauer liegen nicht
demiegebieten wohnen und 85%            Dosen bei  97%, nach drei Dosen        vor und sind in den nächsten Jahren
sehr wahrscheinlich auch im Wohn-       bei  99 der Geimpften zu einer Se-     auch nicht zu erwarten. Es gibt
kanton, häufig in der Region des        rokonversion [14–17]. Neuere Stu-       keine Studien, die nachweisen, dass
Wohnortes, infiziert wurden. Acht       dien zeigen, dass nach der Primo-       Auffrischimpfungen alle 3 Jahre wirk-
Prozent haben sich wahrscheinlich       vakzination die Antikörper während      lich notwendig sind.
in einem anderen Kanton mit Ende-       langer Zeit persistieren und durch         Aufgrund serologischer Untersu-
miegebieten und 6% in einem an-         eine Boosterimpfung um das 2–5-         chungen kann davon ausgegangen
deren Land angesteckt. Nur ein Pro-     fache ansteigen. Drei bis 21 Jahre      werden, dass die FSME-Impfung
zent der Patienten nannte einen Ort     nach Primovakzination mit 3 Dosen       auch gegen den fernöstlichen Sub-
des Zeckenstichs in einem Kanton        wiesen alle Geimpften im Alter von      typ (RSSE) wirksam ist [23].
ohne bekannte Endemiegebiete.           18–70 Jahren im Neutralisations-
Bei der Hälfte der Patienten han-       test nachweisbare Antikörper auf
delte es sich um Spaziergänger          (n=61) [18, 19]. Bei den mit 4 Dosen    WIRKSAMKEIT
(36%), Wanderer (11%) und Pilz-         geimpften Personen nahmen die
sammler (4%). Beruflich exponierte      Antikörpertiter im Laufe der Zeit       Randomisierte placebokontrollierte
Personen, Förster, Waldarbeiter und     nur noch geringfügig, um 0,7% pro       Studien zur Wirksamkeit der FSME-
insbesondere auch Landwirte mach-       Jahr, ab [18]. Vergleichbare Ergeb-     Impfung liegen keine vor. Indirekte
ten rund 20% der Patienten aus.         nisse ergab auch eine Praxisstudie      Hinweise auf eine sehr hohe Wirk-
Zehn Prozent der Fälle betrafen         in Schaffhausen ([20, 21] und A.        samkeit (deutlich >90%) ergeben
Jogger (8%) und Orientierungs-          Kind, persönliche Mitteilung). Von      sich aus epidemiologischen Beob-
läufer (2%), 4% Pfadfinder und Zelt-    288 mit drei Dosen geimpften Per-       achtungen. So konnte in Österreich
ler (13% andere Angaben: Spielen,       sonen wiesen 3–19 Jahre (im Mittel      die jährliche Zahl von 300–700 Fäl-
Wohnen Nähe Wald, etc.).                5 Jahre) nach der letzten Impfung       len durch ein breites Impfprogramm
  Der deutliche Anstieg der FSME-       88% positive ELISA-Titer auf, wobei     auf unter 50 Fälle reduziert werden
Erkrankungen weist darauf hin, dass     die Zeitdauer seit der letzen Imp-      (2001: 43 Fälle) [24]. In den letzten

                                                                                                                         27. März 2006
das Bewusstsein bei der Bevölke-        fung nur einen geringen Einfluss        Jahren war allerdings auch in Öster-
rung in den betroffenen Regionen        hatte. Über 50-Jährige wiesen aller-    reich wieder eine leichte Zunahme
(Abbildung 2) für diese Krankheit       dings durchwegs tiefere mittlere        festzustellen (2005: 94 Fälle). Basie-
ungenügend ist und die Anwen-           Antikörpertiter auf als jüngere Per-    rend auf Angaben zur Durchimp-
dung der wirksamen und sicheren         sonen [18, 19]. In einer weiteren       fung und zur Häufigkeit von Erkran-
Impfung gesteigert werden muss.         Studie aus Österreich konnten bei       kungen bei geimpften Personen
                                        über 60-Jährigen, die insgesamt         wurde in Österreich eine Wirksam-
                                        5–8 Dosen geimpft worden waren,         keit für  3 Dosen von 96–99% ge-
IMPFUNG                                 bei 77% der über 60-Jährigen im         schätzt [24]. Entsprechende Berech-
                                        ELISA-Test Antikörper nachgewie-        nungen in der Schweiz ergaben für
In der Schweiz sind für Erwachsene      sen werden im Vergleich zu 91%          die Jahre 1995–2004 eine Wirksam-
und Kinder (halbe Antigenmenge) je      bei den jüngeren Personen [22]. In      keit von 95% (95%-CI: 90–98%)
zwei FSME-Impfstoffe zugelassen:        der Schaffhauser-Studie wird auf        [13]. Von 1995–2004 wurden acht
Encepur® N ( 12 Jahre) respektive      die Möglichkeit von Titerbestim-        Erkrankungsfälle bei Personen, die
Encepur® N Kinder (1–11 Jahre) von      mungen zur Beurteilung des Impf-        mit mindestens drei Dosen geimpft
Berna Biotech/Chiron und FSME-          schutzes hingewiesen [21].              waren (63 D.; 24 D.), gemeldet.
                                                                                                                         Bulletin 13

Immun® CC ( 16 Jahre) respektive       Die Begründung für die bisherige        Nur bei zwei dieser Patienten be-
FSME-Immun® Junior (1–15 Jahre)         Empfehlung von Auffrischimpfun-         stand eine klare neurologische
von Baxter. Beide Produkte enthal-      gen alle 3 Jahre basiert auf früheren   Symptomatik (Meningitis, resp. Fa-
ten inaktivierte FSME-Viren und als     serologischen Untersuchungen, wel-      cialisparese bds.). Beide Patienten
Adjuvans Aluminiumhydroxid, Spu-        che im Zeitraum von 3 Jahren nach       waren hospitalisiert. Die letzte Imp-
ren von Formaldehyd, Gentamycin         Primovakzination mit 3 Dosen einen      fung lag bei einem Patienten drei
und Neomycin, sowie Chlortetracy-       deutlichen Abfall der AK-Titer fest-    Jahre, beim anderen 5 Jahre zu-
clin (Encepur®). Encepur® enthält als   gestellt hatten (37–49% negative).      rück. In einem Fall handelte es sich
Stabilisator Sucrose, FSME-Immun®       Festzuhalten ist, dass es keinen        um einen 20-jährigen Förster, im an-
Humanalbumin. Die Impfviren wer-        international anerkannten Standard      deren Fall um einen 31-jährigen
den auf Hühnerfibroblasten (Ence-       gibt über die Korrelation von AK-       Landwirt. Die übrigen sechs ge-
pur®), respektive Hühnerembryonal-      Titern mit Impfschutz. Die klinische    impften Patienten wiesen keine (3)
zellen (FSME-Immun®) gezüchtet.         Bedeutung der Abnahme der AK-           oder nur eine fragliche (3) neurologi-
                                        Titer, welche auch bei anderen Imp-     sche Symptomatik auf (grippeartige
                                        fungen beobachtet werden kann           Symptome und Meningismus/iso-
                                        [22], wurde nicht belegt. Zu berück-    lierter Meningismus/starke Kopf-
                                        sichtigen ist weiter, dass es sich      schmerzen, Fieber).
                                        bei allen erwähnten Studien zum            In der Schweiz waren in den           227
                                        Titerverlauf um transversale Unter-     letzten 10 Jahren im Durchschnitt
      Übertragbare                 Krankheiten

                  schätzungsweise 210 000 Perso-               zurückzuführen ist. Gelegentlich        Hecken und hohes Gras- und Busch-
                  nen gegen FSME geimpft. Das jähr-            können Fieberkrämpfe vorkommen.         land. Zecken halten sich in der Ve-
                  liche Risiko, trotz einer Impfung mit           Seltene anaphylaktische Reaktio-     getation maximal bis auf eine Höhe
                  mindestens drei Dosen, mit einer             nen waren der Grund dafür, dass         von 1,5 m auf. In regelmässig ge-
                  neurologischen Symptomatik hospi-            der Stabilisator Gelatine (Polygelin)   pflegten Hausgärten und städtischen
                  talisiert zu werden, lag bei 1: 840 000      aus der ersten Generation des Impf-     Parkanlagen, welche nicht in Wald-
                  geimpfte Personen. Im Vergleich              stoffs Encepur® entfernt wurde.         nähe liegen, sowie in reinen Nadel-
                  dazu betrug dieses Risiko für nicht          Eine Postmarketing-Studie des Her-      holzwäldern sind Zecken selten.
                  geimpfte Personen bei 1:18 000 pro           stellers ergab, dass die Inzidenz von   Über einer Höhe von rund 1000 m
                  Jahr (unter der Annahme von 1,1              (leichteren) anaphylaktischen Re-       ü.M sind bisher keine Gebiete mit
                  Millionen exponierten Personen).             aktionen mit dem polygelin-freien       FSME-Viren infizierten Zecken be-
                  Wären effektiv regelmässige Auf-             Impfstoff höchstens im Bereich von      kannt.
                  frischimpfungen alle 3 Jahre not-            ca. 0,1–0,2 pro 100 000 verkaufter         Bei Kindern unter sechs Jahren
                  wendig, so müssten deutlich mehr             Dosen liegt [26].                       ist eine Impfung im Allgemeinen
                  Erkrankungen bei Personen, die                  Schwerere neurologische Neben-       nicht notwendig, da schwere Er-
                  mehr als 3 Impfdosen erhalten hat-           wirkungen wurden verschiedentlich       krankungen in dieser Altersgruppe
                  ten, beobachtet werden. Dies unter           beschrieben mit einer Häufigkeit        selten sind (durchschnittlich drei
                  der Annahme, dass in der Praxis              zwischen 1:70 000 und 1:1 Mio.          hospitalisierte Kinder pro Jahr).
                  regelmässige dreijährige Auffrisch-          Dosen [27, 28]. Bei der Seltenheit
                  impfungen nur teilweise durchge-             solcher Ereignisse ist eine Beurtei-    Impfschema
                  führt werden. In der Praxisstudie in         lung des kausalen Zusammenhangs         – Primovakzination mit 3 Dosen
                  Schaffhausen hatten die Personen,            schwierig, muss aber in Einzelfällen      (0, 1–3, 9–12 Monate (Encepur®)
                  die für eine Auffrischimpfung ka-            als gegeben erachtet werden. Dies         resp. 5–12 Monate (FSME-Im-
                  men, im Mittel 4,2 Impfungen vor             zeigte zum Beispiel ein kürzlich er-      mun®).
                  diesem Zeitpunkt erhalten. Die Zeit-         schienener Fallbericht über einen         Mit beiden Impfstoffen kann bei
                  dauer seit der letzten Impfung be-           Patienten mit akuter disseminierter       Bedarf ein Schnellschema ange-
                  trug bei 43% der Geimpften über              Enzephalomyelitis (ADEM) nach der         wendet werden (Encepur®: 0, 7,
                  3 Jahre, bei 17% über 5 Jahre und            ersten FSME-Impfung, bei dem sich         21 Tage, 12–18 Monate; FSME-
  27. März 2006

                  bei 4% mehr als 10 Jahre ([20, 21]           die Symptomatik nach der 2. und           Immun®: 0, 14 Tage, 5–12 Mo-
                  und persönliche Mitteilung A. Kind).         3. Impfung wiederholte [29, 30]. Die      nate; vgl. Fachinformationen).
                                                               frühere Beobachtung über deutlich       – Auffrischimpfungen alle 10 Jahre2.
                                                               mehr Meldungen von neurologi-             Wird mit Encepur® nach dem
                  NEBENWIRKUNGEN                               schen Nebenwirkungen (wie Me-             Schnellschema geimpft, so ist die
                                                               ningitis, Enzephalitis, Neuropathie)      vierte Dosis mit 12–18 Monaten
                  Lokalreaktionen werden v.a. bei Er-          nach FSME-Impfung im Vergleich            zu verabreichen.
                  wachsenen in bis zu einem Drit-              mit anderen Impfungen, hat sich in
                  tel der Geimpften beobachtet [14].           den letzten Jahren nicht mehr be-       Kontraindikationen
                  Systemische Reaktionen (in abneh-            stätigt (BAG, unpublizierte Daten).     – akute schwerere Erkrankung,
                  mender Häufigkeit: Kopfschmer-                                                       – anaphylaktische Reaktion auf eine
                  zen, Müdigkeit, Myalgien, Übelkeit,                                                    frühere Impfung oder einen Impf-
                  Arthralgien) wurden bei 10–22% der           EMPFEHLUNGEN                              stoffbestandteil,
                  Geimpften beobachtet [14, 16, 17].                                                   Vorsichtsmassnahmen:
                  Fieber ist bei Erwachsenen selten            Impfung:                                – Bei früheren allergischen, nicht
                  (ca. 1%), bei Kindern und insbeson-          Die FSME-Impfung wird allen Er-           anaphylaktischen Reaktionen auf
  Bulletin 13

                  dere Kleinkindern wird Fieber bei            wachsenen und Kindern (im Allge-          Hühnereiweiss ist eine Impfung
                  6–24% beobachtet. Hohes Fieber               meinen ab 6 Jahren), die in Ende-         unter sorgfältiger klinischer Über-
                  >40 oC) ist selten (
      Übertragbare               Krankheiten

Abbildung 2
Zeckenenzephalitis (FSME) – Schweiz
Bekannte Endemiegebiete (Naturherde)

                                                                            27. März 2006
                                                     BAG: Stand März 2006

– Anwendung von gegen Zecken
  wirksamen Repellentien,
– Absuchen des Körpers und der
  Kleider nach Exposition,
                                                                            Bulletin 13

– rasche Entfernung der Zecken,
  Desinfektion,
– Zeitpunkt des Zeckenstichs notie-
  ren.  
Eidgenössische Kommission
für Impffragen (EKIF)
Bundesamt für Gesundheit
Direktionsbereich öffentliche Gesundheit
Sektion Impfungen
Telefon 031 323 87 06

                                                                            229
      Übertragbare          Krankheiten

                                                                                          Literatur
                  FSME-REGIONEN:                                                           1. Dumpis U, Crook D, Oksi J. Tick-borne
                                                                                              encephalitis (review). Clin Inf Dis
                  Aargau:       Rheinfelden/Möhlin/Wallbach, Bezirk Laufenburg,               1999; 28: 882–90
                                Koblenz/Döttingen/Zurzach, Birr/Brugg/Würenlingen,         2. Süss J. Epidemiology and ecology of
                                Baden/Wettingen, Rothrist/Zofingen/Brittnau,                  TBE relevant to the production of
                                Gontenschwil/Schöftland/Muhen/Gränichen                       effective vaccines. Vaccine 2003;
                                                                                              21 (Suppl 1): S19–35
                                                                                           3. Krech U, Jung F, Jung M. Zentraleuro-
                  Bern:         Gampelen/Erlach, Grosses Moos, Lyss/Jens/Port,                päische Zeckenenzephalitis in der
                                Mühleberg/Kriechenwil, Belp/Münsingen/Steffisburg,            Schweiz. Schweiz Med Wochenschr
                                Thun/Spiez/Frutigen, Erlenbach/vorderes Simmental             1969; 99: 282–5
                                                                                           4. Spiess H, Mumenthaler M, Burkhard
                  Fribourg:     Salvenach/Ulmiz/Kerzers                                       S, Keller H. Zentraleuropäische
                                                                                              Enzephalitis (Zeckenenzephalitis) in
                                                                                              der Schweiz. Schweiz Med Wochen-
                  Graubünden:   Fläsch/Luziensteig, Grüsch/Seewis                             schr 1969; 99: 277–82
                                                                                           5. Krech Th. Die Frühsommer-Meningo-
                  Luzern:       Reiden/Langnau/Dagmersellen/Nebikon/Egolzwil/Kottwil/         enzephalitis (FSME) in der Schweiz.
                                Sursee/Knutwil                                                Diss. Med. Fakultät Universität Bern,
                                                                                              1980
                                                                                           6. Wyler R, Schmidtke W, Kunz Ch,
                  Nidwalden:    Stans/Buochs/Bürgenstock, Stanserhorn                         Radda A, Henn V. Meyer R. Zeckenen-
                                                                                              zephalitis in der Region Schaffhausen:
                  Obwalden:     Kerns/Stanserhorn                                             Isolierung des Virus aus Zecken und
                                                                                              serologische Untersuchungen.
                  Schaffhausen: Hallau, Osterfingen, Neuhausen/Beringen/Schaffhausen,         Schweiz Med Wochenschr 1973; 103:
                                Stein am Rhein                                                1487–92
                                                                                           7. Radda A, Schmidtke W, Wandeler A.
                                                                                              Virus der Frühsommer-Meningoenze-
                  Solothurn:    Bellach/Lommiswil/Langendorf                                  phalitis. Nachweis des Virus der
                                                                                              Frühsommer-Meningoenzephalitis in
                  St. Gallen:   Jonschwil/Zuzwil/Niederhelfenschwil, Mörschwil,               Ixodes ricinus aus dem Kanton Zürich.
  27. März 2006

                                St. Magrethen/Balgach, Jona/Wagen, Mels/Sargans/Vilters       Zbl Bakt Hyg 1974; 229: 268–72
                                                                                           8. Wyler R, Matile H. Zeckenenzephalitis
                                                                                              in der Schweiz. 1. Klinik und Epide-
                  Thurgau:      Diessenhofen/Basadingen, Ermatingen/Kreuzlingen,              miologie. 2. Diagnose und Immunpro-
                                Warth/Weiningen/Herdern/Nussbaumen, Frauenfeld,               phylaxe. Schweiz Rundschau Med
                                Stettfurt/Weingarten/Thundorf, Lommis/Aadorf/Wängi,           (Praxis) 1984; 73: 601–19
                                Affeltrangen/Oppikon/Friltschen, Weinfelden,               9. Kaiser R. Epidemiologie und Verlauf
                                Zihlschlacht/Kesswil                                          der Frühsommer-Meningoenzephalitis
                                                                                              in Baden-Württemberg zwischen 1994
                                                                                              und 1999. Deut Med Wochenschr
                  Waadt:        Cudrefin/Salavaux                                             2000; 125: 1147–53
                                                                                          10. Schwanda M, Oertli S, Frauchiger B,
                  Zug:          Steinhausen                                                   Krause M. Die Frühsommer-Meningo-
                                                                                              enzephalitis im Kanton Thurgau: eine
                  Zürich:       Eglisau/Rafz, Unteres Glattal, Neerach/Bachs, Bülach,         klinisch-epidemiologische Analyse.
                                Flaach, Ellikon a.R./ Rheinau, Andelfingen, Ossingen,         Schweiz Med Wochenschr 2000; 130:
                                                                                              1447–55
                                Stammheim, Thalheim/Altikon/Ellikon a.d.Th.,              11. Haglund M, Gunther G. Tick-borne
                                Region Winterthur, Schottikon/Zünikon/Elgg, Kloten,
  Bulletin 13

                                                                                              encephalitis - pathogenesis, clinical
                                Rümlang/Opfikon/Wallisellen/Dübendorf,                        course and long-term follow-up.
                                Effretikon/Bassersdorf, Weisslingen/Fehraltdorf/Zell,         Vaccine 2003; 21 (Suppl 1): S11–8
                                Uster/Greifensee, Küsnacht/Zollikon/Zollikerberg,         12. Lämmli B, Müller A, Ballmer PE.
                                Pfannenstiel, Rüti, Thalwil, Horgen, Sihltal,                 Spätfolgen nach Frühsommer-
                                                                                              Meningoenzephalitis. Schweiz Med
                                Mettmenstetten/Affoltern a.A.                                 Wochenschr 2000; 130: 909–15
                                                                                          13. Zimmermann H, Koch D. Epidemiolo-
                  Fürstentum                                                                  gie der Frühsommer-Meningo-
                  Liechtenstein: Balzers/Vaduz/Nendeln                                        Enzephalitis (FSME) in der Schweiz
                                                                                              1984 bis 2004. Therapeutische
                                                                                              Umschau 2005; 62: 719–25
                                                                                          14. Ehrlich HJ, Pavlova BG, Fritsch S et al.
                                                                                              Randomized, phase II dose-finding
                                                                                              studies of a modified tick-borne
                                                                                              encephalitis vaccine: evaluation of
                                                                                              safety and immunogenicity. Vaccine
                                                                                              2003; 22: 217–23
                                                                                          15. Ehrlich HJ, Löw-Baselli A, Poellabauer
                                                                                              EM et al. Randomized, phase II,
                                                                                              milticenter dose-finding studies of a
230                                                                                           modified tick-borne encephalitis
      Übertragbare                  Krankheiten

    vaccine in children: evaluation of         29. Schattenfroh C. Akute disseminierte
    safety and immunogenicity of two               Enzephalomyelitis nach aktiver
    vaccinations with FSME-Immun                   Immunisierung gegen Frühsommer-
    «new». Int J Med Miccrobiol 2004;              Meningoenzephalitis. Der Nervenarzt
    293 (Suppl. 37): 126–7                         2004; 75: 776–9
16. Zent O, Banzhoff A, Hilber AK,             30. Aebi C. Prävention der Frühsommer-
    Meriste S, Sluzewski W, Wittermann             Meningoenzephalitis (FSME).
    Ch. Safety, immunogenicity and                 Therapeutische Umschau 2005; 62:
    tolerability of a new pediatric tick-          726-30
    borne encephalitis (TBE) vaccine, free
    of protein-derived stabilizer. Vaccine
    2003; 21: 3584–92
17. Zent O, Beran J, Jilg W, Mach T,
    Banzhoff A. Clinical evaluation of a
    polygeline-free tick-borne encephalitis
    vaccine for adolescents and adults.
    Vaccine 2003; 21: 738–41
18. Rendi-Wagner P, Kundi M, Zent O et
    al. Immunogenicity and safety of a
    booster vaccination against tick-borne
    encephalitis more than 3 years
    following last immunisation. Vaccine
    2004; 23: 427–34
19. Rendi-Wagner P, Kundi M, Zent O et
    al. Persistence of protective immunity
    following vaccination against tick-
    borne encephalitis – longer than
    expected? Vaccine 2004; 22: 2743–9
20. Kind A. Wie viele Auffrischimpfungen
    sind notwendig gegen die Zeckenen-
    zephalitis FSME (Frühsommermenin-
    goenzephalitis)? Schweizerische
    Ärztezeitung 2004; 85: 844–8

                                                                                         27. März 2006
21. Kind A. Erfahrungen mit Titermessun-
    gen zur Impfschutzkontrolle bei der
    Zeckenenzephalitis FSME, Primary
    Care 2005; 5: 231–5
22. Hainz U, Jenewein B, Asch E, Pfeiffer
    K-P, Berger P, Grubeck-Loebenstein B.
    Insufficient protection for healthy
    elderly adults by tetanus and TBE
    vaccines. Vaccine 2005; 23: 3232–5
23. Hayasaka D, Ivanov L, Leonova GN et
    al. Distribution and characterization of
    tick-borne encephalitis viruses from
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    Virol 2001; 82: 1319–28
24. Kunz Ch. TBE vaccination and the
    Austrian experience. Vaccine 2003;
    21 (Suppl.1): S50–5
25. Pavlova BG, Loew-Baselli A, Fritsch S
                                                                                         Bulletin 13
    et al. Tolerability of modified tick-
    borne encephalitis vaccine FSME-
    IMMUN «NEW» in children: results of
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26. Zent O, Hennig R. Post-marketing
    surveillance of immediate allergic
    reactions: polygeline-based versus
    polygelinefree pediatric TBE vaccine.
    Vaccine 2004; 23: 579–84
27. Koller A, Doser K, Hartmann K, Fleisch
    F, Kuhn M. Vermutete neurologische
    Nebenwirkungen der FSME-Impfung:
    Erfahrungen der Schweizerischen
    Arzneimittel-Nebenwirkungs-Zentrale
    (SANZ). Praxis 2002; 91: 159–62
28. Hofmann H. Muss nach FSME-
    Impfung mit dem Auftreten neurologi-
    scher Störungen gerechnet werden?
    Wien Klein Wochenschr 1995; 107:
    509–15
                                                                                         231
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