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22 PORTRÄT
Engagement für 50plus
Samuel Stalder betreibt ein
Stellenportal für über
50-Jährige. Mit diesem Angebot
deckt der Jungunternehmer
und ehemalige KV-Absolvent
eine Nische ab.
Andrea Söldi
Michele Limina
CONTEXT – Oktober 2018
PORTRÄT 23
«Bei uns inserieren nur Firmen, die
ältere Arbeitnehmer zu schätzen
wissen, und einen gesunden Genera-
tionenmix anstreben.»
E r ist gerade mal 36 Jahre alt
und in der digitalisierten Welt
aufgewachsen. Damit befindet sich Sa-
muel Stalder in einer grundlegend an-
bau seines eigenen Geschäfts kein Spa-
ziergang. «Sich selbstständig zu ma-
chen, ist ein grosser Aufwand und mit
vielen Auf und Abs verbunden», hat
deren Lebensphase als seine geschäftli- Stalder erfahren. Und man müsse bereit
che Zielgruppe: Der Jungunternehmer sein, einige Lektionen zu lernen. So hat
hat eine Stellenplattform für Menschen er zum Beispiel letztes Jahr ein Callcen-
ab 50 geschaffen, die seit dem Sommer ter engagiert, um Firmen zu akquirie-
2016 online ist. «Für über 50-Jährige ist ren, die auf seiner Webseite inserieren.
es oft schwierig, eine neue Stelle zu fin- Dies kostete ihn mehrere Tausend Fran-
den», weiss der Winterthurer. «Vorurtei- ken. Gebracht hat es ihm aber kaum et-
le gegenüber älteren Arbeitsnehmern was. «Letztes Jahr bin ich finanziell
halten sich hartnäckig, obwohl die durch die Wüste gegangen», blickt Stal-
meisten Menschen heutzutage bis über der zurück. Er habe zum Teil vom Er-
das Pensionsalter hinaus gesund und sparten gelebt. Als sich dann noch
leistungsfähig sind.» Nachwuchs ankündigte, sei er schon
etwas besorgt gewesen, räumt der Vater
ZWISCHEN ÄNGSTEN UND ZUVERSICHT einer einjährigen Tochter ein. Dann
Was es heisst, mit bald 60 seinen Job zu zuckt er mit den Schultern: «Straucheln
verlieren, hat Stalder bei einem nahen gehört dazu.» Er habe viele schlaflose
Verwandten hautnah miterlebt. Trotz Nächte verbracht und manchmal fast
guter Qualifikationen und langjähriger aufgegeben, wenn es mal eine Woche
Erfahrung hat dieser erst nach zahl lang harzig lief. Doch sobald ein Erfolg
reichen Bewerbungen und Absagen eintrat, wenn etwa eine neue Firma ein
schliesslich nochmals eine Anstellung Stelleninserat schaltete, gab ihm das
gefunden. Zur Geschäftsidee trugen zu- wieder Mut und Auftrieb. Während er
dem zahlreiche Medienberichte bei. anfangs noch für die Vergleichsseite
Das Thema 50plus war gerade sehr prä- Comparis arbeitete und sich nur in der
sent, als sich Stalder vor vier Jahren eine Freizeit mit seinem Projekt beschäftig-
berufliche Auszeit nahm. Aufgrund von te, widmet er sich diesem seit zwei Jah-
Umstrukturierungen hatte er seine Stel- ren vollamtlich. Um die Spesen tief zu
le als Geschäftsführer beim digitalen halten, hat er seinen Arbeitsplatz in ei-
Immobilien-Portal home.ch verloren. nem Co-Working-Space in der Nähe des
Zuvor hatte der KV-Absolvent und Me- Bahnhofs Winterthur eingerichtet. Dies
dienfachmann während einiger Jahre ermöglicht ihm auch etwas Distanz von
Erfahrungen bei den Tamedia-Stellen- zu Hause und zuweilen eine Kaffeepau-
portalen Jobwinner und Alpha gesam- se mit anderen freischaffenden Leuten.
melt. Zu Beginn seines Wagnisses suchte
An Branchenkenntnissen fehlte es er hin und wieder den Kontakt zur
ihm also nicht. Trotzdem war der Auf- Start-up-Szene. Er besuchte Info-Veran-
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staltungen und tauschte sich an Netz- Unternehmensgründer. Auch Verant- profitieren könnten. Stellensuchende
werk-Apéros mit anderen Jungunter- wortungsbewusstsein, Gelassenheit in schalten in der Regel ihre Bewerbungs-
nehmern aus. Diese Angebote seien vor Stresssituationen, Loyalität sowie Iden- unterlagen auf der Plattform auf. Mitt-
allem für ganz Unerfahrene nützlich, tifikation mit dem Unternehmen seien lerweile sind über 3200 Profile hinter-
findet Stalder. «Mir haben sie nicht so bei den sogenannten Babyboomern legt, die auch der Betreiber einsehen
viel gebracht.» Sehr wichtig war ihm oder Best Agers besonders ausgeprägt. kann. «Viele davon sind suboptimal»,
aber die Unterstützung seiner Partne- Zudem sei der Arbeitsmarkt auf diese weiss der erfahrene Fachmann. «Wenn
rin, einer Arbeits- und Organisations- Gruppe angewiesen: Um die Zuwande- die Gestaltung nicht ansprechend, das
psychologin. «Sie ist meine härteste Kri- rung aus dem Ausland zu reduzieren, Foto veraltet oder der Lebenslauf un-
tikerin und holt mich immer wieder wie es auf politischer Ebene angestrebt übersichtlich sind, hat man von vorn-
auf den Boden zurück», erzählt Stalder wird, braucht es genügend einheimi- herein keine Chance.» Stalder ruft die
lächelnd. Kehrte er zum Beispiel eu- sche Arbeitskräfte. Und auch die demo- Betroffenen dann jeweils an und macht
phorisch von einem Meeting zurück, graphische Entwicklung mit einem sie auf die Mängel aufmerksam. «Das
bei dem ihm Firmen Hoffnungen ge- Einbruch bei den jüngeren Jahrgängen braucht viel Fingerspitzengefühl.»
macht hatten, so erkundigte sich seine legt nahe, dass ältere nicht vorzeitig aus
Partnerin nüchtern und pragmatisch: dem Arbeitsleben aussteigen sollten. NIE MEHR INS GROSSRAUMBÜRO
«Und wo ist der Vertrag?» Tatsächlich Unterdessen kann er von seiner Inno-
wurde er viele Male hingehalten. Vor vation leben und bald will er auch je-
allem von grösseren Betrieben, bei de- manden einstellen, um neue Firmen zu
nen die Entscheidungswege lang und «Wenn die Gestaltung gewinnen. Doch hinter dem Erreichten
kompliziert sind. Unterdessen fokus- steckt viel Arbeit. Rund 60 Stunden pro
siert Stalder stärker auf kleinere und
nicht ansprechend ist oder Woche seien es in der Regel schon,
mittlere Unternehmen. Sein Einkom- das Foto veraltet, hat schätzt der Start-up-Gründer. Wertvoll
men besteht aus den Gebühren für die sei, dass er seine Zeit so frei einteilen
man von vornherein keine
Ausschreibungen. Für Stellensuchende kann. Am Montag betreut er regel-
ist die Dienstleistung umsonst. «Von ih- Chance.» mässig sein Töchterchen und bei schö-
nen etwas zu verlangen, wäre unethisch», nem Wetter macht er auch mal früher
findet der Geschäftsführer. Er erhalte Feierabend. Dafür arbeitet er häufig bis
auch keine Vermittlungskommission. Unterdessen inserieren bereits über 80 spät in die Nacht hinein und an den
Unternehmen verschiedenster Bran- Wochenenden. Viel Freizeit bleibt da
DIE QUALITÄTEN VON ÄLTEREN chen auf work50.ch, darunter so bekann- nicht. Keine Abstriche macht der be-
ERKENNEN te wie das Universitätsspital Zürich, die geisterte Eishockey-Spieler aber beim
Mit seinem Angebot deckt der Jungun- Bundesverwaltung, die Securitas Gruppe Sport: Das dreimal wöchentliche Trai-
ternehmer eine Nische ab. Auf dem und die Axa Versicherung. Eine der ers- ning ist ihm heilig. «Da kann ich gut
Schweizer Markt seien zwar über 100 ten Firmen, die Stalder gewinnen konn- abschalten.» Und sowieso: Auf neue,
verschiedene Online-Stellenportale ak- te, war das Möbelhaus Ikea. Das schwe- kreative Ideen komme man meist nicht
tiv, hat er recherchiert. Darunter sind dische Möbelhaus schreibe seine dann, wenn man angestrengt danach
solche, die sich speziell an Studierende, Vakanzen heute ausschliesslich bei ihm sucht, sondern viel eher, wenn man sich
Mütter oder Menschen mit Behinde- aus, freut sich Stalder, und habe bereits mal vom Bildschirm löst.
rung richten, an Lehrpersonen, Hand- zahlreiche neue Mitarbeitende einge- Trotz all der Arbeit, trotz Unsicher-
werker, Juristen oder andere Berufs- stellt. Wie hoch die Erfolgsquote auf heiten und finanzieller Risiken bereut
gruppen. «Im Ü-50-Bereich bin ich seiner Plattform generell ist, kann er der Geschäftsgründer seinen Entscheid
praktisch konkurrenzlos», freut sich jedoch nicht sagen, weil er in der Regel nicht. Kürzlich hat er sich wieder ein-
Stalder und unterstreicht die Vorteile nichts von neu abgeschlossenen Ar- mal mit seinen früheren Arbeitskolle-
einer spezialisierten Plattform: «Bei beitsverhältnissen erfährt. gen zum Mittagessen getroffen. Danach
uns inserieren nur Firmen, die ältere Seit einigen Monaten pflegt Stalder zeigten sie ihm ihr Grossraumbüro in
Arbeitnehmer zu schätzen wissen, und eine Zusammenarbeit mit dem Kauf- einem schicken Neubau. «Die Leute sas-
einen gesunden Generationenmix an- männischen Verband Winterthur. Die- sen dicht nebeneinander und der Ge-
streben.» In der Regel spricht er höchst- ser betreibt ein Weiterbildungspro- räuschpegel war beträchtlich», erzählt
persönlich bei den Verantwortlichen gramm, das sich speziell an Menschen Samuel Stalder und greift sich dabei an
vor und versucht, sie vom Wert der Ge- ab 40 richtet, und verlinkt sein grosses den Hals. «Ich habe eine Enge gespürt»,
neration 50plus zu überzeugen. «Sie Seminarangebot mit work50. Gegen sagt er. «In diesem Moment wusste ich:
verfügen über enorm viel Wissen und eine finanzielle Entschädigung vermit- Das will ich nie mehr.»
Erfahrung, sowohl für die Arbeit als telt Stalder dem Verband zudem Per www.work50.ch
auch im sozialen Umgang», weiss der sonen, die von dessen Career Services
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