Veränderungsprojekte scheitern, wenn sie zu komplex oder zu einfach sind

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Veränderungsprojekte scheitern, wenn sie zu komplex oder zu einfach sind
10 Management

Managementverantwortung in Veränderungsprozessen

Veränderungsprojekte scheitern, wenn
sie zu komplex oder zu einfach sind
Profitieren vom bewährten Erfolgsrezept des goldenen Mittelwegs zwischen Komplexität und Simpli-
zität: Clevere Manager fokussieren konsequent auf die Steuerung weniger, aber relevanter Verände-
rungshebel. Durch den hohen Vernetzungsgrad vieler Einflussfaktoren mit Rückkoppelungen ist eine
professionelle Komplexitätsreduktion unabdingbar.

Andreas D. Baumann                              wertung dieser zentralen Herausforderung         erfolg. Dazu zählen zum Beispiel die Quali-
                                                erwirken. Hand aufs Herz: Wer – ausser dem       tät des Projektleiters (mit Abstand wich-
In seiner Division gäbe es keinen Verände-      CEO – nimmt im Unternehmen diese Auf-            tigster Faktor), das Nutzen asymmetrischer
rungsbedarf, sagte ein Manager vor nicht        gabe professionell und integral wahr? Ob         Kräfte, die Informationspolitik, das Commit-
allzu langer Zeit. Fünf Monate später wur-      Restrukturierung, Reorganisation, Kosten-        ment des Managements und eine fokussier-
de er ersetzt. Er hatte offenbar auf das Sze-   senkung oder Strategiewechsel, Leitbildent-      te Umsetzung der Veränderungsthemen.
nario «Bewahrung» statt «Veränderung»           wicklung, Markterschliessung und IT-Pro-         Längerfristig zu optimierende Hebel sind ex-
gesetzt. Unternehmen, die den schnellen         jekt: Alle benötigen «Veränderungskompe-         zellente Führungsleistung, günstige Unter-
Wandel nachhaltig bewältigen, setzen auf        tenz».                                           nehmenskultur sowie die Adaption früherer
eine veränderungsfreudige Unternehmens-                                                          Erfahrungen aus Veränderungsprozessen.
leitung. Erfolgreiche Veränderungsoffen-
siven haben ihre Sponsoren immer ganz           Veränderungshebel
oben und beginnen auch dort.                                                                     Veränderungswiderstände
                                                Oft sind Projektteams so sehr mit Fachfra-
                                                gen beschäftigt, dass die eigentliche Verän-     Widerstände gehören zur nachhaltigen Ver-
Veränderungsfitness                             derungsarbeit komplett auf der Strecke           änderung. Ein professioneller Umgang mit
                                                bleibt: «Wir hatten für die soft facts einfach   ihnen lässt sie schnell zu Chancen werden.
Gute Finanzzahlen sind nicht immer gleich-      keine Zeit mehr.» Veränderungsprojekte           Widerstand entsteht aus Ängsten. Angst-
bedeutend mit Veränderungsfitness. Diese        werden erst dann gestartet, wenn die Errei-      kultur als Stichwort. Abhilfe schafft eine of-
ist das Resultat von Unternehmensgeschich-      chung der Fachziele massiv gefährdet, der        fene, permanente und ehrliche Kommuni-
te, Führungsperformance und praktizierter       Widerstand der Betroffenen unüberhörbar          kation der Veränderungsoffensive mit glaub-
Veränderungsmethodik. Eigentlich sollte         oder das Projekt bereits abgestürzt ist. So      würdiger Begründung. Dies wird leider
Veränderungsfitness eine der wichtigsten        weit die Erfahrung aus der Praxis. Die gute      immer wieder «vergessen». Widerstände,
Kennzahlen für die Zukunftssicherung sein.      Nachricht: Es müssen nicht alle Einflussfak-     die sich nicht bereinigen lassen, haben
Sie ist es bei den wenigsten Unternehmen,       toren gesteuert werden, um die geplante          meist persönliche und keine fachlichen Hin-
da angeblich schwierig zu messen. Vermut-       Unternehmensentwicklung voranzutreiben.          tergründe. Diese Personen sind in der Regel
lich würde ein kompetenter Verantwort-          Es gibt Beeinflussungshebel mit überpro-         umgehend zu isolieren, um eine weitere ne-
licher für Veränderungssteuerung eine Auf-      portionaler Wirkung auf den Veränderungs-        gative Einflussnahme auf Projektfortschritt

KMU-Magazin Nr. 8, Oktober 2007
Management 11

 Beeinflussungshebel in Veränderungsprozessen
      +++
                              aktiv                                                                                           kritisch
                              • Projektleiter Veränderungsprojekt                     • Führungsleistung des Managements
                              • Erfahrung aus früheren Projekten                      • Asymmetrische Kräfte
                              • Info über den Veränderungsprozess                     • Commitment des Top Managements
                              • Günstige Unternehmenskultur                           • Einbezug der Betroffenen
                              • Tiefe Fluktuation bei Key-Mitarbeitern                • Sponsoren für Veränderungsprozess
                                                                                      • Projektteam «Veränderungsprozess»
            Aktivitätsmass

                                                                                      • Risikomanagement des Prozesses

                              • Veränderung fokussiert umsetzen                       • Mitarbeiterzufriedenheit optimieren
                              • Leidensdruck für Veränderung
                              • Veränderungsopposition unterbinden
                              • Perspektiven für Schlüsselleute

                              träge                                                                                           passiv
                                                                            Trägheitsmass                                          +++
                             Legende
                             aktiv:      beeinflussen andere stark und werden schwach beeinflusst
                             kritisch:   beeinflussen andere stark und werden stark beeinflusst
                             träge:      beeinflussen andere schwach und werden schwach beeinflusst
                             passiv:     beeinflussen andere schwach und werden stark beeinflusst
                                                                                                                © ConsultingWorld AG, Zug

und -image zu verhindern. Natürlich bringt                 erhalten auch wir unsere Lerneinheiten:      des Öfteren auch deswegen, weil der Pro-
ein Veränderungsprojekt für gewisse Inte-                  Nach einer verweigerten Abnahme eines        jektleiter oder das ganze Team mit Interes-
ressengruppen auch Trainingseinheiten oder                 Zwischenresultats in der Geschäftsleitung    sen- und Zielkonflikten konfrontiert sind:
gar Nachteile. Diese sollen offen angespro-                eines Kunden fordern wir neuerdings bei      «Rationalisieren Sie mal Ihre eigene Abtei-
chen und – wenn möglich – kompensiert                      wichtigen Meilensteinen im Projektteam ein   lung.» Das abgebildete, stark vereinfachte
werden.                                                    explizites, «öffentliches» Commitment je-    Feedbackdiagramm zeigt die vernetzten Ur-
                                                           des Teammitglieds. Die Erfahrung zeigt,      sache-/ Wirkungsbeziehungen der Einfluss-
Nebst dem mittleren Management zeigen                      dass sich diese Commitments im ganzen        faktoren. Eine günstige Beeinflussung der
die Mitarbeiter erfahrungsgemäss die                       Unternehmen günstig auswirken. Jeder ist     aktiven und kritischen Elemente bewahrt
grösste Skepsis gegenüber Veränderungs-                    bestrebt, sich entsprechend seinem eigenen   vor einem Projektmisserfolg. Abgestürzte
vorhaben. Je höher die (vermutete) Betrof-                 Bekenntnis auch zu verhalten (Konsistenz-    Veränderungsprojekte sind meistens die
fenheit, desto grösser die kritische oder ab-              prinzip).                                    Folge von Schmerzvermeidung. Ein Auf-
lehnende Haltung. Die Nutzung asymme-                                                                   schieben des Schmerzes (Entscheidungsde-
trischer Kräfte empfiehlt eine besondere                                                                fizite, fehlende Richtungswechsel, ungeeig-
Fokussierung auf die Extrempositionen                      Veränderungsmisserfolge                      netes Projektteam, lausiges Projektcontrol-
«komplett dagegen» und «sehr dafür». Ei-                                                                ling, fehlende Sponsoren, Widerstand der
nige Manager benützen die Analyse von ab-                  In der Praxis sind oft Vorgehensweisen an-   Betroffenen usw.) endet früher oder später
geschlossenen Veränderungsprojekten als                    zutreffen, die entweder zu komplex oder      in einer teuren Katastrophe. Viele Karrieren
Lern- und Weiterbildungsprozess. Ab und zu                 aber zu einfach sind. Projekte versanden     enden mit gescheiterten (Gross-)Projekten.

                                                                                                                   KMU-Magazin Nr. 8, Oktober 2007
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 Feedback-Diagramm Veränderungsprozess

                                                                                              Asymmetrische
           Führungsleistung                   Mitarbeiterzufriedenheit                         Kräfte nutzen
              optimieren                            optimieren

                                                                                                                     Commitment
                                                                              Management                           des Managements
                         Perspektiven
                    für Schlüsselpersonen                                     der Emotionen

                                                                                                               Sponsoren wirken
       Tiefe Fluktuation
     bei Schlüsselpersonen

                                                         Veränderungsprojekt                              Risikomanagement
                                                      erfolgreich abgeschlossen!                             des Prozesses
              Qualität
          des Projektteams
                                                                                                                       Opposition
                                                                                                                   schnell unterbinden
             Betroffene einbeziehen
                                                             Qualität                             Frühere Erfahrungen
                                                         des Projektleiters                         berücksichtigen
          Leidensdruck für
        Veränderung schaffen                                                                                             Information
                                                                                    Veränderung                          sicherstellen
                                    Günstige Unternehmens-                       fokussiert umsetzen
                                        kultur etablieren                                                         © ConsultingWorld AG, Zug

Die cleverste Art und Weise mit Problemen        gerade dann ein Musterwechsel im Denken            Veränderungslandkarte mit den Dimensi-
umzugehen, heisst: «Schmerz ja, sofort!»         und Handeln Erfolg versprechender. Das Op-         onen «Strategie/Führung», «Prozesse/Or-
                                                 timieren der Veränderungsfitness ist bildlich      ganisation», «Kultur» und «Systeme» dient
                                                 zu vergleichen mit dem Schärfen des Werk-          dabei als verbindlicher Masterplan.
Veränderungserfolge                              zeuges. Wenn man im abgebildeten «Fit-
                                                 nessradar» die Gaps zwischen IST und SOLL          Je grösser das Unternehmen, desto höher
In kritischen Projektphasen neigen Verant-       lokalisiert hat, ist der Weg zu einer massge-      die Wahrscheinlichkeit, dass zu viele nicht
wortliche dazu, das Ziel mit noch mehr Tem-      schneiderten Veränderungskompetenz im              harmonisierte Veränderungsoffensiven ge-
po und Vehemenz zu verfolgen. Dabei wäre         Unternehmen bereits vorgezeichnet. Die             führt werden. Die Folge davon sind Syner-

KMU-Magazin Nr. 8, Oktober 2007
Management 13

gieverluste bis hin zu einer Lähmung der    wichtige Balance zwischen Tagesgeschäft         100 betroffenen Personen fehlt so im Jahr
ganzen Organisation. Endgültig gefährlich   und Unternehmensentwicklung in einer            die Arbeitsleistung von 20 Mitarbeitern.
wird es dann, wenn Projektaufträge zum      schwierigen Phase wieder finden. Oftmals
Selbstzweck mutieren: «Ich muss meine Di-   reichen schon kleine externe Inputs, die sich
vision mindestens quartalsweise mit einer   schnell amortisieren. Umfragen haben den        Fazit
neuen Offensive beüben.» Für diesen Ma-     Produktivitätsverlust von unprofessionell
nager wurden priorisierte und verdaubare    durchgeführten Veränderungsprozessen ge-        Jedem Unternehmer bietet sich eine gross-
Modernisierungsoffensiven mit Stabilisie-   messen: Sie weisen nach, dass die Produk-       artige Chance: Er versetze sich fünf Jahre in
rungsphasen entwickelt. Führungskräfte      tivität der betroffenen Mitarbeiter um rund     die Zukunft und betrachte sein Unterneh-
und Mitarbeiter konnten aufatmen und die    20 Prozent sinkt. Dies ist dramatisch. Bei      men rückblickend. Wie hoch würde er die

 Messung der Veränderungsfitness
                                                        Geeignete Projektleiter
                                                                 100
                         Qualität des Projektteams                                    Einbezug von Erfahrungen
                                                                   80

                                                                   60
   Sponsoren für Veränderungsprozesse                                                           Management der Emotionen
                                                                   40
                                                                   20
                                                                    0
              Einbezug der Betroffenen                                                              Informationsqualität

     Commitment des Top-Managements                                                             Günstige Unternehmenskultur

                      Asymmetrische Kräfte nutzen                                     Fluktuation bei Key-Mitarbeitern
                                                 Führungsleistung des Managements

                                                        ZIEL-Wert             IST-Wert                   © ConsultingWorld AG, Zug

                                                                                                       KMU-Magazin Nr. 8, Oktober 2007
14 Management

 Veränderungslandkarte des Unternehmens

     Zukunftsbild
     Ihr Unternehmen in fünf Jahren:

   Veränderungsbedarf              Veränderungsbedarf           Veränderungsbedarf         Veränderungsbedarf                 Veränderungsbedarf
   • …………………..                     • …………………..                 • …………………..                • …………………..                        • …………………..
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                                                                     Prozesse/
          Strategie                         Führung                 Organisation                     Kultur                             Systeme

     Status quo
     Ihr Unternehmen heute:

                                                                                                                     © ConsultingWorld AG, Zug

Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass Ver-             richtig waren, um das Unternehmen nach          Diese Symptome treffen wir eher in grös-
änderungskonzept und -energie damals                  vorne zu bringen? Ein Manager hat einmal        seren Unternehmen an. KMU weisen einen
                                                      gesagt, dass er jahrelang täglich ein selbst    entscheidenden Vorteil gegenüber Grossun-
                                                      gemaltes Bild angeschaut hätte. Das Bild        ternehmen auf: Die günstigere Unterneh-
                                                      zeigte ihn in oberster Führungsposition.        menskultur. Diesen Nährboden gilt es zu
 Porträt                                              Heute leitet er erfolgreich eine mittelgros-    nutzen für die Veränderungsfitness der Füh-
                                                      se Bank. Seine Karriere hatte sich schritt-     rungskräfte, Mitarbeiter, Teams und damit
 Andreas D. Baumann, lic. oec. HSG, ist Geschäfts-    weise seinem Idealbild angenähert.              des Unternehmens.
 führer der auf Veränderungsprozesse speziali-
 sierten Firma ConsultingWorld AG. Er berät
                                                      Ohne klares Zukunftsbild des Unterneh-
 (KMU-)Kunden seit Jahren im In- und Ausland
 zu den Themen Veränderungsmanagement,                mens ist es schwierig, wettbewerbssi-
 Strategie/Führung, Prozesse/Organisation und         chernde Langfristmassnahmen zu beschlies-         Fragen
 Kultur. Ein professionelles Coaching-/ Sparring-     sen. Häufige und zähe Diskussionen der
 angebot für Führungskräfte rundet seine Kom-                                                                      Andreas D. Baumann
 petenz ab. Er ist als Gastdozent an der ZHW
                                                      Themen Wachstum und Investitionen deu-                     Lic. oec. HSG, Geschäftsführer
 (Zürcher Hochschule Winterthur) und an der           ten darauf hin. Noch schwieriger ist die                              ConsultingWorld AG
                                                                                                                    Dammstrasse 17, 6301 Zug
 HSW (Hochschule für Wirtschaft in Luzern) zu         Kommunikation einer diffusen oder unter-                               Tel. 041 727 76 54
 den obigen Fachgebieten tätig und publiziert         schiedlich ausgelegten Unternehmensvisi-                andreas.baumann@cwglobe.com
 häufig in den wichtigsten Schweizer Medien.                                                                           www.consultingworld.ch
                                                      on an die Belegschaft.

KMU-Magazin Nr. 8, Oktober 2007
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