Entwicklung einer elektronischen Todesbescheinigung für Deutschland

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Entwicklung einer elektronischen Todesbescheinigung für Deutschland
Leitthema

Bundesgesundheitsbl 2019 · 62:1493–1499      Olaf Eckert1 · Linda Kühl2 · Ulrich Vogel2 · Stefanie Weber2
https://doi.org/10.1007/s00103-019-03055-0    1
                                                  Referat H101 Gesundheitsstatistiken, Statistisches Bundesamt, Bonn, Deutschland
Online publiziert: 22. November 2019          2
                                                  Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, Deutschland
© Der/die Autor(en) 2019

                                             Entwicklung einer elektronischen
                                             Todesbescheinigung für
                                             Deutschland

Einleitung                                   Sicherstellung der Vollzähligkeit der To-                  Die Autoren möchten durch diesen
                                             desursachenstatistik sind.                              Artikel eine Diskussion zum Projekt
Jährlich stellen Ärztinnen und Ärz-             Auf Basis dieser landesgesetzlichen                  anregen und laden zur Kommentierung
te ca. 900.000 Todesbescheinigungen in       Vorgaben hat jedes Bundesland ein                       und zum Diskurs ein. Der folgende Ab-
Deutschland aus, welche die primäre Da-      eigenes Papierformular für die Erstel-                  schnitt soll die Thematik für die künftigen
tenquelle für die Todesursachenstatistik     lung der Todesbescheinigung festgelegt,                 Anwender der eTB (leichenschauende
sind [1]. Die Erhebung der Todesursa-        sodass das Vorgehen zur Erhebung                        Ärztinnen und Ärzte, Gesundheitsämter,
chen erfolgt auf Basis eines über viele      der Todesursachen und der entspre-                      Standesämter, statistische Ämter) veran-
Jahrzehnte entwickelten Systems, das         chenden Dokumentation in mehreren                       schaulichen. Die vorgestellten Szenarien
sich an den Anforderungen der Welt-          Details zwischen den Bundesländern                      skizzieren mögliche Veränderungen der
gesundheitsorganisation (WHO) für die        unterschiedlich ist – eine Situation, die               Arbeitsprozesse durch die eTB. Im An-
Todesursachenstatistik orientiert [2]. Je-   Ärztinnen und Ärzte bei der Bescheini-                  schluss wird die inhaltliche Revision
doch zeigt eine neuere Studie aus Meck-      gung des Todes und dem Ausfüllen der                    und Vereinheitlichung der deutschen
lenburg-Vorpommern, dass fast jede           Bescheinigung vor Probleme stellt [4, 5].               Todesbescheinigungen als ein zentraler
analysierte Todesbescheinigung fehler-          Auch die Situation, in der der Tod                   Teil des Projektes beschrieben und die
haft ausgefüllt ist und bei 27 % sogar       festgestellt wird, und der Ort, an dem                  angestrebte Pilotierungsphase erläutert,
schwerwiegende Dokumentationsfehler          dies geschieht (zuhause, im Krankenhaus                 bei der die Todesbescheinigungen elek-
zu verzeichnen sind [3].                     etc.), können deutlichen Einfluss auf die                tronisch erfasst und verarbeitet werden
   Darüber hinaus wird die Todesursa-        Angaben der Todesbescheinigung haben                    sollen. Hierfür sind der Aufbau einer
chenstatistik direkt und indirekt durch      [6].                                                    IT-Infrastruktur und die Erarbeitung
eine Vielzahl von bundes- und landes-           Auf Basis dieser heterogenen Aus-                    eines Auswertungskonzeptes erforder-
rechtlichenVorgabenbeeinflusst: Unmit-        gangslage wird in einem überwiegend                     lich. Nach Auswertung der Pilottests soll
telbar bestimmt das Bevölkerungsstatis-      papierbasierten Verfahren die nationale                 eine Empfehlung für eine bundesweite
tikgesetz (BevStatG) des Bundes, dass ei-    Todesursachenstatistik erstellt.                        Umsetzung erfolgen. Im letzten Ab-
ne Statistik über die Todesursachen zu          In den kommenden drei Jahren wird                    schnitt werden die Chancen und Risiken
führen ist. Die Bestattungsgesetze und       von den Organisationen der Autoren,                     eines eTB-Projektes diskutiert, wobei
die dazugehörenden Durchführungsver-         dem Statistischen Bundesamt und dem                     internationale Erfahrungen einbezogen
ordnungen der Bundesländer regeln, wie       Deutschen Institut für Medizinische Do-                 werden.
die Daten für die Todesursachenstatistik     kumentation und Information (DIMDI)
erhoben und welche Meldewege und Ar-         ein Pilotprojekt zur Umsetzung und                      Anwendung und Funktion
beits- und Prüfprozesse bis zur amtlichen    Testung einer bundeseinheitlichen elek-                 der elektronischen
Statistik zu durchlaufen sind. Einen wich-   tronischen Todesbescheinigung (eTB)1                    Todesbescheinigung (eTB)
tigen Einfluss hat auch die Strafprozess-     durchgeführt werden.
ordnung (StPO), da bei nichtnatürlichen                                                              Für leichenschauende Ärztinnen und Ärz-
Todesfällen die Bestattung erst nach Ge-                                                             te wäre die eTB ein Formular, das künftig
nehmigung durch die Staatsanwaltschaft                                                               nach der Leichenschau ausgefüllt und
                                             1 Das Projekt wird vom Bundesministerium
erfolgen darf. Das Personenstandsgesetz                                                              nach einer ersten Onlineprüfung auf
(PStG) sowie die Personenstandsverord-       für Gesundheit gefördert. Der Abschlussbe-              Vollständigkeit und Plausibilität an das
                                             richt zum Vorprojekt „Grobkonzeption einer
nung (PStV) regeln die Aufgaben der          bundeseinheitlichen elektronischen Todesbe-             zuständige Gesundheitsamt versandt
Standesämter, die unverzichtbar für die      scheinigung“ (eTB) ist abrufbar unter https://          wird. Dieses Formular wäre interaktiv
                                             www.bundesgesundheitsministerium.de.                    und kontextsensitiv, sodass die Ärztin

                                                                   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 12 · 2019     1493
Leitthema

       oder der Arzt bspw. bestimmte Ab-                oder findet eine staatsanwaltschaftliche         ne deutliche Abweichung in der Darstel-
       schnitte der Todesbescheinigung nur              Untersuchung statt?                             lung von bspw. chronischen Krankheiten
       dann angezeigt bekommt, wenn diese                   Obduktionsergebnisse werden auch            als Grundleiden bedingen [7, 8]. Hinzu
       relevant für den Fall sein könnten. (Die         über das eTB-Portal an das Gesundheits-         kommt, dass es zwischen den Bundeslän-
       Frage nach dem Geburtsgewicht wird               amt übermittelt und können so in der            dern Abweichungen in der Anordnung
       bei einem Sterbefall im fortgeschrittenen        Todesursachenstatistik vollumfänglich           und Bezeichnung der Felder und der
       Lebensalter bspw. ausgeblendet.)                 berücksichtigt werden. Falls Obduk-             Formulierung von Hinweisen gibt, was
          Dieses Formular könnte bspw. für ap-          tionsergebnisse oder Rückfragen zur             für ausfüllende Ärztinnen und Ärzte an
       probierte Ärztinnen und Ärzte in einem           Leichenschau zu Änderungen führen,              Bundeslandgrenzen zusätzliche Verwir-
       eTB-Portal abrufbar sein, das als Teil der       wird im System eine korrigierte To-             rung schafft und damit eine Fehlerquelle
       Bürgerportale im Rahmen der Digitali-            desbescheinigung erstellt, die dann bei         für die Statistik darstellt. Die Vereinba-
       sierungsstrategie für die öffentliche Ver-        Fallabschluss an das zuständige statisti-       rung eines bundeseinheitlichen Daten-
       waltung bis Ende 2022 aufgebaut wird.            sche Amt und ggf. weitere Empfänger             satzes bedarf der genauen Prüfung der
       Neben einer möglichen Einbindung im              übermittelt wird.                               bestehenden Todesbescheinigungen und
       Praxis- oder Krankenhausinformations-                Standesämter würden ebenfalls von ei-       einer inhaltlichen Diskussion zur Festle-
       system wäre es auch über mobile End-             nem eTB-Portal profitieren: Unmittelbar          gung, welche Felder bundesweit zusätz-
       geräte erreichbar. Unabhängig davon, in          nach Eingang im eTB-Portal werden die           lich zu den von der WHO vorgegebenen
       welcher Softwareumgebung oder in wel-            nichtvertraulichen Angaben der Todes-           Feldern benötigt und erhoben werden
       chem Bundesland das eTB-Formular auf-            bescheinigung elektronisch weitergelei-         sollen. Hierbei sollten nicht nur die be-
       gerufen werden wird, sind die angezeig-          tet und sind dort für die Beurkundung           stehenden Felder geprüft und hinterfragt
       ten Eingabefelder gleichartig aufgebaut          des Sterbefalls verfügbar.                      werden, sondern auch direkt die Not-
       und angeordnet. Die Eingabemaske ist                 Als letzte Instanz für die Erstellung der   wendigkeit von bundeseinheitlich neu-
       benutzerfreundlich und zeigt grobe Feh-          Todesursachenstatistik ist für die statis-      en Feldern überprüft werden, die bspw.
       ler bereits bei der Eingabe an (bspw.            tischen Ämter auf Landesebene ein kom-          eine Verbesserung der Aussagekraft der
       fehlende Angabe zur Todesart). Soweit            pletter elektronischer Datensatz verfüg-        Todesursachenstatistik mit sich bringen
       verfügbar und datenschutzkonform sind            bar, der direkt mit Iris codiert werden         könnten oder anderen Anforderungen,
       vorhandene Angaben im Formular durch             kann. Bestehen Rückfragen zu den An-            wie bspw. der Meldepflicht von bestimm-
       einfachen Import eines Datensatzes aus           gaben auf dem Schein, kann über das             ten infektiösen Erkrankungen, gerecht
       anderen Systemen ergänzbar (bspw. An-            eTB-Portal eine anonymisierte Anfrage           werden. Diese Festlegung muss früh in
       gaben zum Aussteller oder zum Verstor-           an das Gesundheitsamt gestellt werden,          der Pilotierung erfolgen, da sie Auswir-
       benen aus einer Patientenakte). Bei Be-          das diese dann an die leichenschauen-           kung auf die technische Umsetzung und
       darf kann das Formular in einer bundes-          de Ärztin oder den Arzt zur Klärung der         die Auswertung hat.
       weit einheitlichen Form inkl. QR-Code            Angaben weiterleiten kann. Dies ist beim
       zum Verbleib bei der Leiche ausgedruckt          bisherigen Datenfluss nur sehr mühsam            Pilotierung der eTB
       werden.                                          möglich, auch wenn von der WHO die
          Ärztinnen und Ärzte im Gesundheits-           Rückfrage beim Leichenschauer bei un-           Der bundesweiten Einführung einer eTB
       amt erhalten die Todesbescheinigungen            klaren Angaben gefordert wird.                  sollte eine Pilotierungsphase vorange-
       in elektronischer Form. Über die Ver-                                                            hen, um die Auswirkungen, Hürden
       waltungssoftware des Gesundheitsamtes            Erarbeiten eines                                und auch die Chancen umfassend zu
       sind diese nach Eingang abrufbar und             bundeseinheitlichen                             betrachten. Für eine Pilotierung ist es
       können dort geprüft werden. Rückfragen           Datensatzes                                     wichtig, unterschiedliche Pilotregionen
       an den Aussteller oder die Ausstellerin                                                          aus unterschiedlichen Bundesländern
       können an das angezeigte eTB-Formular            Die Vorgaben der WHO zur Erhebung               zu beteiligen, da dadurch das Poten-
       angehängt werden. Der leichenschau-              derTodesursachenstatistikhabensichge-           zial einer Vereinheitlichung betrachtet
       ende Arzt oder die Ärztin erhält dann            ändert. Seit 2016 gilt eine deutlich diffe-      werden kann. Mögliche Hürden, die
       eine Benachrichtigung aus dem eTB-               renziertere Vorgabe des entsprechenden          durch unterschiedliche Regelungen in
       Portal und kann nach Anmeldung ggf.              Formularteils für die inhaltliche Erhe-         den Bundesländern bestehen, können so
       zusätzliche klärende Angaben machen.             bung der Todesursachen ([2]; . Abb. 1).         aufgedeckt und entsprechende Lösungs-
       Im Hintergrund wird der nichtvertrau-               Die bestehenden Formulare der Bun-           wege entwickelt werden.
       liche Teil der Todesbescheinigung auto-          desländer erfüllen diese Vorgaben aktuell          Dabei sollte auch die IT-Infrastruk-
       matisch an das zuständige Standesamt             nichtinvollem Umfang. Insbesondere die          tur für die eTB aufgebaut und getes-
       weitergeleitet. Der Bearbeitungsstatus           Vorgabe von vier Zeilen im Teil 1, dem          tet werden. Hierfür soll die Dynamik
       des Sterbefalls ist jederzeit für entspre-       Teil zur kausalen Abfolge der zum Tode          des Online-Zugangsgesetzes (OZG) aus
       chend zugangsberechtigte Bearbeiter              führenden Krankheiten, wird in den we-          dem Jahre 2017 genutzt werden: Bund
       sichtbar: Wurde die Beurkundung durch            nigsten Bundesländern umgesetzt. Dies           und Länder haben sich gesetzlich ver-
       das zuständige Standesamt durchgeführt           kann in der statistischen Auswertung ei-        pflichtet, 575 Verwaltungsleistungen bis

1494    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 12 · 2019
Zusammenfassung · Abstract

  Bundesgesundheitsbl 2019 · 62:1493–1499           https://doi.org/10.1007/s00103-019-03055-0
  © Der/die Autor(en) 2019

  O. Eckert · L. Kühl · U. Vogel · S. Weber

  Entwicklung einer elektronischen Todesbescheinigung für Deutschland
  Zusammenfassung
  Das Ausstellen von Todesbescheinigungen               geltenden Dokumentationsanforderungen            papierbasierten Verfahren analysiert werden.
  durch Ärztinnen und Ärzte sowie die                   der Weltgesundheitsorganisation (WHO)            Erstmals soll in Deutschland eine multikausale
  Weiterbearbeitung durch Gesundheitsämter,             vollständig in Deutschland umsetzen wird,        Todesursachenstatistik konzipiert werden,
  Standesämter, statistische Ämter auf Landes-          soll die elektronische Todesbescheinigung        die bei einer alternden Gesellschaft und
  ebene und weitere Behörden erfolgen heute             in Pilotregionen entwickelt und getestet         multimorbiden Patienten von hoher Relevanz
  in einem gesetzlich geregelten Verfahren,             werden. Dabei sollen Synergieeffekte genutzt      für die Gesundheitspolitik und -forschung sein
  das papierbasiert ist und zwischen den                werden, die sich aus der fortschreitenden        kann.
  Bundesländern variiert.                               Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung       Die Erfahrungen der Pilotierung der eTB
  In diesem Beitrag wird das Konzept                    und des Gesundheitswesens ergeben.               könnten für eine spätere bundesweite
  einer bundeseinheitlichen elektronischen              Die in der Testphase erhobenen Daten sollen      Umsetzung genutzt werden.
  Todesbescheinigung (eTB) skizziert, das eine          mit dem elektronischen Codiersystem Iris
  digitale Verarbeitungskette beinhaltet und            bearbeitet werden. Effekte auf die Daten-         Schlüsselwörter
  eine zeitnahe und qualitativ verbesserte              qualität der Todesursachenstatistik sollen im    Harmonisierung der deutschen Todesbe-
  Todesursachenstatistik ermöglichen soll.              Rahmen von multikausalen Auswertungen            scheinigungen · Onlinezugangsgesetz ·
  Ausgehend von einem bundeseinheitlichen               und vergleichenden Untersuchungen zu inter-      Dokumentationsqualität · Multikausale
  Formular, das erstmals die seit 2016                  nationalen Ergebnissen und zum bisherigen        Todesursachen · Todesursachenstatistik

  Development of an electronic death certificate for Germany
  Abstract
  The certification of causes of death by                developed and tested in different regions.        order to visualize effects of the aging and
  physicians as well as further processing              Synergies resulting from digitalization of       multimorbid population in national mortality
  by local health offices, registrar’s offices,             the public administration and of the health      statistics for consideration by healthcare
  statistical offices, and other public authorities       system will be harnessed.                        politics and research.
  are conducted in a paper-based way and                Data collected electronically in the testing     Results and lessons learned from the pilot can
  regulated individually by the laws of the             phase will be processed with the electronic      serve as the basis for national implementation
  different states of Germany.                           coding system Iris. Effects on data quality       of an electronic death certificate in Germany.
  The concept of a nationally standardized              of national mortality statistics will be
  electronic death certificate (eTB), enabling           investigated through multicausal analysis,       Keywords
  a digitalized processing chain and timely and         which will be compared to results from other     Harmonization of German death certificates ·
  improved mortality statistic, is presented.           countries, and through comparisons with data     Law for the Improvement of Online Access
  Starting with a nationally agreed upon                from the existing paper-based process. For       to Administration Services · Quality of
  data set, aligned with WHO requirements,              the first time, a national multicausal analysis   documentation · Multiple causes of death ·
  an electronic death certificate pilot will be          of causes of death will be conceptualized in     Cause-of-death statistics

2022 elektronisch über Verwaltungspor-                 scheinigungen unterstützen, der vom               Voraussetzungen erfüllt sind, könnten
tale (sogenannte Bürgerportale) anzubie-               Gesundheitsamt koordiniert wird. Er-              ggf. weitere IT-Schnittstellen in das eTB-
ten [9]. Die Entgegennahme einer Todes-                forderlich sind bidirektionale Kommu-             Portal integriert werden (bspw. Angaben
bescheinigung und deren anschließende                  nikationsschnittstellen zur Standesamts-          der Polizei zum Unfallhergang).
Registrierung durch die zuständige Ver-                software, deren Funktionalitäten und                 Im Rahmen der Pilotierung soll ein
waltung sind ein Bestandteil der zu digi-              Schnittstellen bereits heute bundesein-           Auswertungskonzept entwickelt werden,
talisierenden Verwaltungsleistung „Ster-               heitlich spezifiziert sind [10]. Einige            um den Effekt eines vollständig elektro-
beurkunde“.                                            Basisfunktionen des eTB-Portals (ins-             nischen Verfahrens auf die Datenqualität
    Hauptkomponente der IT-Infrastruk-                 besondere die Schnittstelle zu den lei-           messen zu können. Die bei der Eingabe
tur einer Pilotregion soll ein eTB-Portal              chenschauenden Ärztinnen und Ärzten)              stattfindende Plausibilisierung soll ana-
sein, das vom zuständigen kommunalen                   sind bereits Teil der OZG-Agenda. Die             lysiert werden: Hindert sie den Leichen-
Rechenzentrum im Auftrag des Gesund-                   beabsichtigte Digitalisierung und Qua-            schauer bei der Eingabe von komplexen
heitsamtes betrieben wird. Es soll den in              litätsverbesserung unter Einbeziehung             Fällen, bedingt sie gar eine Verschiebung
Abschnitt „Anwendung und Funktion                      mehrerer Behörden bis hin zur elek-               zu Standarddiagnosen oder erreicht sie
der elektronischen Todesbescheinigung                  tronischen Datenübermittlung an die               das gewünschte Ziel einer präzisen und
(eTB)“ dargestellten Arbeitsablauf der                 Statistik übersteigen die Anforderungen           genauen Angabe zur Leichenschau? Wei-
Erfassung und Prüfung von Todesbe-                     des OZG deutlich. Falls die rechtlichen           terhin sollen die uni- und multikausa-

                                                                         Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 12 · 2019      1495
Leitthema

                                                                                                                      Abb. 1 9 Vorgaben der
                                                                                                                      Weltgesundheitsorganisa-
                                                                                                                      tion (WHO) zu den Daten-
                                                                                                                      feldern und Abschnitten
                                                                                                                      einer Todesbescheinigung,
                                                                                                                      die für die Erhebung einer
                                                                                                                      international vergleichba-
                                                                                                                      ren Todesursachenstatistik
                                                                                                                      erforderlich sind [2]

       len ICD-10-codierten Datensätze analy-           entwickelt werden, die auf den multikau-        Neben der Stratifizierung nach der Er-
       siert werden, die von den an der Pilo-           salen Datensätzen basieren. Angestrebt       hebungsart (Pilottest der eTB vs. papier-
       tierung teilnehmenden statistischen Äm-          wird auch ein Vergleich der multikau-        basiertes Verfahren) sollen weitere rele-
       tern mit Iris generiert werden. Zusätz-          salen Auswertungen aus den Pilotregio-       vante Einflussgrößen dokumentiert und
       lich zu etablierten Indikatoren für die          nen zu vergleichbaren Analysen anderer       ausgewertet werden. Nicht zuletzt soll
       Datenqualität der amtlichen unikausalen          Länder weltweit, um die Pilotergebnisse      das Auswertungskonzept die Mindest-
       Todesursachenstatistik (bspw. die Rate           auf ihre Aussagekraft und Plausibilität zu   zahl der elektronisch zu erfassenden To-
       schlecht definierter Todesursachen nach           überprüfen.                                  desbescheinigungen pro Pilotregion spe-
       WHO [11]) sollen weitere Kennzahlen                                                           zifizieren.

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Nach Verfügbarkeit der IT-Infra-         gefasst werden können, kann eine soli-           amtlichen unikausalen Todesursachen-
struktur bei den Beteiligten (ärztliche     dere Basis für die Präventions- und Ver-         statistik minimiert und zugleich multi-
Einrichtungen, Gesundheitsämter, Stan-      sorgungsplanung erfolgen.                        kausale Datensätze generiert werden [13,
desämter und statistische Ämter) sollen                                                      14].
die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte       Datenqualität
der Pilotregionen innerhalb des Test-                                                        Multikausale Auswertung
zeitraums Todesbescheinigungen elek-        Das Problem der schlechten Lesbarkeit
tronisch erfassen und an das eTB-Portal     von Einträgen und die Fehlerquelle des           Hinzu kommt die deutlich erweiter-
beim Gesundheitsamt übermitteln. Auf        Befüllens der falschen Felder in den             te Auswertbarkeit der Todesursachen
der Verwaltungsseite soll die Weiter-       Papierformularen sind schon länger be-           durch multikausale Analysen. Wenn alle
verarbeitung mindestens bei folgenden       kannt, lassen sich aber aufgrund der             auf dem Schein vorhandenen Angaben
Prozessen elektronisch erfolgen:            heterogenen Ausfüllsituationen selbst            (Teil 1 und 2 der Bescheinigung und
4 automatische Weiterleitung des            durch umfangreiche Schulungen nur be-            weitere Angaben z. B. zum Unfallge-
   nichtvertraulichen Teils des eTB-        dingt beheben, zudem diese regelmäßig            schehen) zusammen in die Auswertung
   Dokumentes vom Gesundheitsamt            wiederholt werden müssten. Hier kann             einfließen und neben dem Grundleiden
   an das Standesamt direkt nach der        die elektronische Erfassung neben der            auch weitere Einflussfaktoren des Ster-
   Meldung,                                 besseren Lesbarkeit auch Hilfestellung           befalls ausgewertet werden, so kann die
4 Rückübermittlung der Beurkun-             in der Ausfüllsituation bieten, wenn             Komplexität der zum Tode führenden
   dungsdaten vom Standesamt an das         entsprechende Erklärungen bei Bedarf             Krankheitslast der Bevölkerung besser
   Gesundheitsamt nach Beurkundung,         angezeigt und Eingaben direkt plausi-            analysiert werden.
4 Übermittlung des eTB-Dokumentes           bilisiert werden können [12]. Dennoch               Die multikausale Auswertung von To-
   vom Gesundheitsamt an das Statisti-      werden bestimmte Aspekte, die aktuell            desursachen ist bereits heute in vielen
   sche Landesamt nach Fallabschluss.       die eingeschränkte Qualität und Feh-             Ländern ein wichtiges Instrument zur
                                            lerrate in der Todesursachenstatistik            Todesursachenforschung. Ein Beispiel ist
Zusätzlich sollten entsprechend dem         bedingen, nicht ausschließlich durch die         die zunehmende Multimorbidität im ho-
Auswertungskonzept weitere qualitätsre-     Einführung einer eTB behoben werden              hen Alter, die durch die Auswahl einer
levante Prozessparameter dokumentiert       können. So ist zusätzlich eine ständige          einzelnen Todesursache als Grundleiden
werden. Beispielsweise sind folgende        Aus- und Weiterbildung der Leichen-              in der Statistik nicht adäquat abgebildet
Abfragen denkbar:                           schauenden nötig [3–5].                          werden kann. Wenn Personen an den
4 Erfolgte eine kriminalpolizeiliche                                                         Folgen eines Diabetes mellitus verster-
   Ermittlung?                              Flächendeckende elektronische                    ben, möchte man gerne zusätzlich wis-
4 Wurde eine Obduktion veranlasst?          Codierung                                        sen, welche Manifestationen des Diabe-
4 Fand eine zweite Leichenschau wegen                                                        tes häufig zum Tod beigetragen haben,
   Feuerbestattung statt?                   Die Einführung eines neuen digitalisier-         um diesen besser vorbeugen zu können.
4 Ergänzte oder korrigierte das Ge-         ten Datenflusses der ausgestellten Todes-         Bei Auswertungen zu dieser Thematik
   sundheitsamt die medizinischen           bescheinigungen eröffnet neue Möglich-            konnte der Mehrwert einer multikausa-
   Angaben des eTB-Dokumentes,              keiten für die Statistik, das Meldewesen         len Auswertung deutlich hervorgehoben
   um bspw. Obduktionsergebnisse zu         und die Forschung. So ist bspw. mit der          werden [15, 16].
   berücksichtigen?                         heutigen papierbasierten Erfassung eine
                                            multikausale Auswertung nur mühsam               Einbeziehung der Akteure und
Wenn möglich soll dann untersucht wer-      möglich. Erst die nachträgliche Übertra-         Harmonisierung
den, welchen Einfluss diese Informatio-      gung der Inhalte durch Gesundheitsäm-
nen auf die Aussagekraft der finalen Da-     ter oder statistische Ämter in elektroni-        Die Anforderungen an die Leichen-
ten haben.                                  sche Systeme ermöglicht zurzeit die Aus-         schauärztinnen und -ärzte sowie an die
                                            wertungen. Für die vollumfängliche An-           zuständigen Behörden (Standesamt, Ge-
Diskussion                                  wendung des elektronischen Codiersys-            sundheitsamt, statistisches Amt) müssen
                                            tems Iris ist aktuell ebenfalls eine elektro-    zwingend in die Konzeption der eTB ein-
Die Digitalisierung in der öffentlichen      nische Nacherfassung der papierbasier-           bezogen werden. Neben einer methodi-
Verwaltung und im Gesundheitswesenist       ten Todesbescheinigungen nötig. Daher            schen Verbesserung (bspw. Einführung
für den Bereich der Todesursachenstatis-    beschreiten nicht alle Bundesländer die-         einer anonymisierten Rückfrage beim
tik eine Notwendigkeit und Chance: Aus      sen aufwendigen Weg. Iris, als wichtiges         Gesundheitsamt und bei den Ärztinnen
den erhobenen Daten kann durch Qua-         Werkzeug zur international vergleichba-          und Ärzten) kann Informationsmaterial
litätsverbesserung bei der Erfassung eine   ren Auswertung der Todesursachen, soll           zum Zeitpunkt des Ausfüllens innerhalb
deutlich bessere Auswertungsgrundlage       auch in Deutschland perspektivisch flä-           des Portals die Qualität der Dokumen-
geschaffen werden. Basierend auf Ana-        chendeckend zur Anwendung kommen.                tation verbessern.
lysen, die zeitnaher erfolgen und weiter    Dadurch können Fehlcodierungen in der

                                                              Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 12 · 2019   1497
Leitthema

           Durch eine gemeinsame Festlegung             ermöglicht. Zusätzlich müssten geeigne-      einer bundeseinheitlichen Dokumentati-
       eines bundeseinheitlichen Datensatzes            te Anreize für teilnehmende Ärztinnen        on, die zeitnah zusammengeführt wird,
       für die Pilotierung kann ein Modell              und Ärzte und Krankenhäuser gesetzt          wird der Aufbau eines Mortalitätsregis-
       getestet werden, das im Nachgang bei             werden. Unbedingt sollte eine Dop-           ters für Deutschland sinnvoll sein [22].
       Nachweis der Eignung in die Routine              peldokumentation (Ausfüllen des eTB-         Dieser zweite Schritt sollte im Rahmen
       übernommen werden kann. Bisherige                Formulars und der papierbasierten ge-        eines nationalen Registerkonzepts erfol-
       Versuche einer Festlegung eines bun-             setzlichen Todesbescheinigung) in der        gen, das auch die datenschutzkonforme
       deseinheitlichen Datensatzes sind nicht          Pilotphase vermieden werden. Daher           Verknüpfung mit anderen Registern auf
       erfolgreich gewesen. Durch bundes-               muss die Pilotphase mit den zuständigen      einer neuen Rechtsgrundlage ermöglicht
       landspezifische Anforderungen, die sich           Landesbehörden im Vorfeld abgestimmt         [23]. Dann könnten künftig erweiterte
       z. B. aus Fehlern in der Erkennung von           werden.                                      Aussagen zur Krankheitslast in Deutsch-
       nichtnatürlichen Todesfällen oder aus                                                         land ermittelt und die Qualität der Ge-
       unterschiedlichen Datenschutzregelun-            Internationale Erfahrungen:                  sundheitsversorgung untersucht werden.
       gen oder Datenflüssen ergeben, sind               Mögliche Effekte auf die
       über die Jahre immer mehr Abwei-                 Todesursachenstatistik                       Korrespondenzadresse
       chungen in den Scheinen eingeführt
                                                                                                     Dr. rer. biol. hum. Olaf Eckert
       worden. Diese besonderen Anforde-                Durch die Umsetzung können sich Än-
                                                                                                     Referat H101 Gesundheitsstatistiken,
       rungen müssen berücksichtigt werden,             derungen in der Statistik für Deutschland    Statistisches Bundesamt
       denn die Einführung eines bundesein-             ergeben, die im Rahmen der Pilotierung       Graurheindorfer Straße 198, 53117 Bonn,
       heitlichen Datensatzes darf nicht zu             untersucht werden sollten. So besteht        Deutschland
       einer Reduktion der Aussagekraft der             bspw. bei der Umstellung des Abschnit-       olaf.eckert@destatis.de
       Todesbescheinigung führen. Durch die             tes 1 der Todesbescheinigung von drei
       Einbeziehung verschiedener Regionen              auf vier Zeilen die Möglichkeit, dass
       in den Test soll dann die Übertragbar-           mehr chronische Erkrankungen in der          Einhaltung ethischer Richtlinien
       keit auf ganz Deutschland in der Praxis          unikausalen Todesursachenstatistik aus-
       simuliert werden.                                gewiesen werden. Dieser Effekt kann           Interessenkonflikt. O. Eckert, L. Kühl, U. Vogel und
                                                        aber durch den Vergleich mit den Statis-     S. Weber geben an, dass kein Interessenkonflikt be-
                                                        tiken derjenigen Länder erklärt werden,      steht.
       Herausforderungen beim Aufbau
       einer IT-Infrastruktur                           welche schon länger den Standard der         Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine
                                                        WHO-Todesbescheinigung umgesetzt             Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.
       Im Rahmen der Umsetzung des Online-              haben. Durch die Vorgabe der WHO             Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort
                                                                                                     angegebenen ethischen Richtlinien.
       Zugangsgesetzes [9] sollen die benötigten        von 4 Zeilen in Teil 1 ist in den Ländern,
       Synergien genutzt werden, um die Mel-            die dem WHO-Standard folgen, eine            Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative
       dekette zu verbessern und den Datenfluss          vergleichbare Rate an chronischen Er-        Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
                                                                                                     (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.
       zu standardisieren. Trotzdem ist der be-         krankungen zu beobachten. Zusätzlich         de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfäl-
       absichtigte Aufbau der IT-Infrastruktur          kann man von den Erfahrungen anderer         tigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe
       für einen Pilottest ambitioniert. Daher          Länder lernen, wie bspw. von Portu-          in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern
                                                                                                     Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle
       werdenmöglicherweise nurwenige Pilot-            gal [17] oder Frankreich [18], die im        ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Com-
       regionen die Mindestanforderungen für            europäischen Umfeld unter ähnlichen          mons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen
       eine Teilnahme an der eTB-Pilotierung            datenschutzrechtlichen Gegebenheiten         vorgenommen wurden.
       erfüllen. Beispielsweise könnte es für Ge-       erfassen, oder auch von den USA, die ei-
       sundheitsämter aus Ländern, die bereits          ne elektronische Todesbescheinigung in       Literatur
       heute Mortalitätsdaten von den Standes-          einem Land mit 50 Bundesstaaten über
       ämtern elektronisch erhalten und an das          gemeinsame inhaltliche und technische         1. Statistisches Bundesamt (2019) Todes-
                                                                                                         ursachen. https://www.destatis.de/DE/
       zuständige Landesamt weiterleiten, ein-          Spezifikationen realisiert haben [19].            Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/
       facher und kostengünstiger sein, die IT-         Durch die nationale Bereitstellung von           Todesursachen/_inhalt.html. Zugegriffen: 30. Juli
       Infrastruktur für die Pilotierung bereit-        multikausalen Daten für wissenschaftli-          2019
                                                                                                      2. DIMDI (2019) ICD-10-WHO Version 2019.
       zustellen als für solche, die noch vollstän-     che Zwecke [20] können dort spezifische           https://www.dimdi.de/dynamic/.downloads/
       dig papierbasiert arbeiten. Auch haben           Auswertungen je nach Forschungsfragen            klassifikationen/icd-10-who/version2019/
       Bundesländer und Regionen einen Vor-             gemacht werden [21].                             icd10who2019regel-pdf.zip. Zugegriffen: 11. Juni
                                                                                                         2019
       teil, die über funktionierende und leicht           Schlussendlich ist die bundeseinheit-      3. Zack F, Kaden A, Riepenhausen S, Rentsch D,
       zu erweiternde Bürgerportale verfügen.           liche elektronische Todesbescheinigung           Kegler R, Büttner A (2017) Fehler bei der Aus-
           In jedem Fall wird eine Anschubfi-            ein wichtiger Schritt zu einem schon lan-        stellung der Todesbescheinigung. Rechtsmedizin
                                                                                                         27(6):516–527
       nanzierung erforderlich sein, die den            ge für Deutschland geforderten Mortali-       4. Rothschild A (2005) Das Kreuz mit der Todesbe-
       Akteuren der Pilotregionen den Auf-              tätsregister: Erst nach einer verbesserten       scheinigung: Welche Todesart ist richtig? Bayer
       bau der benötigten IT-Infrastruktur              Todesfallerfassung und der Einführung            Ärztebl 11/2005:754–756

1498    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 12 · 2019
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    Leichenschau im Notarztdienst in Deutschland.               Disparities in sepsis mortality by region, urbani-
    Notarzt 31:39–46                                            zation, and race in the USA: a multiple cause of
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